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TEILDOKUMENT:
Köster, Karl (1888 - 1965) Geboren am 12. November 1888 in Hemelingen (heute Bremen-Hemelingen) als Sohn eines Jutefabrikarbeiters, verheiratet, protestantisch, später Dissident. Die kinderreiche Familie (weitere 10 Geschwister) gab den Jungen mit 8 Jahren "aus dem Haus". Wurde zunächst bei einem Schlachter, dann bei einem Bäcker untergebracht. Seit 1900 aktives Mitglied im Arbeiter-, Turn- und Sportbund seiner Heimatgemeinde. Erlernte nach der Volksschule in der Eisengießerei Klencke in Hemelingen den Beruf eines Drehers. War von 1907 bis 1909 in verschiedenen größeren Firmen in Hemelingen und Bremen in seinem gelernten Beruf tätig. Am 24. April 1907 gleichzeitiger Beitritt zum "Deutschen Metallarbeiter-Verband" und zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Leistete von 1909 bis 1911 seinen Wehrdienst bei einem Pionierbataillon in Metz ab. Bis August 1913 arbeitete er wieder in seinem alten Beruf in Bremen. Bewarb sich im Sommer 1913 bei der Reichsbahn; seit August 1913 in der Eisenbahnwerkstatt Bremen beschäftigt. Wechselte gewerkschaftlich zum "Deutschen Transportarbeiter-Verband". Seit 1907 hatten die gewerkschaftlich organisierten Eisenbahner Schutz unter dem Dach der Transportarbeiter gesucht. Vom 1. August 1914 an in der Eisenbahnwerkstatt Sebaldsbrück beschäftigt. Seit 1917 ehrenamtlicher Bevollmächtigter der Bremer Ortsgruppe des 1916 gegründeten "Deutschen Eisenbahner-Verbandes". Von Juli 1919 an hauptamtlich als Bevollmächtigter in Bremen angestellt. Köster stand in den ersten 6 Jahren der Republik in einem komplizierten Spannungsfeld konkurrierender Interessen. Streiks, Aussperrungen, Entlassungen in den Eisenbahnausbesserungswerken Kirchweyhe und Sebaldsbrück mündeten in Massen- und Hungerdemonstrationen. Mehrfach in ad hoc-Kommissionen gewählt, die sich nach spontanen Protestdemonstrationen der Eisenbahner gebildet hatten. Um Arbeitsplätze zu sichern, mußte er mehrfach Kompromisse bei der Einführung von Akkordarbeit schließen. Köster sah sich als Sozialdemokrat zeitweise mit starken kommunistischen Betriebsräten konfrontiert; erst im November 1924 konnten bei den Wahlen zum Betriebsrat der Bremer Eisenbahnwerkstätten Sozialdemokraten (Stimmenverhältnis 7 : 5) die Mehrheit wiedergewinnen. "Legalisierte" im März 1925 eine spontane Arbeitsniederlegung gegen den Schiedspruch des nationalen Schlichters. Mit der Taktik, kleine, aber "lebenswichtige" Arbeitergruppen in den Kampf zu führen, stärkte er seinen Ruf als gediegener Taktiker. Von 1919 bis 1924 sozialdemokratischer Gemeinderat in seiner Heimatgemeinde Hemelingen, wo er dem Schulausschuß angehörte. 1922 bis 1923 Bezirksvorsitzender des Arbeiter Pyramiden-Akrobaten- und Athletenclub "Victoria". Seit Gründung Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Besuchte während der Weimarer Republik Fort- und Weiterbildungskurse seiner Gewerkschaft, darunter einen längeren Lehrgang in der ADGB-Schule in Bernau. Am 2. Mai 1933 verhaftet; saß bis zu 25. Mai 1933 im Gefängnis. Nahm im August 1933 illegale Kontakte zur "Internationalen Transportarbeiter-Föderation" (ITF) in den Niederlanden auf. Am 5. November 1934 von den Machthabern erneut verhaftet wegen des Verdachts zur Zugehörigkeit einer illegalen SPD-Widerstandsgruppe. Am 5. Dezember 1934 aus der Haft entlassen. Arbeitete bei verschiedenen Firmen temporär als Drucker, nebenberuflich Kassierer bei der Hanseatischen Lebensversicherung und Begräbniskasse in Hamburg. Im Frühjahr 1935 nahm Hans Jahn Kontakt zu Karl Köster auf. Hinter dem ISK-Mitglied Jupp Schnakenberg sah Jahn Köster in seinem Widerstandskonzept als stellvertretenden "Gaugraf" für den Gau Oldenburg vor. Illegale Stützpunkte gab es in Vegesack, Verden, Oldenburg und Uelzen. Ende 1937 waren aufgrund von Verhaftungen die illegalen Verbindungen im Reich jedoch weitgehend zerstört. Fand [1937] zunächst feste Arbeit auf der Roland-Werft, dann als Dreher bei der Bremer Firma Köhncke & Co. Am 24. Juli 1940 wurde der ehemalige Eisenbahner unter dem Verdacht des Landesverrats erneut verhaftet, bis Jahresende jedoch wieder entlassen. Arbeitete seit 1943 als Dreher bei den Bremer Borgwardt-Werken. Gleich nach der Befreiung war Köster führend am Gewerkschaftsaufbau beteiligt. Mitglied des "Fünfundzwanziger-Ausschusses", der sich am 30. Juli 1945 aus Vertretungen verschiedener Gruppen als "Vorbereitender Ausschuß der Freien Gewerkschaften in Bremen" traf. Spartenleiter für den Bereich Transport, Verkehr und öffentliche Betriebe; später Vorsitzender des "Verbandes für Tansport, Verkehr und öffentliche Betriebe". Anhänger der in Niedersachsen und Bremen dominierenden Idee einer zentralen Einheitsgewerkschaft. Fungierte [seit Beginn des Jahres 1946] als einer von drei Vorsitzenden im Vorstand der freien Gewerkschaften Bremens. Als Vertreter der Wirtschaftsgruppe Reichsbahn Delegierter auf der Niedersachsenkonferenz am 28. Februar 1946, der die gewerkschaftliche Verbindung zwischen Niedersachsen und Bremen sanktionierte, den Aufbau einer Allgemeinen Gewerkschaft in Niedersachsen beschloß und mit dem Niedersachsen-Sekretariat und -Ausschuß, die beiden höchsten gewerkschaftlichen Gremien in Niedersachsen bis zu ihrer Umstrukturierung Mitte 1947 schuf. Mitglied im achtzehnköpfigen Niedersachsenausschuß; für die Wirtschaftsgruppe Transport und Verkehr zuständig. Seit dieser Zeit hauptamtlich angestellt. Delegierter der 1. Gewerkschaftskonferenz der britischen Zone vom 12. bis 14. März 1946 im Katholischen Vereinshaus in Hannover-Linden. Am Rande der Konferenz verständigten sich die Vertreter des öffentlichen Dienstes, der Eisenbahner, des Transport- und Verkehrsgewerbe eine "Arbeitsgemeinschaft Verkehr und Öffentlicher Dienst" ins Leben zu rufen, deren Gründung am 12. April 1946 in Bielefeld beschlossen wurde. Die Arbeitsgemeinschaft sollte Eisenbahner, Binnenschiffer, Seeleute, Transportarbeiter und Vertreter der öffentlichen Betriebe und Verwaltungen vereinigen. Nachträgliche Wahl Kösters in den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft. In der Folgezeit bekämpfte Köster Versuche organisierter Eisenbahner aus Hamburg, Münster und Hannover, die auf einer Delegiertenkonferenz im November 1946 in Hamburg mehrheitlich für eine eigene Eisenbahnergewerkschaft auf Zonenebene votierten. In den kommenden spannungsreichen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern einer reinen Eisenbahnergewerkschaft und einer großen Einheitsgewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (einschließlich Post- und Eisenbahnpersonals) stellte sich Köster gegen die reine Eisenbahnergewerkschaft und lehnte die Gründung einer "Industriegewerkschaft der Eisenbahner" (englische Zone) auf einer Konferenz in Hannover am 17. Juni 1947 in Hannover rundweg ab. Delegierter auf der Gewerkschaftskonferenz der britischen Zone vom 21. bis 23. April 1946 in Bielefeld und des Gründungskongresses des "Deutschen Gewerkschaftsbundes" (Britische Zone) vom 22. bis 25. April 1947 in Bielefeld. Auf der Vorstandssitzung am 13. Oktober 1947 Wahl in den Beirat des DGB (Britische Zone). Im Anschluß an den Bielefelder Bundeskongreß fand auf Einladung des "Verbandes Öffentlicher Betriebe und Verwaltungen" Hessen vom 26. bis 27. April 1947 eine erste Interzonenkonferenz in Oberursel statt, auf der Köster die Interessen der Beschäftigten Bremens vertrat. Wahl Kösters in den Vorstand der trizonalen Arbeitsgemeinschaft (mit Sitz in Stuttgart), der die einzuschlagende Lohn- und Tarifpolitik koordinieren sollte (Leitung: Georg Huber). Einer der Leiter des Vereinigungsverbandstages der Gewerkschaften Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr der britischen Zone vom 9. bis 12. September 1947 in Krefeld, auf der er mit Nachdruck die Idee einer großen Industriegewerkschaft (im weitesten Sinne) verfocht. Brachte als Versammlungsleiter "nebenbei" die Resolution ein, die den konkreten Verbandsnamen in der Zukunft bestimmen sollte. ("Wir haben jetzt zu entscheiden, wie der Name des Verbandes heißen soll. Ich würde vorschlagen, ihn zu benennen 'Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr', also so wie er bestand.") Wahl als Sekretär in den Vorstand der Britischen Zone. Auf der Kreisausschuß-Delegierten-Konferenz am 16. Januar 1948 in den geschäftsführenden Vorstand des neukonstituierten Bremer Ortsauschuß des DGB gewählt. Seit der Wahl vom 13. Oktober 1946 sozialdemokratisches Mitglied der Bremischen Bürgerschaft. Nahm in der Bürgerschaft zur Frage von Preisprüfungen und Preiserhöhungen, der Bildung von Betriebsräten und Problemen des Bremer Arbeitsmarktes Stellung. Vor allem lag ihm eine gesetzliche Verbesserung der Mitbestimmungsrechte in den bremischen Betrieben am Herzen. Rücktritt aus der Bürgerschaft am 12. September 1950 "infolge beruflicher Überbelastung". Teilnehmer auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst in der amerikanischen, britischen und französischen Zone vom 25. bis 26. November 1947 in Stuttgart, die grünes Licht für einen überregionalen Zusammenschluß gab. Delegierter der Britischen Zone auf dem Vereinigungsverbandstag der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, Transport und Verkehr vom 28. bis 30. Januar 1949 in Stuttgart. In den Hauptvorstand der ÖTV gewählt. Nach dem Vereinigungsgewerkschaftstag kam es in Bremen zu einer Veränderung in der Orts- und Bezirksverwaltung. Köster übernahm die Leitung des Bezirks Weser-Ems; Karl Weßling wurde Nachfolger Karl Kösters als Ortsgruppenvorsitzender. Wiederwahl als Mitglied des Hauptvorstandes auf dem 1. Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom 18. bis 22. Februar 1952 in Hamburg. Wiederwahl als Bezirksleiter auf allen Konferenzen bis zu seinem Ausscheiden 1955. Gesellschafter der Vermögensverwaltung der Gewerkschaft ÖTV GmbH. Die ÖTV wuchs im Bezirk Weser-Ems; im Bereich der privaten Wirtschaft war vornehmlich die Hafenwirtschaft gut organisiert, aber auch (beschränkt auf Bremen, Bremerhaven und Emden) der öffentliche Nahverkehr. 1954: 51.956 Mitglieder (darunter 20.276 in Bremen und 8.740 in Bremerhaven). Herausragendes Ergebnis seiner Zeit als Bezirksleiter war die im Vergleich zu anderen Bezirken gute Organisation der Polizeibeamten im Lande Bremen und das gegenüber Hamburg und Kiel stets erheblich bessere Organisationsverhältnis bei der Hafenarbeiterschaft. Rückenwind bei der Rekrutierung der Polizeibeamten bekam der Bezirk Weser-Ems spätestens 1952, weil von diesem Zeitpunkt an das gewerkschaftliche Koalitionsrecht für die Polizeibeamten (mit Hilfe von ÖTV und IÖD) erkämpft wurde. Vor allem wegen seiner leidvollen Erfahrungen aus der Zeit vor 1945 war Köster die Organisation der Polizei wichtig. ("Es wird das Anliegen der Fachabteilung Polizei im Bezirk Weser-Ems sein, zu erreichen, daß alle Berufskollegen den Weg in die ÖTV finden, um in treuer Solidarität die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Polizei zu verbessern und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, daß die heutige Polizei inmitten der großen deutschen Gewerkschaftsbewegung ein Garant dieses demokratischen Staates bleibt.") Auch der höhere Grad der Mitgliedschaft bei den Beamten des Landes und der Stadtgemeinde Bremen und Bremerhavens war ungewöhnlich, hing allerdings mit der sozialdemokratischen Durchdringung der beiden Verwaltungen zusammen. Anfang 1955 erlitt Karl Köster einen Gehirnschlag; auf der 3. ordentlichen Bezirkskonferenzam 24. und 25. Januar 1955 in Bremen stellte er sich nicht mehr zur Wiederwahl. Karl Köster starb am 7. Januar 1965 in Bremen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 |