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TEILDOKUMENT:
Deischl, Franz (1893 - 1984) Geboren am 28. November 1893 in München als Sohn eines Buchhalters, verheiratet, Dissident. Erlernte nach der Volksschule den Beruf eines Maschinenschlossers, besuchte nebenbei die Maschinenbaufachschule und Zeichenkurse in München. Seit 1910 Mitglied im "Deutschen Metallarbeiter-Verband". Im August 1914 sofort eingezogen, nahm am Krieg bis Oktober 1918 als Angehöriger einer Kraftfahrzeugkompagnie teil. Trat nach der Entlassung vom Militär der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) bei. Auf Vermittlung des Münchner Arbeitsamtes erhielt Deischl zum 20. Februar 1919 eine Anstellung bei der Münchner Straßenbahn als Schlosser. Übertritt in den "Deutschen Transportarbeiter-Verband" (seit 1923: "Deutscher Verkehrsbund"). Blieb politisch auf der Linken aktiv und machte 1922 die Rückkehr der übergroßen Mehrheit der USPD-Mitglieder zur SPD nicht mit. Verblieb in der "Rest-USPD", die, von Theodor Liebknecht geleitet, in München eine gewisse Rolle spielte. Wechselte erst 1928 zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands über. Seit [1924] Mitglied des Betriebsrates der Münchner Straßenbahn. [1925] Wahl in den örtlichen Vorstand des "Deutschen Verkehrsbundes". Delegierter auf der Reichskonferenz der Abteilung D (Straßen-, Klein-, Hafen- und Werkbahnen) am 11. Dezember 1929 in Berlin, der bereits vor der offiziellen Konstituierung des "Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" den organisatorischen Zusammenschluß zwischen Gemeinde- und Verkehrsarbeitern vollzog. Bestätigung Anfang 1930 als Vorstandsmitglied der Münchner Ortsgruppe des Gesamtverbandes. Am 4. April 1930 Wahl Deischls zum Vorsitzenden des Betriebsrates der Münchner Straßenbahn. In dieser Eigenschaft nahm er an einem Sonderkursus an der ADGB-Bundesschule in Bernau für "Aufsichtsratsmitglieder und Bearbeiter der Kommunalwirtschaft" vom 1. bis 30. Dezember 1930 teil. Der Betriebsratsvorsitzende gehörte zu dem Kreis Bernauer Schüler, die in München einen "Diskutierclub" bildeten, mit dem Ziel, "einfache" Mitglieder für selbständige Vortragstätigkeit zu schulen. Aktives Engagement in der Münchner Arbeiterkulturbewegung. Seit 1927 Mitglied im "Verband für Freidenkertum und Feuerbestattung"; trat 1928 aus der Organisation aus, nachdem die lokale Organisation eine kommunistische Leitungsspitze erhielt. Eintritt in die Konkurrenzorganisation "Bund sozialistischer Freidenker", für die er bis 1933 im Münchner Vorstand tätig war. Seit 1931 Sektionsführer der SPD in der Sektion II (Ramersdorf). Deischl stützte 1931 als Betriebsratsvorsitzender die Entlassung von Nationalsozialisten und RGO-Mitgliedern aus dem Dienst der Münchner Straßenbahn. Seit [1931] Mitglied der Landestarif-Kommission für die Gemeindearbeiter Bayerns. Nach der Machtergreifung entließen die Nationalsozialisten den Betriebsratsvorsitzenden auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, wobei betriebsintern mit Deischls sozialdemokratischen Engagement argumentiert wurde. Ein Einspruch Deischls gegen seine Entlassung hatte keine Konsequenzen. Der gelernte Metallarbeiter blieb bis 1934 arbeitslos. Von 1934 bis 1936 wurde er im Rahmen des Reichsarbeitsdienstes zu Erdarbeiten beim Bau der Autobahn herangezogen. Zog sich 1936 bei den Arbeiten ein schweres Fußleiden zu, was zu seiner Entlassung aus dem Arbeitsdienst führte. Arbeitete von 1936 bis zur amerikanischen Besetzung Münchens bei der Firma Brown & Bowerie als Schlosser bei der Obus-Fertigung. Im Zuge der Wiedergutmachung stellte die Stadtverwaltung den verfolgten Gewerkschafter am 22. Mai 1945 wieder ein, auf Weisung des Münchner Oberbürgermeisters Thomas Wimmer nahm er sofort seine Stelle als Betriebsratsvorsitzender der städtischen Verkehrsbetriebe wieder auf. Am 12. Juni 1945 zum Vorsitzenden des vorläufigen Gesamtbetriebsrats der städtischen Betriebe und Ämter bestellt. Deischl stellte sich sofort der Gewerkschaftsbewegung zur Verfügung, die unter der Besatzungsmacht schwer um ihre Anerkennung zu ringen hatte. Am 29. Januar 1946 erteilte die amerikanische Militärregierung in München die Genehmigung für den Aufbau der Gewerkschaft öffentlicher Betriebe und Verwaltungen, Transport und privater Verkehr für das Münchener Stadtgebiet. Seit dem 1. Mai 1946 besoldeter Landessekretär der "Landesgewerkschaft öffentliche Betriebe und Verwaltungen, Transport und Verkehr" in Bayern (1. Vorsitzender: Georg Gschrei). In dieser Eigenschaft nahm er als einer der beiden bayerischen Vertreter an der ersten "Arbeitsgemeinschaftstagung" der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes der Länder der amerikanischen Zone am 25. Oktober 1946 in Stuttgart teil, die eine Reihe zentraler organisationspolitischer und tarifpolitischer Entscheidungen fällte. Deischl organisierte und strukturierte als Landessekretär maßgeblich den 1. außerordentlichen Verbandstag der "Landesgewerkschaft öffentliche Betriebe und Verwaltungen, Transport und privater Verkehr" vom 21. bis 23. Februar 1947 in München, der eine Verstaatlichung des gesamten Gesundheitswesen, eine Verstaatlichung der noch in Privatbesitz befindlichen Energieversorgung Bayerns und eine vollständige Revision des bayerischen Beamtenrechts forderte. Mit seinem organisatorischen Geschick half er mit bei der Konstituierung der Fachgruppe "Energie" in Bayern vom 20. bis 22. März 1947 in Pfaffenhofen und der Etablierung der 1. Beamten- und Angestelltenkonferenz vom 6. bis 7. Oktober 1947 in der bayerischen Landeshauptstadt, die den existierenden Fachgruppen der Landesgewerkschaft eine selbständige Kassen- und Geschäftsführung zugestand. Vom 26. bis 27. April 1947 tagte in Oberursel im Taunus die erste "Interzonenkonferenz der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes". Die Konferenz beschäftigte sich erneut mit einem einheitlichen Organisationsaufbau für die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und der einzuschlagenden Lohn- und Tarifpolitik. Wahl Deischls in den Interzonenausschuß (mit Sitz in Stuttgart), der die Gewerkschaftspolitik künftig von einer Stelle aus leiten sollte. Bestätigung Deischls als Landessekretär auf dem 2. Verbandstag der Landesgewerkschaft vom 24. bis 26. Juni 1948 in Fürth. Als Landessekretär Delegierter auf dem 1. ordentlichen Kongreß der Landesgewerkschaft Bayern vom 27. bis 29. März 1947 in München und dem 2. ordentlichen Bundestag des "Bayerischen Gewerkschaftsbundes" vom 23. bis 26. August 1948 in der Landeshauptstadt, auf der er im Namen seiner (und anderer Landesgewerkschaften) vor einem übereilten Zusammenschluß auf Bundesebene warnte. Gleiche Bedenken hatte er bereits als autoritativer Vertreter Bayerns auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst, Transport und Verkehr in den Westzonen zur Vorbereitung des bizonalen Zusammenschlusses vom 25. bis 26. November 1947 in Stuttgart geäußert. Für den kommenden Bund wünschte er keine Bezirks- sondern Landesorganisationen, Finanzhoheit und Personalzuständigkeit solle bei den Ländern verbleiben. Eine organisatorische Verständigung mit den Eisenbahnern und den Postbediensteten schätzte er negativ ein. Gegenüber den norddeutschen zentralistischen Neigungen verkörperte er stärker das süddeutsch-föderalistische Moment. Während des Jahres 1948 bemühte sich Deischl vor allem um eine Rückgabe der ehemaligen gewerkschaftlichen Unterstützungskasse "Fakulta", deren Überführung in gewerkschaftliche Hand federführend von München aus betrieben wurde. Der "Vereinigungsverbandstag der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, Transport und Verkehr" vom 28. bis 30. Januar 1949 in Stuttgart wählte den Münchner einstimmig in den geschäftsführenden Hauptvorstand der Gewerkschaft ÖTV. Als solcher war er für den Organisationsaufbau, den Einkauf und die Verwaltung des Bürobedarfs und für die Verwaltung des Kraftfahrzeugparks mit Zubehör zuständig. Als Mitglied des "Vorbereitenden Ausschusses für den Gründungskongreß "(VAG) half er im März 1949 mit, den Grundstein für die gewerkschaftliche Dachorganisation zu legen. Am 31. März 1949 in Bad Münster am Stein auf einer ÖTV- und GdED-Tagung in eine sechsgliedrige Kommission gewählt, die endgültig schwebende organisatorische Fragen klären sollte und die schließlich Privat- und Kleineisenbahner aufforderte, vollzählig Mitglied der ÖTV zu werden. Auf der Verbandsvorstandstagung am 11. und 12. November 1949 in Bad Nauheim in geheimer Wahl in den Bundesausschuß des DGB gwewählt. Deischl erkrankte Ende 1951. Am 16. Januar 1952 legte er wegen Krankheit sein Amt als geschäftsführendes Hauptvorstandsmitglied nieder. Versuche, ihn zum "Weitermachen" zu überreden, blieben erfolglos. Am 1. Gewerkschaftstag der "Gewerkschaft Öffentliche Dienst, Transport und Verkehr vom 18. bis 22. Februar 1952 in Hamburg nahm er nicht mehr teil. Deischl lebte zurückgezogen in München. Er starb am 16. März 1984. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 |