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Waack, Friedrich (1874 - 1950)

Geboren am 11. Oktober 1874 in Lübeck als Sohn eines Arbeiters, verheiratet, evangelisch, später Dissident. Fuhr nach der Volksschule als Schiffskoch zur See. Arbeitete 1890 zeitweise als Hausknecht in Hamburg. Am 20. April 1897 Mitbegründer der freigewerkschaftlichen Lokalorganisation "Verein der Seeleute für Flensburg und Umgebung", die mit 66 Mitgliedern ins Leben trat und sich als dauerhaftes und lebenstüchtiges Gebilde erwies. Trotz eigenen Widerspruchs zum Vorsitzenden gewählt, obgleich er auf dem Dampfschiff "Sexta" als Koch angemustert hatte. Behielt das Amt des Vorsitzenden der freigewerkschaftlich organisierten Flensburger Arbeiter bis 1906. Am 3. Mai 1897 wegen "politischer Wühlerei" entlassen. Bereits einen Tag später von der "Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft" als "Vorhalter" eingestellt. Von Flensburg gingen neben Hamburg die entscheidenden Impulse zur Gründung einer nationalen Seeleuteorganisation aus.

Am 26. Mai 1897 erhielt Waack von seinen Mitgliedern ein Mandat, Verhandlungen mit den übrigen norddeutschen Seemannsvereinen zur Gründung einer zentralen Gewerkschaft aufzunehmen. Delegierter auf dem ersten Seemannskongreß vom 15. bis 18. November 1897 in Hamburg, der mit einer Gegenstimme den "Seemanns-Verband in Deutschland" zum 1. Februar 1898 aus der Taufe hob. Nach seiner Rückkehr wegen seines gewerkschaftlichen Engagements am 27. November 1897 als Werftarbeiter entlassen. Verdiente sich seinen Lebensunterhalt als "Selbständiger", indem er den Effektentransport (persönliches Hab und Gut der Seeleute) der Flensburger Kollegen organisierte. Bekam von allen Flensburger Eignern "Schiffsverbot" wegen gewerkschaftlicher Agitation, was seine "bürgerliche" Existenz letztlich ruinierte. 1898 zusätzlich wegen Beleidigung eines Reeders zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Organisierte am 9. August 1898 den ersten Seemannsstreik in Flensburg. Lebte zeitweise von den Lebensmittelzuwendungen seiner Kollegen. Delegierter auf der 1. Generalversammlung des "Seemanns-Verbands in Deutschland" vom 12. bis 13. Januar 1899 in Hamburg. Vertrat in der Hansestadt rund 600 Flensburger Seeleute (Organisationsgrad ca. 90%). Am 19. Februar 1899 stellte die Flensburger Mitgliedschaft Waack als teilbesoldeten Funktionär ein und nahm ihm einen Teil seiner Existenzsorgen. Als Kommunikationszentrum für die Flensburger Seeleute diente seit dem 1. Oktober 1899 Waacks neueröffnetes Tabak- und Zigarrengeschäft an der Schiffbrücke, das er im September 1901 um eine Verkaufsstelle für Ausrüstungsgegenstände ("Arbeitshemden, wollene Decken, Treyer, Sporthemden" etc.) beträchtlich erweiterte. Sein eigener Vorschlag, 1901 vom Amt des Flensburger Vorsitzenden zurückzutreten, wurde von den Mitgliedern am 26. Februar 1901 einstimmig verworfen.

Delegierter auf der 2. Generalversammlung vom 25. bis 28. Februar 1901 in Hamburg. Im August 1901 bei den Wahlen der Vertreter der Arbeiter im Reichsversicherungsamt für die Versicherten im Seemannsberuf als Stellvertreter des Verbandsvorsitzenden Paul Müller gewählt. In Flensburg gab es - im Gegensatz zu den Hafenstädten der Nordsee - geregelte Beziehungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Die geordneten Konfliktregulierungen bei Streitigkeiten bildete die Basis für eine "gemäßigte" Mitgliedschaft. Auf der 3. Generalversammlung vom 20. bis 23. April 1903 in Hamburg prangerte Waack den aggressiven und polemischen Stil des Verbandsorgans ("Seemann") an. Der Schiffskoch plädierte zugleich für den weiteren Ausbau des Unterstützungswesens des Verbandes. Flensburg galt im Verband als "Vorzeigeverwaltung". Büroorganisation, Auskunftserteilung, Unterstützungseinrichtungen, der "Vorschußfonds", die genossenschaftliche Verwaltung der Spargelder der Seeleute, die Bibliothek und das Obmannsystem hatten vorbildlichen Charakter. Den größten, praktischen Alltagswert für die Arbeiter bedeutete jedoch der 1899 abgeschlossene Tarifvertrag mit den Flensburger Reedern. Im Rahmen dieser Übereinkunft konnten wesentliche Verbesserungen der seemännischen Arbeitssituation durchgesetzt werden, wenn auch die Unternehmer den letzten Schritt (Ignorierung der bestehenden Seemannsordnung) nicht mitmachen wollten. Neben Stettin blieb Flensburg lange Zeit die einzige Stadt, in der die Seemannsorganisation als legitime Interessenvertretung anerkannt wurde. Sein Ruf als "Mann der Taten, nicht der leeren Worte" qualifizierte Waack für höhere Leitungsfunktionen.

Verbandsvorstand und Verbandsausschuß wählten ihn am 8. Juni 1906 einstimmig zum zweiten, besoldeten Funktionär innerhalb des Zentralverbandes. Zum 1. Februar 1907 trat Waack in Hamburg sein neues Amt an; er verwaltete künftig die Hauptkassengeschäfte und übernahm die Expedition des "Seemann". Wahl zum Vorstandsmitglied und besoldeten Kassierer auf dem 5. Verbandstag vom 21. bis 25. Oktober 1907 in Hamburg, Wiederwahl auf dem 6. Verbandstag vom 24. bis 27. Mai 1909 in der Hansestadt ohne förmliches Abstimmungsverfahren. Waack spielte hinter dem charismatisch-dominierenden Verbandsvorsitzenden Paul Müller eine zurückgezogene Rolle. Er legte jedoch die Grundlagen dafür, daß der Verband die Wirtschafts- und Mitgliederkrise des Jahres 1908 heil überstand. Teilnehmer an allen Verhandlungen, die am 12. Mai 1910 in der Vereinigung der Verbände der Hafenarbeiter, Seeleute und Transportarbeiter im "Deutschen Transportarbeiter-Verband" mündeten. Umzug nach Berlin. Übernahm die Leitung der Jugendabteilung des Verbandes. Nach der Novemberrevolution kehrte Waack wieder in seinen alten Wirkungsbereich zurück. Er war maßgeblich am ersten Tarifabschluß am 3. Dezember 1918 beteiligt, der die Lohn- und Arbeitsbedingungen für alle seemännischen Chargen regelte. Verhandlungen mit den organisierten Seeleuten führten Mitte Dezember 1918 zur Rekonstruktion alter Verbandsstrukturen: den organisierten Seeleuten wurde die Errichtung einer eigenen Reichssektion (mit Sitz in Hamburg) zugestanden, gleichzeitig bekam die Sparte wieder ihr altes Organ ("Die Schiffahrt").

Waack verblieb jedoch in Berlin als Verbandsangestellter, um die komplizierten Verhandlungen mit der Reichsregierung zur Verbesserung der rechtlichen Stellung der Seeleute mit Rat zu begleiten. Zur angemessenen Repräsentanz der Seeleute im Verband, wählte der 10. Verbandstag des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" vom 22. bis 27. Juni 1919 in Stuttgart Friedrich Waack als "unbesoldetes Mitglied" in den Vorstand. Eine Konstruktion, die der 11. Verbandstag vom 3. bis 8. September 1922 in Berlin bestätigte. (Neuer Verbandsname ab 1923: "Deutscher Verkehrsbund"). Waack stellte in Berlin das gesamte Material zusammen, das der SPD-Reichstagsfraktion und dem engeren Verbandsvorstand bei den Verhandlungen zur Revision feudalistischer Arbeitsbeziehungen auf deutschen Schiffen diente. Sein Kampf galt in erster Linie der Revision der Seemannsordnung von 1902, vor allem den Paragraphen 34 bis 38. ("Der Schiffsmann ist verpflichtet, in Ansehung des Schiffsdienstes den Anordnungen des Kapitäns, der Schiffsoffiziere und seiner sonstigen Dienstvorgesetzten unweigerlich Gehorsam zu leisten und zu jeder Zeit alle für Schiff und Ladungen ihm übertragenen Arbeiten zu verrichten.") Nahezu alle wichtigen Papiere und Vorschläge zur rechtlichen und materiellen Verbesserung seemännischer Arbeitsbedingungen stammten aus Waacks Feder: der Entwurf des "Deutschen Verkehrsbundes" für die Schaffung eines Reichsschiffahrtsamtes, der Entwurf der SPD-Fraktion im Reichstag für ein "Reichsbemannungsgesetz", Vorschläge zur Verbesserung der Unfallverhütungsvorschriften und die Abänderungsvorschläge für die "Speiserolle" von 1922. 1928 ging der Flensburger Seemann als einer der dienstältesten Verbandsfunktionäre in Pension und lebte als Rentner in Berlin-Oberschöneweide. Friedrich Waack starb am 11. Januar 1950 in Neuenhagen bei Berlin.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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