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TEILDOKUMENT:
Kähler, Wilhelmine (geb. Mohs, verh. Kähler, verh. Reimes-Kähler) (1864 - 1941) Geboren am 3. April 1864 in Kellinghusen (Holstein) als Tochter eines Steinmetz, verheiratet, protestantisch, später Dissident. Mußte als zweitjüngstes von 7 Kindern nach dem frühen Tod des Vaters bereits die Familie unterstützen (berufstätig seit dem 7. Lebensjahr). Arbeitete nach der Volksschule als Schneiderin und Wirtschafterin (u.a. bei Detlev von Liliencron). Seit 1882 mit dem Zigarrenarbeiter Carl Kähler (gestorben 1905) verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos, das Ehepaar adoptierte jedoch eine Pflegetochter (Meta Klett). Lebte seit 1882 in Ottensen. Begann sich seit Ende der achtziger Jahre für die Sozialdemokratie und ihre Literatur zu interessieren. Seit 1889 für die Arbeiterbewegung agitatorisch tätig. Im Sommer 1890 Mitbegründerin des "Zentralvereins der Fabrik- und Handarbeiterinnen Deutschlands"mit Sitz in Wandsbek. Seit Gründung Vorsitzende der Organisation. Agitierte für eine Beschickung der Berliner Gewerkschaftskonferenz vom 15. bis 17. November 1890 und erhielt am 29. Oktober 1890 von der Zahlstelle Hamburg selbst ein Mandat. Wilhelmine Kähler glaubte, mit einer besonderen Organisation die Arbeiterinnen leichter gewinnen zu können. Allerdings verfolgte die gewerkschaftliche Frauenorganisation weniger gewerkschaftspolitische Ziele im eigentlichen Sinn, sondern beschränkte sich zunächst darauf, die ungelernten Arbeiterinnen zusammenzufassen und sie über die Ziele der modernen Arbeiterbewegung aufzuklären. Der Monatsbeitrag betrug 20 Pf. Außer Versammlungen sah das Statut Handarbeitsunterricht für die Kinder der Mitglieder, Unterstützung in Notfällen und eine Kranzspende im Todesfalle vor. Bis 1892 konnte der Verein in 8 Orten ca. 1.000 weibliche Mitglieder gewinnen. Seit Sommer 1891 Vorsitzende der Organisation. Reichte auf der am 7. bis 8. September 1891 zu Halberstadt abgehaltenen Konferenz der Zentralvorstände der deutschen Gewerkschaftsverbände zusammen mit zwei weiteren Gewerkschafterinnen die zentrale Resolution ein, die es künftig erlauben sollte, Frauen in den Gewerkschaften zu organisieren. ("In Erwägung, daß bei der großen täglich anwachsenden Bedeutung der Frauenarbeit auf allen Arbeitsgebieten sich die energische Inangriffnahme der Organisierung derselben als ein Gebot der Selbsterhaltung erweist, beschließt die Konferenz, die Vorstände der bestehenden Organisationen aufzufordern, dahin zu wirken, daß die Statuten derselben derart umgestaltet werden, daß auch den im Berufe beschäftigten Frauen der Beitritt zu denselben möglich ist.") Wilhelmine Kähler zählte in den neunziger Jahren innerhalb der freien Gewerkschaftsbewegung und innerhalb der Sozialdemokratie zu den hartnäckigsten Interessenvertreterinnen ihres Geschlechts. Spielte seit 1891 als Mitglied der SPD auf Versammlungen in Hamburg und ihrer holsteinischen Heimat eine zentrale Rolle. Im November 1892 vom Schöffengericht zu Wesselburen zu einer Woche Gefängnis verurteilt, weil sie auf einer sozialdemokratischen Volksversammlung den überwachenden Beamten "beleidigt" hatte. Auf dem 1. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands in Halberstadt vom 14. bis 18. März 1892 in die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands als Nachfolgerin Emma Ihrers gewählt. Im Juli 1892 löste Wilhelmine Kähler den "Zentralverein der Fabrik- und Handarbeiterinnen Deutschlands" auf und überführte ihre Mitglieder in den "Verband der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands" (neuer Verbandsname seit dem 1. Verbandstag vom 1. bis 3. August 1892 in Braunschweig). Seit dem Beitritt erhielt die Frauenarbeit in der freigewerkschaftlichen Organisation der "Ungelernten" besonderes Gewicht. Wilhelmine Kähler verdiente sich seit ihrer Wahl in die Generalkommission der Gewerkschaften als freie Schriftstellerin ihren Lebensunterhalt (Wohnort Wandsbek). Gastdelegierte der Generalkommission auf dem 2. Verbandstag des "Verbandes der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands" vom 5. bis 8. August 1894 in Celle (1895. ca. 5.000 Mitglieder). Nach Abreise eines Delegierten erhielt sie ein ordentliches Mandat, damit war sie die erste Frau auf einem Verbandstag der freigewerkschaftlichen Hilfsarbeiterorganisation. Hinter Carl Legien und August Bringmann mit den drittmeisten Stimmen auf dem 2. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands in Berlin erneut zum Mitglied der Generalkommission gewählt. Die einzige Frau in der Gewerkschaftsspitze konnte erst nach mühseliger Diskussion auf dem 3. Verbandstag vom 2. bis 6. August in Harburg die Delegierten ihrer eigenen Gewerkschaftsorganisation vom Nutzen der Generalkommission (und ihrer erweiterten Zuständigkeit auf sozialpolitischem Gebiet) überzeugen. Ihrer Überzeugungskraft war es zu danken, daß auch die organisierten Hafenarbeiter sich im Juli 1896 in Bremen für die Aufnahme von Frauen (Speicherarbeiterinnen) in die bislang reine Männerorganisation entschieden. Auf dem 3. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands vom 8. bis 13. Mai 1899 - trotz Kandidatur - nicht mehr in die Generalkommission gewählt. Seit 1900 weibliche Vertrauensperson für den 8. und 10. Holsteinischen Wahlkreis. Ging im November 1900 im Auftrag des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands als "Emissärin" zum Aufbau der Frauenbewegung nach Dresden, wo sich ihr Mann als selbständiger Zigarrenfabrikant niederließ. Wilhelmine Kähler betreute zunächst alle drei Dresdner Wahlkreise. Ihre erste planmäßige Arbeit bestand in der Unterstützung beim Einsammeln von Unterschriften für die sozialdemokratische Massenpetition gegen den Zollwucher. Neben der Arbeit unter den sozialdemokratischen Frauen weitete die Schneiderin mit Hilfe der Generalkommission die gewerkschaftliche Arbeit aus. Sie hielt regelmäßig Versammlungen unter den Textilarbeiterinnen, Blumenarbeiterinnen und Zigarettenarbeiterinnen ab. Mit Hilfe des örtlichen Gewerkschaftskartells schuf sie eine der ersten Schutzinstanzen für Arbeiterinnen. Mit Unterstützung der lokalen Fabrikinspektoren (und ihren Assistentinnen) sammelte sie Beschwerden über mangelhafte Schutzvorrichtungen, unzureichende sanitäre Anlagen und sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz. Wilhelmine Kähler trat Ende September 1902 nach dem sozialdemokratischen Frauentag in Münchnen von ihrer Funktion als sozialdemokratische Frauenperson für Dresden und Umgebung zurück; zu groß war die politische und gewerkschaftliche Doppelarbeit. Künftig versorgten drei Frauen je einen Wahlkreis. Im Auftrag des "Verbandes der Fabrik-, Land- Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen", des "Verbandes aller in der Textilindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands" und des "Deutschen Tabakarbeiter-Verbandes" unternahm sie lange und ausgedehnte Agitationsreisen nach Schlesien, Pommern, Ostpreußen, Mecklenburg und die preußische Provinz Sachsen. Ihre publizistische Schilderungen über ihre schwierige Mission gehören zu den frühen sozialkritischen Reportagen zum Thema Frauen- und Kinderarbeit. Ging nach dem Tod ihres Mannes im Oktober 1906 als sozialdemokratische Agitatorin nach Düsseldorf. Berichterstatterin der "Volkszeitung" in Düsseldorf und weiterhin regelmäßige Mitarbeiterin an der sozialdemokratischen Frauenzeitschrift "Die Gleichheit." Als eine von zwölf deutschen Frauendelegierten zum internationalen Sozialistenkongreß in Stuttgart vom 18. bis 24. August 1907 von rheinischen und westfälischen Delegierten gewählt. Wilhelmine Kähler organisierte im Rheinland ein spezielles Bildungsprogramm für Frauen ("Diskussionskursus"). Am 5. Januar 1907 in Düsseldorf auf einer Konferenz der Genossinen des niederrheinischen Agitationsgebiets zur Vorsitzenden einer "Kommission zur Förderung der Frauenagitation" gewählt, die jedoch nach Widerstand der Düsseldorfer SPD-Frauen nicht arbeiten konnte. Endgültige Etablierung der Kommission auf einer Frauenkonferenz im Herbst 1907. Delegierte auf dem niederrheinischen SPD-Parteitag vom 11. bis 12. Oktober 1908 in Solingen. Nach dem neuen Reichsvereinsgesetz vom 15. Mai 1908 integrierte die Norddeutsche die separaten Frauenorganisationen in die örtlichen Wahlvereine. Meldete sich im Mai 1910 aus Düsseldorf ab und ging nach Berlin. Gab von [1910] bis [1914] die Korrespondenz "Für unsere Frauen" heraus, die einige sozialdemokratische Tageszeitungen und Gewerkschaftsblätter übernahmen. 1913 kam es innerhalb des freigewerkschaftlichen "Zentralverbandes der Hausangestellten Deutschlands" über die hauptamtliche Anstellung eines Arbeitersekretärs zu heftigen innergewerkschaftlichen Kontroversen. Die bisherige Vorsitzende Ida Baar legte deshalb am 1. Juli 1913 ihr Amt nieder. Nachfolgerin wurde Luise Kähler. Eine Konferenz der Vertreterinnen der Ortsgruppen schrieb am 19. Juni 1913 die teilbesoldete Stelle der 2. Vorsitzenden und der Redakteurin des Verbandsorgans ("Zentralorgan des Verbandes der Hausangestellten Deutschlands") zum 1. Oktober 1913 aus. Die Wahl fiel auf Luise Kähler. Die erfahrene Frauenfunktionärin zeigte in ihrem neuen Amt viel Geschick. Sie bereicherte das bislang eher trockene Organ mit sozialpolitischen Beiträgen, brachte Artikel zu den Themen Stellenvermittlung, Arbeitszeitverkürzung, Fortbildungsmöglichkeiten; ihr besonderes Interesse galt jedoch der Pflege der schönen Literatur. Seit 1916 Herausgeberin der "Sozialdemokratischen Artikel-Korrespondenz". Auf dem 2. Verbandstag des "Zentralverbandes der Hausangestellten Deutschlands" vom 21. bis 25. September 1919 als Redakteurin mit "halber Arbeitskraft" wiedergewählt (1919: 30.000 Mitglieder in 126 Ortsgruppen). Arbeitete außerdem seit Oktober 1919 als Referentin im Reichswirtschaftsministerium (Notfürsorge für Bergarbeiter). Im Januar 1919 als SPD-Abgeordnete für die Nationalverammlung im Wahlkreis 1 (Ostpreußen) gewählt. Wiederwahl in den Reichstag im gleichen Wahlkreis bis zum 20. Februar 1921 (Mandat erloschen). 1921 Wahl in den Preußischen Landtag (Platz 13 der Landeswahlvorschlagsliste der SPD). Gab von 1922 bis 1925 in der Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer das "Jahrbuch für Arbeiterfrauen und Töchter. Der Frauen-Hausschatz" heraus. Sie knüpfte mit dem Almanach an Vorkriegspläne an, ein selbständiges "Frauen-Jahrbuch" zu schaffen. Als Redakteurin der freigewerkschaftlichen Hausangestelltenzeitung mußte Wilhelmine Kähler in der Inflationszeit drastische Rückschläge hinnehmen: die Mitgliederzahl des Verbandes sank auf ca. 13.00, Anfang 1923 erschien ihr Blatt nur noch auf 2 Seiten. Delegierte auf dem 3. Verbandstag des "Zentralverbandes der Hausangestellten Deutschlands" vom 10. bis 11. Februar 1923, der den Anschluß an den "Deutschen Verkehrsbund" absegnete, da die freigewerkschaftliche Hausangestelltenbewegung finanziell "am Ende" war. Mit dem 3. Verbandstag endete Wilhelmine Kählers Engagement in der freigewerkschaftlichen Frauenbewegung. 1924 heiratete sie den ehemaligen Sekretär der Sozialdemokratischen Reichstagsfraktion Wilhelm Reimes. Beide zogen im November 1924 in ihre Heimat nach Kellinghusen, wo sie von November 1927 bis 1932 das Heim der Arbeiterwohlfahrt leitete. Verzog 1931 mit ihrem Mann nach Bonn. Wilhelmine Reimes-Kähler starb am 22. Februar 1941 in ihrer rheinischen Wahlheimat. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 |