FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


1900

1900 / 1914

In dieser Zeit werden immer mehr Fabrikausschüsse trotz des Widerstandes der Unternehmer errichtet. Die Ausschüsse erhalten für die Gewerkschaften großen Wert als Instrumente und Kontrollorgane der Tarifpolitik. Das Bestreben der Gewerkschaften zielt nun auf die Beeinflussung und Durchsetzung der Ausschüsse mit den gewerkschaftlichen Vertrauensleuten ab. Umgekehrt brauchen die Fabrikausschüsse den gewerkschaftlichen Rückhalt.

1900

In den Jahren vor und nach der Jahrhundertwende vollzieht sich in Deutschland endgültig die Wende vom Agrarstaat mit starker Industrie zu einem Industriestaat mit starker agrarischer Basis. 1882 lebten noch rund 40% der deutschen Bevölkerung vom agrarischen Erwerb, 1907 sind es noch 28%
Die Zahl der Industriearbeiter wächst zwischen 1882 von rund 1,6 Millionen auf 5,8 Millionen.
Zwischen 1882 und 1907 verdreifacht sich der Anteil der Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten und 1907 verdienen schon 42 Prozent aller in Industrie und Handwerk Erwerbstätigen ihren Lebensunterhalt in solchen Betrieben.
Der Anteil der Kleinbetriebe mit weniger als 5 Beschäftigten wird in diesem Zeitraum halbiert.
Doch arbeiten 1907 mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Betrieben, die zur Größenklasse der noch handwerklich geprägten Klein- und Mittelbetriebe mit bis zu 50 Arbeitskräften gehören.
Die Großbetriebe konzentrieren sich auf den Bergbau, das Hüttenwesen, Maschinenbau und Chemie, Elektro- und Textilindustrie. Der Monopolprozeß wächst weiter. In dieser Zeit bestehen bereits rund 300 Kartelle.
Für die Gewerkschaften, deren Organisationszentren hauptsächlich in Mittelbetrieben angesiedelt sind, stellt die Verlagerung des Arbeitskräftepotentials in größere Betriebe eine große Herausforderung dar, denn sie müssen die Arbeitnehmer in den Großbetrieben gewinnen. Dabei stoßen sie vor allem in der Montanindustrie auf den entschlossenen Widerstand der Unternehmer. Diese wirtschaftliche Entwicklung ist aber auch durch riesige Wanderungsbewegungen von Arbeitskräften in die Industriezentren gekennzeichnet. Ursache ist der Rückgang der Arbeitsmöglichkeiten in der Landwirtschaft und die Aussicht auf bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Diese Bewegung setzt vor allem nach 1871 ein und ebbt erst im 1. Weltkrieg ab. Zwischen 1875 und 1910 verdoppelt sich die Zahl der Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern.
1890 wohnt erst ein fünftel der deutschen Bevölkerung in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern, diese Quote steigt bis 1910 auf über ein Drittel der Bevölkerung.
1907 sind von den über zwei Millionen Einwohnern drei Fünftel in einem anderen Ort geboren.

Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es ca. 70-80 Firmen - zum überwiegenden Teil des polygraphischen Gewerbes - bei denen auch die Arbeiter Urlaub erhalten.
In fast allen diesen und vielen späteren Fällen geht die Initiative zur Gewährung vom Firmeninhaber aus. Den Anstoß dazu geben - neben der Einsicht des Nutzens für die Arbeiter und auch für den Betrieb - häufig Firmenjubiläen oder besondere Ehrungen des Besitzers, handelt es sich durchweg um kleinere, allenfalls mittlere Betriebe. Häufig wird aber Urlaub nicht regelmäßig, sondern nur nach Gutdünken des Betriebsinhabers bewilligt; außerdem kommen auch keineswegs immer alle beschäftigten Arbeiter in den Genuß von Urlaub.
Die Gewährung von Urlaub ist gelegentlich an Bedingungen gebunden, die trotz des äußeren sozialen Anstrichs letztlich auf eine Disziplinierung der Arbeiter hinauslaufen. Dazu gehört vor allem die z.T. äußerst lange Wartezeit - in einer Reihe von Fällen war eine bis zu 25jährige Betriebszugehörigkeit gefordert -, bis der Arbeiter Urlaub erhalten konnte. Häufig wird die Gewährung auch von guter Führung, genügender Leistung oder sogar Pünktlichkeit abhängig gemacht. Manchmal muß der beurlaubte Arbeiter Belege beibringen und genau nachweisen, wie und wo er seinen Urlaub verbracht hat.

Der "Kaufmännische und gewerbliche Hilfsverein für weibliche Angestellte" hat sich mehr zu einer kaufmännischen Vereinigung entwickelt und nennt sich um in "Kaufmännischer Hilfsverein für weibliche Angestellte".

Der "Verband der Gold- und Silberarbeiter" schließt sich dem "Deutschen Metallarbeiterverband" an.

Vertreter der christlichen Textilarbeitergewerkschaften aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland vereinbaren in Aachen, sich jährlich zu treffen.

Die Generalkommission unterstützt die Aufklärung der Arbeiter über die Bedeutung der staatlichen Arbeiterversicherung mit der Herausgabe der Broschüre "Die Vertreter in der Arbeiterversicherung".

Die Aufgaben der Gewerkschaftskartelle liegen u.a. in der "Förderung der Agitation zur Aufklärung über die wirtschaftliche Klassenlage; der Unterstützung und Regelung der wirtschaftlichen Kämpfe der Arbeiter, der Erzielung möglichst günstiger Durchführungen der für die Arbeiterklasse durch Reichsgesetz getroffenen Einrichtungen. Dies soll erreicht werden mittels der Durchführung der Arbeiterschutzgesetze, der Vorbereitung der Vertreterwahlen in das Gewerbegericht, zur Ortskrankenkasse und zum Schiedsgericht der Unfallkasse, die Unterhaltung eines Auskunftsbüros für gewerbliche und Unfallstreitigkeiten; Förderung des gewerkschaftlichen Bibliothekswesens und die Wahrung des Koalitions- und Versammlungsrechts bei Benutzung öffentlicher Lokale."

O. Hue, Redakteur der "Deutschen Bergarbeiterzeitung" erhebt in seiner Broschüre "Neutrale oder parteiische Gewerkschaften" die Forderung nach parteipolitischer Neutralität der Gewerkschaften: "Wohin die gewerkschaftliche Neutralität die Arbeiter politisch führt, das kann und muß dem Gewerkschaftsführer gleichgültig sein!"
In seiner Broschüre "Gewerkschaftsbewegung und politische Parteien" distanziert sich A. Bebel deutlich von der früher gängigen Auffassung, die Gewerkschaften seien eine Rekrutenschule der Partei. Auch Karl Kautsky, Redakteur der "Neuen Zeit", der theoretischen Zeitschrift der SPD, rückt von dieser These ab, die nur insofern richtig sei, als ein politisch indifferenter Arbeiter in der Regel leichter der Gewerkschaft als der Partei zuzuführen sei und er in der Gewerkschaftsarbeit am ehesten dahin komme, Sozialdemokrat zu werden.

Sozialdemokratische Journalisten gründen den Verein "Arbeiterpresse", die Interessenvertretung aller Journalisten der Arbeiterpresse.

Die deutschen Arbeiter haben im letzte Jahrzehnt gewisse Verbesserungen ihrer sozialen Lage erkämpft. Die Reallöhne in Industrie und Landwirtschaft sind gestiegen. Die Arbeitszeit beträgt im allgemeinen 11 Stunden, in einzelnen Industriezweigen 10 bzw. 9 Stunden.

Der "Kaufmännische und gewerbliche Hilfsverein für weibliche Angestellte" nennt sich nun "Kaufmännischer Hilfsverein für weibliche Angestellte".

1. Januar 1900

Ein "Setzmaschinentarif" der Buchdrucker tritt in Kraft, nach dem nur gelernte Buchdrucker an Setzmaschinen beschäftigt werden dürfen. Die Arbeitszeit ist auf acht Stunden zu begrenzen. Die Entlohnung erfolgt 25 Prozent über dem Tariflohn. Das ist der erste Tarifvertrag über Lohn- und Arbeitsbedingungen an Maschinen.

Der "Christlich-soziale Verband der Tabak- und Zigarrenarbeiter" wird gegründet.

In Preußen gibt es 199 kommunale Arbeitsnachweise. 1899 wurden mehr als 160.000 Stellen vermittelt.

Das bürgerliche Gesetzbuch tritt in Kraft, mit dem auch die Dienstverträge der Angestellten eine gesetzliche Basis erhalten.
Es schafft die Rechtsgrundlage für Arbeitsverträge, u.a. legt es fest, daß auch Arbeiter im Krankheitsfall Anspruch auf ihren Lohn haben.

6. Januar 1900

In einer Betrachtung "An der Jahrhundertwende" in der "Metallarbeiterzeitung über die gewerbestrukturellen Veränderungen in der Metallbranche" kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, daß die Berufe der Schmiede, Schlosser, Klempner, Feilenhauer, Sensen- und Messerschmiede, Gürtler, Nagelschmiede, Nadler, Zinngießer und Büchsenmacher "völlig revolutioniert" worden seien. Einzelne der angeführten Berufe wie Nadelschmiede, Nadler und Zinngießer, habe die Fabrikindustrie "ausgerottet" oder sie stünden "auf dem Aussterbeetat", in anderen Berufen übernehme die Maschine die Handarbeit.
"Das Handwerk ist im abgelaufenen Jahrhundert technisch und kommerziell erschüttert worden, und wenn es auch heute noch, wie die Zahlen der Berufs- und Betriebsstatistik lehren, in vielen Gewerben eine bedeutende Ausdehnung hat, so ist doch seine Aussicht für die Zukunft eine trübe."

28./29. Januar 1900

Die Generalversammlung der Gärtnerversammlung in Hamburg faßt keinen Beschluß, sich dem Allgemeinen Gärtner-Verein anzuschließen.

4./6. Februar 1900

„Der Verbandstag des Verbandes der Steinsetzer in Hamburg erklärt, daß tarifliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeiterorganisationen zur Regelung und Festlegung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse auf bestimmte Dauer und für den Wirkungskreis der beiderseitigen Organisationen im Allgemeinen nicht als ein Verstoß gegen das Prinzip der gewerkschaftlichen Organisation und gegen das Mitbestimmungsrecht des Arbeiters bei der Festsetzung des Arbeitsvertrages zu betrachten sind. Im Gegentheil ist der Verbandstag der Überzeugung, daß durch den Abschluß derartiger Tarifvereinbarungen die Organisation als die rechtliche Vertretung der Arbeiterschaft anerkannt und der korporative Arbeitsvertrag an die Stelle des individuellen Arbeitsvertrages bei dessen Abschluß der Arbeiter stets der wirthschaftlich schwächere Theil ist, gesetzt wird.
Von dieser Erwägung ausgehend, beauftragt der Verbandstag den Zentralvorstand, dem am 14. März d. J. in Berlin zusammentretenden Verbandstage des Bundes deutscher Steinsetzer-Innungen und ebenso den sonstigen lokalen Arbeitgeberorganisationen des Steinsetzergewerbes anheim zu stellen, behufs Anbahnung bezw. Abschlusses derartiger Vereinbarungen mit dem diesseitigen Zentralvorstande eventuell in Unterhandlungen einzutreten."

März / April 1900

In Tuttlingen werden während eines Arbeitskampfes 2.000 Schuhmacher ausgesperrt. Der Arbeitskampf endet mit einem Vergleich.

6./9. März 1900

Der erste Fachkongreß aller Gastwirtsgehilfen in Berlin stellt die große Zersplitterung unter den Kellnervereinen fest. In Deutschland bestehen ca. 1.000 Kellnervereine, die sich hauptsächlich um die Arbeitsvermittlung bemühen. Nur der "Verband der Gastwirthsgehülfe" bemüht sich um bessere Arbeitsbedingungen. Nach dem "Deutschen Kellnerbund" (ca. 2.000 Mitglieder), dem "Genfer Verband" (ca. 1.500 Mitglieder) steht er mit 1.400 Mitgliedern an dritter Stelle.
Der Kongreß unterbreitet den politischen Behörden umfangreiche Forderungen zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse im Gastwirtsgewerbe, wie u.a. eine Regelung der Arbeitszeit, eine Mindestruhezeit von 9 Stunden, den 36stündigen Ruhetag, der alle 4 Wochen auf einen Sonntag fallen soll, und das Recht, sich während der Pausen aus den Betriebsräumen zu entfernen, die Einbeziehung der Betriebe unter die Gewerbeinspektion. Der Kongreß wendet sich energisch gegen das Trinkgeld als einzigen Lohn der Gehilfen und fordert umfangreiche Maßnahmen für die Lehrlingsausbildung.
Im Hinblick "auf die niedere soziale Stellung der Kellnerin scheint es vom Standpunkt des Gastwirthsgehülfen geboten, der bedrängten und gar nicht organisierten Arbeiterin im Gastwirthsgewerbe helfend beizutreten". Der Kongreß fordert ein Nachtarbeitsverbot für Kellnerinnen: "Jugendliche Arbeiter und Lehrlinge dürfen in Wirthschaften mit weiblicher Bedienung nicht beschäftigt werden." Der Kongreß fordert eine reichsgesetzliche Regelung der Arbeitsvermittlung und das Verbot jeder Stellenvermittlung gegen Entgelt.
Die Unfallversicherung ist auf die Gastwirtsgehilfen auszudehnen.
Der Kongreß erkennt die Unmöglichkeit einer sofortigen Verschmelzung aller Kellnerorganisationen an, beschließt aber die Einsetzung eines gemeinsamen Ausschusses, der vor allem die Weiterarbeit auf sozialem Gebiet fördern und die Interessen der Gastwirtsgehilfen in der Öffentlichkeit vertreten soll.

10./12. März 1900

Der erste Verbandstag der Gastwirtsgehilfen in Berlin beschließt ein Streikreglement. In allen Orten ist ein den jeweiligen Verhältnissen entsprechender Mindestlohnsatz festzusetzen.

1. April 1900

Die Firma Karl Zeiß in Jena führt den Achtstundentag ein.

In Berlin werden die ersten Büroräume im Gewerkschaftshaus bezogen. Das Haus hat ein Restaurant und eine Herberge, bei der bis Ende 1900 über 38.700 Übernachtungen bei 8.670 "Durchreisenden" gezählt werden.

2. April 1900

Das "Correspondenzblatt" erscheint auf Grund des Kongreßbeschlusses von 1899 in erweitertem Umfang.
Das Blatt berichtet nun über das Wirken des Arbeiterschutzes und der Arbeiterversicherung, über die Erfahrungen der Gewerbeinspektoren aus deren Berichten, über sozialpolitische Reichstagsverhandlungen, über sozialpolitische Arbeitervertretungen im Auslande, über soziale Zustände und Erhebungen.
Redakteur ist seit 10. März Paul Umbreit.

6. April 1900

Der Hamburger Verband der Eisenindustriellen teilt mit, er habe beschlossen, daß er am 1. Mai feiernde Arbeiter erst nach "Ablauf von 10 Tagen wieder einstellen" wird.
"Eintretende Störungen in Ihrem Betriebe" sollen dem Verband gemeldet werden.

8. April 1900

Auf einer von der Generalkommission einberufenen Konferenz diskutieren Vertreter von 13 Verbandsvorständen über die Abgrenzung von Organisationsbereichen, ohne einen bindenden Beschluß zu fassen.

13. April 1900

Der Metallarbeiterverband und der Zentralverein der Former beschließen eine engere Zusammenarbeit vor allem bei Arbeitskämpfen.

14./16. April 1900

Die Generalversammlung des Verbandes der Berg- und Hüttenarbeiter in Altenburg stellt fest, daß der Verband zu den Arbeiterorganisationen, die sich auf einen speziellen "christlichen" Standpunkt stellen, in keinem feindlichen Gegensatz steht. Nach dem Beispiel der Ruhrbergleute ist überall dort, wo sich "Christliche Gewerkvereine" der Berg- und Hüttenarbeiter bilden oder sich schon gebildet haben, ein Zusammengehen mit diesen Berufsgenossen in wirtschaftlichen Fragen anzustreben. Dasselbe gilt für Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine in diesem Beruf.
"Der Verband ist eine Kampfesorganisation, ohne deshalb den Kampf gegen die Unternehmer als seinen Selbstzweck zu betrachten. Wo es nur eben angängig ist, werden wir uns bemühen, Vortheile für unsere Mitgliedschaft zu erzielen auf dem Wege gütlicher Verhandlungen mit den Werksbesitzern. Den Ausstand werden wir nur dann proklamieren, wenn alle Verhandlungsversuche scheiterten und sonst kein Mittel zur Erreichung unseres Zweckes übrig blieb. In Anlehnung an die Taktik der Unternehmer müssen wir zu unserer Selbsterhaltung auch unsere Forderungen vermittelst internationaler Aktion durchzusetzen versuchen."
Streiks dürfen künftig nur mit Genehmigung des Vorstandes geführt werden. Angriffsstreiks müssen acht Wochen, Abwehrstreiks 14 Tage vor Beginn dem Vorstand gemeldet werden. In den ersten 14 Tagen wird keine Unterstützung gezahlt.
Jetzt kann auch Sterbegeld beim Tode der Frau eines Mitglieds gezahlt erden.
Erneut wird ein besserer Arbeitsschutz und eine Reform des Strafwesens auf den Gruben gefordert.
Die Generalversammlung ersucht die Reichsregierung, "den Import fremdsprachiger, ausländischer Arbeiter in die Bergreviere zu verbieten, da die Unkenntnis der deutschen Sprache im Bergbau die Gefahren desselben erheblich erhöht. Auch die Rechtlosigkeit der ausländischen Arbeiter bezüglich ihres Anteils an den Versicherungskassen (Knappschaftskassen) legt es uns nahe, im Interesse der Ausländer gegen die weitere Anlegung derselben zu protestieren".
Dieser Beschluß stößt auf heftige gewerkschaftliche Kritik, da er weit über das vernünftige Ziel einer Verbesserung der Betriebssicherheit hinausschießt. Die Freizügigkeit auch der ausländischen Arbeiter darf nicht über das unbedingt zum Schutze der Einheimischen notwendige Maß hinaus beschränkt werden.
Der Vorstand wird ermächtigt, wieder eine polnische Zeitung herauszugeben.

Die Generalversammlung des Textilarbeiter- und Arbeiterinnen-Verbandes in Gößnitz beschließt, Wöchnerinnenunterstützung nach der Dauer der Mitgliedschaft für vier Wochen zu zahlen.
Die Gründung des "Niederrheinischen Textilarbeiterverbandes" wird verurteilt.

14./17. April 1900

Der Verbandstag der in Buchbindereien beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in Berlin beschließt, daß sich die Gewerkschaft künftig "Deutscher Buchbinderverband" nennt. Mitglied können alle in Buchbindereien, Contobuchfabriken, Linieranstalten sowie in der Portefeuille-, Album-, Etuis-, Cartonnagen-, Papier- und Ledergalanterie-Industrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen werden.
Sozialdemokratische Parteidruckereien sollen veranlaßt werden, eigene Buchbindereien einzurichten, wo das nicht möglich ist, Aufträge wenigstens an solche Firmen zu vergeben, die die Forderungen des Verbandes erfüllen.
Die Delegierten setzen sich für die Schaffung eines einheitlichen Tarifvertrages für das gesamte Reichsgebiet ein und halten es für eine unbedingte Notwendigkeit, daß vor allem ein einheitlicher Tarif für Akkordarbeit vereinbart wird, da die Akkordarbeit in diesem Berufszweig immer stärker eingeführt wird.
Die Arbeitslosenunterstützung wird nun auch an weibliche Mitglieder gezahlt. Als neuer Unterstützungszweig wird die Gewährung von Umzugskosten eingeführt, Kranken- und Invalidenunterstützung erneut abgelehnt.
In seinem Bericht beklagt der Vorstand die auch in diesem Verband sehr hohe Mitgliederfluktuation. Der Vorstand hofft aber, daß der Ausbau des Unterstützungswesens stabilere Verhältnisse schaffen werde.
Der Verbandstag beschließt, einen dritten "Verbandsbeamten" anzustellen, dem die Redaktion der Buchbinder-Zeitung übertragen wird.

15./16. April 1900

Die Generalversammlung des Verbandes der Maschinisten und Heizer in Nürnberg beschließt, sich der Generalkommission anzuschließen.
Durch ein Reichsgesetz soll eine staatliche Prüfung der Maschinisten und Heizer eingeführt werden.

15./17. April 1900

Eine Konferenz der lokalorganisierten Handelshülfsarbeiter in Braunschweig wählt eine Kommission, die die Einigungsverhandlungen mit dem Zentralverband führen soll. In der Folgezeit schließt sich die Mehrheit der Lokalorganisationen dem bestehenden Zentralverband an.

16. April 1900

Die Generalversammlung des Lagerhalter-Verbandes in Magdeburg lehnt die Gehaltszahlung nach Prozenten des Umsatzes ab. Der Verband nennt sich um in "Verband der Lagerhalter und -Halterinnen Deutschlands".

16./17. April 1900

Der Kongreß der Textilarbeiter und -Arbeiterinnen in Gößnitz fordert den Zehnstundentag "als das Mindeste dessen, was die Arbeiterschaft an gesetzlichem Schutz gegen vorzeitige Verwüstung ihrer Arbeitskraft zu beanspruchen berechtigt ist".
Da "der Frau als Gattin und Mutter ein ganz besonderer Schutz gewährt werden müsse", stellt der Kongreß umfangreiche Forderungen zum Arbeiterinnenschutz auf. So u.a. absolutes Nachtarbeitsverbot, Verbot für Arbeiten, die für den Organismus der Frau besonders schädlich sind, Ausbau des Schwangeren- bzw. Wöchnerinnenschutzes auf mindestens einen Monat vor und zwei Monate nach der Entbindung, Ausdehnung der Schutzbestimmungen auf die Hausindustrie, Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren und das aktive und passive Wahlrecht der Arbeiterinnen zu den Gewerbegerichten. Das Streikfondskomitee wird aufgelöst.

Die erste Generalversammlung des "Verbandes der in Gemeindebetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten" in Berlin fordert die Einführung des Wochenlohnes statt des Tagelohnes, die neunstündige Arbeitszeit und einen wöchentlichen Ruhetag von 36 Stunden.
Die Delegierten beschließen die Einführung einer Kranken- und Sterbekasse.
Der Verband war nach einem verloren gegangenen Streik in Berlin im Oktober 1896 gegründet worden und organisierte hauptsächlich Gasarbeiter. 1897 wurde sein Organisationsgebiet trotz der Konkurrenz des Fabrikarbeiterverbandes auf Arbeiter der städtischen Betriebe ausgedehnt.
Die Generalkommission erkennt den Verband 1899 an. Der Verband hat Ende 1899 rund 3.480 Mitglieder in 32 örtlichen Filialen.

16./18. April 1900

Die Generalversammlung des Verbandes der Vergolder in Brandenburg lehnt den Anschluß an den Holzarbeiterverband ab.
Die Delegierten beschließen eine Hinterbliebenenunterstützung einzuführen und stimmen der Resolution des Gewerkschaftskongresses über Tarife und Tarifgemeinschaften zu.

Die Generalversammlung der Sattler in Berlin streicht das Wort "Tapezierer" und beschließt als neuen Verband einen "Verband der Sattler".
Mit dem Verband der Tapezierer soll ein Kartellvertrag abgeschlossen werden.
Streikunterstützung wird vom ersten Tag an gezahlt. Voraussetzung für die Genehmigung eines Streiks ist, daß sich vier Fünftel der betreffenden Arbeiter in geheimer Abstimmung für einen Streik ausgesprochen haben.
Bei einem Angriffsstreik müssen mindestens zwei Drittel, bei einem Abwehrstreik mindestens die Hälfte der Arbeiter organisiert sein. Die Leitung der Streiks liegt beim Verbandsvorstand.
Alle Filialen sollen zur Erhebung von Lohnstatistiken verpflichtet, ein Zentralnachweis errichtet werden.
Die Delegierten lehnen ab, eine Delegation zum internationalen Lederarbeiterkongreß nach Paris zu senden.

16./21. April 1900

Der Verbandstag des Holzarbeiterverbandes in Nürnberg schließt sich in seinem Urteil über die Tarifgemeinschaft dem Beschluß des Frankfurter Kongresses an. Er sieht in dem Abschluß solcher Verträge keine Preisgabe eines gewerkschaftlichen Prinzips, sondern die Anerkennung eines starken Einflusses der gewerkschaftlichen Organisation, da ohne die Organisation solche Vereinbarungen keinen Rückhalt haben.
Genehmigte Streiks werden vom ersten Tag an unterstützt, Angriffsstreiks jedoch nur, wenn sie länger als drei Tage dauern. Der Vorstand erhält das Recht, Extrabeiträge für die Streikunterstützung zu erheben. Unterstützung wird erst nach 13wöchiger Mitgliedschaft bezahlt. Erneut wird die Arbeitslosenunterstützung mit 47 gegen 19 Stimmen bei 14 Enthaltungen abgelehnt, obwohl Th. Leipart die "ewige Phrase" widerlegt, der Kampfcharakter des Verbandes werde durch diese Unterstützung verwischt. Der Verbandstag beschließt jedoch, eine Urabstimmung durchzuführen.

18./19. April 1900

Der Gesamtverband der evangelischen Arbeitervereine behandelt auf seiner Generalversammlung in Dresden die Gewerkschaftsfrage, ohne sich auf eine Stellungnahme zu einigen. Der Verband zählt ca. 65.000 Mitglieder, davon sind ca. 140.000 Lohnarbeiter.

18./20. April 1900

Auf der Hauptversammlung der Kirchlich-sozialen Konferenz in Erfurt wird in den Leitsätzen festgestellt: "Wir sehen es als Aufgabe der Kirche an, dahin zu wirken, daß auch in den Gewerkschaften christlicher Geist vertreten werden kann. Die Konferenz hält für das Ziel die Bildung interkonfessioneller, unparteiischer, rechtsfähiger, einheitlicher Gewerkschaften; sie betrachtet es als eine Frage der Praxis, ob in einzelnen Fällen die Bildung eigener christlicher Gewerkschaften erforderlich ist und hält es für die Aufgabe christlicher Persönlichkeiten, durch Mitarbeit in der Gewerkschaftsbewegung mehr als bisher der Arbeiterklasse zu dienen."

18./21. April 1900

Auf der Generalversammlung der Schuhmacher in Magdeburg wird Josef Simon zum Vorsitzenden gewählt. Er übt diese Funktion bis 1933 aus.
Der Vorstand teilt mit, daß von 46 Gesellenausschüssen 43 mit Verbandsmitgliedern besetzt sind.
Der Vorschlag, den Verband als Vertretung der Schuhmacher anzuerkennen, wird vom Unternehmerverband mit der Begründung abgelehnt, daß es noch andere Arbeiterorganisationen in der Schuhbranche gebe.
Der Vorstand wird zweimonatlich Sammellisten herausgeben. Die darauf eingehenden Beträge sollen dem Streikfonds zugeführt werden.
Nichtmitglieder erhalten keine Streikunterstützung, das gilt auch für Schuhmacher, die während eines Streiks oder einer Aussperrung eintreten.

9./12. Mai 1900

Auf dem Verbandstag des Zentralverbandes der Brauer und Berufsgenossen in Dresden wird über Probleme der Tarifgemeinschaft referiert, aber kein Beschluß gefaßt.
Arbeiterinnen können nun Mitglied werden. Nach einer Streikdauer von 14 Tagen sollen die ledigen Mitglieder angewiesen werden, abzureisen. Bei Lohnbewegungen ist der Hauptvorstand verpflichtet, sich vor Ort zu informieren und die möglichen Maßnahmen einzuleiten.
In Zukunft soll energisch um die Bierfahrer geworben werden. Anstelle der Agitationskommissionen treten ehrenamtlich verwaltete Gaue.

19./21. Mai 1900

Berliner Straßenbahnangestellte streiken für den Zehnstundenarbeitstag und eine Lohnerhöhung. Die 5.000 Streikenden erringen einen Teilerfolg.

23. Mai 1900

Der Reichstag verabschiedet in 3. Lesung eine Novelle zur Gewerbeordnung, die vor allem den Schutz der Angestellten in offenen Ladengeschäften regelt. Danach ist den Angestellten nach Beendigung der Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 10, in Orten über 20.000 Einwohnern von mindestens 11 Stunden und während der Arbeitszeit eine angemessene Mittagspause zu gewähren.
Die Novelle präzisiert auch die Ladenöffnungszeiten. In Betrieben mit mindestens 20 Lehrlingen und Gehilfen muß eine Arbeitsordnung erlassen werden.
Die Lohnzahlung ist in Betrieben ab 20 Beschäftigten sonntags verboten. Die Gemeinden erhalten die Ermächtigung, nun auch weibliche Handlungsgehilfen und Lehrlinge unter 18 Jahren zum Besuch einer Fortbildungsschule zu verpflichten.
Die Tätigkeit der Stellenvermittler und Gesindevermieter ist nun konzessionspflichtig. Die Zentralbehörden sind befugt, die Ausübung des Gewerbes "im Umherziehen sowie die gleichzeitige Ausübung des Gast- und Schankwirthschaftsgewerbes zu beschränken oder zu untersagen".

24./26. Mai 1900

Der Kongreß der "lokalorganisierten, durch Vertrauensmänner zentralisierten Gewerkschaften Deutschlands" in Pankow b. Berlin beschließt, an allen Orten, wo "Organisationen unserer Richtung" vorhanden sind, zu passender Zeit Gewerkschaftsversammlungen einzuberufen, um auch dort jene Berufe, die der Organisation angeschlossen sind, für dieselbe zu gewinnen.

Juni 1900

Der "Evangelisch-soziale Kongreß" spricht sich auf seinem Kongreß für eine gesetzliche Regelung der Wohnungsnot und eine Bekämpfung der Bodenspekulation aus.

3. Juni 1900

Die Generalversammlung des Zentralverbandes der Handlungsgehülfen und -gehülfinnen in Dresden verlangt einen ausgedehnten Arbeitsschutz für alle Zweige des Handelsgewerbes, vor allem die Ausdehnung der Gewerbeordnung auf das gesamte Handelsgeschäft. Sie bedauert die Beschränkung der Bestimmungen auf die offenen Verkaufsstellen. Die Delegierten protestieren, daß noch keine gesetzliche Regelung für kaufmännische Schiedsgerichte bestehen.

3./4. Juni 1900

Auf dem 2. Kongreß der christlichen Gewerkschaften in Frankfurt a. Main vertreten 65 Delegierte Zentral- wie Lokalorganisationen, Gewerkschaftskommissionen und Arbeiterschutz-Vereine.
Der Kongreß diskutiert lebhaft die These einer Broschüre "Christliche Gewerkvereine", daß die Verschiedenheit der Weltanschauung zwischen christlichen und sozialistischen Gewerkschaften für das Zusammengehen in wirtschaftlichen Fragen kein Hindernis zu bieten brauche und daß, sobald die sozialistischen Gewerkschaften sich von ihren politischen Tendenzen frei gemacht hätten, für die christlichen kein Grund mehr vorliege, die Bezeichnung "christlich" beizubehalten vielmehr eine Verschmelzung zu "paritätischen" oder "neutralen" Gewerkschaften stattfinden müsse. Dieser sog. "Gladbacher Richtung" unter Führung des Generalsekretärs des Volksvereins August Pieper steht die Kölner Richtung gegenüber, die verlangt, daß der Kongreß zu den "paritätischen Gewerkschaften" Stellung nehmen solle. Die Mehrheit u.a. auch A. Brust betont nachdrücklich, daß die christlichen Gewerkschaften nur als eine Übergangsstufe angesehen werden dürften und nicht bloß das Zusammenarbeiten mit anderen Organisationen, sondern die völlige Verschmelzung mit ihnen zu rein wirtschaftlichen Interessenvertretungen das Ziel sein müsse.
Auf Vorschlag von J. Giesberts wird beschlossen, die Frage der paritätischen Gewerkschaften an den Ausschuß mit der Maßgabe zu verweisen, in dem zu gründenden Korrespondenzblatte einen Meinungsaustausch darüber herbeizuführen.
Der Kongreß hält "an dem Beschluß des ersten Kongresses bezüglich der Centralisation der christlichen Gewerkschaften fest, wobei den damals bestehenden lokalen Verbänden für einzelne Berufe, sowie auch den Arbeiterschutzvereinen der breiteste Spielraum gelassen wurde. Die Centralisation der christlichen Gewerkschaften hat im letzten Jahr gute Fortschritte gemacht und soll damit in Zukunft fortgefahren werden. Wo in Ländern schon zentrale Organisationen für bestimmte Berufe bestehen, sind diesen die Arbeiter zuzuführen und keine Sonderorganisationen mehr zulässig. Wo solche doch noch nach dem zweiten Kongreß gegründet wurden, sind sie vom Verband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands und deren Kongressen ausgeschlossen."
Zur Taktik erklärt der Kongreß: "Die christlichen Gewerkschaften verwerfen den Streik nicht prinzipiell, sehen aber darin das letzte Mittel zur Durchführung ihrer Aufgaben. Die christlichen Gewerkschaften sehen in dem Lohnkampfe keinen Klassenkampf, vielmehr ein berechtigtes Bestreben der Arbeiterschaft, ihre Arbeitskraft zu einem günstigen Preise zu veräußern und suchen Letzteres möglichst zu erreichen durch friedlichen Ausgleich mit den Arbeitgebern. Da erfahrungsgemäß die durch heftige Lohnkämpfe errungenen Vorteile bald wieder verloren gehen, ist tunlichst auf Abschluß fester Vereinbarungen (Lohntarife) zwischen der Arbeiterorganisation und den einzelnen Arbeitgebern oder deren Organisation zu dringen, ev. Einsetzung von Schiedsgerichten zu veranlassen, bestehend aus Vertretern beider Parteien. Um planlose, unvorbereitete Streiks zu verhüten, ist in den Gewerkschaften ein bestimmtes Streikreglement einzuführen, welches die Unterstützung eines Streiks abhängig macht von der Genehmigung des Vorstandes der Gewerkschaften. Ausstände, welche von prinzipieller Bedeutung sind für die christlichen Gewerkschaften oder sonst einen in allgemeinen Verhältnissen liegenden wichtigen Grund haben, sind nach vorheriger Prüfung und Beschlußfassung der Gewerkschaftskommission von der Gesamtheit der christlichen Gewerkschaften zu unterstützen.
Eine der wichtigsten Aufgaben der christlichen Gewerkschaften ist die Unterstützung der Mitglieder in Notfällen, insbesondere in Krankheits- und Sterbefällen, sowie bei Reise und bei Arbeitslosigkeit. Durch solche auf Gegenseitigkeit beruhende Unterstützung wird das Solidaritätsgefühl und Standesbewußtsein der Arbeiter gehoben und gleichzeitig ein Bindemittel für die Gewerkschaften erzielt, dem häufigen Wechsel der Mitglieder vorzubeugen.
Die Einführung von Arbeitslosenunterstützung ist noch eine Frage der Zukunft, deren Durchführung sich in nächster Zeit in den christlichen Gewerkschaften wohl kaum ermöglichen läßt. Nichtsdestoweniger ist es bei der hohen Bedeutung dieser Frage Pflicht der christlichen Gewerkschaften, das Interesse für dieselbe in der Arbeiterschaft zu wecken und ev. statistische Unterlagen für spätere Durchführung derselben zu beschaffen.
Eine angemessene Verkürzung der Arbeitszeit ist das wichtigste Erfordernis, um den Arbeitern die Teilnahme an dem Aufschwunge der Kultur, die Pflege des Familienlebens und die Erfüllung seiner religiösen Pflichten zu ermöglichen. Aus diesem Grund ist 1. ein gesetzlicher Maximalarbeitstag von 10 Stunden für alle Berufe zu erstreben; 2. innerhalb dieser Grenze, entsprechend der Schwere der einzelnen Berufe, durch besondere Gesetze oder durch die Gewerkschaften eine Verminderung der Arbeitszeit auf 9 oder 8 Stunden zu erstreben; 3. für besonders gesundheitsschädliche Betriebe sind gesetzliche Bestimmungen herbeizuführen über die Dauer der Arbeitszeit und entsprechenden Wechsel der Arbeit."
Während des Kongresses vereinigen sich die beiden bestehenden christlichen Bauarbeitergewerkschaften zum "Gewerkverein christlicher Bauhandwerker und verwandter Berufe".
Da die auf dem ersten Kongreß gewählte Gewerkschaftskommission ihren gestellten Aufgaben nicht mehr gerecht werden konnte, wird eine neue Kommission eingesetzt, aus der fünf Mitglieder für einen Gewerkschaftsausschuß zu wählen sind. Die Verbände sollen bestimmte, der Mitgliederzahl entsprechende Beträge an die Kommission zahlen. Im Organ der Stuttgarter christlichen Gewerkschaften sollen zwanglos "Gewerkschaftliche Mittheilungen" erscheinen.
Leitsätze zu Unterstützungsleistungen, zur Taktik bei Lohnbewegungen werden der Gewerkschaftskommission überwiesen.

Der Verbandstag des Zentralverbandes der Glaser in Stuttgart lehnt einen Anschluß an den Holzarbeiterverband ab.

4./9. Juni 1900

Die Generalversammlung des Zentralverbandes der Former und Berufsgenossen in Hamburg beschließt, daß vom Hauptvorstand nicht genehmigte Streiks nicht unterstützt werden dürfen. Unterstützung wird nach sieben Tagen gezahlt, Anspruch haben nur Mitglieder, die bereits 52 Wochen dem Verband angehören.
Die Generalversammlung spricht sich im Prinzip für die Einführung der Arbeitslosenunterstützung aus.
Über die Vereinbarung mit dem Metallarbeiterverband soll weiter verhandelt werden, da sie den Formern noch nicht genügt.

4./10. Juni 1900

Der Kongreß der Steinarbeiter in Gotha lehnt die Errichtung eines Zentralverbandes ab, befürwortet aber den Abschluß von Tarifverträgen, wenn auch nur mit kurzer Laufzeit.

Sommer 1900 / 1903

Eine Weltwirtschaftkrise führt auch in Deutschland zu Produktionseinschränkungen, Rückgang des Handels und großer Arbeitslosigkeit.
Die Gewerkschaften wehren sich vor allem gegen Lohnkürzungen.

25./29. Juni 1900

Der internationale Bergarbeiter-Kongreß in Paris fordert erneut den gesetzlichen Achtstundentag für alle Bergleute, gleichviel ob unter oder über Tage und einen Minimallohn.

27./29. Juni 1900

Die erste Generalversammlung des Verbandes der Tapezierer und verwandter Berufsgenossen in Nürnberg beschließt, zur besseren Agitation sechs Bezirke zu schaffen. Eine Arbeitslosenunterstützung wird abgelehnt, dafür aber eine Krankengeld- und Sterbegeldunterstützung eingeführt.

30. Juni 1900

Mit der Novellierung des Unfallversicherungsgesetzes wird der Kreis der Versicherten erweitert und zwar auf kleine gewerbliche Brauereien, auf die Werkstätten der Schlosser und Schmiede, die Fensterputzer, auf die Lagereibetriebe sowie auf die mit einem Handelsgewerbe verbundenen Fuhrwerks-, Lagerungs- oder Holzfällbetriebe, sofern der Inhaber ins Handelsregister eingetragen ist. Ausgedehnt wird die Versicherung auch auf Betriebsbeamte, kleinere Unternehmer, Hausarbeiter und kleine Seefischereibetriebe. Die Novelle bezieht auch häusliche und andere Dienste ein, zu denen versicherte Personen neben ihrer Beschäftigung in Betrieben von ihren Arbeitgebern herangezogen werden.
Die Stellung der Berufsgenossenschaften werden gestärkt, die Zahl der Schiedsgerichte erhöht.

Juli 1900

Der "Zentralverband christlicher Maurer und verwandter Berufe Deutschlands" vereinigt sich mit dem "Berufsverein christlicher Bauhandwerker und verwandter Berufe", der 1899 in Köln gegründet wurde. Der Zentralverband organisiert auch Bauhilfsarbeiter, Dachdecker, Zimmerer und Stukkateure.
Wie die anderen christlichen Verbände bauen die christlichen Bauarbeiter ein umfangreiches Unterstützungswesen auf.

1. Juli 1900

In Berlin wird der "Zentralverband der Fleischer" gegründet.

Die Organisation der durch Vertrauensmänner zentralisierten Handelshülfsarbeiter tritt dem "Verband der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter" bei.
Das Verbandsorgan bleibt der "Courier".

16./20. Juli 1900

Der internationale Textilarbeiterkongreß in Berlin fordert wegen der oft geradezu unerträglichen Zustände in der Textilindustrie einen wirksamen Ausbau der Arbeitsschutzgesetzgebung, insbesondere ihre Ausdehnung auf die Hausindustrie.
Der Kongreß spricht sich auch für die Abschaffung der Akkord- und der Nachtarbeit sowie der Überstunden aus.

22./26. Juli 1900

Die Generalversammlung des Verbandes der Hafenarbeiter in Hamburg ändert den Namen der Gewerkschaft in "Verband der Hafenarbeiter und verwandter Berufsgenossen". Bei außerordentlichen Anforderungen an den Vorstand ist der Vorstand berechtigt, eine obligatorische Streiksteuer einzuführen. Unterstützungsberechtigt sind nur Mitglieder, die mindestens drei Monate Mitglied sind.

26./29. Juli 1900

In Paris wird auf einem internationalen Arbeiterschutzkongreß durch Privatinitiative die "Internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeitsschutz" gegründet.
Diese Vereinigung errichtet ein privates Internationales Arbeitsschutzamt in Basel, den Vorläufer des 1919 gegründeten Genfer Internationalen Arbeitsamtes.

1. Juli 1900

Der seit Dezember 1898 bestehende Lokalverband der Fleischer in Berlin wandelt sich in einen Zentralverband um, nachdem mehrere lokale Gründungen in den neunziger Jahren nicht lange tätig waren.
Bereits seit dem 1. März erscheint monatlich "Der Fleischer" als Verbandsorgan.

Juli / 21. September 1900

In Hamburg streiken Werftarbeiter, 6.000 werden ausgesperrt, für eine Anerkennung der gewerkschaftlichen Organisationen und eine Lohnerhöhung. Der Streik endet mit einem Teilerfolg für die Arbeiter. Sie erreichen die Anerkennung ihrer Gewerkschaftsorganisationen.
Mit dieser Aussperrung beginnt für mehrere Jahre eine Aussperrungsoffensive der Arbeitgeber. Dabei fordern diese sehr häufig von den Ausgesperrten den Nachweis des Gewerkschaftsaustritts.

1. August 1900

Der "Verband christlicher Schneider und Schneiderinnen und verwandter Berufsgenossen Deutschlands", der während des christlichen Gewerkschaftskongresses gegründet worden war, beginnt seine Tätigkeit. Sitz des Verbandes ist bis September 1906 Münden, dann Köln.
Der Verband hat zunächst mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, vor allem durch die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der verbreiteten Heimarbeit.

3. August 1900

Der preußische Kriegsminister H. von Goßler erläßt einen Befehl, nach dem es Unteroffizieren und Mannschaften verboten ist, sozialdemokratische Schriften zu halten oder zu verbreiten und sozialdemokratische Gesinnung gegenüber Dritten erkennen zu lassen; jede Beteiligung an Vereinigungen, Versammlungen bedarf besonderer dienstlicher Erlaubnis. Diese Bestimmungen gelten auch für zu Übungen eingezogene Soldaten.

5./10. August 1900

Der Verbandstag des Verbandes der Fabrik-, Land- und Hülfsarbeiter und Arbeiterinnen in Halberstadt betont, daß die übrigen Verbände der ungelernten Arbeiter kein Recht zur Klage über den Verband hätten. Deren Beschuldigungen, daß mit unlauteren Mitteln gearbeitet worden sei, ist unbegründet. Die in den letzten Jahren erfolgten Neugründungen von Verbänden ungelernter Arbeiter seien völlig überflüssig gewesen, nachdem im Fabrikarbeiterverband den ungelernten Arbeitern gleich welcher Kategorie, Gelegenheit geboten sei, sich zu organisieren.
Den Lokalstellen verbleiben 33,3% der Einnahmen für ihre Arbeit.
Der Verband führt eine Hinterbliebenenunterstützung ein, eine Arbeitslosenunterstützung wird abgelehnt. Anstelle eines freiwilligen Streikbeitrages wird eine obligatorische monatliche Streikunterstützung eingeführt.
Die Werbung unter den polnischen und italienischen Arbeitern soll verstärkt und dafür auch Flugblätter in diesen Sprachen herausgeben werden.

16./19. August 1900

Der internationale Kongreß für Lithographen, Chemigraphen und Steindrucker in Paris beschließt, daß das Internationale Sekretariat freiwillige Sammlungen vornehmen soll, wenn die Landesorganisationen die Streikkosten nicht allein aufbringen können.
Dem Sekretariat sind vierteljährlich Berichte der Landesorganisationen über alle wichtigen Ereignisse einzusenden. Die Landesorganisationen werden verpflichtet, mit aller Kraft für den 8stündigen Arbeitstag einzutreten.

20./22. August 1900

Der Schneider- und Schneiderinnenkongreß in Halle/Saale behandelt ausführlich die schlechten sozialen Verhältnisse in der Konfektionsindustrie und verabschiedet dazu eine umfangreiche Resolution, in der u.a. die uneingeschränkte Koalitionsfreiheit und eine Erweiterung der Arbeitsschutzbestimmung sowie die Errichtung von Betriebswerkstätten gefordert werden.
Für die Gesellenschausschüsse wird für ihr weiteres Verhalten ein ausführlicher Forderungskatalog verabschiedet. In Orten oder Bezirken, in denen Lohntarife der organisierten Arbeiter bestehen, soll erreicht werden, daß diese durch die Innung unter Festsetzung von Kündigungsfristen offiziell anerkannt werden.

22. August 1900

Nach der Diskussion auf dem Frankfurter Kongreß der christlichen Gewerkschaften über Einheitsgewerkschaften weist die Konferenz der preußischen Bischöfe in Fulda die Geistlichen an, dem Irrtum entgegenzutreten, als dürfe ein Arbeiter im wirtschaftlichen Leben die Lehren des Christentums außer acht lassen.

22./25. August 1900

Am Verbandstag des Verbandes der Schneider und Schneiderinnen und verwandter Berufsgenossen in Halle/Saale nimmt zum ersten Mal eine weibliche Delegierte - bei insgesamt 51 Delegierten - teil.
Der Vorstand und der Ausschuß werden ermächtigt, ihre Zustimmung zu einem Streik zu versagen, wenn nicht mindestens die Hälfte der am Ort beschäftigten und für den Streik in Frage kommenden Arbeiter und Arbeiterinnen organisiert sind. Wenn keine Aussichten auf einen Streikerfolg mehr bestehen, können Vorstand und Ausschuß weitere Mittel verweigern.

August / 24. September 1900

Bei Lohnkämpfen der Buchbinder in Berlin, Leipzig und Stuttgart werden in den drei Städten Anfang September rund 4.500 Gehilfen ausgesperrt, nachdem Verhandlungen gescheitert waren. Die Tarifverhandlungen vom 3. September in Leipzig scheitern. Am 9. September werden Buchbinder ausgesperrt. Die Lohnkämpfe werden mit einem dreijährigen Tarifvertrag beendet.

September 1900

Als erstes Organ der deutschen Arbeiterbewegung erreicht die "Deutsche Metallarbeiterzeitung" eine Auflage von 100.000 Exemplaren.

Die Generalversammlung des Senefelder-Bundes in Köln lehnt eine Verschmelzung mit dem Verein der Lithographen und Steindrucker mit knapper Mehrheit ab.

1. September 1900

Auf der Generalversammlung des "Deutschen Arbeitgeberbundes für das Baugewerbe" in Dresden wird zur Frage, ob mit den Gewerkschaften verhandelt werden soll, erklärt: "Von den 284.000 Maurern in Deutschland sind 90.000 organisiert. Wenn man bedenkt, daß ein beträchtlicher Teil der Maurer sich auf dem platten Lande befindet, muß anerkannt werden, daß die Arbeitnehmerorganisation von Bedeutung und Einfluß sein muß ... Eine große Anzahl Streiks ist entstanden. Man mag doch ehrlich sein, wären wir Arbeiter, würden wir ebenfalls das Bedürfnis nach Organisation haben, deshalb ist es falsch, sich auf den Standpunkt zu stellen, mit Vertretern der Organisation nicht zu verhandeln."

2./5. September 1900

Die Generalversammlung des christlichen Metallarbeiterverbandes in Köln erklärt, daß der Verband obwohl er bei der Gründung auf dem Boden einer energischen sozialen Reform gestellt worden ist, die Generalversammlung für notwendig hält, daß auch künftig die christlichen Grundsätze und Prinzipien als Richtschnur und Leitmotiv innerhalb des Verbandes anerkannt werden.

8. September 1900

Der "Christlich-soziale Verband nichtgewerblicher Arbeiter und Arbeiterinnen" wird in München gegründet.

15./16. September 1900

Die erste Konferenz der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands tagt in Mainz. 20 Frauen nehmen daran teil.
In Berlin wird eine Kommission gewählt, die mit der Herausgabe von Flugblättern betraut wird.
Die Konferenz fordert als Mindestmaß an gesetzlichem Schutz für die proletarische Frau als Mutter: Aufrechterhaltung der bereits gesetzlich festgelegten Schutzzeit für erwerbstätige Schwangere und Wöchnerinnen von 4 Wochen vor und 6 Wochen nach der Geburt; Beseitigung der Ausnahmebewilligungen zu früherer Wiederaufnahme der Arbeit auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses; Erhöhung des Krankengeldes auf die volle Höhe des durchschnittlichen Tagelohnes; obligatorische Ausdehnung der Krankenunterstützung der Wöchnerinnen auf die Frauen der Mitglieder.
Die ebenso notwendige als schwierige gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen ist mit allem Nachdruck zu fördern. In Verbindung mit der Generalkommission und den Gewerkschaften haben die Genossinnen nach praktischen Mitteln und Wegen zu suchen, um die weiblichen Mitglieder der Gewerkschaften zu regerer Mitarbeit innerhalb der Organisation, insbesondere aber zur Leistung der erforderlichen, so hochbedeutsamen Kleinarbeit heranzuziehen. Die Konferenz bekundet ihre Sympathien für die weiblichen Bildungsvereine, die aber außerhalb der politischen Bewegung stehen.

17./21. September 1900

Der SPD-Parteitag in Mainz verpflichtet die Parteimitglieder in den deutschen Staaten, in denen das Dreiklassenwahlrecht besteht, sich mit eigenen Wahlmännern an den Wahlen zu beteiligen. Für die Landtagswahlen in Preußen bildet der Parteivorstand das Zentral-Wahlkomitee.
Der Parteitag wendet sich scharf gegen die Kolonialpolitik und tritt für die Rechte, die Freiheit und die Unabhängigkeit aller Völkerschaften ein. Die ohne Befragung des Reichstages vorgenommenen Truppenentsendungen nach China werden als verfassungswidrig bezeichnet.
Für eine einheitliche Verkehrs- und Handelspolitik fordert der Parteitag eine einheitliche Gestaltung der Verkehrspolitik durch die Übernahme der Eisenbahnen durch das Reich, Ausbau des Wasserstraßensystems, Ablehnung der Zölle auf Lebensmittel, Förderung des freien Weltverkehrs durch Handelsverträge und Verwerfung aller zollgesetzlichen Maßnahmen, die den Abschluß solcher Verträge erschweren.
Der Parteitag verabschiedet ein neues Organisationsstatut und bildet eine neunköpfige Kontrollkommission.

18. September 1900

Nach Streiks, Aussperrungen und der Vermittlung des Tarifamtes der Buchdrucker vereinbaren die Buchbinder einen einheitlichen Tarifvertrag für Berlin, Leipzig und Stuttgart, den "Dreistädtetarif", in dem zum ersten Mal auch Mindestlöhne für Arbeiterinnen festgeschrieben werden. Die Arbeitszeit beträgt 9 Stunden plus 1,5 Stunden Pausen.

19./21. September 1900

Auf dem ersten internationalen Kongreß der Transportarbeiter in Paris sind 47 Delegierte aus 10 Ländern anwesend.
Aus Deutschland sind vertreten: die Seeleute, die Hafenarbeiter, die Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter sowie die Eisenbahner. Der Kongreß beschließt, für die Transportarbeiter aller Länder eine lose - wegen der unterschiedlichen Vereinsgesetzgebung - internationale Organisation anzustreben. Ein festes internationales Komitee soll gegenseitig Situationsberichte austauschen, vor allem in Ländern, wo noch keine Organisationen vorhanden sind, deren Gründung zu unterstützen.

19./22. September 1900

Der internationale Formerkongreß in Paris beschließt ein internationales Sekretariat mit Sitz in Paris.

20./22. September 1900

Der internationale Schneiderkongreß in Paris verlangt die Errichtung von Betriebswerkstätten anstelle der Hausindustrie. Solange diese aber noch besteht, müssen die Schneiderorganisationen für feste Stücklohntarife eintreten. Der Kongreß erklärt, die Arbeiter in Gefängnissen und Kasernen hat vor allem nur für den eigenen Bedarf zu geschehen. Für Gefängnisarbeit ist der gleiche Lohn zu zahlen. Diese in Gefängnissen hergestellten Waren müssen besonders gekennzeichnet sein.
Zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit wird ein Sekretär ernannt.
Die Delegierten versprechen, daß bei allen größeren Streiks und Aussperrungen eine gegenseitige finanzielle und moralische Unterstützung erfolgt, daß vor allem auch der Zuzug in das betroffene Land ferngehalten wird.

20./23. September 1900

Der internationale Hutmacher-Kongreß in Paris lehnt eine internationale Streikkasse ab. Der internationale Sekretär soll aber bei größeren Streiks Sammlungen veranlassen.

21./22. September 1900

Der internationale Metallarbeiterkongreß in Paris wünscht, daß das internationale Informationsbüro versuchen soll, den Zuzug von Streikbrechern fernzuhalten und die Anfertigung von Streikarbeit zu verhindern.

23./27. September 1900

Der 5. Internationale Sozialistenkongreß in Paris beschließt, ein Internationales Sozialistisches Büro (ISB) zu schaffen. Das Büro und sein Sekretariat sollen die Beschlüsse der Kongresse veröffentlichen, die Berichte der nationalen Organisationen sammeln, Rechenschaftsberichte über die Tätigkeit der Internationale abfassen, die laufenden Kongresse vorbereiten und Manifeste zu wichtigen Fragen herausgeben. Sitz des Büros wird Brüssel
Gleichzeitig wird beschlossen, ein Interparlamentarisches Komitee aus Vertretern der sozialistischen Parlamentfraktionen zu bilden, das einheitliche parlamentarische Aktionen gegen Militarismus und Krieg organisieren und in allen Parlamenten für den Schutz der Rechte der Arbeiter eintreten soll.
Der Kongreß nimmt eine Resolution K. Kautskys gegen die Stimmen von französischen und italienischen Sozialisten an, daß die Beteiligung eines Sozialisten an einer bürgerlichen Regierung keine prinzipielle, sondern eine taktische Frage sei, über die in jedem einzelnen Falle die Partei entscheiden müsse.
Der Kolonialismus wird verurteilt. Der Kongreß weist auf die wachsende Gefahr eines Weltkrieges hin.
Die Trusts werden als eine neue Stufe der Entwicklung der Produktion bezeichnet. Ihre Entwicklung schaffe die materiellen Voraussetzungen für eine Vergesellschaftung der Produktion.
Der Kongreß hält erneut Streiks und Boykotts für notwendige Mittel zur Erreichung der Aufgaben der Arbeiterklasse, sieht aber die Möglichkeit für einen internationalen Generalstreik nicht gegeben.
Für Seeleute und Transportarbeiter werden zahlreiche Forderungen erhoben, so u.a. die Errichtung von Seemannshäusern unter Leitung der Arbeiterorganisationen und Kontrolle der Behörden, Beseitigung der Heuerbaase, paritätische Seegerichte, gesetzliche Unfallverhütungsvorschriften gerechte Behandlung, gute Kost, gutes Logis, gute sanitäre Verhältnisse an Bord, durch Gesetz gewährleistet, und volle Unfallentschädigung.

23./29. September 1900

Die Generalversammlung des Tabakarbeiter-Verbandes in Mainz lehnt ab, die Entscheidung über Streiks dem Vorstand einzuräumen und die Streiks nur dann anzuerkennen, wenn mindestens die Hälfte der am Ort befindlichen Tabakarbeiter organisiert sind. Mit 47 gegen 17 Stimmen wird die Arbeitslosenunterstützung erneut abgelehnt.

29. September / 1. Oktober 1900

Die internationale Handschuhmacherkonferenz in Paris beschließt, daß der einknöpfige Herrenhandschuh hinsichtlich des Schnittpreises dem dreiknöpfigen Damenhandschuh gleichzustellen ist und diese Forderung bei jeder Lohnbewegung in allen Ländern zu vertreten sei.

1. Oktober 1900

Der "Verband christlicher Schuh- und Lederarbeiter Deutschlands" mit Sitz in München wird gegründet. Dieser Verband wird von den Gewerkschaften der Generalkommission heftig bekämpft. Trotzdem werden zahlreiche Lohnbewegungen gemeinsam geführt. Mit dem Christlichen Holzarbeiterverband gibt es Streit wegen der Zugehörigkeit der Sattler. Er muß wie alle anderen damaligen Gewerkschaften gegen die Gegnerschaft der Arbeitgeber ankämpfen. Vor allem am Niederrhein widersetzen sich die Fabrikanten den Forderungen der jungen Gewerkschaft. Deshalb wird 1901 in Goch eine Genossenschaftsschuhfabrik des Verbandes gegründet, um den gemaßregelten Mitgliedern wieder Arbeit zu verschaffen. Diese Genossenschaft kann sich indessen nur einige Zeit halten.

2. Oktober 1900

Der christliche "Gewerkverein der Heimarbeiterinnen Deutschlands" wird gegründet.
Diese Gründung geht auf Aktivitäten der Frauengruppe der "Evangelisch-sozialen Konferenz" zurück.

7. Oktober 1900

Der "Gewerkverein der Heimarbeiterinnen Deutschlands" wird gegründet.

11. Oktober 1900

Der Freiburger Erzbischof erklärt, daß die christlichen Gewerkschaften auf ihrem Frankfurter Kongresse die Vereinigung mit der Sozialdemokratie als Ziel ins Auge gefaßt und damit bewiesen hätten, daß das Wort "christlich" nur ein leerer Schall und ein bloßes Aushängeschild sei, daß vielmehr die Bewegung mit unausbleiblicher Konsequenz nur der Sozialdemokratie zugute kommen könne.

14. Oktober / 28. Oktober 1900

Die christlichen Verbände der Bergarbeiter und der Textilarbeiter betonen, daß die gewerkschaftliche Vereinigung aller Arbeiter eines Berufes das erstrebenswerte Ziel sei.
Der Freiburger Erzbischof erwidert, daß es ihm fern gelegen habe, die christlichen Gewerkschaften zu verurteilen, er habe sie lediglich vor gewissen Gefahren warnen wollen.

18. Oktober 1900

B. Graf (ab 1905 Fürst) v. Bülow wird Reichskanzler.

November 1900

Der erste deutsche Handwerks-und Gewerbekammertag in Berlin spricht sich für einen ausgedehnten Fach- und Fortbildungs-Schulunterricht neben der Werkstattlehre aus, der bis zum 18. Lebensjahr verbindlich sein soll.

8. November 1900

In Köln konstituiert sich der "Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften" und verabschiedet sein Statut. Als vornehmste Aufgabe betrachtet es die "Vertretung der wirthschaftlichen Interessen der arbeitenden Stände durch die gewerkschaftliche Organisation und die Herbeiführung eines friedlichen Ausgleichs der Gegensätze zwischen Arbeiter und Arbeitgeber unter Anerkennung der selbständigen Mitwirkung der organisierten Arbeiterschaft bei Festsetzung der Lohn- und Arbeitsbedingungen". Weiter soll der Verband die "Verbindung und Fühlung der einzelnen Gewerkschaftsverbände untereinander vermitteln zwecks gemeinsamen Handelns bei besonderen, die allgemeinen gewerkschaftlichen Interessen betreffenden Fragen".
Außer der Durchführung der jeweiligen Kongreßbeschlüsse und der Vermittelung gegenseitiger Unterstützung sind als solche allgemein gewerkschaftliche Aufgaben genannt: "Herbeiführung der gesetzlichen Anerkennung der Arbeiter-Berufsvereine, Schaffung gesetzlicher Instanzen zur Schlichtung und Beilegung von Streitigkeiten über Lohn- und Arbeitsbedingungen zwischen Unternehmer und Arbeiter unter Mitwirkung der organisierten Arbeiterschaft; Anregung und Herbeiführung statistischer Erhebungen über die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Arbeiter in den einzelnen Berufen".
Als weitere Aufgaben sind noch vorgesehen die Herausgabe eines eigenen "Correspondenzblattes", ferner eines Gewerkschaftsorganes für die kleineren Verbände, Erteilung von Rat und Auskunft, sowie Schlichtung auftretender Meinungsverschiedenheiten. Aus der Zentralkasse dürfen jedoch weder Darlehen noch bare Unterstützungen für Streiks oder Aussperrungen gewährt werden. Bei außergewöhnlichen Anlässen kann der Ausschuß die Sammlung von Geldern veranlassen.
Zum Vorsitzenden des Ausschusses wird A. Brust gewählt.

Der Ausschuß des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften protestiert energisch gegen ein Hirtenwort des preußischen Episkopats, daß den christlichen Gewerkschaften das Wort "christlich" nur leerer Schall und ein Aushängeschild sei und daß "sie nur für die Sozialdemokratie jene Kreise organisierten, die einstweilen noch auf dem Boden der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung bleiben wollten".
Der Ausschuß erklärt es als selbstverständlich und mit Nachdruck, daß "wir nach wie vor in Durchführung der gewerkschaftlichen Ziele die christlichen Grundsätze als Richtschnur anerkennen. Eine Vereinigung aller Arbeiter der verschiedenen Berufe in einheitlichen Organisationen ist allerdings das zu erstrebende Ziel, doch muß verlangt werden, daß solche Verbände in ihrer Wirksamkeit den christlichen Grundsätzen nicht widersprechen. Da unter den obwaltenden Verhältnissen in absehbarer Zeit solche Gewerkschaften ausgeschlossen erscheinen, halten wir an dem auf dem Kongreß in Mainz aufgestellten Programm fest, nach welchem unsere christlichen Gewerkschaften interkonfessionell und politisch unparteiisch auf christlicher Grundlage bestehen sollen."

20./23. November 1900

Die Generalversammlung der Vereinigung der Maler, Lackierer, Anstreicher, Tüncher und Weißbinder in Würzburg beschließt den Beitrag zu erhöhen. Er ist nun in 30 Sommerwochen mehr als doppelt so hoch als in den 22 Winterwochen. Dafür fallen die lokalen Streikfondsbeiträge weg. Die lokalen Streikfonds werden der Zentralkasse zugeführt. Der Vorstand und der Ausschuß erhalten das Recht, Extrasteuern auszuschreiben.
Neu eingeführt wird eine Unterstützung bei Sterbefällen. Der Redakteur wird fest angestellt.

22. November 1900

Die SPD-Reichstagsfraktion stellt einen Antrag auf Vorlage eine Gesetzentwurfes zur Regelung des Wohnungwesens.

Winter 1900 / 1901

In Leipzig kommt es bei einem Arbeitskampf in der Druckerei der sozialdemokratischen "Leipziger Volkszeitung" zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Buchdruckerverband und den "lokalistischen" Buchdruckern; nach einer Verhandlung zwischen Generalkommission und Parteivorstand wird das Verhalten der Lokalisten vom Parteivorstand scharf verurteilt.

Ende 1900

Der Generalkommission sind 58 Zentralorganisationen mit rund 680.430 Mitgliedern, davon 22.840 weiblichen, angeschlossen.
Lokalvereine haben weitere 9.860 Mitglieder. Die größten Verbände sind die Metallarbeiter mit 100.760 (Organisationsgrad 31%), die Maurer mit 82.960 (36,6%), die Holzarbeiter mit 73.970 (27%), die Bergarbeiter mit 36.420 (10%) und die Textilarbeiter mit 34.330 (6,3%) Mitgliedern.
Die kleinsten Verbände sind die des neugegründeten Verbandes der Masseure mit 179, die Fleischer mit 254 (0,49%), die Gärtner mit 358 (0,63%), die Formstecher mit 384 (24%) und die Büroangestellten mit 404 Mitgliedern. Die Verbände gaben rund 28% für Streikunterstützungen, rund 7% für die Verbandsorgane und rund 5,5% für Krankenunterstützungen aus.
Die zentralen Verwaltungen verbrauchen rund 4,5% der Einnahmen, den lokalen Zahlstellen bleiben rund 14%.

Die Generalkommission hat 90 Ortskartelle und örtliche Verbindungen von mindestens 2 Gewerkschaften. Berlin weist 69 Gewerkschaftsfilialen auf, Stuttgart 58, Hamburg 56, Breslau 51 und Dresden 50. Sekretariate bestehen in 13 Kartellen. Kartell- und Zentralbibliotheken sind in 28 Orten vorhanden. In Bremen unterhält das Kartell eine Wärmehalle für Arbeitslose, eine öffentliche Lesehalle, in Dresden eine öffentliche Wärmehalle für Arbeitslose. Acht Orte haben inzwischen ein eigenes Gewerkschaftshaus. Außer den in diesen Häusern vorhandenen Herbergen, sind in 26 Orten Zentralherbergen vorhanden.

Die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine haben rund 92.000 Mitglieder in 20 Verbänden. Die größten Gewerkvereine sind die Maschinen- und Metallarbeiter mit 35.620, die Fabrik- und Handarbeiter mit 18.150 und die Tischler mit 6.700 Mitgliedern.
Der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften zählt 23 Verbände mit 78.660 Mitgliedern. Die meisten Mitglieder haben die Bergarbeiter mit 26.280, der Siegerländer Gewerkverein christlicher Berg-, Eisen- und Metallarbeiter mit 10.200 und der Textilarbeiterverband in Krefeld mit 8.000 Mitgliedern.
Die wenigsten Mitglieder haben die Arbeiterschutzvereine in Freiburg mit 80, in Berlin und Köln mit je 220 sowie der Textilarbeiterverband in Hückeswagen mit 100.

Die Generalkommission berichtet, daß im Jahr 1900 852 Streiks in 45 Berufszweigen mit ca. 115.700 Beteiligten stattgefunden haben. Von den Streiks waren 514 Angriffsstreiks, von denen 237 erfolgreich, 161 teilweise erfolgreich, 97 erfolglos und von 15 ist das Ergebnis nicht bekannt.
Von den 338 Abwehrstreiks waren 138 erfolgreich, 54 teilweise erfolgreich, 120 erfolglos, von 6 ist das Ergebnis unbekannt.
Von den 852 Streiks wurden durch Verhandlungen 483, 25 durch Gewerbegerichte und 32 durch Vermittlung anderer Personen oder Körperschaften beendet.
Die Streikkosten wurden zu ca. 85% aus den Verbandskassen, ca. 8% durch freiwillige Sammlungen bei den Mitgliedern, ca. 5% durch Sammlungen und 2% von anderen Gewerkschaften bezahlt.

Die Industriegewerkschaften der Metall-, der Holz- und der Textilarbeiter stellen bereits 30,7% der Gesamtmitgliedschaft der Freien Gewerkschaften.
Die Verbände der ungelernten Arbeiter (Fabrikarbeiter, Bauhilfsarbeiter, Handels-und Transportarbeiter) erfassen 11,3% der in den Freien Gewerkschaften organisierten Arbeiter.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000

Previous Page TOC Next Page