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TEILDOKUMENT:
Kluncker, Heinz (1925 - 2005) Geboren am 20. Februar 1925 in Wuppertal als Sohn eines Schlossers und Drehers, verheiratet, 2 Kinder. Besuchte vom 6. bis 14. Lebensjahr die Volksschule in Wuppertal. Weil seine Eltern konfessionslos waren, meldeten sie ihren Sohn auf einer "Freien Schule" und 1931 bei den "Sozialistischen Kinderfreunden", an beide wurden später von den Nazis verboten und aufgelöst. Er wurde durch die sozialdemokratisch und gewerkschaftlich orientierten Eltern, beide Großeltern und deren Angehörige stark geprägt. Einige von ihnen gehörten während der Nazi-Zeit aktiven Widerstandsgruppen an. Durch die Weltwirtschaftskrise verursacht waren beide Elternteile mehrere Jahre arbeitslos. Die Familie wurde während des Nationalsozialismus Opfer von Repressionen und Schikanen. Der junge Wuppertaler absolvierte nach der Volksschule eine dreijährige kaufmännische Lehre in einer Textilgroßhandlung, die er im Frühjahr 1942 mit der Handlungsgehilfenprüfung abschloß. Anschliessend arbeitete er als Expedient in seiner ehemaligen Lehrfirma, ehe er als Beschäftigter der Kinderlandverschickung dienstverpflichtet wurde. Danach zum Arbeitsdienst und 1943 als Infanteriesoldat zur Wehrmacht eingezogen. 1944, wenige Tage nach der Landung der Alliierten in der Normandie, desertierte Kluncker und kam deshalb gewollt in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach der Gefangenschaft zunächst nach England gebracht, danach in die USA überstellt. Zog sich in der Kriegsgefangenschaft ein Malarialeiden zu. In den USA begann Kluncker, sich für Analysen emigrieter deutscher Sozialwissenschaftler zu interessieren und sich mit ihren Thesen auseinanderzusetzen. Im Juli 1946 nach zweijähriger Kriegsgefangenschaft nach Deutschland entlassen, kehrte in seine Heimatstadt zurück. Im Oktober und November 1946 im Polizeidienst tätig. Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands seit dem 1.Dezember 1946. Am 1. Dezember 1946 vom Wuppertaler Kreisverband der SPD als hauptamtlicher Sekretär eingestellt. Seit dem 1. September 1946 Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr Nordrhein-Westfalens. Eine Zeitlang arbeitete der junge Parteisekretär für Robert Daum, SPD-Vorsitzender, Gewerkschaftsvorsitzender und Oberbürgermeister von Wuppertal, als Begleiter wie als Dolmetscher bei Gesprächen mit der Militärregierung. Weitere Förderung erhielt Kluncker durch den späteren SPD-Vorsitzenden Herbert Herberts. Am 21. März 1949 wählte der erweiterte Vorstand der Wuppertaler SPD Heinz Kluncker zum Hauptkassierer des Unterbezirkes Wuppertal. Am 31. Oktober 1949 schied Kluncker aus den Diensten der SPD aus und begann ein viersemestriges Studium an der vom DGB mitgetragenen Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg in den Fächern Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Soziologie und Rechtswissenschaft. Seinen Lebensunterhalt verdiente er im Frühjahr 1950 als Aushilfsangestellter beim Arbeitsamt Hamburg und als Hilfsarbeiter im Hamburger Hafen. Zu seinen "Lehrern" an der Akademie zählte u.a. der sozialdemokratische Wirtschaftspolitiker Karl Schiller. Kluncker legte am 11. Oktober 1951 die staatliche Abschlußprüfung ab. Nach Absolvierung des Studiums arbeitete er auf Vorschlag des DGB als Sozialpraktikant in der Dortmunder Hüttenunion und im "Bochumer Verein". Ab 16. April 1952 als erster Volontär überhaupt in der Hauptverwaltung der ÖTV in Stuttgart angestellt. Seit dem 1. Februar 1953 arbeitete er als Sachbearbeiter im Tarifsekretariat. Analysierte in jahrelangen Arbeiten die noch gültigen Tarifordnungen und die bereits abgeschlossenen regionalen Tarifverträge. Der Gewerkschaftstag der ÖTV beschloß 1955 in Frankfurt am Main die Errichtung eines eigenen Arbeitersekretariats; es sollte hauptamtlich besetzt werden und durch einen eigenen Arbeiterausschuß unterstützt werden. Der Beschluß - deutlich gegen Zersplitterungstendenzen in der Tarifarbeit gefällt - blieb innerhalb der Organisation kontrovers und wurde erst durch den Beschluß des Gewerkschaftsbeirat am 25. und 26. April 1957 in München realisiert. Wahl Heinz Klunckers zum "Bundesarbeitersekretär" auf dem 3. ordentlichen Gewerkschaftstag am 6. Juni 1958 in München. In seiner neuen Eigenschaft gehörte er dem Hauptvorstand der Gewerkschaft ÖTV an. Ohne den Beschlußcharakter der Tarifkommissionen anzutasten, verhielt sich das Arbeitersekretariat und die in unterstützenden regionalen Arbeiterausschüssen bei tarifpolitischen Fragen nicht abstinent, sondern beschäftigte sich intensiv mit einer Vielzahl tarifpolitischer Probleme. Erste Früchte seiner Arbeit als Arbeitersekretär erntete Kluncker mit dem Abschluß des Manteltarifvertrages für die Arbeiter der Länder (MTL), der nach über siebenjähriger Verhandlungsdauer für über 130.000 Länderarbeiter am 1. April 1959 in Kraft gesetzt wurde sowie durch den Abschluß des Mateltarifvertrages für Arbeiter des Bundes (MTB), der am 25. Mai 1960 in Kraft trat. Sie bildeten einen weiteren Schritt zur Ablösung der Tarifordnungen aus der Nazi-Zeit. Nach dem plötzlichen Tod des Vorstandsmitglied Walter Maeckle im Februar 1957 gab es erste ernstzunehmende Initiativen einzelner Bezirksvorsitzenden der ÖTV, Heinz Kluncker als geschäftsführendes Hauptvorstandsmitglied durch den Beirat nachwählen zu lassen. Der Vorstoß scheiterte jedoch am Widerstand des amtierenden Vorsitzenden Adolph Kummernuss. Auf dem 4. ordentlichen Gewerkschaftstag der Gewerkschaft ÖTV 1961 erhielt Heinz Kluncker bei 368 von abgegebenen 482 Stimmen mit weitem Abstand die höchste Stimmenzahl bei den Wahlen zum geschäftsführenden Hauptvorstand. Leitete künftig das Tarifsekretariat der ÖTV. Er erreichte in seiner ersten Amtsperiode u.a. für die Beschäftigte im öffentlichen Dienst die 44-Stunden-Woche, für das Krankenhauspersonal die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 54 auf 47 Stunden, für die Hafenarbeiter die 40-Stunden-Woche und für die über 40 Jahre alten Arbeiter im öffentlichen Dienst einen Jahresurlaub von 27 statt 21 Tage. Den größten Durchbruch erzielte er als Verantwortlicher bei den Gemeindearbeiter: Im Januar 1962 mußte der Tarifpartner zugestehen, daß den ca. 300.000 bundesdeutschen Gemeindearbeitern im Krankheitsfall wie Angestellten und Beamte der volle Bruttolohn ausgezahlt wurde. Im November 1962 vom geschäftsführenden ÖTV-Vorstand in den Tarifpolitischen Ausschuß beim DGB-Bundesvorstand delegiert. Auf dem 18. Kongreß der ITF im Sommer 1962 in Helsinki als Stellvertreter des Vorsitzenden Adolph Kummernuss in den Generalrat des internationalen Berufssekretariats gewählt. Auf ausdrücklichem Wunsch Klunckers bestätigte der geschäftsführende Hauptvorstand am 24. September 1962 diese Entscheidung. Unternahm im Juli 1964 eine längere Studienreise durch die USA, um die Struktur der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung kennenzulernen. Auf dem 5. ordentlichen Gewerkschaftstag der ÖTV 1964 mit 472 von 506 abgegebenen Stimmen zum neuen Vorsitzenden der Gewerkschaft ÖTV gewählt. Mit 39 Jahren war er damit der jüngste Gewerkschaftsvorsitzende in der Bundesrepublik Deutschland. Gab in Dortmund ein programmatisches Bekenntnis "zu einer aktiveren Tarifpolitik zur Ergänzung [...] staatlicher Sozialpolitik" ab. "Verkürzung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst und in der Verkehrswirtschaft", "gute Arbeitszeitvorschriften und gute Urlaubsregelungen", "bessere Bewertung der Dienst- und Beschäftigungszeiten" waren die weiteren Eckpunkte seiner Einstandserklärung als Vorsitzender, die seine Gewerkschaftsarbeit über gut 18 Jahren prägen sollten. Im geschäftführenden Hauptvorstand trug Kluncker als Leiter des Sekretariats 1 Verantwortung für die Bereiche allgemeine Gewerkschaftspolitik, Koordinierung der Vorstandsarbeit untereinander, für die Vertretung der Gewerkschaft nach außen, das Internationale Büro, die Pressestelle und (seit dem 8. Mai 1966) der Werbeabteilung. Von der nichtgewerkschaftlichen Öffentlichkeit wenig beachtet, setzte der Vorsitzende entscheidende Akzente bei der organisatorischen Neustrukturierung der Gewerkschaft ÖTV. Auf Initiative Klunckers verabschiedete der Dortmunder Gewerkschaftstag eine Entschließung die "innergewerkschaftliche Verbesserungen" ermöglichen sollte ("Antrag 58"). Außerdem wurden Fachkommissionen des Hauptvorstandes gebildet, in denen Beschlüsse bis zur Entscheidungsreife vorbereitet werden sollte. Kluncker selbst übernahm den Vorsitz der "Kommission für Gewerkschafts- und Gesellschaftspolitik", den Vorsitz der "Kommission für Gemeinschaftsaufgaben" und ab Mai 1966 den Vorsitz der "Kommission für Werbung". In dieser Eigenschaft initiierte er eine Reihe von Maßnahmen zur Neugestaltung des Erscheinungsbildes der ÖTV. Ferner machte er als "Vorsitzender den "Ausschuß zur Erledigung des Antrages 58" zur "Chefsache". Auf dem 17. Weltkongreß der Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD) vom 24. bis 29. August 1964 zum Mitglied des Exekutivkomitees des internationalen Berufssekretariats gewählt; Bestätigung auf dem 18. Kongreß der IÖD im Oktober 1967 in Paris. Kluncker tat in Paris viel dafür den altehrwürdigen Generalrat der IÖD abzuschaffen und an seine Stelle Regionalkonferenzen zu setzen. Ferner trat er auf dem 28. Kongreß der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) im Sommer 1964 in Kopenhagen die Nachfolge Adolph Kummernuss' im Vorstand an, gab im Herbst 1965 dieses Mandat jedoch wegen Arbeitsüberlastung an Gerhard Kugoth ab. Als erste Gewerkschaft in der Bundesrepublik nahm die Gewerkschaft ÖTV Kontakt zu Gewerkschaften der Länder des Ostblocks auf. Vom 2. bis 5. September 1965 nahm Kluncker als Teilnehmer auf dem 4. Weltkongreß der Internationalen Medizinischen Gesellschaft für das Studium der Lebensbedingungen und der Gesundheit in Karlsbad (CSSR) Gespräche mit Gewerkschaftern aus der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Polen auf, um "einen eigenständigen gewerkschaftlichen beitrag zur Aussöhnung mit den östlichen Nachbarvölkern Deutschlands [zu] leisten". Dissonanzen mit dem amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO nahm er dabei billigend in Kauf. Abgrenzungen von leninistischen Gewerkschaftsvorstellungen und gewerkschaftliche Ostkontakte schlossen sich für Heinz Kluncker nicht aus. Innenpolitisch setzte Kluncker bei der Einschätzung der geplanten Notstandsgesetze neue Akzente, die er bereits 1964 auf dem Gewerkschaftstag angedeutet hatte. Am 13. Oktober 1965 legte der geschäftsführende Hauptvorstand auf Vorschlag Klunckers die Marschroute fest: Die ÖTV lehnte verfassungsändernde Regelungen für den inneren Notstand ab und setzte sich für das Streikrecht auch im Verteidigungsfalle ein, war aber bereit, über Regelungen für Katastrophenfälle zu verhandeln. Klunckers Haltung blieb innerhalb des Hauptvorstandes und weiten Teilen der DGB-Gewerkschaften umstritten. Er selbst verteidigte seine Position am 30. November 1967 vor dem Rechts- und Innenausschuß des Deutschen Bundestages in einem Hearing. Zu den herausragenden Eckpunkten der Tarifpolitik der 1. Amtsperiode als Vorsitzender, die er gemeinsam mit dem für Tarifpolitik zuständigen Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes Heinrich Jacobi bestimmte, gehörte der Tarifvertrag einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversicherung (ausschließlich von den Arbeitgebern finanziert) von November 1966 und die am 2. und 3. Dezember abgeschlossene Vereinbarung, die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst ab 1. Januar 1969 auf 42 Wochenstunden. Am 1. und 2. Juli 1965 erteilte der Hauptvorstand der Exekutive der ÖTV den Auftrag, Verfassungsbeschwerde einzuleiten, wenn bis zum 1. August 1965 keine verbindliche Erklärung der Bundesregierung zur Koalitionsfreiheit der Soldaten vorläge. Der "Gewerkschaftsbeschluß" des Bundesverteidigungsministeriums vom 1. August 1965, der Berufs- und Zeitsoldaten das Recht einräumte, sich gewerkschaftlich zu organisieren, gehörte zu den historischen Erfolgen des ÖTV-Vorsitzenden, der sich für das Prinzip der inneren Führung und des "Bürgers in Uniform" einsetzte. Wiederwahl als Vorsitzender auf dem 6. ordentlichen Gewerkschaftstag der ÖTV in München vom 20. Juni bis 6. Juli 1968 mit 463 von 507 abgegebenen Stimmen. Der Gewerkschaftstag schloß die erste große Organisationsreform der ÖTV ab: die Hauptfachabteilungen wurden abgeschafft und durch kleinere und flexiblere Betreuungsbereich ersetzt. Insgesamt straffte Kluncker die Leitungsspitze der ÖTV und gab dem Hauptvorstand besondere Rechte. ("Der Hauptvorstand bestimmt die Politik der ÖTV.") Im verkleinerten geschäftsführenden Hauptvorstand übernahm Kluncker zusätzlich Verantwortung für die Bereiche Jugendsekretariat und Automation. Weiterhin saß er den Kommissionen "Gewerkschafts- und Gesellschaftspolitik, Automation und Mitbestimmung", "Gemeinschaftsaufgaben", "Öffentlichkeitsarbeit und Werbung" sowie seit 1970 der neu etablierten "Kommission Einheitliches Dienstrecht" vor. Nach einer Vielzahl "wilder Streiks" gelang es Heinz Kluncker und der ÖTV im September 1969 mit den öffentlichen Arbeitgebern einen Zusatztarifvertrag über eine einmalige Zuwendung von 300 DM abzuschließen; ein Tarifvertrag, der später auch im privatwirtschaftlichen Tarifbereich übernommen wurde. Richtungsweisen war der Stuttgarter Tarifvertrag vom 10. Juli 1970, auf den Kluncker lange hingearbeitet hatte: Der Vertrag schrieb den Monatslohn für Arbeiter fest, was sich vor allem auf die Altersversorgung günstig auswirkte. Gestützt auf ein von der ÖTV in Auftrag gegebenes und von ihr Anfang 1970 veröffentlichtes Rechtsgutachten über das Streikrecht im öffentlichen Dienst suchte Heinz Kluncker überkommenes Beamtenrecht neu zu fixieren. ("Nach meiner Meinung haben die Väter des Grundgesetzes mit dem Artikel 33 GG die Weichen falsch gestellt.") Ein im Januar 1971 verabschiedetes Positionspapier sah die Überwindung des Berufsbeamtentums durch ein Statusrecht für alle Beschäftigte auf arbeitsrechtlicher Grundlage vor, obwohl Heinz Kluncker gegen diesen Kompromiß große Bedenken hegte; aber im DGB keinen anderen Weg für mehrheitsfähig hielt, schloß er sich diesem Vorschlag an. Diese visionäre Perspektiven waren einer der wenigen weitreichenden Forderungen (neben der generellen Öffnung des kirchlichen Bereiches für die Gewerkschaftsarbeit), deren Realisierung Heinz Kluncker als Vorsitzender nicht durchsetzen konnte. Spätestens mit der Vereinbarung über die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit im öffentlichen Dienst von 42 auf 40 Stunden (ab 1. Oktober 1972) und der Vereinbarung über das 13. Monatseinkommen (ab September 1973) rückte Kluncker ins Rampenlicht des allgemeinen Medieninteresses. Der 30. ITF-Kongreß in Wien vom 28. Juli bis 6. August 1971 wählte Kluncker zum Vizepräsidenten der ITF. Einstimmig bestimmte der 20. Weltkongreß der IÖD in New York Hein Kluncker zum neuen Präsidenten, damit repräsentierte er 4,3 Millionen Mitglieder in 137 Gewerkschaften. (Wiederwahl 1977 in Edinburgh und 1981 in Singapur.) Mit seiner Wahl zählte Heinz Kluncker auch international zu den herauragenden deutschen Gewerkschaftsvertretern. Wiederwahl zum Vorsitzenden der ÖTV auf dem 7. ordentlichen Gewerkschaftskongreß 1972 mit 495 von abgegebenen 563 Delegiertenstimmen. Die neue Ostpolitik - auf deren entspannende Wirkung Kluncker stets Wert legte - verlieh der Hauptvorstand der ÖTV im September 1973 neue Impulse, in dem er mit drei Einzelgewerkschaften der DDR Kontaktaufnahmen beschloß. Gleichzeitig forderte der Hauptvorstand die Tarifkommission auf, "die infolge der preispolitischen Fehlentwicklung des Jahres 1973 entstandenen Einkommensverluste auszugleichen und für 1974 ausreichende Einkommenserhöhungen durchzusetzen." Die Forderungen mündeten vom 10. bis 13. Februar 1974 in den härtesten Arbeitskampf im öffentlichen Dienst und richtete sich auch gegen eine von der Bundesregierung festgelegte Lohnleitlinie von zehn Prozent. Heinz Kluncker selbst betonte während des Konfliktes die absolute Priorität der Tarifautonomie und lehnte jedes "Opfer" des öffentlichen Dienstes zugunsten einer sozialliberal geführten Bundesregierung ab. (Ergebnis des Tarifvertrages: Erhöhung der Löhne um 11 Prozent, mindestens jedoch um 170 DM, was im Ergebnis über die von der Regierung gesetzte "Schallmauer" von 10 Prozent z.T. erheblich hinausging.) Mit der Vereinbarung über ein Schlichtungsverfahren im öffentlichen Dienst (ab 1. Januar 1975) konnten Heinz Kluncker und die ÖTV alle Debatten über eine staatliche Zwangsschlichtung für beendet erklären. Als Präsident der IÖD trieb er die Regionalisierung der IÖD-Struktur voran. Er nahm an Tagungen des EGB wie der IÖD aktiv teil. Auf dem 31. Kongreß der Internationalen Transportarbeiter-Föderation im August 1974 in Stockholm verzichtete er auf eine erneute Kandidatur zum Vizepräsidenten, blieb jedoch weiterhin Mitglied des Vorstandes. Mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses von Hans Faltermeiers als geschäftsführendes Vorstandsmitglied bestimmte der ÖTV-Vorsitzende im September 1974 kurzfristig die Richtlinien des Organisationsreferates der ÖTV. Wiederwahl auf dem 8. ordentlichen Gewerkschaftstag der ÖTV in Hamburg vom 13. bis 19. Juni 1976. Auf Initiative Heinz Klunckers kund einem entsprechenden ÖTV-Kongreßbeschluß beendete die ÖTV gemeinsame Tarifverhandlungen mit der Deutschen Angestelltengewerkschaft. Von den Kommissionen des Hauptvorstandes leitete er weiterhin die Kommission für Gewerkschafts- und Gesellschaftspolitik und die Kommission Einheitliches Personalrecht. Damit wurde nach außen die Kontinuität seiner gewerkschafts- und esellschaftspolitischen Interessen deutlich. Er übernahm auch den Vorsitz der Kommission für Verkehrspolitik. In dieser Eigenschaft forderte er im Frühjahr 1977 vom Bund und den Ländern Initiativen zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, um die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs gegenüber dem kommunalen Straßenbau deutlich zu erhöhen. In einem schwierigen innergewerkschaftlichen Kompromiß suchte Heinz Kluncker gemeinsam mit den Spitzen der IG Metall und der IG Bergbau und Energie die widerstreitenden Interessen von Kernenergie und Umweltschutz in Einklang zu bringen. ("Sowenig Kernenergie wie möglich, aber soviel Kernenergie wie zur Sicherung der Vollbeschäftigung nötig.") Lange Zeit hatte Heinz Kluncker publizistisch dafür plädiert, die "Konzertierte Aktion" von Arbeitgebern und Arbeitnmehmern zu nutzen, um fällige Gemeinschaftsaufgaben auf den Weg zu bringen, ohne die "Konzertierte Aktion" ordnungspolitisch überhöhen zu wollen. Als der 11. ordentliche Bundeskongreß des DGB im Mai 1978 beschloß, wegen der Verfassungsbeschwerde der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsgesetz von 1976 den Gesprächen fernzubleiben, unterstützte Kluncker diese Position, war aber insbesondere gegen weitere Gespräche im Rahmen der Konzertierten Aktion, weil die Ergebnisse dieser Gespräche im Kontext mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik des Staates wie von den Unternehmern und Arbeitgebern falsch interpretiert wurden und damit auch häufig eine Tarifpolitik im Rahmen der Tarifautonomie gefährdeten. Seit Beginn der siebziger Jahre gehörte Kluncker zu den leitenden Gewerkschaftern, die eine Strukturreform innerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes propagierten ("Konzentration der Kräfte"). Er selbst führte während des Jahres 1977 mit anderen Hauptvorstandsmitgliedern Gespräche mit dem Ziel, die "Gewerkschaft der Polizei" als Mitglied des DGB aufzunehmen. Im Februar 1978 hieß der ÖTV-Hauptvorstand einen entsprechenden Plan gut; den in der ÖTV organisierten Polizisten wurde der Übertritt zur GdP empfohlen. Im Bundesvorstand des DGB enthielt sich Kluncker bei der entscheiden Abstimmung über die Aufnahmemodalitäten der Stimme. Rückzug aus der ITF-Arbeit auf dem 32. ITF-Kongreß in 1978 Dublin; die Arbeit in diesem internationalen Berufssekretariat überließ er in Zukunft seinem Stellvertreter Siegfried Merten. Als einer der wenigen Spitzengewerkschaftern verfolgte der diplomierte Sozialwissenschaftler wichtige publizistische Neuerscheinungen auf dem Gebiet der Arbeitsbeziehungen und nahm in Gewerkschaftsorganen dazu pointiert Stellung. Wiederwahl auf dem 9. ordentlichen Gewerkschaftstag der ÖTV in Berlin 1980. Die Delegierten verabschiedeten mit großer Mehrheit eine Entschließung zur Einheitsgewerkschaft, die auf Intervention Klunckers hin auf dem 4. außerordentlichen Bundeskongreß des DGB in Düsseldorf im März 1981 im neuen Grundsatzprogramm festgeschrieben wurde. Am entschlossensten unter allen Gewerkschaftsführern reagierte Kluncker, als im Februar 1982 die ersten Enthüllungen über Verfehlungen im gewerkschaftseigenen Baukonzern Neue Heimat bekannt wurden. Auf sein Drängen hin trat kurze Zeit nach den Enthüllungen der Aufsichtsrat der Neuen Heimat zusammen; das Kontrollgremium setzte einschneidende personelle Konsequenzen in der Unternehmensspitze durch. Auf dem 12. ordentlichen Bundeskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes 1982 in Berlin wurde Ernst Breit zum neuen DGB-Vorsitzenden gewählt. Diese Entscheidung wurde in der Öffentlichkeit auch als Erfolg Heinz Klunckers gewertet, der vehement dagegen polemisiert hatte, daß Mitglieder, die sich über die Neue Heimat an Abschreibungsprojekten beteiligt hatte, repräsentative Funktionen im DGB übernehmen sollten. Der letzte große Tariferfolg gelang Heinz Kluncker im April 1982. Trotz schwerer Krise der öffentlichen Haushalte, trotz verheerender Kritik an seiner Person in den Medien gelang es der ÖTV, das monatelange Bemühen der öffentlichen Arbeitgeber abzuwehren, über das Besoldungsrecht in geltende Verträge einzugreifen und die Vergütungen zu kürzen. Stattdessen wurde eine Lohnanhebung um 3,6 Prozent vereinbart. Am 2. Juni 1982 trat Kluncker auf dringenden Rat seiner Ärzte - für die Öffentlichkeit völlig überraschend - vom Vorsitz der Gewerkschaft ÖTV zurück. Den Vorsitz der Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD) behielt er jedoch bis zum 23. Weltkongreß der IÖD in Caracas vom 25. bis 29. November 1985; dort einstimmig zum IÖD-Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit gewählt. Hilfe beim Aufbau von Gewerkschaften in Entwicklungsländern und der Kampf um die Rechte verfolgter Gewerkschafter prägte u.a. seine Zeit als "Rentner". Von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) verlangte er Sanktionen, um die Zulassung von freien Gewerkschaften in der Türkei zu verlangen, trat er auf Solidaritätsveranstaltungen zugunsten verfolgter polnischer Gewerkschafter auf und prangerte er die Unterdrückung von Arbeitnehmerorganisationen in Südafrika und Chile an. Seit 1992 unterstützte er auf Bitten des Europäischen Gewerkschaftsbundes den Aufbau von Gewerkschaftsorganisationen in Kroatien. Mit Kommentaren zu aktuellen Gewerkschaftsfragen hielt er sich nach seinem Rücktritt zurück; arbeitete an einer Analyse der Tarifpolitik der ÖTV von 1946 bis 1982. Mehrfach zu Gastvorträgen in die USA eingeladen. 1988 vier Monate lang Fellow am politischen Institut an der Harvard-Universität. Im März 1985 vom Landesvorstand der SPD Baden-Württembergs als Mitglied der Programmkommission der SPD berufen. Im April 1990 übernahm er als Nachfolger Käte Strobels den Vorsitz des Seniorenrates der SPD.In dieser Eigenschaft nahm er seit 1990 mit beratender Stimme an den Sitzungen des Parteivorstandes und mit Stimmrecht an den Sitzungen des Parteirates teil. An seinem 70. Geburtstag 1995 bat er den Parteivorstand der SPD, ihn von der Wahrnehmung des Amtes des Vorsitzenden des Seniorenrates zu entbinden, erklärte jedoch seine Bereitschaft bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden seine Arbeit übergangsweise fortzusetzen. Nach der Wahl eines neuen Vorsitzenden blieb er weiterhin Mitglied des Seniorenrates.
Fußnote:
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