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1901

In einer Anweisung "betreffend das Verhalten bei Streiks" erklärt der Holzarbeiterverband: "Gegenüber etwaigen Streikbrechern ist aus bekannten Gründen ein vorsichtiges Verhalten dringend anzuraten. Es empfiehlt sich, nur recht besonnene Kollegen damit zu beauftragen, solche unsolidarischen Kollegen an ihre Pflicht zu gemahnen und sie auf den Schaden aufmerksam zu machen, den sie durch ihre Handlungsweise der Sache und ihren eigenen Interessen zufügen. Jede wörtliche oder tätliche Beleidigung oder Bedrohung von Streikbrechern muß in jedem Falle, auch selbst dann unterbleiben, wenn dieselben trotz freundschaftlichen und kollegialen Zuredens von ihrer verwerflichen Handlungsweise nicht ablassen wollen. Ein bedeutungsvolles Schweigen tut in diesem Falle auch seine Wirkung und schützt die Kollegen vor Gefängnis- und Geldstrafen und den Verband vor unnötigen Rechtsschutzkosten."

Als erste Stadt gewährt Charlottenburg den Gemeindearbeitern nach zweijähriger Dienstzeit eine Woche Jahresurlaub.

Die vom "Volksverein für das katholische Deutschland" bis 1900 durchgeführten "Praktisch-Sozialen Kurse" werden ersetzt durch zehnwöchige "Volkswirtschaftliche Kurse". Sie dienen der intensiven Ausbildung und Schulung der Funktionäre der Katholischen Arbeitervereine und der christlichen Gewerkschaften.
Leiter dieser Kurse ist Heinrich Brauns, der spätere Reichsarbeitsminister.

Eine Konferenz christlicher Textilarbeiter aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland beschließt in Düsseldorf ein Statut für die drei Organisationen. In gewissen Fällen kann eine gegenseitige Streikunterstützung erfolgen.

Als der christliche Gewerkverein im rheinischen Braunkohlenbergbau erstmals Werbeversammlungen veranstaltet, erhalten die Arbeiter von den Grubenbesitzern den "wohlgemeinten Rat", "den süßen Verlockungen kein Gehör zu schenken, die doch nur geeignet sind, Frieden und Eintracht sowohl unter den Arbeitern selbst wie auch in der eigenen Familie zu zerstören". Ein Jahr später gründet der Deutsche Bergarbeiterverband seine erste Zahlstelle in diesem Gebiet. Die Bergwerksverwaltungen ersuchen daraufhin diejenigen Arbeiter, "welche in dem sozialdemokratischen Streikverein sind und den Versammlungen, die gegen Kirche, König und Thron streben, beiwohnen", die Arbeit zu verlassen. Beide Organisationsversuche scheitern.

Von den 117 Gewerkschaftskartellen unterhalten erst 36,7% gemeinsame Bibliotheken, und die meisten befinden sich an kleineren Orten. In vielen Orten unterhalten die dort vertretenen Gewerkschaften eigene Bibliotheken.

Das in Frankfurt a. Main gebaute Gewerkschaftshaus soll "ein Ruhepunkt für die Reisenden, eine Stätte der ernsten Beratung und der Erholung für die ansässigen Arbeiter" werden.
In ihm sind das Arbeitersekretariat, das Büro des Gewerkschaftskartells, die Büros der einzelnen Verbände und die Vereinslokale der Gewerkschaften sowie Fremdenzimmer, Kegelbahnen und eine Gaststätte untergebracht. Die Arbeiterschaft würde - so hoffte man allgemein - dort mehr als an anderen Plätzen verkehren. Doch diese Erwartungen erfüllten sich anscheinend nicht in ausreichendem Maße: In Frankfurt jedenfalls wurde das neue große Gewerkschaftshaus nicht so häufig wie erhofft aufgesucht. Für 1903 heißt es in einem Bericht: "Eine recht große Zahl auch organisierter Arbeiter lassen sich bedauerlicherweise bisher noch durch die unbedeutendsten Gründe oder gar durch Bequemlichkeit abhalten, das eigene Heim zu frequentieren." Und an anderer Stelle heiß es: "Der Verkehr der Gewerkschaftsmitglieder dürfte sich noch besser gestalten wie (sic!) es bisher war." Der Grund für diesen nur partiellen Erfolg lag wohl darin, daß das neue Kommunikationszentrum "Gewerkschaftshaus" zu den vielen Gaststätten in den Arbeitervierteln in Konkurrenz stand, in denen Arbeiter am Abend zusammenkamen und wo, wie Heinrich Schult für Hamburg berichtet, viel politisiert wurde. Das Gewerkschaftshaus aber lag meist nicht um die "Ecke", sondern in der Innenstadt, war folglich am Abend nur mühsam zu erreichen und bot auch nicht immer die "gewohnte" Atmosphäre.
1906 bestehen 26 Gewerkschaftshäuser in Deutschland.

Eine erste statistische Übersicht über die Verbreitung von Urlaub bei Angestellten im Deutschen Reich - sie ist noch lückenhaft und berücksichtigt nur "Kontore des Handelsgewerbes, die nicht mit offenen Verkaufsstellen verbunden sind" - ist ein Teilergebnis einer Reichserhebung der Kommission für Arbeiterstatistik über die Arbeitszeit der Gehilfen und Lehrlinge in diesen Kontoren. Danach erhalten 39% der Beschäftigten regelmäßig Urlaub und weitere 8% auf Wunsch. In den Großstädten und in den Großbetrieben wird prozentual mehr und häufiger Urlaub gewährt als in den Landstädten und Mittel- bzw. Kleinbetrieben. Die günstigsten Urlaubsverhältnisse sind im Bankwesen, im Buchhandel, in der Handelsgärtnerei, in der chemischen Industrie und in den polygraphischen Gewerben gegeben. Lehrlinge unter 16 Jahren sind am schlechtesten bedacht: Nur 16,1% von ihnen erhalten regelmäßig Urlaub, dagegen 42,3% der männlichen und 50,3% der weiblichen über 16 Jahre alten Angestellten. Immerhin können schon 39,7% der in den Großbetrieben mit mehr als 20 Hilfspersonen beschäftigten über 16 Jahre alten männlichen Angestellten, im Bank und Versicherungswesen sogar 48,5%, mit 14 und mehr Tagen Urlaub im Jahr rechnen. Nach dieser Veröffentlichung häufen sich Eingaben, Bittschriften und Resolutionen aus den verschiedenen Angestelltenverbänden "an die verehrliche Prinzipialität", die eine allgemeine Einführung von Urlaub für die Angestellten fordern. Dabei verlangen einige Angestelltenkreise erstmalig eine gesetzliche Regelung der Urlaubsfrage, während z.B. der Privat-Beamten-Verein betont, daß Urlaub "nur eine freiwillige Zubilligung von seiten des Chefs (sei)" und weiterhin auf freier Vereinbarung beruhen solle.
Höhere Angestellte, z.B. Prokuristen bekommen erheblich günstigere Urlaubsbedingungen durch ihren Privatanstellungsvertrag. Im Vergleich zu den kaufmännischen Angestellten stehen sich die technischen Angestellten im allgemeinen schlechter. Da nach Ansicht des Deutschen Techniker-Verbandes eine Verkennung des Technikerstandes als vorwiegend körperlich arbeitender Angestelltengruppe, die deshalb weniger Urlaub nötig habe, verantwortlich zu machen ist, legt der Verband Wert darauf, daß die technischen Angestellten nicht mit der Kraft ihrer Arme und Hände wirkten: "der wesentliche Wert ihrer Arbeit beruhe in geistigen und moralischen Potenzen, deren Schonung, Pflege und Erhaltung einem Unternehmen mindestens so not (tue) wie die körperliche Gesundheit seiner Mitarbeiter". Dabei steht die Art der Urlaubsgestaltung besonders den unteren Angestellten nicht immer frei. Das geht daraus hervor, daß Firmen, vor allem größere Warenhäuser, gelegentlich eigene Ferienheime besitzen, in denen der Urlaub verbracht werden muß. Für die Angestellten, die einem solchen Zwang nicht unterliegen, bilden sich um die Jahrhundertwende spezielle Reisedienste, die Erholungsaufenthalte und Bildungsreisen für Angestellte organisieren.

Im "Staatslexikon" der Görres-Gesellschaft beschreibt F. Hitze die Position des deutschen Sozialkatholizismus: Es werden "den Arbeitern, gestützt durch eine systematische Arbeiterwohlfahrtspolitik - insbesondere durch eine umsichtige Fortführung der Arbeiterschutz- und Versicherungsgesetzgebung -, gestärkt durch ihre eigenen Organisationen, gelingen, auch ihren Anteil an dem wirtschaftlichen Fortschritt stetig zu erhöhen, die schwächere Stellung des einzelnen (besonders verheirateten) Arbeiters gegenüber seinem Arbeitgeber" könne "gehoben werden durch den Zusammenschluß in gewerkvereinlichen Organisationen. Die individuelle Regelung des Arbeitsvertrags und des Lohns kann ersetzt werden durch die 'kollektive' der Berufsorganisationen; das Arbeitsangebot kann auf Zeit zurückgehalten werden ('Streik')".

Anfang 1901

Nach 15 Jahren Betriebszugehörigkeit erhalten Arbeiter in den Artillerie-Werkstätten in Münden 3 Tage Urlaub im Jahr.

6. Januar 1901

In Berlin wird die "Gesellschaft für Soziale Reform", zugleich deutsche Sektion der Internationalen Vereinigung für den gesetzlichen Arbeiterschutz, vom Verfasser des Statutenentwurfs Werner Sombart als "Agitationsverein auf breiter Basis" gegründet. Sie soll die "Massen des gebildeten Bürgertums" und die Angehörigen der "Erwerbsstände" gewinnen, die öffentliche Meinung beeinflussen und so auf Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung einwirken.
Der Zweck der Gesellschaft ist: "Durch Aufklärung in Wort und Schrift die soziale Reform auf dem Gebiete der Lohnarbeiterfrage in Deutschland zu fördern. Als wesentliche Bestandteile dieser Reform erachtet sie a) den weiteren Ausbau der Gesetzgebung im Interesse der Arbeiterklasse; b) die Förderung der Bestrebungen der Arbeiter, in Berufsvereinen und Genossenschaften ihre Lage zu verbessern." Sie will vor allem die Erhaltung und den Ausbau des Koalitionsrechts, dieses Grundrechts der Arbeiter. In der weiteren Arbeit der Gesellschaft tritt neben dem Ausbau des Arbeiterschutzes vornehmlich das Schieds- und Einigungswesen sowie immer beherrschender der gesetzlich geregelte Tarifvertrag in den Mittelpunkt.
Die Gesellschaft grenzt sich zwar ideologisch gegenüber der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung ab, bemüht sich aber gleichzeitig um Kooperation mit ihr.
Das Hauptkontingent in der Mitgliederschaft und in den Führungsgremien stellen fast alle nicht sozialdemokratischen Arbeiterorganisationen, die kaufmännischen und technischen Angestelltenverbände, Beamtenorganisationen sowie von der Gegenseite bis zu 23 Unternehmerverbände, Handelskammern und Firmen. Dazu treten wie auch im Verein für Sozialpolitik, Reichs- und Staatsbehörden, Stadtverwaltungen, religiös-soziale, politische, gemeinnützige Organisationen und Konsumvereine.
Damit werden erstmals konfessionelle, liberale und "nationale" Arbeitnehmerorganisationen mit Organisationen des Mittelstandes an die nichtsozialistische Industriearbeiterschaft zusammengeführt. Unterschiedliche Interessen und Zielkonflikte sind bei dieser Zusammensetzung allerdings unvermeidlich.
Die Generalkommission widersetzt sich argwöhnisch der auf Abspaltung hinzielenden Umarmung der Sozialreformer.

25. Januar 1901

Nach einem schweren Arbeitskampf in Halberstadt, von dem rund 1.200 Arbeiter betroffen sind, kommt es zu einer Vereinbarung mit dem Handschuhmacherverband über die Lehrlingsfrage.

10. Februar 1901

Eine Konferenz der Militärsattler beschließt, eine Tarifkommission zu bilden. Diese Kommission kann bald mit einem beachtlichen Erfolg aufwarten, denn im April 1903 teilt ihr der Kriegsminister mit, daß in Zukunft nur solche Firmen bei der Vergabe von Aufträgen berücksichtigt werden sollen, die auskömmliche Löhne zahlen.

10./13. Februar 1901

Die Generalversammlung der Werftarbeiter in Flensburg meint, daß die Verkürzung der Arbeitszeit, die Abschaffung der Akkordarbeit, die Verbesserung der Schutzvorrichtungen, bessere Beleuchtung auf den Arbeitsplätzen und sichere Stellagen die geeignetsten Mittel sind, den zahlreichen Unfällen in den Betrieben Einhalt zu tun. Der Vorstand wird beauftragt, geeignetes Material zu sammeln und der betreffenden Reichsbehörde zu überreichen.
Der Verband führt eine Reiseunterstützung ein. Er bedauert, daß die beschlossene Verschmelzung mit den Schiffszimmererverband nicht zustandegekommen ist.
Der Verband nennt sich künftig "Deutscher Werftarbeiter-Verband".

17./23. Februar 1901

Die Generalversammlung des Verbandes der Bau-, Erd- und gewerblichen Hilfsarbeiter in Braunschweig beschließt, eine Hinterbliebenen- und eine Umzugsunterstützung einzuführen. Die Beitragszahlung wird auf 44 Wochen erhöht, der Streikfonds aufgelöst. Für die ersten drei Streiktage wird keine Unterstützung gezahlt. Bei allen Lohnforderungen ist auf die Abschaffung oder Beschränkung der Akkordarbeit zu drängen.

24./27. Februar 1901

Die Generalversammlung des Verbandes der Seeleute in Hamburg beschließt, ehe ein Streik begonnen wird, die jeweilige Lage genau zu prüfen und zu versuchen, in Verhandlungen die Ziele zu erreichen. Vor allem soll versucht werden, daß in den verschiedenen Hafenstädten einheitlich gehandelt wird.
Die Generalversammlung erneuert die Forderung, das Rettungswesen für Schiffbrüchige zu verstaatlichen, hält aber die Mitgliedschaft in der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger bis dahin aufrecht.

25./27. Februar 1901

Die Generalversammlung der Stukkateure in Frankfurt a. Main beschließt die Einführung von je einer Streikmarke im Sommer und im Winter und einer Hinterbliebenenunterstützung. In Orten, in denen nicht zwei Drittel der Stukkateure organisiert sind, ist vor einem Angriffsstreik die Meinung der unorganisierten Kollegen zu erforschen.
Die Stukkateure verlangen, daß zwischen 1. Oktober und 1. April nur bei geschlossenen Fenstern und Türen gearbeitet werden darf. Offene Koksfeuer sind unter allen Umständen zu verbieten, an deren Stelle sind Kanonenöfen mit Abzugsrohren zu verwenden.

Februar / März 1901

Nach dem Bekanntwerden neuer geplanter Fleisch- und Getreidezölle finden in ganz Deutschland Protestversammlungen der Arbeiterbewegung statt.

3. März 1901

Eine Versammlung von 80 rheinisch-westfälischen Gewerkvereinen spricht ihr Bedauern gegenüber dem Beschluß des Generalrats aus, den Düsseldorfer Ortsverein wegen dessen oppositioneller Haltung aufzulösen.
Sie beschließt, einen Ausbreitungsverband für Rheinland-Westfalen zu gründen. Sein Leiter Anton Erkelenz wird 1903 aus dem Gewerkverein der Maschinenbauer ausgeschlossen.

25./28. März 1901

Die Generalversammlung des Unterstützungsvereins der Kupferschmiede in Magdeburg hält einen Anschluß an den Metallarbeiterverband für noch nicht angebracht.
Die Organisation wird in Agitationsbezirke eingeteilt. Der Vorstand soll Tarifgemeinschaften herbeiführen, nachdem die Einteilung in die Agitationsbezirke vollzogen ist. Eine Tarifgemeinschaft für das ganze Reichsgebiet wird wegen der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse für nicht durchführbar gehalten. Die Kupferschmiede haben mit ca. 48% einen der höchsten gewerkschaftlichen Organisationsgrade.

25./30. März 1901

Die Generalversammlung des Zentralverbandes der Zimmerleute und verwandter Berufsgenossen in Nürnberg sieht in der Vertragsschließung zwischen zwei sich auf wirtschaftlichem Gebiet gegenüberstehenden Interessenorganisationen bzw. -gruppen einen Akt gegenseitiger Anerkennung und Achtung und die Gewähr des Friedens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Beide Organisationen haben für die strikte Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen einzutreten.
Das Erhalten dieses Verhältnisses hängt einzig und allein von einer starken, finanziell gut fundierten Organisation auf Seiten der Arbeiter ab, die eventuell auch in der Lage ist, den Vertrag durch einen Kampf bei Arbeitgebern den gehörigen Respekt zu verschaffen.
Über eine Arbeitslosenunterstützung soll in einer Urabstimmung entschieden werden. Für den Bauarbeiterschutz sollen die Zimmerer energischer als bisher eintreten.
Alle Staats- und Kommunalbehörden werden aufgefordert, in die Bauverträge eine Lohnklausel aufzunehmen, mit der der Bauherr die vereinbarten Lohn- und Arbeitsbedingungen anerkennt. Die Zahlstellen können obligatorische Lokalbeiträge, der Zentralverband Extrabeiträge zur Streikunterstützung erheben.

31. März 1901

Die erste Ausgabe der von der Generalkommission herausgegebenen polnischen Zeitung "Oswieata" (Aufklärung) erscheint. Sie soll vierzehntäglich veröffentlicht werden.

1. April 1901

Die "Mitteilungen des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften Deutschlands" - Redakteur Johannes Giesberts - und die "Christliche Gewerkschaftszeitung" - Redakteur Adam Stegerwald - erscheinen zum ersten Mal.

Der Zentralverband christlicher Textilarbeiter wird gegründet.
Er ist ein Zusammenschluß der bereits bestehenden lokalen Textilarbeiterverbände.
Der Zentralverband hat ca. 12.640 Mitglieder.

5. April 1901

Der Kongreß der im Handels-, Transport- und Verkehrsgewerbe beschäftigten Arbeiter in Nürnberg beschließt, das Vertrauensmännersystem endgültig zu beseitigen und beauftragt den Vorstand des Zentralverbandes, den nächsten Kongreß der Handelshülfsarbeiter einzuberufen.
Die Reichskommission für Arbeiterstatistik wird ersucht, ihre Erhebungen im Transportgewerbe auf sämtliche im Personen- und Warentransport beschäftigten Personen auszudehnen.
Der Kongreß fordert den Acht-Uhr-Abends-Ladenschluß und die vollständige Sonntagsruhe im Handelsgewerbe sowie die Einbeziehung der Straßenbahnangestellten in die Gewerbeordnung.
Er protestiert gegen die staatlichen Behinderungen der Straßenbahnerbewegung.

In Berlin wird die "Internationale Artisten-Loge" (IAL) gegründet. Mitglieder können Artisten werden, die im Monat mindestens 500 Mark Gage erhalten. Die IAL bildet eine Rechtsschutzkommission und gewährt ihren Mitgliedern unentgeltlichen Rechtsschutz innerhalb der Berufsverhältnisse. Eine wichtige Frage ist die Klärung der Rechtsstellung von Artisten: Arbeitnehmer oder selbständige Gewerbetreibende. In dieser Zeit gibt es noch Verträge, die 41 Kündigungsmöglichkeiten enthalten. Die "Internationale Artisten-Zeitung" wird für etwa ein Jahr das offizielle Logenblatt.

6./9. April 1901

Der Verbandstag des Verbandes der Müller und verwandter Berufsgenossen in Heilbronn beschließt, eine Arbeitslosen- und eine Krankenunterstützung obligatorisch, eine Hinterbliebenenunterstützung mit einem Umlageverfahren einzuführen.
Die Streikunterstützung soll vom vierten Tag an bezahlt werden.
Der Hauptvorstand wird beauftragt, für eine Verschmelzung der Verbände der Lebensmittelindustrie zu wirken.

6./10. April 1901

Die Generalversammlung des Verbandes der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter in Nürnberg beschließt, künftig Arbeiterinnen als Mitglieder aufzunehmen. Die Krankenunterstützung wird obligatorisch und zentralisiert, Streikunterstützung ab dem vierten Tag bezahlt.
Die Delegierten legen fest, daß diejenigen Verbandsmitglieder, welche bei Besetzung der auf Grund der Arbeiterschutzgesetze - Alters-, Invaliden-, Krankenversicherung - von Seiten der organisierten Arbeiterschaft zu bestimmten Stellungen gewählt werden, sich als Beauftragte ihrer Wähler zu fühlen und nach den von der Organisation gefaßten Beschlüssen zu handeln haben.
Die Organisation wird in Gaue unterteilt.

7./8. April 1901

Der "Verband der Portefeuiller und Leder-Galanterie-Arbeiter Deutschlands" wird gegründet. Zunächst hatten sich die Portefeuiller den Buchbindern angeschlossen, wo sie jedoch stets in der Minderheit blieben. Der Verband muß zunächst um seine Existenz kämpfen, denn der Buchbinder-Verband will nicht auf die Organisation der Portefeuiller verzichten. Organ des Verbandes wird die "Portefeuiller-Zeitung".

7./10. April 1901

Die Generalversammlung des Zentralverbandes der Schmiede in Braunschweig beauftragt die Generalkommission, den Metallarbeiterverband zu bewegen, dessen ablehnende Haltung und Handlungen gegenüber dem Schmiede-Verband aufzugeben.
Der Hauptvorstand wird beauftragt, ein Verhaltensreglement für die Ortsverwaltungen auszuarbeiten.
Der Verband wird zwecks besserer Agitation in Gaue eingeteilt.

8. April 1901

Auf der Generalversammlung des Verbandes der Lagerhalter und Lagerhalterinnen in Jena beklagt der Vorsitzende, daß die gegen Verbände geführten Kämpfe besonders schwierig sind, da die Arbeitgeber - die Verwaltungen der Konsumvereine - größtenteils aus organisierten Arbeitern bestehen, die sich mitunter nicht scheuen, die Rechte, die sie sich selbst von den Privatkapitalisten erkämpfen, ihren eigenen Angestellten zu verweigern.
Ab 1. Juli wird ein eigenes Monatsblatt für Lagerhalter erscheinen.
Es wird beschlossen, einen Kontrollausschuß einzusetzen und die Generalversammlung künftig durch Delegierte zu beschicken.

8./11. April 1901

Die Generalversammlung des Verbandes der Bäcker und Berufsgenossen in Mainz legt als Ziele der kommenden Lohnbewegung vor allem die weitere Beseitigung des Kost- und Logiswesens und die Erreichung der 10-stündigen Arbeitszeit fest.
Die Delegierten befassen sich ausführlich mit den Innungseinrichtungen.
In dringenden Fällen kann der Vorstand Extrabeiträge erheben. Gebundene Mandate der Delegierten sind zukünftig unzulässig.
Die Generalversammlung stellt sich auf den Boden der Industrieverbände, behält es aber der nächsten Generalversammlung vor, darüber zu beschließen.

8./13. April 1901

Der Verbandstag des Zentralverbandes der Maurer und verwandter Berufsgenossen in Mainz verpflichtet die Mitglieder erneut, mit Nachdruck für die Durchführung des von der Bauarbeiterschaft Deutschlands geforderten Arbeiterschutzes einzutreten, die die inzwischen erlassenen Gesetze und Polizeivorschriften den geforderten Schutz nicht wesentlich gefördert haben.
Die Organe des Verbandes haben mit aller Macht darauf zu dringen, daß für ihren Bezirk mit der Organisation oder mit den einzelnen Unternehmern ein Vertrag auf bestimmte Dauer abzuschließen ist, in dem alle Arbeitsbedingungen möglichst klar zu regeln sind.
Der Verbandstagsvorstand bzw. die Zweigvereine müssen mehr als bisher darauf hinwirken, daß in die Bauverträge eine Lohnklausel aufgenommen wird, mit der der Bauunternehmer gehalten ist, die vereinbarten Lohn- und Arbeitsbedingungen einzuhalten.
In rund 190 Zahlstellen mit rund 32.000 Mitgliedern bestehen Tarifverträge. Der Abschluß eines Reichstarifvertrages scheitert am Widerstand der Unternehmer.
1900 werden die Streikkosten zu 99,04% aus Verbandsmitteln gedeckt. Die Streikunterstützung wird vom vierten Tag an gezahlt. Neu eingeführt wird eine Hinterbliebenenunterstützung. Die Delegierten protestieren gegen die Ungerechtigkeit im Unfallversicherungsgesetz, daß Hinterbliebene ausländischer Arbeiter keine Rente erhalten.
Der Verband heißt in Zukunft "Zentralverband der Maurer Deutschlands".

14./16. April 1901

Die Generalversammlung des Verbandes der Schiffszimmerer in Veddel bei Hamburg ändert den Organisationsnamen in "Verband der Schiffszimmerer, Boots-, Holz- und Eisenschiffsbauer Deutschlands".
Die Teilnahme eines Vertreters des Werftarbeiterverbandes wird abgelehnt.

15. April 1901

Die erste Ausgabe der "Mitteilungen der christlichen Gewerkschaften Deutschlands" erscheint. Seit dem 1. Januar 1905 führen sie den neuen Titel "Zentralblatt der christlichen Gewerkschaften Deutschlands.

22. April 1901

Zum ersten Mal erscheint im "Correspondenzblatt" die Rubrik "Wirtschaftliche Rundschau" mit speziellen Berichten aus der Wirtschaft.

Anfang Mai / 24. Oktober 1901

In Nordhausen streiken rund 1.000 Kautabakarbeiter für die Anerkennung des Koalitionsrechtes der Arbeiter. Die Streikenden werden ausgesperrt. Die Unternehmer müssen jedoch das Koalitionsrecht anerkennen.

1. Mai 1901

Die Firma Karl Zeiß in Jena schließt den gesamten Betrieb vormittags um 11 Uhr, zahlt aber für den ganzen Tag Lohn.
Nach einem Jahr Erfahrung mit dem Achtstundentag stellt der Leiter der Firma Ernst Abbé fest, daß damit keine Minderung der Produktion, also Verringerung der Arbeitsleistung und des Verdienstes des einzelnen Arbeiters eingetreten sei, noch könne gesagt werden, daß das Arbeitsresultat unter besonderer körperlicher Anstrengung der Arbeiter herbeigeführt worden ist.
Das ganze Geheimnis der gesteigerten Leistung bei kürzerer Arbeitszeit beruhe auf der intensiveren Tätigkeit, dem rascheren Tempo und der Beseitigung derjenigen üblichen Gewohnheiten, welche eine lange Arbeitszeit mit sich bringt.

26./28. Mai 1901

Die Generalversammlung des Verbandes deutscher Berg- und Hüttenarbeiter in Kassel protestiert gegen jede Erhöhung der Lebensmittelzölle. Sie erkennt an, daß Anfänge zu einem Arbeiterschutz gemacht würden, die Statistik der Unfälle und Erkrankungen beweist aber wieder sehr deutlich, daß ein wirksamer Arbeiterschutz nicht gegen, sondern nur mit den Arbeitern bzw. ihren gewählten Vertretern ausgeübt werden kann.
Die Generalversammlung wiederholt deshalb ihre alten Forderungen - 8stündige Arbeitszeit, strenges Verbot der Frauenarbeit, Verbot der unterirdischen Beschäftigung von Kindern unter 16 Jahren, Unterstützung der Berginspektoren durch "praktische Arbeiter", Reform des Knappschaftswesens und ungehindertes Vereinsrecht.
Zur Ansammlung eines Streikfonds soll ein freiwilliger monatlicher Beitrag geleistet werden. Der Verband führt eine Hinterbliebenenunterstützung ein.
Der Vorstand hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, soweit es die Kassenverhältnisse gestatten, andere Gewerkschaften, sobald sich diese in bedrängter Lage befinden, aus Mitteln des Verbandes zu unterstützen.
Die Generalversammlung protestiert gegen die ständigen Schikanen der Polizeibehörden gegen die Tätigkeit des Verbandes.
Der Verband nennt sich nun "Verband deutscher Bergarbeiter".

26./29. Mai 1901

Der Kongreß der Christlichen Gewerkschaften in Krefeld wird mit einer Versammlung eingeleitet. Sie erklärt in einer einstimmig angenommenen Resolution, "die gewerkschaftliche Vereinigung der Arbeiter zu ihrem Schutze im gewerblichen Leben, zur Verbesserung ihrer Lohn- und Arbeitsbedingungen für unbedingt nothwendig.
Diese Gewerkschaften müssen sich von Parteipolitik freihalten, desgleichen haben sie keine religiösen Aufgaben zu lösen, andererseits aber haben diese Gewerkschaften in der Verfolgung ihrer wirthschaftlichen Ziele die christliche Gesellschaftsordnung zu respektieren.
Um diese Garantie zu schaffen, haben wir uns in christlichen Gewerkschaften organisiert. Wir werden auch in Zukunft nur eine solche Gewerkschaftsbewegung gutheißen, welche die religiöse Ueberzeugung ihrer Mitglieder achtet. Das hindert uns aber nicht, für eine möglichst geschlossene Gewerkschaftsbewegung zu Gunsten der gesammten Arbeitergenossenschaft einzutreten.
Die Versammlung verspricht, mit aller Energie für die Organisation der christlichen Arbeiter einzutreten und dem christlichen Gewerkschaftsgedanken weiteste Verbreitung zu verschaffen."
Der Kongreß nimmt dann mit Mehrheit eine ergänzende Resolution an, in dieser erklärt er "sich mit der Stellungnahme des Ausschusses des Gesammtverbands bezüglich der Frage der interkonfessionellen und paritätischen Gewerkschaften, wie er sie in der Kölner Erklärung vom 8. November 1900 zum Ausdruck gebracht hat, einverstanden, da die Frage der einheitlichen Organisation der deutschen Arbeiter vor der Hand keine praktische Bedeutung hat und die Verwirklichung derselben in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Eine abweichende Meinung in dieser Frage schließt die Betheiligung an den Gewerkschaftskongressen und dem Gesammtverbande der christlichen Gewerkschaften Deutschlands nicht aus."
In der Diskussion äußert der Arbeitersekretär J. Giesberts, "daß jetzt schon den Sozialdemokraten die Thüren der christlichen Gewerkschaften offen ständen, denn neun Zehntel der Sozialdemokraten stünden trotz ihrer politischen Anschauungen noch auf christlichem Boden".
Der Kongreß beschließt die Statuten für den Gesamtverband der Christlichen Gewerkschaften:
§ 1 Unter dem Titel "Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands" treten die auf christlicher Grundlage bestehenden Arbeiterberufsorganisationen Deutschlands zu einer Kartellvereinigung zusammen.
§ 2 Der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands erstrebt:
1. Die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der arbeitenden Stände durch die gewerkschaftliche Organisation und Herbeiführung eines friedlichen Ausgleichs der Gegensätze zwischen Arbeiter und Arbeitgeber unter Anerkennung der selbständigen Mitwirkung der organisierten Arbeiterschaft bei Festsetzung der Lohn- und Arbeitsbedingungen.
2. Die Verbindung und Fühlung der einzelnen Gewerkschaftsverbände untereinander zu vermitteln, zwecks gemeinsamen, solidarischen Handelns bei besonderen, die allgemeinen gewerkschaftlichen Interessen betreffenden Fragen.
Als solche gelten vornehmlich:
a) Wahrung und Durchführung des auf den gemeinsamen Kongressen der christlichen Gewerkschaftsverbände aufgestellten Programms und zwar bis auf weiteres die auf dem ersten Kongreß in Mainz aufgestellten Leitsätze.
b) Herbeiführung der gesetzlichen Anerkennung der Arbeiterberufsvereine.
c) Schaffung gesetzlicher Instanzen zur Schlichtung und Beteiligung von Streitigkeiten über Lohn- und Arbeitsbedingungen zwischen Unternehmer und Arbeiter unter Mitwirkung der organisierten Arbeiterschaft.
d) Vermittlung gegenseitiger Unterstützung bei außerordentlichen Anlässen.
e) Anregung und Herbeiführung statistischer Erhebungen über die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Arbeiter in den einzelnen Berufen.
§ 3 Zur Durchführung der Aufgaben des Gesamtverbandes dient u.a.:
- Die Herausgabe eines Korrespondenzblattes für die christlichen Gewerkschaften, welches als Informationsorgan von den Vorsitzenden, Vertrauensmännern und Bezirksvorstehern der einzelnen Gewerkschaften benutzt wird.
- Erteilung von Auskunft und Rat in allen gewerkschaftlichen Fragen, sowie Sammlung von statistischem Material und Förderung der Agitation zur Gründung neuer Gewerkschaften.
- Beratung und Entscheidung über auftretende Meinungsverschiedenheiten, über Fragen der Organisation und Taktik, welche die Gewerkschaften im Allgemeinen berühren.
§ 4 Zur Durchführung der Aufgaben des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften wird ein Ausschuß gebildet, in welchem soweit wie möglich, die einzelnen christlichen Gewerkschaften entsprechend ihrer Mitgliederzahl, oder doch mindestens die verwandten Berufsgruppen durch Delegierte vertreten sind.
§ 7 Die Mittel der Kosten werden von den einzelnen Gewerkschaften aufgebracht.
§ 9 Zur Durchführung der im allgemeinen Interesse der Arbeiterschaft liegenden Aufgaben der Gewerkschaften soll der Ausschuß des Gesamtverbandes nach einem friedlichen Verhältnis zu den anderen Gewerkschaftsverbänden streben und das Zusammengehen der verschiedenen Berufsverbände von Fall zu Fall zu fördern suchen, soweit solches mit den Grundsätzen der christlichen Gewerkschaften vereinbar erscheint.
Die Delegierten sind sich einig darin, daß die Unterstützungskassen nur eine Nebenaufgabe der Gewerkschaften seien, die deren Hauptaufgabe, für Besserung der Arbeitsbedingungen, insbesondere Einführung des Kollektiven Arbeitsvertrages, Sorge zu tragen, nicht beeinträchtigen dürften, vielmehr nur den Zweck hätten, den Arbeitern einen Anreiz zum Beitritt zu bieten und auf Stabilität in dem Mitgliederbestande hinzuwirken. Man erklärt, daß man sich dadurch von den Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereinen unterscheide. Aus diesen Gründen wollte man auch besondere Kassenorganisation möglichst vermeiden und alle Unterstützungen aus der einheitlichen Gewerkschaftskasse bestreiten. Der Kongreß beschließt ein Sterbegeld und Reise- und Krankenunterstützung.
Mit der Annahme der Statuten sind auch die Organisationsgrundsätze der christlichen Gewerkschaften entschieden. Ihr Aufbau gliedert sich so: Die Einzelgewerkschaften verfügen über zentrale Generalversammlungen, die den Vorstand wählen; die nächsten Ebenen bilden Bezirks- oder Gauverbände und schließlich die örtlichen Zahlstellen, die - besonders in größeren Städten - zu Ortskartellen zusammengeschlossen werden; diese Ortskartelle verstehen sich als lokale Vertretungen des Gesamtverbandes und sorgen für einheitliches Vorgehen der Einzelverbände in Fragen der Agitation, aber auch bei Wahlen zu den Vertretungsgremien von Krankenkassen und Gewerbegerichten. Oberste Instanz des Gesamtverbandes sind die Generalversammlungen, denen die Wahl der Ausschußmitglieder, die Festsetzung der Beiträge und Statutenänderungen obliegen.
Die Exekutive des Gesamtverbandes ist der Ausschuß aus Vertretern der Gewerkschaften, der die Kongresse einberuft.
Der Ausschuß wählt aus seiner Mitte einen Vorstand, der aus erstem und zweitem Vorsitzenden, einem Schriftführer, einem Kassierer und einem Beisitzer besteht. Der Vorstand erledigt die laufenden Geschäfte und führt die Beschlüsse des Ausschusses aus.
Vor allem für die Aufgabe der Agitation zugunsten der Neugründung der Gewerkschaften wird dem Vorstand ein Sekretär zugeordnet.
Erster Generalsekretär wird Adam Stegerwald, der Vorsitzende des christlichen Holzarbeiterverbandes.
Den kleinen Organisationen wird empfohlen, sich den Zentralorganisationen anzuschließen oder zumindest einen "Zentralverband für verschiedene Berufe" anzustreben.
Die Gewerkschaften sollen hohe Beiträge erheben, um den Mitgliedern Kranken- und Sterbegeld sowie Arbeitslosen- und Reiseunterstützung gewähren zu können.
Der Kongreß verlangt die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine und das volle Koalitionsrecht für alle Personen über 14 Jahre sowie die Änderungen der Vereinsgesetze, vor allem in bezug auf die Bestimmungen über politische Vereine.
Die örtlichen Kartelle und Arbeiterschutzverbände sollen bestrebt sein, nach Möglichkeit die gewählten Arbeiterverteter der Krankenkassen, Gewerbegerichte, Schiedsgerichte etc. in Arbeitervertretervereine zu sammeln und für die Schulung und Aufklärung in der sozialen Gesetzgebung Sorge zu tragen.
Als grundsätzliche Forderungen für eine Reform der Krankenversicherung sind festzuhalten:
Aufrechterhaltung der Selbstverwaltung der Krankenkassen und der Zusammensetzung der Vorstände zu zwei Dritteln aus Arbeitern und einem Drittel aus Arbeitgebern.
Möglichste Zentralisation der Krankenkassen und Durchführung einer einheitlichen Krankheitsstatistik.
Ausdehnung der Versicherungspflicht auf alle der Invalidenversicherung unterstellten Personen.
Ausdehnung der gesetzlichen Unterstützungsdauer auf mindestens 26 Wochen unter Erhöhung des Krankengeldes auf zwei Drittel des Lohnes und Ausdehnung der Unterstützung der Wöchnerinnen auf mindestens 6 Wochen.
Der Kongreß sieht in der Reform des Gesetzes betr. die Gewerbegerichte, besonders in der Erweiterung der einigungsamtlichen Thätigkeit derselben durch Einführung des Verhandlungszwanges vor dem Einigungsamte, einen erfreulichen Fortschritt zur friedlichen Beilegung der gewerblichen Streitigkeiten.

26./30. Mai

Die Generalversammlung des Verbandes der Glaser in Fürth beschließt einen Zentralarbeitsnachweis und verpflichtet jede Zahlstelle einen lokalen Arbeitsnachweis zu errichten. Die Karenzzeit für die Bezugsberechtigung der Arbeitslosenunterstützung wird von 26 auf 52 Wochen Mitgliedschaft erhöht.
Der Verbandsvorsitzende wird nun fest angestellt. Er ist gleichzeitig Redakteur der Verbandszeitung.
Der Sitz des Verbandes wird von Stralau nach Berlin gelegt.

27./29. Mai 1901

Der internationale Bergarbeiterkongreß in London findet ohne deutsche Teilnehmer statt, da sie sich gegen jährliche Kongresse ausgesprochen haben.

27. Mai / 1. Juni 1901

Die Generalversammlung des Zentralvereins der Bildhauer in Dresden lehnt eine Karenzzeit für die Unterstützung bei Streiks, Aussperrungen und Maßregelungen ab. Ob eine Maßregelung vorliegt, entscheidet allein der Zentralvorstand.
Der Verein verfügt über eine gut funktionierende Stellenvermittlung.

27. Mai / 3. Juni 1901

Der Verbandstag der Gewerkvereine in Köln hält es für erwiesen, "daß in den Städten sowohl als auf dem Lande fast allgemein die Wohnungsverhältnisse für die minderbemittelte Bevölkerung, insbesondere für die Arbeiterfamilien durchaus unzureichend sind. Zur Abhülfe dieses großen sozialen Schadens richtet der Verbandstag an die Staatsregierungen das Ersuchen, der Wohnungsfrage vollste Aufmerksamkeit zu schenken und alle auf die Förderung des Arbeiterwohnungswesens gerichteten Bestrebungen, sofern dieselben der Freizügigkeit nicht entgegenstehen, zu unterstützen, insbesondere 1. durch den Bau von Wohnungen für die in den Staatsbetrieben beschäftigten unteren Beamten und Arbeiter; 2. durch Unterstützung und Förderung der auf Selbsthülfe beruhenden Baugenossenschaften; 3. durch Einrichtung von Wohnungsinspektionen.
Der Verbandstag richtet an die Gemeinden und Gemeindeverbände das Ersuchen, in der gleichen oben gezeichneten Richtung thätig zu sein, insbesondere in größeren Städten durch die Entwickelung der Verkehrsmittel (Straßenbahnen, womöglich mit Übernahme in eigene Regie), Betheiligung an gemeinnützigen Baugesellschaften und Unterstützung von Baugenossenschaften, Ablassung von Bauterrain zu billigen Preisen oder vermittelst des Erbbaurechts, Erschließung von Baustellen, Gewährung billigen Kredits und event. Übernahme der Bürgschaft, Erleichterung des Bauens von kleinen Wohnungen vermittelst Ermäßigung der Realsteuern, bezw. des Wassergeldes, der Kanalisationsgebühren usw., zweckmäßige Gestaltung der Grund- und Gebäudebesteuerung (Besteuerung nicht nach dem Reinertrag, sondern nach gemeinem Werth), um die aus Spekulationsrücksichten unbebaut liegenden Grundstücke zur schnelleren Bebauung zu bringen."
Die Gewerkvereine fordern weibliche Gewerbeinspektoren, Arbeiterdelegierte für die Grubeninspektion und die Anstellung von Handelsinspektoren und protestieren gegen die drohende Beschränkung bzw. Beseitigung der freien Hilfskassen.
Ein Antrag von M. Hirsch wird angenommen, in dem die politische Neutralität als wesentliches Erfordernis und maßgeblicher Grundsatz der Gewerkvereine betont wird.
Der Verbandstag erklärt mit 27 gegen 20 Stimmen:
"Die Neutralität der Arbeiterberufsvereine, d.h. ihre Trennung und Unabhängigkeit von parteipolitischen und kirchlichen Bestrebungen, bildet ein wesentliches Erfordernis, um ihre wahren, die wirtschaftlich-sozialen Aufgaben unverfälscht und mit konzentrierter Kraft zu erfüllen.
Dieser Grundsatz ist für die deutschen Gewerkvereine seit ihrer Entstehung unverbrüchlich maßgebend gewesen.
Die Behauptung, daß sie von einer politischen Partei für ihre Zwecke gegründet und in Abhängigkeit gehalten sei, ist eine hundertmal nachgewiesene Unwahrheit, die nur aus Unkenntnis oder Böswilligkeit noch heute wiederholt werden kann.
Der als Beweis für die politische Parteinahme angeführte 'Revers' beweist vielmehr das Gegenteil. Er wurde seit 1876 eingeführt zur notgedrungenen Abwehr gegen die von der Sozialdemokratie geplante Sprengung oder Ausbeutung der Gewerkvereine zu Parteizwecken. Die statuarische Bestimmung, wonach Anhänger der Sozialdemokratie nicht beitreten können, gilt nicht der politischen, sondern der sozialen, die Kollektivwirtschaft erstrebenden Partei. Ein prinzipielles wirtschaftlich-soziales Programm aber steht nicht im Widerspruch mit dem Wesen der Arbeiterberufsvereine, sondern bildet ihre wesentliche Grundlage, ihren wahren Charakter.
Ein großer Teil der Gewerkschaften, sowohl sozialdemokratischer als auch christlicher Richtung, verfolgt dagegen grundsätzlich wie tatsächlich partei- oder kirchenpolitische Zwecke. An sie, nicht an die längst neutralen Gewerkvereine, ist daher die Aufforderung zur Neutralisierung zu richten.
Das allgemeine praktische Arbeiterinteresse, insbesondere die wirksame Vertretung gegenüber den Arbeitern, gebietet keineswegs die Verschmelzung, sondern nur ein Bündnisverhältnis, beruhend auf gegenseitiger Anerkennung und Achtung. Die deutschen Gewerkvereine haben, wie von Anfang an, so besonders in letzter Zeit, ein solches Verhältnis tatsächlich erstrebt und nach Kräften innegehalten; sie werden ebenso auch in Zukunft handeln."
Mit 26 gegen 21 Stimmen stimmen die Delegierten einem Antrag zu, daß in der Frage des Reverses - mit dem neue Gewerkvereinsmitglieder schriftlich erklären müssen, nicht Sozialdemokrat zu sein - nur die Generalversammlungen der einzelnen Gewerkvereine beschlußberechtigt sind. Ein Jahr später schafft die Generalversammlung der Maschinenbauer - des größten Gewerkvereins - den Revers ab.
Der Verbandstag erklärt sich nochmals mit aller Entschiedenheit für die Aufrechterhaltung der zur Beschäftigung eines großen Teils der Arbeiter notwendigen langfristigen Handelsverträge und gegen jede Erhöhung der die Lebenshaltung der Arbeiter herunterdrückenden Getreidezölle. Der Verbandstag protestiert feierlich gegen diesen Versuch, die Besitzenden auf Kosten der hart arbeitenden Masse des Volkes und der Wohlfahrt des Ganzen zu bereichern.
Die statuarische Anerkennung der regionalen sog. "Ausbreitungsverbände" wird abgelehnt.
Den Düsseldorfer Mitgliedern wird empfohlen, einen Ortsverband neu zu gründen. Der Zentralrat soll dieses Bestreben nicht behindern.

28. Mai / 1. Juni 1901

Die Generalversammlung des Metallarbeiterverbandes in Nürnberg beschließt mit 120 Stimmen: "In allen Betrieben, wo drei Fünftel der beschäftigten Arbeiter Mitglieder einer Organisation sind, sind dieselben verpflichtet, durch geheime Abstimmung einen Beschluß über die Arbeitsruhe am 2. Mai herbeizuführen. Entscheidet sich die Majorität für Arbeitsruhe, so hat sich die Minorität diesem Beschluß zu fügen. Der Ortsverwaltung ist spätestens zehn Tage vor dem 1. Mai von dem Beschluß Kenntnis zu geben. Aussperrungen und Maßregelungen wegen der Arbeitsruhe am 1. Mai dürfen nicht mit Forderungen unsererseits beantwortet werden.
Bei Aussperrungen oder Maßregelungen wegen der Arbeitsruhe am 1. Mai tritt für die davon Betroffenen eine Unterstützung in der Höhe der Arbeitslosenunterstützung in Kraft und wird die Unterstützung vom 2. Mai ab gezahlt."
Die Delegierten beschließen eine Bezirkseinteilung des Verbandes und verabschieden ein umfangreiches Reglement über die Aufgaben der Führungsgremien.
Die Generalversammlung protestiert gegen die Verteuerung des Brotes als direkte Folge einer Getreidezollerhöhung, denn dies würde "die Hebung der wirtschaftlichen Lage, welche durch die gewerkschaftlichen Organisationen erstrebt wird, zum Theil durch lange, opferreiche Kämpfe erreicht wurde, illusorisch machen".
Die Zentralverbände waren in Gaue oder Bezirke untergliedert. Der DMV nahm 1901 die Bezirkseinteilung vor "zur wirksamen Unterstützung des Vorstandes, zur Durchführung der Beschlüsse der Generalversammlung und der Verbandsbestrebungen sowie zur Regelung der Agitation".
Auf den jährlich oder alle zwei Jahre stattfindenden Gautagen, Gau- oder Bezirkskonferenzen war zumeist jeder Zweigverein durch einen oder mehrere Delegierte vertreten. Die Bezirks- oder Berufskonferenzen des DMV sollten vor allem auch dazu dienen, die Bezirksleiter wirksam zu unterstützen. Der hauptamtliche Bezirksleiter hatte folgende Aufgaben:
"a) Leitung der Agitation in seinem Bezirk;
b) Eingreifen bei Lohnbewegungen und Arbeitsdifferenzen nach den Bestimmungen des Statuts und den Anweisungen des Vorstandes;
c) Vornahme von Revisionen in den zu seinem Bezirk gehörenden Verwaltungs- bzw. Geschäftsstellen;
d) Schlichtung bzw. Untersuchung von Differenzen der Mitglieder untereinander;
e) Ausführung sonstiger ihm vom Vorstand im Verbandsinteresse erteilter Aufträge durch das Statut ihm zufallender Obliegenheiten."
War an einem Ort die statuarisch festgelegte Mindestzahl von Mitgliedern vorhanden, wurde vom jeweiligen Gewerkschaftsverband eine lokale Organisation in Gestalt eines Zweigvereins, einer Zahlstelle, Mitgliedschaft, Verwaltungsstelle, Filiale oder Fachsektion gegründet. Wie beim DMV hatte sie die Aufgabe, Beitritts- oder Austrittserklärungen entgegenzunehmen, Verbandsbeiträge zu erheben, Unterstützungen auszuzahlen, Anordnungen des Vorstandes auszuführen und für die im Statut genannten Ziele des Verbandes einzutreten.

28./31. Mai 1901

Der Zentralverband der Töpfer und Berufsgenossen in Magdeburg beschließt, um die Einführung der Lohnarbeit statt der Akkordarbeit zu erleichtern, in allen Orten, wo feste, einheitliche Tarife bestehen oder erkämpft werden, die Mitglieder zu verpflichten, "eine Maximalgrenze des Verdienstes festzusetzen".
Das Unterstützungswesen wird erheblich ausgebaut. Der Verband hat nun eine Kranken-, eine Hinterbliebenen-, eine Umzugs- und eine Reiseunterstützung. Filialen, die noch kein Jahr bestehen, sollen keine Angriffsstreiks durchführen. Streikunterstützung soll erst vom vierten Tag an gezahlt werden.
Der Zentralarbeitsnachweis ist eingestellt worden.
Die Gewerkschaft nennt sich um in "Zentralverband der Töpfer Deutschlands".

29./30. Mai 1901

Der Verbandstag der evangelischen Arbeitervereine in Speyer erkennt nach heftigen Auseinandersetzungen die Notwendigkeit der beruflichen Organisation der Arbeiter an. Es ist nicht Aufgabe der evangelischen Arbeitervereine, berufliche Organisationen (Gewerkschaften) ins Leben zu rufen oder gar den gewerkschaftlichen Kampf selbst zu führen. Den Mitgliedern der evangelischen Arbeitervereine wird dringend empfohlen, sich, soweit es für sie erforderlich ist, Gewerkschaften anzuschließen unter Ausschluß statuarisch oder prinzipiell parteipolitischer Gewerkschaften, in jedem Fall aber haben sie stets für die Neutralisierung der Gewerkschaft zu wirken.

17./22. Juni 1901

Die Generalversammlung des Unterstützungsvereins für alle in der Hut- und Filzwarenindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Luckenwalde streicht die Unterstützung von Nichtmitgliedern. Künftig werden Präsident und Sekretär nicht mehr durch Urabstimmung, sondern auf der Generalversammlung gewählt.
Der Verein ändert den Namen "Unterstützungsverein" in "Centralverein".

18. Juni 1901

Vom Zentralverband der Maurer waren mehrere Mitglieder ausgeschlossen worden, weil sie trotz gegenteiliger Beschlüsse im Akkord gearbeitet hatten. Unter dem Namen "Freie Vereinigung" gründen diese daraufhin eine Sonderorganisation. Eine Versammlung der Sozialdemokratischen Partei in Hamburg beschließt deshalb beim Parteivorstand den Ausschluß von 103 als Streikbrecher namhaft gemachten, im Akkord arbeitenden Maurern zu beantragen. Das eingesetzte Schiedsgericht unter dem Vorsitz von I. Auer lehnt jedoch einstimmig den Antrag ab.

24. Juni 1901

Der Bundesrat stimmt der Novelle zum Gewerbegerichtsgesetz zu, die am 1. Januar 1902 in Kraft tritt. Die Novelle legt fest, daß nun Orte mit mehr als 20.000 Einwohnern ein Gewerbegericht einrichten müssen. Für Verhandlungen vor dem Einigungsamt wird der Erscheinungszwang eingeführt. Beim Wahlrecht wird jede Zeitbestimmung hinsichtlich des Wohnens oder der Beschäftigung am Ort des Gewerbegerichts aufgehoben.
Die Forderungen der SPD, das aktive und passive Wahlrecht auf 21 Jahre festzusetzen (nach dem Gesetz 25 bzw. 30 Jahre), die Aufhebung der Innungsgerichte und die Erweiterung der Rechte der Gerichte als Begutachterorgane, werden ebenso abgelehnt wie der Antrag der SPD, den 8-Uhr-Ladenschluß bis 6 Uhr morgens gesetzlich festzulegen. Vorläufig wird der 9-Uhr-Ladenschluß bis 5 Uhr morgens erreicht.

9. Juli 1901

Eine Konferenz des Schneiderverbandes diskutiert in Frankfurt a. Main die Forderung, die Arbeiterschutzgesetze auch auf die Hausindustrie auszudehnen. Die Teilnehmer beschließen, das über die Schäden der Hausindustrie vorhandene Material in einer Broschüre zu veröffentlichen und den gesetzgebenden Körperschaften zu übermitteln.

14./15. Juli 1901

Die Generalversammlung des Zentralvereins der Formstecher in Einbeck beschließt, über die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung eine Urabstimmung durchzuführen. Mit großer Mehrheit wird abgelehnt, Hilfsarbeiter nicht mehr in den Verband aufzunehmen.
Anstelle der "Buchdrucker-Wacht" wird die "Zeitschrift für Graveure" Verbandsorgan.

25. Juli 1901

Die Generalkommission lehnt eine Teilnahme an einem von bürgerlichen Sozialreformern einberufenen Internationalen Arbeiterschutzkongreß ab, da ein "Vortheil für die Arbeiterschaft aus dem Kongreß nicht erwachsen werde". "Soweit die Propaganda für internationalen Arbeitsschutz nothwendig und möglich, müsse sie sich auf die Verhandlungen des Arbeiterschutzkongresses in Zürich stützen."

27. Juli 1901

4.700 Flaschenmacher beginnen in 20 Orten einen Generalstreik zur Sicherung des Koalitionsrechts. Ursache ist die Maßregelung organisierter Glasarbeiter in Nienburg, die aus Schauenstein zugezogen sind, wo seit dem 1. August 1900 für bessere Lohn- und Wohnverhältnisse gestreikt wird.
Seit dem 27. Februar streikten in Nienburg bereits etwa 2.000 Glasarbeiter für die Wiedereinstellung der Gemaßregelten.

8./10. August 1901

Der internationale Buchdruckerkongreß in Luzern ändert den Wahlmodus für den internationalen Sekretär.

21. August 1901

Anläßlich des skandinavischen Arbeiterkongresses in Kopenhagen treffen sich zum ersten Mal die Sekretäre von 7 nationalen Gewerkschaftsbünden. Sie diskutieren eine Regelung internationaler Gewerkschaftsfragen und vereinbaren, anläßlich des nächsten deutschen Gewerkschaftskongresses in Stuttgart 1902 die Diskussion fortzusetzen.

25./29. August 1901

Der internationale Kongreß der Glasarbeiter in Hannover spricht seine Solidarität mit den streikenden Glasarbeitern aus und sichert ihnen die Unterstützung bis zum siegreichen Ende des Streiks zu.

26. August 1901

Der Organisationsgrad der Fleischer beträgt nur 0,5%, der Friseure 3,2% und der der Bäcker 6,7%.

17. September 1901

Der Streik der Glasarbeiter wird beendet, da nicht genug Unterstützungen eingingen, vor allem ist die mangelhafte Teilnahme einzelner Hüttenbelegschaften und das Überhandnehmen fremder Arbeitswilliger ausschlaggebend. In vielen Fällen werden die Streikenden nur wieder eingestellt, wenn sie sich verpflichten, aus der Gewerkschaft auszutreten.

18./21. September 1901

Der Verbandstag der Lithographen, Steindrucker und Berufsgenossen in Halle/Saale erklärt seine Bereitwilligkeit, mit den Arbeitgebern bzw. deren Verbänden eine Tarifgemeinschaft einzugehen. Bei den Verhandlungen ist in erster Linie die Regelung der Lehrlingsfrage - der "Lehrlingszüchterei" - anzustreben.
Über die hygienischen Verhältnisse in den Betrieben soll eine Statistik aufgenommen und dem Bundesrat zugestellt werden.
Die "Geographische Presse" soll mit der "Graphischen Rundschau" verbunden und ein besoldeter Redakteur angestellt werden.
Die geplante Verschmelzung mit dem Senefelder-Bund ist aufgegeben, mit ihm aber eine Gebietsabgrenzung vereinbart worden.
Der Senefelder-Bund überläßt dem Verein die Reise- und Arbeitslosenunterstützung sowie die Umzugskostenbeihilfe.

22./28. September 1901

Der SPD-Parteitag in Lübeck fordert zur Beseitigung der herrschenden Wohnungsnot von den Gemeinden Erwerb, Erhaltung und Vermehrung von Grundbesitz, den Bau von Wohnhäusern, insbesondere für die Arbeiterklasse, Errichtung von Wohnungsämtern zur Vermittlung von Wohnungsvermietungen; von den Einzelstaaten: Erweiterung des Enteignungsrechts der Gemeinden, Reform der Eisenbahntarifpolitik; vom Reich: den Erlaß eines Reichswohnungsgesetzes, Reform des Mietrechts, des Mietprozesses, der Zwangsvollstreckung.
Mit dem größten Nachdruck wird gegen den Zolltarifentwurf protestiert und gefordert, in Versammlungen, Resolutionen und Petitionen sich dagegen auszusprechen.
Nach den Auseinandersetzungen mit den Hamburger Maurern erklärt der Parteitag, daß er "mit den auf dem Boden des Klassenkampfes stehenden Gewerkschaften, als den wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiterklasse übereinstimmt in der rückhaltlosen Verurteilung des Streikbruchs". Er erkennt an, daß die Gewerkschaften den Streikbruch mit aller Energie bekämpfen und handeln müssen, "daß aber die Führung dieses Kampfes und die Wahl der Kampfmittel in erster Linie ihnen überlassen bleiben muß. Der Parteitag lehnt es ab, in jedem Streitfall zu den Beschlüssen der Gewerkschaften über ihre Organisation und Taktik Stellung zu nehmen oder von solchen Beschlüssen oder dem Verhalten der gewerkschaftlich organisierten Parteigenossen dazu die Zugehörigkeit zur Gesamtpartei abhängig zu machen".
Es sei den örtlichen Parteiorganisationen zu überlassen, mit welchen Mitteln sie den Maurerverband in seinem Vorgehen gegen die Akkordmaurer unterstützten und inwieweit sie ein Zusammenarbeiten mit ihnen für möglich halten. In einer zweiten Resolution wird - mit knapper Mehrheit - erklärt, daß der Kampf der Arbeiterklasse auf politischem wie auf gewerkschaftlichem Gebiete einheitliche Zusammenfassung aller Kräfte in den betreffenden Organisationen und strenge Disziplin in der Aktion sowie die Respektierung der Mehrheitsbeschlüsse durch die Minderheit gemäß den Grundsätzen der Demokratie verlangen. Die örtlichen Parteiorganisationen seien berechtigt, solche Mitglieder auszuschließen, die der Aktion der Partei oder ihrer Berufsorganisation durch Taten entgegenwirken oder Sonderbündelei zur Führung ihrer Gegenaktion betreiben.

23./25. September 1901

Der Kongreß der durch Vertrauensmänner zentralisierten Gewerkschaften in Berlin verabschiedet eine Resolution der Streiks und deren Unterstützung. Die Organisation nennt sich nun "Vereinigung deutscher Gewerkschaften".

27./28. September 1901

Die "Internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz" hält ihre konstituierende Sitzung ab und legt die Aufgaben des Internationalen Arbeitsamtes fest, zu denen u.a. gehören: die Herausgabe eines Internationalen Jahrbuchs der Arbeiterschutzgesetzgebung und eines Bulletins über den nationalen und internationalen Arbeitsschutz.

1. Oktober 1901

In Deutschland bestehen im Bereich der Generalkommission 365 Gewerkschaftskartelle.

Für die christlichen Einzelverbände, die kein eigenes Organ herausgeben können, erscheint das "Christliche Gewerkschaftsblatt". Es wird von Adam Stegerwald, dem Vorsitzenden des christlichen Holzarbeiterverbandes redigiert.

Der "Zentralverein der Former und Gießerarbeiter" tritt nach einer Urabstimmung dem Deutschen Metallarbeiterverband bei.

6./7. Oktober 1901

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen und Diskussionen wird in Leipzig der "Deutsche Kürschnerverband" gegründet. Zugelassen sind alle in der Kürschner-, Zurichter- und Mützenmacherbranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands.
Sitz des Verbandes wird Hamburg.

13./15. November 1901

Der erste Kongreß der Zivilberufsmusiker in Berlin beschließt einen "Verband der Zivilmusiker Deutschlands" zu gründen, da der "Allgemeine Deutsche Musiker-Verband" die Interessen der Musiker nicht vertritt - ihm gehören Arbeitgeber und Kapellmeister von Militärkapellen an.
Der neue Verband gewährt Rechtsschutz, Reise- und Hinterbliebenenunterstützung. Aufgabe des Verbandes soll die Einrichtung von Arbeitsnachweisen, die Beseitigung der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung und vordringlich vor allem die der "Lehrlingszüchterei" - über das Lehrlingswesen soll eine Untersuchung durchgeführt werden - sein.
Verbandsorgan soll die monatlich erscheinende "Fachzeitung für Zivilmusiker" werden, Sitz des Verbandes wird Hamburg.

16./21. November 1901

Die Generalversammlung des Verbandes der Graveure und Ziseleure in Stuttgart erweitert die Aufgaben des Verbandes u.a. auf die Beseitigung der Überstunden-, Akkord- und Heimarbeit.

1. Dezember 1901

Nach einer Konferenz in Hannover, an der außer dem sozialdemokratischen Verband die größten Angestelltenverbände teilnehmen, wird ein "Ausschuß für die Regelung der Pensions- und Hinterbliebenenversicherung der deutschen Privatbeamten" gebildet, der die Schaffung einer staatlichen Angestelltenversicherung propagieren soll.

Auf einer Konferenz in Berlin wird der "Verband der Blumen-, Blätter- und Federarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands" mit Sitz in Berlin gegründet.
Zur Vorsitzenden wird Emma Ihrer gewählt.

5. Dezember 1901

Die Reichstagsfraktion überreicht dem Reichstag eine gegen jede Erhöhung der Lebensmittelzölle gerichtete Petition, die über 3,4 Millionen Unterschriften trägt. Bereits im Herbst hatte die SPD in zahlreichen Versammlungen gegen geplante Zollerhöhungen protestiert.

27./30. Dezember 1901

Die Generalversammlung des Verbandes der Dachdecker in Mainz erklärt, daß der Schutz der Dachdecker bei ihren Arbeiten noch immer auf das Ärgste vernachlässigt wird. Die Mitglieder werden verpflichtet, für einen besseren Arbeitsschutz einzutreten. An die zuständigen Instanzen sind Eingaben zu richten, um bessere Schutzbestimmungen zu erlangen. Über die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung soll in einer Urabstimmung entschieden werden.
Von den Beiträgen - sie werden 42 Wochen im Jahr kassiert - sollen 75% an die Hauptkasse gehen.

30. Dezember 1901

Der Portefeuillerverband schließt mit dem Buchbinderverband über ihre beiderseitigen Organisationsbereiche einen Kartellvertrag ab: Ab dem 1. April 1902 soll der Portefeuiller- und Ledergalanteriearbeiter und -Arbeiterinnen der Buchbinder keine Portefeuiller mehr organisieren.
Die Generalkommission erkennt den Portefeuillerverband an, nach dem dieser zugunsten der Buchbinder auf die Organisation der Etuisarbeiter verzichtet hat.

Ende 1901

Der Generalkommission sind 57 Zentralverbände mit 686.870 Mitgliedern - davon 23.700 weiblichen - und 9.360 Mitgliedern in Lokalvereinen organisierten Mitgliedern angeschlossen.
Die höchsten Organisationsgrade haben die Bildhauer mit 73,53%, die Buchdrucker und Buchdruckerhülfsarbeiter mit 72,06%, die Kupferschmiede mit 54,24%. Die niedrigsten Organisationsgrade weisen die Gastwirtsgehilfen mit 0,51%, die Handlungsgehilfen und Lagerhalter mit 0,53% sowie die Gärtner mit 0,58% auf.
Die mitgliederstärksten Gewerkschaften sind die Metallarbeiter mit 102.900 (19,25%), die Maurer mit 80.870 (34,08%) und die Holzarbeiter mit 70.250 (22,51%) Mitgliedern.
Von den kleinsten Gewerkschaften haben die Masseure 315, die Büroangestellten 320 und die Gärtner 323 Mitglieder. Die höchsten Einnahmen pro Mitglied hatten die Buchdrucker, die geringsten die Masseure.
Die höchsten Ausgaben erforderten die Streikunterstützungen mit rund 20%, die Arbeitslosenunterstützung mit rund 12% sowie das Verbandsorgan und die Krankenunterstützung mit je rund 8% der Einnahmen.

Die 20 Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine haben 96.765 Mitglieder. Der größte Gewerkverein der Maschinenbau- und Metallarbeiter zählt 38.510, der der Fabrik- und Handarbeiter 19.400, der der Kaufleute 6.790 Mitglieder.
Der Gewerkverein der Vergolder hat 12, der der Reepschläger 42 und der der Schiffszimmerer 160 Mitglieder.

Nach Angaben der Generalkommission haben 32 Gewerkschaften Gegenseitigkeitsverträge mit ausländischen Gewerkschaften.
So hat der Buchdruckerverband allein 21 Gegenseitigkeitsverträge mit Organisationen in 10 Ländern abgeschlossen.
Neun Berufe haben ein internationales Sekretariat geschaffen: Buchdrucker, Handschuhmacher, Hutmacher, Lederarbeiter, Lithographen, Schneider, Steinarbeiter, Textilarbeiter und Transportarbeiter (einschließlich Hafenarbeiter und Seeleuten).
Die Buchdrucker und die Kürschner geben eine eigene internationale Zeitschrift heraus. Bis einschließlich 1900 wurden 62 Kongresse international verwandter Berufsorganisationen durchgeführt.

Die Generalkommission registriert im Jahr 1901 727 Streiks, an denen ca. 48.520 Personen beteiligt waren. Von 727 Streiks waren 291 Angriffsstreiks, von denen 109 erfolgreich, 92 teilweise erfolgreich, 84 erfolglos und 6 mit unbekanntem Ergebnis verliefen.
Von den 436 Abwehrstreiks, davon 213 gegen Lohnreduzierung, waren 158 erfolgreich, 79 teilweise erfolgreich, 153 erfolglos, von 24 ist das Ergebnis unbekannt.
Von den Streikkosten wurden rund 70% aus den Verbandskassen, ca. 15% durch freiwillige Beiträge der Mitglieder aufgebracht.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000

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