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TEILDOKUMENT:
Köhler, Franz (1873 - ) Geboren am 27. November 1873 in Theißen als Sohn eines Bergarbeiters, verheiratet, protestantisch. Fuhr nach der Volksschule ab dem 15. Lebensjahr als Schiffsjunge auf Handelsschiffen zur See. [1890] Beförderung zum Matrosen. Diente aktiv bei der Kriegsmarine von 1893 bis 1896 und fuhr nach seinem Militärdienst weiter bis 1901 bei der Handelsflotte zur See. Seit dieser Zeit als Hafenarbeiter im Hamburger Hafen tätig. Am 1. August 1898 Mitglied des "Seemanns-Verbandes in Deutschland". Blieb auch als Hafenarbeiter seiner alten Gewerkschaft treu. Trat auf Versammlungen der freigewerkschaftlichen Seeleute als scharfer Debattenredner auf. ("Wir sind das geknechtete Proletariat.") Im April 1902 Mitglied einer Kommission für den Effektentransport, die auf genossenschaftlicher Grundlage die Verschickung des persönlichen Hab und Gut der Seeleute organisierte. Bei einer Nachwahl am 28. Oktober 1902 von der Hamburger Mitgliedschaft als Beisitzer in den Zentralvorstand des "Seemanns-Verbandes in Deutschland" gewählt. Am 21. April 1903 von seinen Kollegen zum Delegierten für das Gewerkschaftskartell bestimmt. Suchte in Hamburg vor allem zwischen gewerkschaftlich organisierten Hafenarbeitern und Seeleuten zu vermitteln, um keinen Keil zwischen beide Berufsgruppen treiben zu lassen. ("Das zeigt wieder, was diese Unternehmer für eine Sippe bilden, dieses profitsüchtige Kapital pocht darauf, daß wir uns nicht einig sind.") Der Hamburger Streik der Fischdampfermannschaften im Spätsommer 1906 machte deutlich, daß für eine bisher vernachlässigte Gruppe eine eigenständige Betreuung notwendig wurde. Am 1. Oktober 1906 "provisorisch" von der Hamburger Mitgliedschaft angestellt; am 30. November 1906 wurde seine Festanstellung durch ein Mitgliedervotum endgültig bestätigt. Delegierter auf dem 5. Verbandstag vom 21. bis 25. Oktober 1907 in Hamburg. (Neuer Verbandsname ab 1. Januar 1908: "Zentralverband seemännischer Arbeiter Deutschlands".) Wahl Köhlers zum 2. Vorsitzenden seiner Gewerkschaft durch die Hamburger Mitgliedschaft (Amtsantritt am 1. Januar 1908). Erwarb im Juni 1908 das Hamburger Bürgerrecht. Verteidigte auf dem 6. Verbandstag vom 24. bis 27. März 1909 den "scharfen Ton" im Verbandsorgan. Gleichzeitig stützte Köhler die Pläne des Verbandsvorsitzenden Paul Müller zum Ausbau des verbandseigenen Unterstützungswesens gegen die innergewerkschaftliche Opposition, die sich in Bremerhaven am Sitz des Verbandsausschusses formiert hatte. Auf dem Verbandstag 1909 zum "3. Beamten" innerhalb des Zentralausschusses gewählt, ohne ein Vorstandsmandat zu erlangen. Köhlers Anstellung komplizierte die sich anbahnende Vereinigung mit den gewerkschaftlich organisierten Hafen- und Transportarbeitern, weil die im Vorfeld nicht abgesprochene Personalentscheidung als ein belastender Sonderweg interpretiert wurde. Delegierter des "Zentralverbandes seemännischer Arbeiter Deutschlands" bei den Verhandlungen vom 13. bis 16. Dezember 1909 in Hamburg, die in der "Einheitsorganisation aller Transportarbeiter zu Wasser und zu Lande" mündete. Nach dem erfolgreichen Zusammenschluß der Seeleute, Hafen- und Transportarbeiter am 12. Mai 1910 zum "Deutschen Transportarbeiter-Verband" wechselte Köhler sein Metier. Am 6. Juni 1910 wählte die vereinigte Mitgliedschaft Flensburgs Franz Köhler zum neuen besoldeten Vorsitzenden. Von 26. Februar 1913 bis 1914 sozialdemokratischer Stadtverordneter im Flensburger Gemeindeparlament. Verfasser des autobiographischen Romans "Aus dem Seemannsleben. Wie Tedje zu einer Seejacke kam." Flensburger Delegierter auf dem 8. Verbandstag des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" vom 9. bis 14. Juni 1912 in Breslau. Im März 1914 Rückkehr nach Hamburg als besoldeter Funktionär der Hamburger Ortsverwaltung. Im August 1915 zum Marinekriegsdienst einberufen, erhielt erst im Dezember 1918 seinen Entlassungsschein. Verhandlungen mit den organisierten Seeleuten führten Mitte Dezember 1918 im "Deutschen Transportarbeiter-Verband" zur Rekonstruktion alter Verbandstrukturen: den seemännischen Arbeitern billigte der Gewerkschaftsvorstand die Einrichtung einer eigenen Reichssektion (mit Sitz in Hamburg) zu. Nach Etablierung einer teilautonomen Sonderorganisation wechselte Julius Lorenz aus der Hamburger Verwaltung als 2. Leiter der Sektion sein Aufgabengebiet. Der Hamburger Verwaltungsvorstand kooptierte stattdessen Franz Köhler in das Leitungsgremium. Im Dezember 1920 in den Verwaltungsrat der "Seeleutebeihilfe" gewählt. Der deutliche "Rechtsruck" des Sektionsvorsitzenden Paul Müller, sein Abgleiten ins nationalistische Fahrwasser und der daraus resultierende Gewerkschaftsausschluß ließen den Leitungsposten vakant werden. Auf einer Seemannskonferenz in Berlin vom 19. bis 20. Juli 1921 wurde Franz Köhler zum Sektionsleiter gewählt. Der neue Reichsabteilungsleiter legte in tarifpolitisch schwerer Zeit das Ruder herum und unterstützte 1922 den Massenstreik auf der Handelsflotte, ohne daß ein großer Durchbruch bei den gewerkschaftlichen Forderungen erzielt werden konnte. Das Bemühen, aus der Sondergesetzgebung für die Seeleute herauszukommen, Versuche die gewerkschaftlich erkämpften sozialpolitischen Verbesserungen auf das Schiffspersonal zu übertragen und Mitbestimmungsrechte für die seemännischen Arbeiter zu etablieren, kennzeichneten den gewerkschaftlichen Alltag des Hamburgers. Auf der Reichskonferenz der seemännischen Arbeiter am 19. August 1922 in Berlin von 38. Delegierten wiederum zum Reichsabteilungsleiter der Seeleute gewählt. Gleichzeitig übernahm er den Vorsitz des "Aktionsausschuß seemännischer Berufsverbände" (AsB), trat jedoch aus dem Verwaltungsrat der "Seeleutebeihilfe" zurück. Seit dem 21. November 1921 als Vertreter der Seeschiffahrt Mitglied des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates. Ab 1. Januar 1924 Vorstandsmitglied der "Invaliden-, Witwen- und Waisen-Versicherungskasse der Seeberufsgenossenschaft". In enger Arbeitsteilung zwischen dem Hauptvorstand in Berlin (und seiner seemännischen Repräsentanz) und der Reichsabteilungsleitung kümmerte sich Köhler vornehmlich um tarifpolitische Fragen, wobei ihm die Revision des Tarifschiedsgerichts in der Seeschiffahrt besonders am Herzen lag. Mitglied einer gemeinsamen Regierungskommission von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur Revision der Seemannsordnung, die die erhoffte Gesetzesnovelle nicht auf den Weg bringen konnte. Delegierter auf der Internationalen Transportarbeiter-Konferenz vom 2. bis 6. Oktober 1922 in Wien. Berichtete über die deutschen Verhältnisse auf der abgehaltenen Spezialkonferenz der Seemannsvertreter. Ebenfalls Delegierter auf dem ITF-Kongreß vom 7. bis 12. August 1924 im Hamburger Gewerkschaftshaus und dem September-Kongreß 1926 in Paris. Teilnehmer auf dem Internationalen Transportarbeiter-Kongreß vom 22. bis 27. September 1930 in London. Wiederwahl zum Vorsitzenden auf der Reichskonferenz der Seeleute am 17. Mai 1925 in Hamburg. Die engeren Handlungsspielräume einer nationalen Gewerkschaft mit international kartellierten Tarifpartnern prägten deutlich Köhlers Weltbild. Seine gewerkschaftspolitischen Strategien orientierten sich an den Debatten innerhalb der "Internationalen Transportarbeiter Föderation" zu Beginn des Jahrhunderts. 1928 konnte der Reichsabteilungsleiter ca 9.000 Mitglieder mustern (=34% der deutschen Seeleute); Zweidrittel der Mitglieder verteilten sich auf die Städte Hamburg, Bremen und Bremerhaven. Nach der Zusammenlegung der Seeleute, Hafenarbeiter, Binnenschiffer, Flößer und des Wasserbaupersonals zu einer einheitlichen Reichsabteilung (ab 1. Januar 1929), verlor Köhler zunächst seine Leitungsposition. Die radikale organisatorische Umgestaltung griff jedoch erst nach dem Gründungskongreß des "Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" im Oktober 1929 in Berlin. Teilnehmer an der Gründungstagung als Reichsabteilungsleiter. Auf der 1. Reichskonferenz der Reichsabteilung F (Schiffahrt, Hafenbetriebe und Wasserbau) vom 18. bis 19. Oktober 1930 in Berlin hinter Hermann Rudolph zum stellvertretenden Reichsabteilungsleiter gewählt. Köhler konzentrierte sich weitgehend auf die Arbeit im "Aktionsausschuß seemännischer Berufsverbände" (AsB), dem Reichswirtschaftsrat und der "Internationalen Transportarbeiter Föderation". Trat im März 1933 als Vorsitzender der AsB zurück. Lebte [bis 1934] als Sozialrentner in Hamburg. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 |