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Ising, Paul (1864 - 1894)

Geboren am 23. Juli 1864 in Hattingen als Sohn des lokalen Redakteurs des Zentrumsblattes, katholisch, später Dissident. Erlernte nach der Volksschule den Gärtnerberuf, anschließend Wanderschaft in Deutschland. Zunächst Mitglied eines katholischen Gesellenvereins, trat er noch während des Sozialistengesetzes der Sozialdemokratie bei, stieß über die politische Arbeiterbewegung zur Gewerkschaftsbewegung. Arbeitete von [1887] bis März 1888 in Gelsenkirchen, siedelte im März 1888 nach Hamburg über, dem Zentrum der deutschen Gärtnerbewegung. Trat im gleichen Jahr dem "Verein zur Hebung des Gärtnerstandes für Hamburg, Altona und Umgebung" bei, einer lokalen freigewerkschaftlichen Absplitterung des 1872 gegründeten "Deutschen Gärtner-Verbandes". Im Januar 1889 zum ersten Schriftführer der Ortsgruppe Wandsbek und Umgebung gewählt. Ising, kein großer Redner, entfaltete seine agitatorische Stärke in Vorstands- und Kommissionssitzungen und erlangte bald dominierenden Einfluß auf die Hamburger Gesellenbewegung. Delegierter auf dem 1. Kongreß der deutschen Gärtner-Gehilfen, der vom 9. bis 10. Juni 1889 in Hamburg tagte und den "Zentralverein der Gärtner Deutschlands" auf freigewerkschaftlicher Grundlage ins Leben rief, Schriftführer des Gründungskongresses. Als ausgesprochener Anhänger einer Zentralorganisation berief ihn der Kongreß in den Ausschuß, der einen provisorischen Vorstand wählen sollte. Auf einer öffentlichen Gärtnerversammlung im Juni 1889 in seinem provisorischen Amt als stellvertretender Kassierer bestätigt, gleichzeitig als Kassierer Vorstandsmitglied der Hamburger Lokalorganisation.

Im August 1889 in die lokale Hamburger Kommission zur Ausarbeitung eines Lohntarifs gewählt, stellte Ising mit den führenden Hamburger Funktionären die Weichen für den kommenden großen Frühjahrsstreik der Hamburger Gärtner. Im Januar 1890 zum Hauptkassierer der Organisation gewählt, übernahm er gleichzeitig die Redaktion der "Gärtner-Zeitung. Zeitschrift für die gesamten Interessen der Gärtner und ihrer freien Vereinigungen". Paul Ising war neben Paul Maetzke der herausragende Leiter des großen Gärtnerstreiks im April 1890, der neben der Hansestadt Berlin und Dresden erfaßte. Während der Arbeitskämpfe schwoll die Gärtnerorganisation zeitweise auf 2.000 Mitglieder an, ohne daß eine glatte Niederlage der Streikenden zu vermeiden war. Nach der Streikaktion brach der Zentralverein förmlich zusammen und mußte dramatische Mitgliederverluste hinnehmen (1889: ca. 1.000, 1893: 732, 1894: ca. 400 Mitglieder). Im Juli 1890 nach dem verlorengegangenen Streik wegen "Aufreizung" vom Hamburger Landgericht zu einer Woche Gefängnis verurteilt. Genoß unter den sozialdemokratischen Gärtnergehilfen wegen seiner kämpferischen Haltung charismatische Verehrung ("Papa Ising"). Revisor der Streikkasse nach den großen Hamburger Arbeitskämpfen. Im April ging der Verlag der "Gärtner-Zeitung" in Isings Privatbesitz über. Gleichzeitig wurde er zum Bevollmächtigten der Hamburger Organisation gewählt; gab das Amt im April 1892 ab und übernahm zur gleichen Zeit den Posten des Vorsitzenden der Zentralorganisation.

Orientierte die Zentralorganisation der Gärtner (nahezu identisch mit der Hamburger Lokalorganisation) von Anfang an auf die Generalkommission der Gewerkschaften und spielte auf der Konferenz der Zentralvorstände der deutschen Gewerkschaftsverbände vom 7. bis 8. September 1891 in Halberstadt eine herausragende Rolle. Delegierter auf dem 1. Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands in Halberstadt vom 14. bis 18. März 1892. Auf der Generalversammlung in Bremen vom 17. bis 18. April 1892 zum besoldeten Vorsitzenden der Organisation gewählt. Ising mußte eine Reihe aufreibender Prozesse überstehen. Von 1891 bis 1893 stritt er mit dem Redakteur der "Allgemeinen Deutschen Gärtner-Zeitung" Paul Abraham vor Gericht, was das Klima zwischen dem "blauen" "Allgemeinen Deutschen Gärtner-Verein" und Isings Organisation nachhaltig vergiftete. Der Niedergang der freigewerkschaftlichen Gärtnerbewegung, die sinkende Auflagenzahl der "Gärtner-Zeitung brachte Ising in schwere ökonomische Bedrängnis. [1893] fand der Gärtnervorsitzende als Angestellter der Druckerei der "Gärtner-Zeitung" (Fr. Meyer) sein Auskommen. Mitarbeit in der Hamburger Arbeiterkulturbewegung: Mitglied des Vereins "Freie Volksbühne". Auf der außerordentlichen Generalversammlung seiner Gewerkschaft vom 6. bis 7. August 1893 in Magdeburg gelang es ihm nur mühsam, den Zerfall der Organisation in Lokalvereine zu verhindern, mußte allerdings die Absplitterung der Bremer Organisation hinnehmen. Im Mai 1894 ging schließlich die "Gärtner-Zeitung" ein und mußte einem vierzehntägig erscheinenden "Korrespondenz-Blatt des Zentralvereins der Gärtner" weichen. Ising litt unter starken Depressionen, am 19. Juni 1894 nahm er sich nach einer unglücklichen Liebesaffäre in Rothenburg in der Lüneburger Heide das Leben. Sein Grab in der Lüneburger Heide - von den Berufskollegen liebevoll gepflegt - entwickelte sich zur Kultstätte der erstarkten norddeutschen Gärtnerbewegung; bis zum Ende der Weimarer Republik war es Anziehungspunkt großer Gärtnertreffen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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