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Kähler, Luise (geb. Girnth) (1869 - 1955)

Geboren am 12. Januar 1869 in Berlin als Tochter eines Droschken- und Möbelkutschers, verheiratet, Dissident. Besuch der Volksschule (Gemeindeschule) in Berlin. Arbeitete nach der Volksschule zunächst als Hausangestellte bei einem Berliner Sattlermeister "in Stellung". [1885-1888] Lehre als Schneiderin. Siedelte 1892 nach Hamburg über. Verdiente sich ab 1893 ihren Lebensunterhalt als Näherin. Von 1893 bis 1895 Stewardeß auf einem deutschen Handelsschiff (Ostasienroute). 1895 Ehe mit dem Maler August Kähler. Seit 1895 Näherin und Hausfrau in Hamburg. 1902 Mitglied der SPD. Am 20. November 1906 Mitbegründerin und 1. Vorsitzende des "Vereins für Dienstmädchen, Wasch- und Scheuerfrauen für Hamburg, Altona und Umgebung, Sitz Hamburg", dem 480 Frauen beitraten. Initiierte im Juli 1907 als ersten gewerkschaftlichen Schritt die Errichtung eines Arbeitsnachweises, um die Dienstmädchen vor Ausbeutung durch professionelle Stellenvermittler zu schützen. Im März 1907 erfolgte der Anschluß des Vereins an das Hamburg-Altonaer Gewerkschaftskartell. Im gleichen Jahr als Delegierte ihrer Organisation in das Kartell entsandt. Teilnehmerin auf der Konferenz am 19. November 1907 in Berlin, die von der Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands einberufen wurde, um die reichsweite Organisation der Hausangestellten in die Wege zu leiten. Anfang 1908 Delegierte der provisorischen "Fünf-Städte-Kommission" in Hamburg, die den Zusammenschluß der Berliner, Hamburger, Frankfurter, Nürnberger und Leipziger Lokalorganisationen der Hausangestellten beriet. Delegierte auf dem 6. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands vom 22. bis 27. Juni 1908 in Hamburg, auf der der Generalkommission die Aufgabe zugewiesen wurde, eine Dienstbotenkonferenz zur "Hebung" der weiblichen Hausangestellten und Dienstboten einzuberufen. Teilnehmerin und 2. Schriftführerin des Kongresses am 17. Januar 1909 in Berlin, die den "Zentralverband der Hausangestellten Deutschlands" zum 1. April 1909 aus der Taufe hob. Seit diesem Zeitpunkt 1. Vorsitzende der Hamburger Organisation und hauptamtliche Leiterin des freigewerkschaftlichen Stellennachweises der Hamburger Hausangestellten, ferner Vorsitzende des Verbandsauschusses, dem höchsten Kontrollgremium zwischen den Verbandstagen.

Luise Kähler unterschrieb am 4. Februar 1910 den ersten Tarifvertrag für 25 Reinemachefrauen mit dem Konsum-, Bau- und Sparverein "Produktion". Intensive Agitation innerhalb der Hamburger Arbeiterbewegung für die Sozialdemokratie, Konsumgenossenschaften, das "Hamburger Echo" und den "Zentralverband". Vom 21. April 1908 bis zum 21. Mai 1909 als einzige Frau zur Beisitzerin in die Kartellkommission (=Gewerkschaftsvorstand) des Hamburger Gewerkschaftskartells gewählt. Erhielt im Mai 1909 kein Votum mehr für das ausführende Organ, das seit 1890 überverbandliche Interessen der Hamburger Einzelgewerkschaften koordinierte. Am 16. Mai 1909 wiederum Mitglied der Kartellkommission, jeweils Wiederwahl im Mai 1912 und im Mai 1913. Der 1. Verbandstag der Hausgehilfinnenorganisation vom 12. bis 16. April 1912 in Berlin zog die erste organisatorische Bilanz der Bewegung, die nach wie vor beträchtliche finanzielle Unterstützung der Generalkommission erhielt (1912: 5.474 Mitglieder). Bestätigung Luise Kählers als Ausschußvorsitzende. 1913 kam es innerhalb des Zentralverbandes über die hauptamtliche Anstellung eines Arbeitersekretärs zu heftigen innergewerkschaftlichen Kontroversen. Die Verbandsvorsitzende Ida Baar legte zum 1. Juli 1913 nach einer Reihe gescheiterter Besprechungen zwischen Ausschuß und Verbandsvorstand ihr Mandat nieder. Ein gemeinsamer Sitzungsmarathon von Ausschuß und Vorstand am 3. Juni präsentierte Luise Kähler als Nachfolgerin der Gründungsvorsitzenden. Übersiedlung nach Berlin. Während des Weltkrieges unterstützte die Berlinerin ohne Abstriche die Kriegspolitik der freien Gewerkschaften. Seit August 1914 aktives Mitglied in der Kriegsfürsorge der Berliner Arbeiterinnenbewegung, stand an vorderster Stelle der Kranken- und Wöchnerinnenhilfe. Nach der Novemberrevolution profitierte Luise Kählers Gewerkschaft vom sprunghaften Anstieg der Gewerkschaftsbewegung (Ende 1918: 30.300 Mitglieder). Wiederwahl zur Vorsitzenden auf dem 2. Verbandstag vom 21. bis 25. September 1919 in Berlin. Am 6. Juni 1919 auf der Sitzung des Bundesausschusses der Gewerkschaften Deutschlands in eine Kommission gewählt, die in Verhandlungen mit der Reichsregierung die Verordnung zur Regelung der Arbeitszeit revidieren sollte. Luise Kählers Engagement in der unmittelbaren Nachkriegszeit war der rasche Wegfall der feudalen Gesindeordnung zu danken. Beteiligte sich 1918 an der Gründung der Arbeiterwohlfahrt. Von 1919 bis 1921 Mitglied der Preußischen Landesversammlung. Vertrat bis 1932 die Wählerinnen und Wähler des Wahlkreises Potsdam II im Preußischen Landtag. Vom 30. Juni 1920 bis 11. September 1932 als einzige Frau Mitglied des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates. Trat im Dezember 1920 mit weitreichenden Vorschlägen zum Hausangestelltenrecht an das Reichsarbeitsministerium heran und begleitete in den Jahren 1921 bis 1922 kritisch das Reformwerk des Gesetzes als Gutachterin des Reichswirtschaftsrates. Im Gegensatz zur subventionierten Landarbeiterbewegung konnten sich die freigewerkschaftlichen Hausangestellten nie auf eigene Füße stellen und waren finanziell stets vom Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) abhängig. Während der Inflationszeit brach die organisatorische Binnenstruktur der Frauenorganisation zusammen. Die Auflagezahl des "Zentralorgans des Verbandes der Hausangestellten Deutschlands" sank von 50.000 auf 13.000 Exemplare, die Mitgliederverluste galten als "dramatisch".

Bereits im Juli 1922 fanden nach Absprache mit dem ADGB Zusammenschlußverhandlungen zwischen den Vorständen des "Zentralverbandes der Hausangestellten Deutschlands" und des "Deutschen Verkehrsbundes" statt. Eine sofortige Fusion scheiterte zunächst an den Einwänden der organisierten Verkehrsarbeiter. Der 11. Verbandstag des "Deutschen Verkehrsbundes" im September 1922 sah in den unterschiedlichen Beitragssätzen beider Verbände ein deutliches Hindernis bei den Verschmelzungsbemühungen. Die Hochinflation ließ indes letzte Vorbehalte schwinden, vor allem Oswald Schumann, dem überspitzter Verbandsegoismus fremd war, öffnete den organisierten Hausangestellten weit die Türen. Der 3. Verbandstag des Zentralverbandes vom 10. bis 11. Februar 1923 in Berlin besiegelte mit 22 : 3 Delegiertenstimmen das Ende der kleinen Gewerkschaft, der man zuvor statuarisch ein hohes Maß von Autonomie sowie den alten Verbandsnamen innerhalb des "Deutschen Verkehrsbundes" zugestanden hatte. Wahl Luise Kählers zur 2. Vorsitzenden einer neu strukturierten Fachgruppe, in der die preußische Landtagsabgeordnete seit dem 1. März 1923 die Interessen der Angestellten der Wach- und Schließgesellschaften, der Privatwächter, Fahrstuhlführer und Hausmeister, Hausreinigerinnen, Wasch- und Reinemachefrauen in Büro- und Privathäusern vertrat. Der Mantel der Fachgruppe umhüllte auch den 1919 beigetretenen teilautonomen "Deutschen Portierverband" und den "Zentralverband der Hausangestellten Deutschlands". Von 1922 bis 1925 Vertreterin im Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamts Berlin, von 1925 bis 1928 Stellvertreterin im gleichen Gremium. Beim Zusammenschluß zum "Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" wurde Luise Kählers Reichsfachgruppe keiner eigenen Reichsabteilung angeschlossen, zu heterogen war ihr Klientel, als daß es den Bereichen öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr hätte zugeordnet werden können. Bestätigung der Zweiundsechzigjährigen im höchsten Wahlamt ihrer Fachgruppe (der Vorsitzende August Werner wurde vom Vorstand ernannt) auf der 3. Reichskonferenz vom 22. bis 24. März 1931 in Nürnberg. Während des Nationalsozialismus diente "Mutter Kählers" Wohnung als konspirativer Treffpunkt der Hitler-Gegner aus dem Gewerkschaftsbereich. 1945 Mitglied der SPD. Nahm am 40. Parteitag vom 19. bis 20. April 1946 der [Ost-]SPD, der Kurs auf Verschmelzung mit den Kommunisten nahm, als Ehrengast teil. 1946 SED. Ehrengast auf der Landeskonferenz der SED Groß-Berlins im September 1947 sowie auf dem 2. und 3. Parteitag der SED vom 20. bis 24. September 1947 und vom 20. bis 24. Juli 1950. 1948 Mitglied des "Demokratischen Frauenbundes Deutschlands", zu dessen Ehrenmitglied sie ernannt wurde. Im Juni 1953 von der SED-Spitze mit dem "Karl-Marx-Orden" dekoriert. Behielt ihren West-Berliner Wohnsitz bei, im Dezember 1954 bei den Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus Spitzenkandidatin der SED in Berlin-Kreuzberg. Luise Kähler starb - von der SED-Spitze hoch geehrt - am 22. September 1955 in [Ost-]Berlin.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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