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Stetter, David (1882 - 1963)

Geboren am 17. Februar 1882 in Wain (Kreis Biberach) als ältestes von neun Kindern eines Schuhmachers, verheiratet. Nach dem Besuch der Volksschule war er bis zu seinem 19. Lebensjahr als Hütejunge im Allgäu und ab 1896 als Bauernknecht in der Landwirtschaft tätig. 1901 Umzug nach Stuttgart zu seiner 4 Jahre jüngeren Schwester Anna, verdingte sich als Haus- und Pferdeknecht in einem Gasthaus, seit dem Frühjahr 1902 bei Fuhrleuten in Haslach und Cannstatt. Sommer 1902 bis 1904 zweijähriger Militärdienst beim 119. Infanterie-Regiment in Ludwigsburg. Nach Beendigung der Militärdienstzeit bis 1906 Arbeit als Telegraphenarbeiter. 1906 Mitglied der SPD, im gleichen Jahr Eintritt in die städtischen Werke Stuttgart als Hilfsmonteur im Gaswerk. Mitglied im "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter". 1906 bis 1912 Vertrauensmann seiner Gewerkschaftsorganisation. 1908 von seinen Kollegen in den Arbeiterausschuß der Gaswerke Stuttgart entsandt; die Generalversammlung wählte ihn im gleichen Jahr zum Delegierten des Stuttgarter Gewerkschaftskartells. 1910 Beisitzer im lokalen Vorstand des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter". 1910 bis 1912 Vorsitzender des Sozialdemokratischen Vereins in Stuttgart. Von 1909 bis 1920 aktives Mitglied im Stuttgarter Arbeitergesangsverein "Lassalia". Der begabte Autodidakt erhielt 1912 das Angebot, als "Hilfsarbeiter" in das Verbandsbüro seiner Gewerkschaft beim Hauptvorstand in Berlin einzutreten, kündigte allerdings nach vier Monaten, da ihn die innerverbandlichen Querelen in der Hauptstadt abstießen. Der 6. Verbandstag vom 2. bis 8. Juni 1912 in München verlegte den Sitz des Verbandsausschusses von Hamburg nach Stuttgart.

Am 21. Juni 1912 auf einer Stuttgarter Mitgliederversammlung in das höchste gewerkschaftliche Kontrollgremium delegiert. Bei einer Neuwahl im Juni 1913 zum Schriftführer des Ausschusses bestimmt.

Im Januar 1913 aus der Mitgliedschaft als Gegenkandidat zum amtierenden Filialvorsitzenden vorgeschlagen, obsiegte knapp in einer Kampfabstimmung um den Vorsitz in einer der wichtigsten Filialen des Reiches (1913: 1.944 Mitglieder). Seit dem 1. Juni 1913 als zweiter besoldeter Funktionär im Ortsbüro Stuttgart hauptamtlich angestellt. Bei den Kommunalwahlen am 1. Dezember 1913 für die SPD in den Gemeinderat Stuttgarts gewählt. Im Januar 1914 einstimmig als Vorsitzender der Filiale bestätigt. Nach dem Verbandstag Wiederwahl in den Verbandsausschuß. Sofort nach Kriegsbeginn im August 1914 zum Heeresdienst eingezogen, diente bis zum Kriegsschluß an der Westfront. Nach Kriegsende Wiedereintritt in die Stuttgarter Filiale. Im April 1919 gelang es dem "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter" unter Stetters Federführung, in Stuttgart den ersten Tarifvertrag abzuschließen. Einen Monat später vereinigte der Gemeindearbeiter bei den Wahlen für das Stuttgarter Gemeindeparlament die meisten Stimmen aller sozialdemokratischer Kandidaten für sich; damit für sechs Jahre gewählt. Delegierter auf dem 8. Verbandstag vom 1. bis 6. September 1919 in Nürnberg, bei den folgenden Ausschußwahlen in der schwäbischen Metropole zum Schriftführer des Ausschusses bestimmt. Im Januar 1920 einer von vier Stellvertretern des Bezirksrates der Stadt Stuttgart.

Im Frühjahr 1920 wechselte Stetter als Angestellter des Ortsbüros Stuttgart in den Dienst des Verbandsvorstandes als "Hilfsgauleiter" für Württemberg über und mußte satzungsgemäß sein Ausschußmandat aufgeben; trat wegen Arbeitsüberlastung zum 1. April 1920 ebenfalls als Gemeinderat zurück. Im November 1920 drehte sich im Hauptvorstand des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" ein größeres Personalkarussel: der 1. Vorsitzende Richard Heckmann trat seine neue Stelle im Gaskohlesyndikat an, Fritz Müntner wurde neuer Vorsitzender und Otto Becker rückte als 2. Vorsitzender nach. Verbandsausschuß und Verbandsvorstand beschlossen, David Stetter als neuen Sekretär in den Verbandsvorstand zu berufen. An Stelle Otto Beckers übernahm er die Betreuung der Staatsarbeiter, die nach faktischem Koalitionsverbot während des Kaiserreiches in die Gewerkschaftsorganisation strömten. Bestätigung als besoldeter Vorstandssekretär im Hauptvorstand auf dem 9. Verbandstag vom 20. bis 26. August 1922 in Magdeburg. Die Nähe der Reichs- und Staatsarbeiter zur Beamtenbewegung war Anlaß, den Schwaben mit der Interessenvertretung der Beamten im Verband zu betrauen (Ende 1922 ca. 8.000 Beamte in der Organisation).

Stetter spielte bei der Gründung des freigewerkschaftlichen "Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes" (ADB) eine zentrale Rolle, nachdem die Verhandlungen des ADGB mit dem "Deutschen Beamtenbund" aus vielerlei Gründen gescheitert waren. Vertreter seiner Organisation auf der Gründungsversammlung des ADB am 18. Juni 1922 in Leipzig. (Sprachrohr für die Beamten des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" seit dem 1. Januar 1923: "Die Beamtengewerkschaft".) Delegierter auf der 1. Bundesausschußtagung des "Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes" vom 9. bis 10. Februar 1923 in Berlin. Vertrat bis zum 1. ordentlichen Bundestag die Beamten seiner Gewerkschaft als Bundesausschußmitglied in der freigewerkschaftlichen "Beamtensäule". Forderte bereits 1924 straff organisierte, zentrale Beamtengewerkschaften, ohne daß seine organisationspolitischen Vorstellungen innerhalb des ADB bis zu seiner Auflösung im April 1933 ernsthaft zur Debatte standen. 1924 Mitbegründer der "Reichsgewerkschaft Deutscher Kommunalbeamter. Bund der Kommunalbeamten-Gewerkschaften im Allgemeinen Deutschen Beamtenbund". Der Arbeitsgemeinschaft, die Stetter nur sehr zögernd gebilligt hatte, gehörten die 1922 ins Leben gerufene "Reichsgewerkschaft Deutscher Kommunalbeamter, Verbandsgruppe 1", der "Bund der technischen Angestellten und Beamten", Fachgruppe Gemeinde- und Kreisverwaltungen, der "Deutsche Werkmeisterverband", Fachgruppe Gemeindebetriebe, der "Verband Deutscher Berufsfeuerwehrmänner", Kommunale Berufsfeuerwehr, und der "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter", Beamtensektion an. Nachdem [1924/1925] der "Bund der technischen Angestellten und Beamten" und der "Deutsche Werkmeisterverband" ausgeschert waren, suchte Stetter in zahlreichen Verhandlungen und als Gast auf den Verbandstagen, die "Reichsgewerkschaft Deutscher Kommunalbeamter, Verbandsgruppe 1" und den "Verband Deutscher Berufsfeuerwehrmänner" für eine Einheitsorganisation der Kommunalbeamten und -angestellten unter dem Dach des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" zu werben. Wahl zum ehrenamtlichen Vorstandsmitglied auf dem 1. Bundeskongreß des "Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes" vom 12. bis 14. Januar 1925 und dem 2. Bundeskongreß vom 12. bis 14. September 1927 (jeweils in Berlin).

Da alle Einigungsversuche mit den befreundeten Beamtengewerkschaften scheiterten, beschloß eine Beamtenkonferenz am 5. September 1926 im Volkshaus zu Düsseldorf, eine eigene Beamtenabteilung einzurichten. Die Konferenz billigte den unter Leitung von David Stetter ausgearbeiteten Satzungsentwurf und den Organisationsnamen "Reichsbund der Beamten und Angestellten in den öffentlichen Betrieben und Verwaltungen (RBA), Mitgliedschaft im Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter". Zum 1. Vorsitzenden der neuen Organisation bestimmt. Auf der 1. Reichsvertretertagung des "RBA" vom 5. bis 6. Oktober 1928 in Stuttgart konnte der Vorsitzende 15.118 Mitglieder mustern. Programmatisch erteilte Stetter der "Vereinsmeierei" der Beamten eine klare Absage. Wer in der deutschen Wirtschaftspolitik eine Änderung im Sinne der Gemeinwirtschaft erreichen wolle, könne dies nur an der Seite der Arbeiterbewegung erreichen. Einkommenspolitisch machte er sich für die unteren Besoldungsgruppen stark und forderte ein Ende obrigkeitsstaatlicher Gängelung der Beamtenschaft. Nach einem deutlichen Niedergang während der Inflationszeit erholte sich auch die zweite von Stetter betreute Reichsabteilung. 1925 waren allerdings nur etwas mehr als 50% der Beschäftigten (= 27.793) aller Reichs- und Staatsarbeiter gewerkschaftlich organisiert. Sozialpolitisch galten Stetters Bemühungen der Einrichtung einer Ruhelohnversorgungskasse, die 1929 für Preußen und einer Reihe anderer Länder etabliert werden konnte. Steter Mahner gegen Berufsverbote gegenüber Mitglieder radikaler Linksparteien in den Reichswehrbetrieben (trotz scharfer politischer Gegensätze zur KPD). Verfasser der kritischen Monographie "Das Reichswehrministerium als Arbeitgeber". Berlin 1928. Mitarbeiter am voluminösen "Handbuch der öffentlichen Wirtschaft". Berlin 1930.

Wiederwahl als hauptamtlicher Sekretär in den Verbandsvorstand auf dem 10. Verbandstag 1925 in Frankfurt am Main und dem 11. Verbandstag 1928 in Köln. 1928 einer der vier Treuhänder der Vermögensverwaltung seiner Gewerkschaft, um für den nichtrechtsfähigen Verband eine rechtsfähige Körperschaft zu bilden. Auf dem Gründungskongreß des "Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" vom 7. bis 10. Oktober 1929 in Berlin als besoldetes Vorstandsmitglied der neugeschaffenen Reichsabteilung B gewählt, der neben den Reichs- und Staatsarbeitern auch die Kinos, Theater und Varietés sowie das Personal der Mitropa und der staatlichen Heilanstalten und Krankenhäuser angeschlossen waren. Auf der 1. Reichskonferenz der Reichsabteilung B beschrieb Stetter seinen Betreuungsbereich präziser: Von insgesamt 58.857 Arbeitern und Arbeiterinnen der Branche waren 39.796 Mitglieder gewerkschaftlich organisiert. Neben der Reichsleitung B hatte er weiterhin die Leitung des "Reichsbundes der Beamten und Angestellten in den öffentlichen Betrieben und Verwaltungen" inne, die den Zusammenschluß zum Gesamtverband "überlebt" hatte. Am 7. April 1930 trat der - auf Grund des Paragraphen 32 der Verbandssatzung - vom Verbandsvorstand nach den Vorschlägen der Reichsabteilung gebildete Beamtenbeirat zusammen. Einstimmige Wahl Stetters in den Geschäftsausschuß des Beirats. Bestätigung als Vorstandsmitglied des "Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes" auf dem 7. Bundeskongreß vom 18. bis 20. September 1930 in München. Delegierter auf dem 4. Gewerkschaftskongreß des Allgemeinen freien Angestelltenbundes in Leipzig vom 5. bis 7. Oktober 1931. 1932 wurden bei der Organisationsreform die Beschäftigten der Post und Telegraphie der Reichsabteilung B "zugeschlagen", um eine einheitliche Interessenvertretung zu gewährleisten. Gleichberechtigte Leitung der Reichsabteilung B zusammen mit Ferdinand Bender. Am 1. Januar 1932 wurde der "Reichsbund der Beamten und Angestellten in den öffentlichen Betrieben und Verwaltungen" aufgelöst, nachdem sich die "Reichsgewerkschaft deutscher Kommunalbeamter" doch noch dem Gesamtverband angeschlossen hatte. (Neuer Organisationsname ab 1932: "Reichsgewerkschaft Deutscher Kommunalbeamter und Angestellter im Gesamtverband".)

Stetter gab mit der Neukonstituierung sein altes Amt ab. Während seiner Berliner Zeit Mitglied im Berliner Volkschor der Arbeitersängerbewegung. Im Juli 1933 wegen angeblichen Landesverrats vorübergehend verhaftet. Mitte September 1933 nach seiner Entlassung kehrte Stetter in seine schwäbische Heimat zurück und versuchte, in Stuttgart seinen Lebensunterhalt bis 1943 mit einem Buch- und Zeitschriftenhandel zu verdienen. Vertrieb in Württemberg die Zeitschrift "Blick in die Welt". Ende 1938 zusammen mit seinem Sohn Hans erneut verhaftet und zeitweise in das Konzentrationslager Welzheim verbracht; schlug sich von 1943 bis 1945 als landwirtschaftlicher Arbeiter in seiner Heimat im Oberland durch. Kurzfristige Zwangsverpflichtung zu Schanzarbeiten im Elsaß im Herbst 1944. 1945 führend am Aufbau der Gewerkschaften in Stuttgart und in Württemberg beteiligt. Am 4. August 1945 zum Beisitzer in den Vorstand des Württembergischen Gewerkschaftsbundes berufen. 1945 Stellvertreter des staatlichen Schlichters in Stuttgart. Ab Oktober 1945 Leiter der Abteilung Arbeit und Sozialpolitik im württembergisch-badischen Wirtschaftsministerium. Ab 24. November 1946 Mitglied der Verfassungsgebenden Landesversammlung Württemberg-Baden. Die Delegierten des 1. Landesverbandstages der Beamten Württemberg-Badens im "Gesamtverband des Personals der öffentlichen Dienste und des Verkehrs" wählten den Ministerialdirektor am 30. März 1947 in Stuttgart zu ihrem Vorsitzenden. Im Juli 1948 zum Ministerialdirektor im Arbeitsministerium berufen, arbeitete maßgeblich an der arbeitsrechtlichen und sozialpolitischen Gesetzgebung sowie am Aufbau der zuständigen Verwaltungsbehörden mit.

Der "Vereinigungsverbandstag der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, Transport und Verkehr" vom 28. bis 30. Januar 1949 in Stuttgart wählte David Stetter (Delegierter des Bezirks Württemberg-Baden) als ehrenamtliches Mitglied in den Hauptvorstand der Gewerkschaft ÖTV. Wiederwahl auf dem 1. Gewerkschaftstag vom 18. bis 22. Februar 1952 in Hamburg, Mitglied der Leitung des Gewerkschaftstages. Orientierte sich politisch als Sozialdemokrat am Modell der britischen Labour-Party. Mit der Neubildung der Regierung Reinhold Maier zu Beginn des Jahres 1951 übernahm Stetter auch formal am 11. Januar 1951 das Arbeitsministerium. Unter seiner Federführung wurden wichtige Gesetze wie das Schwerbeschädigten- und das Kündigungsschutzgesetz geschaffen, mit der Konstituierung des Südweststaates und der Wahl Maiers zum ersten Ministerpräsident Baden-Württembergs am 25. April 1952 endete die Ministerkarriere des verdienten Gewerkschafters. Rücktritt am 17. Mai 1952. Im Oktober 1952 wurde ihm in Anerkennung seiner Verdienste um den Wiederaufbau der württembergisch-badischen Arbeitsverwaltung das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik verliehen. Übernahm 1952 den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft "Mensch und Arbeit", die sich der Verständigung unter den Sozialpartnern widmete.

Die auf seine Anregung durchgeführte Erhebung der Arbeitsgemeinschaft über die soziale Situation der berufstätigen Jugend galt als das exakteste Material zur Frage der Berufsbildung und des Jugendschutzes. 1959 Rücktritt als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft, weiterhin Ehrenvorsitzender der Organisation. 1962 Verleihung der Verfassungsmedaille in Gold des Landes Baden-Württemberg. 1945 Mitbegründer des "Württembergischen Sängerbundes" (Präsident bis 1950), Mitbegründer des "Deutschen Allgemeinen Sängerbundes", 1948 Leitung des großen Landessängerfestes in Ludwigsburg, Mitglied der Vereine Sänger-Union Frohsinn, Allgemeiner Bildungsverein Stuttgart und Chorvereinigung Böblingen. David Stetter starb am 17. September 1963 in Stuttgart.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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