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Malina, Heinrich (1887 - 1964)

Geboren am 4. Februar 1887 in Krefeld als Sohn eines Friseurs, verheiratet, katholisch, später Dissident. Besuchte von 1893 bis 1901 die katholische Volksschule in Krefeld. Absolvierte von 1902 bis 1904 eine Friseurlehre in Kleve und arbeitete von 1904 bis 1906 im väterlichen Geschäft als Geselle. Die eigene berufliche Perspektivlosigkeit veranlaßte ihn zu einem Stellungswechsel: 1906 fand er eine Anstellung als Gleisbauarbeiter in Krefeld-Uerdingen bei der Reichsbahn. Gewerkschaftlich organisiert seit dem 1. August 1906 durch Beitritt zum 1894 gegründeten "Verband Deutscher Eisenbahnhandwerker und -Arbeiter", der anfänglich nur die Handwerker der Eisenbahnwerkstätten der preußisch-hessischen Staatsbahngemeinschaft organisierte. 1908 - nach schweren innergewerkschaftlichen Konflikten - Übertritt vom Hirsch-Dunckerschen Verband zum christlichen "Zentralverband deutscher Eisenbahnhandwerker und -arbeiter" mit Sitz in Elberfeld ("Elberfelder Verband"). Übernahm sofort den Vorsitz der Krefelder Ortsgruppe. Malina leistete von 1909 bis 1911 seinen Wehrdienst ab; Entlassung als Gefreiter. 1912 wechselte er nach seiner Militärentlassung als Schaffner in den Fahrdienst. Mit dem neuen Tätigkeitsfeld - und seiner gleichzeitigen Verbeamtung - war ein gewerkschaftlicher Wechsel in der ständisch zerklüfteten Organisationslandschaft verbunden.

Übertritt in den "Verband der Eisenbahnfahrbeamten Deutschlands". Während des Weltkrieges wurde er zu Fahrten in das Kriegsgebiet herangezogen und erlitt dabei 1916 einen schweren Betriebsunfall, der langfristig zur Berufsunfähigkeit führte. 1917 Mitglied der "Fortschrittlichen Volkspartei", die während der Novemberrevolution mit anderen bürgerlich-demokratischen Gruppen zur "Deutschen Demokratischen Partei" fusionierte. Von 1918 bis 1925 Vorsitzender des Beamtenrates des Krefelder Hauptbahnhofes. Als Mitglied der Fahrbeamtengewerkschaft Mitglied im "Deutschen Beamtenbund" (DBB). Delegierter auf der außerordentlichen Generalversammlung des "Verbandes der Eisenbahnfahrbeamten Deutschlands" in Halle vom 3. bis 4. Juni 1919. Sprach scharf gegen separatistische Tendenzen im Rheinland und brachte den Antrag zur Gründung einer "Zweigstelle im besetzten Gebiet" ein, der die Zustimmung der Delegierten fand. Auf der Versammlung der Mitglieder im besetzten Gebiet am 22. Juni 1919 in Köln als Beisitzer in den Vorstand für die besetzten Gebiete gewählt. Aus Verbitterung über die zweifelhafte Rolle der Führung des DBB bei dem großen Bahnbeamtenstreik 1920 gehörte Malina zu den Kräften, die eine Loslösung vom Beamtenbund hin zur freigewerkschaftlichen Arbeiterbewegung anstrebten. Delegierter auf der außerordentlichen Generalversammlung am 11. Mai 1920 in Berlin, der die Umwandlung der Fahrbeamtengewerkschaft in eine Fachgewerkschaft beschloß. Für die Gruppe der "Hilfsbeamten" zu einem der 11 Delegierten gewählt, die auf dem Gründungskongreß die "Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbeamter und -Anwärter" aus der Taufe hoben, die sich zur tragenden Säule des freigewerkschaftlichen "Allgemeinen deutschen Beamtenbundes" entwickelte.

Seit Gründung Vorsitzender der Krefelder Ortsgruppe der "Reichsgewerkschaft". Während des Ruhrkampfes einer der Krefelder Aktivisten gegen die französischen und belgischen Besatzungsmächte. Malina selbst konnte auf dem Gründungskongreß in Berlin nicht mehr teilnehmen: Am 6. Juni 1920 von einem belgischen Kriegsgericht in Aachen zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt, nach dreimonatiger Haft jedoch begnadigt. 1924 Austritt aus der Deutschen Demokratischen Partei und Übertritt zur SPD. Infolge der Nachwirkung seines Arbeitsunfalles am 1. April 1925 "auf Wartegeld" gesetzt und am 1. April 1927 endgültig in den Ruhestand versetzt. Seit dem 1. April 1925 hauptamtlicher Angestellter der "Reichsgewerkschaft". Nach Verschmelzung der mitgliedermäßig stark reduzierten Beamtengewerkschaft mit dem "Deutschen Eisenbahnerverband Deutschlands" zum "Einheitsverband der Eisenbahner Deutschlands" (1. Oktober 1925) weiterhin hauptamtlicher Eisenbahnerfunktionär. Seit 1924 Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold; von 1927 bis 1931 Vorsitzender der Krefelder Ortsgruppe. Ab [1931] bis zur faschistischen Machtergreifung Vorsitzender des Krefelder Ortskartells des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung entlassen, während des Sturms auf das Gewerkschaftshaus am Nordwall von der SA mißhandelt. Für die Dauer von 6 Wochen (29. Mai 1933 bis 17. Juli 1933) und 8 Wochen (15. September bis 11. November 1933) in "Schutzhaft" genommen, d.h. ins SA-Konzentrationslager Kemna bei Wuppertal eingesperrt. Nach seiner Entlassung konnte Malina sich als Vertreter für die Schwäbische Trikotindustrie GmbH über Wasser halten. Der entlassene Eisenbahner verhielt sich den nationalsozialistischen Machthabern gegenüber extrem mutig; seinem Sohn untersagte er, sich an faschistischen Massenveranstaltungen zu beteiligen. Im Herbst 1934 stieß er zum Widerstandskreis ehemaliger Eisenbahnfunktionäre um Hans Jahn. Malina selbst wurde über die Pläne zum Aufbau eines illegalen Netzes unter den Eisenbahnern unterrichtet. Stand seit 1934 unter Beobachtung der Gestapo. Malina reiste künftig mehrfach in die Niederlande zu Besprechungen mit ITF-Vertretern und half, antinationalsozialistische Flugblätter und Broschüren nach Deutschland zu schaffen. Im März 1935 wurde Malina auf einer illegalen Besprechung in Duisburg als Bezirksleiter eingesetzt und hatte bis Sommer 1936 diese herausragende illegale Stellung inne. Von März 1935 bis Juli 1936 nahm er an allen wichtigen konspirativen Treffen in Venlo teil. Als Gebietsleiter fanden unter seinem Vorsitz 1935 und 1936 konspirative Besprechungen in Krefeld, Neuß, Köln und Düsseldorf statt, mit dem Ziel, neugewonnene Mitarbeiter zu instruieren und sich über den Stand der einzelnen Organisationen berichten zu lassen. Malinas Berichte über die wirtschaftliche und politische Lage in Deutschland sowie über den Stand der Erfolgsaussichten der antifaschistischen Arbeit wurden in den von der ITF herausgegebenen Berichten direkt verarbeitet.

Im Sommer 1936 zog sich Malina aus Sicherheitsgründen aus der vordersten Linie des illegalen Kampfes zurück. Im Februar 1937 verhaftete die Gestapo Malina und die gesamte Widerstandsgruppe. Den nationalsozialistischen Untersuchungsbeamten galt der ehemalige liberale und christliche Gewerkschafter als "überzeugter und unbelehrbarer Marxist". ("Immer wieder hat er im Laufe der Vernehmung versucht, hartnäckig zu leugnen, und wie er selbst öfters zum Ausdruck gegeben hat, daß er lieber sterben würde, als seine alten Gesinnungsgenossen zu verraten.") Am 3. Dezember 1937 vom 2. Senat des Volksgerichtshofes in Düsseldorf zu einer Zuchthausstrafe von 5 Jahren (und 5 Jahren Ehrverlust) verurteilt. Die Haftzeit verbrachte er im Zuchthaus Lüttringen. Am 5. April 1942 entlassen und vor dem Zuchthaus erneut verhaftet, da von der Staatspolizeileitstelle Düsseldorf befürchtet wurde, er werde in Zukunft erneut staatsfeindlich tätig werden. Diesmal nach Oranienburg in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht. 1944 in Sachsenhausen erneut verhaftet und in Isolationshaft genommen, da er eine Widerstandsgruppe innerhalb des Lagers gebildet hatte. Man brachte Malina in das Vernichtungslager Mauthausen; am 5. Mai 1945 von den amerikanischen Truppen befreit. Rückkehr in seine Heimat. Wiedereintritt in die Gewerkschaft am 1. Juli 1945. Wiedereintritt in die SPD. Nach seiner Rückkehr aus dem Konzentrationslager von Hans Böckler in den "Siebener-Ausschuß" berufen, dem Leitungsgremium der geplanten "Einheitsgewerkschaft aller Arbeiter, Angestellten und Beamten". Am 12. August 1945 auf der konstituierenden Tagung in Krefeld zum Vorsitzenden der örtlichen Einheitsgewerkschaft gewählt. Nach kurzer Zeit hatte sich die Mitgliedschaft im Bezirk Krefeld auf 20.000 Mitglieder erhöht. Malina gehörte zu den herausgehobenen Sprechern, die für eine schlagkräftige, straff organisierte Einheitsgewerkschaft plädierten. Dieses Konzept scheiterte am Widerspruch der britischen Besatzungsmacht, die ihrerseits für autonome, in einem Bund vereinte Einzelgewerkschaften votierte. Ein Konzept, gegen das Malina und seine Krefelder Kollegen auf einer Düsseldorfer Delegiertentagung (gegen die Mehrheit der übrigen Delegierten) stimmten. Von Hans Böckler mit dem Aufbau der "Gewerkschaft Transport und Verkehr" beauftragt, deren Gründung die britischen Militärbehörden zum 1. Februar 1946 genehmigten. Zum Vorsitzenden des Bezirkes der "Gewerkschaft Transport und Verkehr" (Bezirk I) gewählt. Sitz dieser Bezirksleitung war Krefeld. Malina gehörte zu den aktiven Befürwortern eines Zusammengehens mit der zugelassenen "Gewerkschaft öffentliche Betriebe und Verwaltungen". Die 28 zugelassenen autonomen Gewerkschaftsverbände auf dem engen Raum der Nordrhein-Provinz entsprachen nicht den Wünschen der betroffenen Arbeitnehmer. Am 22. März 1946 versammelten sich die Verbandsvorstände der 4 autonomen Verbände der "Gewerkschaft Transport und Verkehr" und der "Gewerkschaft öffentliche Betriebe und Verwaltungen", um die nächsten Schritte für eine Vereinigung zu planen. Die Versammelten beschlossen, daß Heinrich Malina bei den Militärbehörden alle Hindernisse aus dem Wege räumen sollte. Auf der Konferenz am 18. April 1946 in den neu errichteten Arbeitsausschuß delegiert, der auf Grund alliierter Anordnungen zunächst die Verschmelzung der beiden Bezirksverbände der "Gewerkschaft Transport und Verkehr" zu realisieren hatte.

Auf der Generalversammlung der Bezirke I (Krefeld) und II (Duisburg) vom 14. bis 16. Juli 1946 zum Gesamtvorsitzende beider Bezirke gewählt. Gleichzeitig legte die Generalversammlung die Modalitäten für einen Zusammenschluß mit der Schwestergewerkschaft fest. Auf der kurze Zeit später anberaumten Generalversammlung vom 28. bis 30. Juli 1946 wiederum einstimmig zum hauptamtlichen 1. Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr der Nordrhein-Provinz gewählt. Der Zusammenschluß strahlte auf das neue Bundesland Nordrhein-Westfalen aus und sollte die Fusionsbestrebungen der Britischen Zone nachhaltig beeinflussen. Zu Malinas Organisationsbereich zählten auch die Bahn- und Postbeschäftigten. Wie viele andere Beteiligte auch, sah der ehemalige Eisenbahner nur in einem Großverband die Chance, Arbeitnehmerinteressen wirksam durchzusetzen. Dieses Organisationsmodell - eine Renaissance organisationspolitischer Vorstellungen der frühen zwanziger Jahre - verteidigte er in den kommenden Jahren auf vielen internen Konferenzen und Versammlungen vehement. Delegierter auf der 1. Gewerkschaftskonferenz der britischen Zone vom 12. bis 14. März 1946 im Katholischen Vereinshaus in Hannover-Linden. Am Rande der Konferenz verständigten sich die Vertreter des öffentlichen Dienstes, der Eisenbahner, des Transport- und Verkehrsgewerbes, eine "Arbeitsgemeinschaft Verkehr und Öffentlicher Dienst" ins Leben zu rufen, deren Gründung am 12. April 1946 in Bielefeld realisiert wurde (Vorsitzender Hans Jahn). Wahl Malinas als Schriftführer in den engeren Vorstand der Arbeitsgemeinschaft, die Eisenbahner, Binnenschiffer, Seeleute, Transportarbeiter und Vertreter der öffentlichen Betriebe und Verwaltungen vereinigen sollte. In der Folgezeit bekämpfte Malina massiv Versuche von organisierten Eisenbahnern, die auf einer Delegiertenkonferenz im November 1946 in Hamburg erste Sezessionsabsichten geäußert hatten. In den kommenden spannungsreichen und verletzenden Auseinandersetzungen überwarf sich Malina mit seinem ehemaligen Kampfgefährten Hans Jahn, Teilen der Internationalen Transportarbeiter-Föderation und Teilen des Deutschen Gewerkschaftsbundes der britischen Zone.

Vom 22. bis 25. April 1947 Delegierter auf dem Gründungskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes für die britische Zone. Für den ausgeschiedenen Hans Jahn rückte Malina kurzfristig als ehrenamtlicher Beisitzer in den Bundesvorstand nach. Seine Position innerhalb der britischen Zone wurde durch seine Wahl als Leiter des Personalausschusses am 29. April 1947 beträchtlich gestärkt. Einer der Vorsitzenden des Vereinigungsverbandstages der Gewerkschaften öffentliche Dienst, Transport und Verkehr der britischen Zone vom 9. bis 12. September 1947 in Krefeld, auf der Malina nochmals nachdrücklich auf das Organisationsrecht für die Eisenbahner pochte. In einer Kampfabstimmung mit 119 zu 93 Delegiertenstimmen zum neuen ÖTV-Vorsitzenden der britischen Zone gewählt. Malina plädierte für einen starken staatlichen Sektor: Überführung des Energiesektors in öffentliche Hand gehörte ebenso zu seinem programmatischen Selbstverständnis wie der Versuch, die Religionsgemeinschaften bei der Gesundheitsfürsorge auszuschalten. Gehörte im Herbst 1947 zu den vehementen Gegnern der Demontagepolitik. War trotz anfänglicher Skepsis bereit, das Instrument des Streiks gegen die Entindustrialisierungspoltik und für eine bessere Versorgungslage einzusetzen. Sein zentralistischer Führungsstil brachte ihm wiederholt innerhalb der Gewerkschaftsspitze Kritik ein; seit Frühjahr 1948 existierte im Vorstand eine feste Gruppe, die ihm offen das Mißtrauen aussprach und ihm die Integrationsfähigkeit im Hinblick auf die süddeutschen Gewerkschaften absprach. Einer der vehementen Befürworter der Demonstrationsstreiks im November 1948 in der britischen Besatzungszone.

Die ungenügende Einbeziehung des Post- und Bahnpersonals führte am 17. November 1948 zu einer Mißtrauenserklärung des Beirates der Zonen-ÖTV gegenüber dem Gewerkschaftsrat der vereinten Zonen. Angehöriger des Organisationsausschusses (und der Unterkommission) zu den vorbereitenden Arbeiten eines bizonalen Gewerkschaftsbundes, der wichtige Verfahrensvorschläge im Gründungsvorfeld des Deutschen Gewerkschaftsbundes unterbreitete. Malina scheiterte auf allen Konferenzen mit seiner Vision einer großen Einheitsgewerkschaft (einschließlich Post und Bahn). War auch 1948 auf allen wichtigen Konferenzen zur Bildung eines Gewerkschaftsbundes beteiligt. Heinrich Malina verzichtete auf der Beiratssitzung am 18. November 1948 auf alle vorgeschlagenen Ämter, da er Krefeld nicht verlassen wollte. Auf dem letzten außerordentlichen Verbandstag der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr in Köln am 25. und 26. Januar 1949 konnte Malina gut 500.000 Mitglieder in der britischen Zone mustern. Der Vereinigungsverbandstag der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, Transport und Verkehr vom 28. bis 30. Januar 1949 in Stuttgart wählte Malina zu einem der Konferenzvorsitzenden. Er schied zum 1. Januar 1950 aus der hauptamtlichen Arbeit aus. Heinrich Malina starb am 8. Juni 1964 in Krefeld. Die Kreisverwaltung der ÖTV-Krefeld stiftete nach seinem Tode eine Heinrich-Malina-Plakette für Mitglieder, die sich besondere Verdienste um ihre Organisation erworben haben.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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