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Gräfe, Franz (1869 - )

Geboren am 29. Dezember 1869 in Zschortau bei Delitzsch. Verzog in den frühen neunziger Jahren nach Leipzig; arbeitete in der sächsischen Metropole als Markthelfer. Mitglied des 1890 gegründeten "Vereins der Markthelfer von Leipzig und Umgebung". Gräfe gehörte zu den wenigen Handelshilfsarbeitern, die am 30. Januar 1897 beschlossen, sich dem zu Weihnachten 1896 in Altenburg begründeten "Zentralverband der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter Deutschlands" als Einzelmitglieder anzuschließen (Ende 1897: 204 Einzelmitglieder). Die Leipziger Lokalisten blieben mitgliedermäßig deutlich stärker. Teilnehmer auf der 1. Generalversammlung vom 25. bis 28. Dezember 1898 in Kassel. Plädierte für die Aufnahme von Inseraten im Verbandsorgan. Die als "Einigungskonferenz" gedachte Tagung aller gewerkschaftlich organisierten Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter Deutschlands vom 2. bis 5. April 1899 in Leipzig sprach den bislang lokal organisierten Berufskollegen den Verbandsausschuß zu (mit Sitz in Leipzig), ehe der Kongreß letztlich an Nebensächlichkeiten scheiterte. Gleichwohl verlegte der Zentralvorstand den Ausschuß als "Geste" von Stuttgart nach Leipzig.

Mitte Januar 1900 löste Franz Gräfe durch gemeinsamen Beschluß des Verbandsvorstandes und der Ausschußmitglieder den glücklosen alten Vorsitzenden ab. Machte sich im April 1900 als Ausschußvorsitzender nach den Erfahrungen des Leipziger Straßenbahnerstreiks für die Errichtung eines "Widerstandsfonds" (Sondermitgliedsbeiträge von 50 Pfennig pro Vierteljahr) stark. Eine Anregung, die der Verbandsvorstand wenig später realisierte. Am 22. Juni 1900 löste sich auf einer Generalversammlung der "Verein der Markthelfer von Leipzig und Umgebung" auf und sanktionierte die Fusion mit den Zentralisten zum 1. Juli 1900. Eine vereinigte Versammlung beider Richtungen wählte am 5. Juli 1900 einen neuen Verbandsausschuß (neuer Vorsitzender Otto Richter). Wahl Gräfes als Beisitzer in das gewerkschaftliche Kontrollgremium. Mitglied des Ausschusses bis zur 3. Generalversammlung vom 11. bis 16. April 1903, die den Sitz des Gremiums nach einer Kampfabstimmung nach Magdeburg verlegte. Am 2. Februar 1902 auf der jährlichen Generalversammlung zum 2. Bevollmächtigten in Leipzig gewählt. Wiederwahl als "2. Mann" der Verwaltungsstelle bis zum Februar 1906 (Ende 1905: 4.024 Mitglieder). Gräfes Hauptarbeit galt dem Kampf gegen die Sonntagsarbeit. Seit April 1902 Vorsitzender einer Kommission, die Verstöße gegen die Sonntagsarbeit in der sächsischen Handelsmetropole rigoros veröffentlichte. Der 2. Bevollmächtigte des "Zentralverbandes der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter Deutschlands" wollte vor allem den Kampfcharakter der Organisation gewahrt wissen. Einen Ausbau des Unterstützungswesens, den Weg hin zu einer Organisation mit umfassender Daseinsfürsorge lehnte er ab.

Am 15. Oktober 1906 trat Gräfe das Amt eines besoldeten Funktionärs in Halle an der Saale an. Sein Wechsel in den preußischen Teil Sachsens dokumentierte einen gewissen Aufschwung in Halle. Nach Jahren der finanziellen Unterstützung durch die Hauptkasse, stand die neugeschaffene Verwaltungsstelle ökonomisch nun auf eigenen Füßen. Bis zu seinem Ausscheiden aus der Organisation jeweils jährliche Wahl in Halle zum 1. Bevollmächtigten des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" (neuer Verbandsname ab 1. Juli 1907). Teilnehmer auf den Verbandstagen 1907 in Berlin, 1910 in Hamburg und 1912 in Breslau, auf denen er über die schweren Grenzstreitigkeiten mit den organisierten Brauern berichtete. Gehörte während des Weltkrieges zur sozialdemokratischen Kriegsopposition. 1917 USPD. Am 9. November 1918 zum Schriftführer des neugegründeten Arbeiterrates gewählt. Von dem gemeinsam tagenden Arbeiter- und Soldatenrat in den Vollzugsausschuß delegiert. Kümmerte sich in dieser Eigenschaft und die Demobilisierung, Arbeitsvermittlung und die "Übergangswirtschaft". Bei der Stadtverordnetenwahl im April 1919 als Kandidat der USPD in das Stadtparlament gewählt (bis 1924). Nahm im Parlament zu allen brennenden Fragen Stellung, die die Handels- und Transportarbeiter betrafen. Um [1920] zeitweise Vorsitzender des Ortsausschusses des ADGB, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Volkspark GmbH.

Lehnte für seine Person den Anschluß an die Kommunistische Internationale ab. 1922 Rückkehr zur SPD. Nahm auf dem 11. Verbandstag vom 3. bis 8. September 1922 in Berlin gemäßigte Positionen gegenüber seinen ehemaligen parteipolitischen Freunden ein. Gräfe, der als Gewerkschafter in den frühen Jahren der Weimarer Republik in der KPD-Hochburg Halle-Merseburg gegen linkskommunistische Absplitterungen zu kämpfen hatte (Gründung von "roten Kartellen"), war zu keinem Zugeständnis an die KPD bereit. ("Den Kommunisten ist mit Vernunftsgründen nicht beizukommen.") 1924 nutzte die KPD ihre Mehrheit im Ortsauschuß Halle des ADGB, um alle "Reformisten" aus dem Leitungsgremium herauszuwählen und aus den Gewerkschaften ausgeschlossene Kommunisten zur Vorstandsarbeit heranzuziehen, Neukonstituierung einer Ortsverwaltung durch den Bundesvorstand des ADGB. Wahl Gräfes zum Beisitzer im den ADGB-Vorstand bis 1929. Gräfe schied 1931 als Gewerkschaftsangestellter aus. Lebte bis 1935 als Rentner in Halle. Verzog aus Halle mit unbekanntem Ziel.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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