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TEILDOKUMENT:
II. Die Verträge von Maastricht Die wichtigsten Bestimmungen in den Beschlüssen von Maastricht lauten:
Darüber hinaus wurde beschlossen, daß Verhandlungen mit beitrittswilligen Ländern 1992 beginnen können, sobald die Finanzierung der EG für die nächsten Jahre (Delors-II-Paket) geregelt ist.
l. Die Europäische Währungsunion
Im Vordergrund der Beschlüsse von Maastricht stand zweifellos die Entscheidung, spätestens 1999 eine Europäische Währungsunion mit einer gemeinsamen EG-Währung zu gründen. Hierzu wurden folgende Vereinbarungen getroffen: a) Der Zeitplan für die Entstehung der Europäischen Währungsunion Die erste Stufe der Europäischen Währungsunion hat im Grunde schon begonnen. Seit Mitte 1990 sind auf europäischer Ebene Vereinbarungen in Kraft, die eine weitere Verbesserung der wirtschaftlichen Konvergenz sowie eine verstärkte geldpolitische Zusammenarbeit zwischen den Notenbanken der Mitgliedsländer vorsehen. Diese Koordinationsaufgabe wird vom Ausschuß der EG-Zentralbankpräsidenten wahrgenommen. [Seite der Druckausgabe: 3] Die zweite Stufe, die am l. Januar 1994 beginnen soll, dient der verstärkten Koordinierung der Geld- und Finanzpolitik. Ziel ist es, die monetäre und finanzpolitische Konvergenz unter den Mitgliedstaaten voranzutreiben. Zu diesem Zweck sollen die Mitgliedstaaten - wenn nötig - "mehrjährige Programme festlegen, die die für die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion notwendige dauerhafte Konvergenz, insbesondere hinsichtlich der Preisstabilität und gesunder öffentlicher Finanzen, gewährleisten sollen." Insbesondere sollen übermäßige öffentliche Defizite vermieden werden. Darüber hinaus sollen in dieser Phase die übrigen Voraussetzungen für den Übergang in die dritte und letzte Stufe der Währungsunion geschaffen werden. Dazu gehört vor allem die Herstellung der Unabhängigkeit der heute in der überwiegenden Mehrzahl der EG-Länder noch von den jeweiligen Regierungen abhängigen nationalen Notenbanken. Dazu rechnet aber auch die Inkraftsetzung des Verbots der Kreditgewährung der Notenbanken an den Staat. Die zweite Stufe beinhaltet auch institutionelle Änderungen. Gewissermaßen als Vorläufer der europäischen Zentralbank soll Anfang 1994 das Europäische Währungsinstitut (EWI) eingerichtet werden, das von einem Präsidenten und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken geleitet und verwaltet wird. Der Ausschuß der Präsidenten der Zentralbanken wird aufgelöst, ebenso der Europäische Fonds für Währungspolitische Zusammenarbeit. Die Aufgaben dieser beiden Institutionen werden auf das EWI übertragen, das damit folgende Funktionen zu erfüllen hat:
Außer der Förderung der geldpolitischen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten ist das EWI aber auch für die Vorbereitung der Endstufe der Währungsunion zuständig. In diesem Zusammenhang hat es die Aufgabe,
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Bis zum 31. Dezember 1996 soll das EWI den Rahmen festlegen, den das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) zur Erfüllung seiner Aufgaben in der dritten Stufe benötigt. Das Europäische Währungsinstitut soll also ein Instrument zur Koordination der Geldpolitiken der Mitgliedstaaten sein und darüber hinaus die organisatorische und technische Vorbereitung der Endstufe der Währungsunion übernehmen. Zwar kann das EWI bei Gefährdung der Geldwertstabilität Empfehlungen an nationale Notenbanken und Regierungen richten, die geldpolitische Verantwortung verbleibt jedoch vollständig bei den nationalen Instanzen. Auch sind Änderungen der Wechselkurse im Rahmen des Europäischen Währungssystems bis zum Beginn der dritten Stufe (d.h. nicht vor 1997) noch möglich. Mit Beginn der dritten Stufe geht die geldpolitische Verantwortung an das Europäische System der Zentralbanken über. Der Wert der nunmehr eigenständigen Währung ECU wird unwiderruflich festgesetzt, die Austauschparitäten endgültig fixiert. Für die Teilnahme an der Endstufe der Währungsunion ist maßgebend, daß die betreffenden Mitgliedsländer die sogenannten Konvergenzbedingungen erfüllen. Sie beinhalten im einzelnen:
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Neben diesen Konvergenzkriterien sind auch die Entwicklung der ECU, der Stand und die Entwicklung der Integration der Märkte und der Leistungsbilanzen sowie die Lohnstückkostenentwicklung und andere Preisindizes zu berücksichtigen. Spätestens am 31. Dezember 1996 entscheidet der Rat, d. h. die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer mit qualifizierter Mehrheit
Wenn bis Ende 1997 der Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe nicht festgelegt worden ist, beginnt diese automatisch am l. Januar 1999. Der Rat bestätigt vor dem l. Juli 1998 mit qualifizierter Mehrheit, welche Mitgliedstaaten die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen. b) Das System der Europäischen Zentralbanken Das vorrangige Ziel der europäischen Geldpolitik ist es, die Preisstabilität in der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Daneben soll die allgemeine Wirtschaftspolitik unter Beachtung des Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb unterstützt werden. Nach Verwirklichung der Währungsunion obliegt die Aufgabe einer einheitlichen Geld- und Wechselkurspolitik dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB). Das ESZB besteht aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Zentralbanken. Die Mitglieder des ESZB sind unabhängig. Das heißt sie dürfen weder Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen, noch dürfen die genannten Institutionen sie zu beeinflussen versuchen. Die grundlegenden Aufgaben des ESZB bestehen darin,
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Die wesentlichen geldpolitischen Entscheidungen der Gemeinschaft werden vom Rat der Europäischen Zentralbank getroffen. Ihm gehören die Mitglieder des Direktoriums der EZB und die Präsidenten der nationalen Zentralbanken an. Das Direktorium besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern. Sie werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten, auf Empfehlung des Rates (unter Anhörung des EZB-Rates und des Europäischen Parlaments) aus dem Kreis fachlich anerkannter Persönlichkeiten ausgewählt. Ihre Amtszeit beträgt 8 Jahre, eine Wiederernennung ist nicht zulässig. Die EZB wir bei allen Vorschlägen von Rechtsakten, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, von den europäischen und nationalen Instanzen konsultiert. Darüber hinaus kann sie Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft und der Mitgliedsstaaten Stellungnahmen zu in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Fragen abgeben. Über ihre Tätigkeit muß die EZB jedes Jahr einen Bericht vorlegen, der dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission sowie dem Europäischen Rat zugeleitet wird. c) Währungspolitische Befugnisse des Rates Entsprechend den Vereinbarungen von Maastricht kann der Rat einstimmig förmliche Vereinbarungen über ein Wechelskurssystem für die ECU gegenüber Drittlandswährungen treffen. Besteht gegenüber einer Drittlandwährung kein Wechselkurssystem kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik gegenüber diesen Währungen aufstellen. Zuständig ist der Rat auch, wenn die Gemeinschaft mit anderen Staaten oder Organisationen Vereinbarungen zu Währungsfragen oder Devisenregelungen schließt. d) Die Unumkehrbarkeit des Automatismus Wie erwähnt wird am l. Januar 1999 auf jeden Fall der Übergang in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion vollzogen, unabhängig davon ob eine Mehrheit der Mitgliedsländer die Eingangskriterien erfüllt und einen Beitritt zur Währungsunion wünscht. Der unbedingte Wille zu diesem Automatismus wird mit Vehemenz im Maastrichter Vertrag betont. Dort heißt es im Protokoll über den Übergang zur dritten Stufe : "Die Hohen Vertragsparteien erklären mit der Unterzeichnung der neuen Vertragsbestimmungen über die Wirtschafts- und Währungsunion die Unumkehrbarkeit des Übergangs der Gemeinschaft zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion. Alle Mitgliedstaaten respektieren daher unabhängig davon, ob sie die notwendigen Voraussetzungen für die [Seite der Druckausgabe: 7] Einführung einer einheitlichen Währung erfüllen, den Willen der Gemeinschaft, rasch in die dritte Stufe einzutreten, und daher behindert kein Mitgliedstaat den Eintritt in die dritte Stufe. Falls der Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe Ende 1997 noch nicht festgelegt ist, beschleunigen die betreffenden Mitgliedstaaten, die Gemeinschaftsorgane und die sonstigen beteiligten Gremien im Lauf des Jahres 1998 alle vorbereitenden Arbeiten, damit die Gemeinschaft am l. Januar 1999 unwiderruflich in die dritte Stufe eintreten kann und die EZB und das ESZB zu diesem Zeitpunkt ihre Tätigkeit in vollem Umfang aufnehmen können.
2. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Gemeinschaft
Die im Maastrichter Vertrag festgelegten Vereinbarungen zur Wirtschafts- und Finanzpolitik haben zum Ziel, die Konvergenz der wirtschaftlichen Daten zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern zu stärken. Als Ziele für die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Gemeinschaft wurden festgeschrieben:
Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, eine diesen Zielen entsprechende Wirtschaftspolitik zu verfolgen, die sie außerdem regelmäßig und eng mit den anderen Mitgliedstaaten koordinieren. In diesem Zusammenhang erhält der Rat das Recht, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten zu kontrollieren und gegebenenfalls Empfehlungen auszusprechen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Mitgliedstaaten ist es, übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden. Konkret bedeutet das:
Der Rat ist befugt, die Mitgliedstaaten bei der Einhaltung der Haushaltsdisziplin zu überwachen. Weist ein Mitgliedstaaten eine übermäßige öffentliche Verschuldung auf und ignoriert [Seite der Druckausgabe: 9] er die Empfehlungen des Rates zum Abbau des Defizits, kann der Rat Sanktionen ergreifen, indem er
Die Gemeinschaft haftet nicht für Verbindlichkeiten der Mitgliedsländer. Auch haften Mitgliedstaaten untereinander nicht und treten nicht für die Verbindlichkeiten anderer ein (not-bail-out-Regel). Außerdem ist es den Mitgliedstaaten verboten, sich bei der EZB oder den nationalen Zentralbanken zu verschulden. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999 |