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TEILDOKUMENT:



[Seite der Druckausg.: 63]


Karl Jung
Zwischenbilanz


Ich bedanke mich bei der Friedrich-Ebert-Stiftung für die Einladung zur heutigen Veranstaltung „Qualitätssicherung in der Pflege" und für die Gelegenheit zur einer Zwischenbilanz.

Gemeint ist damit offenbar nicht eine Zwischenbilanz am Abend des ersten Tages der Veranstaltung, gemeint ist wohl auch nicht eine allgemeine Zwischenbilanz nach fünf Jahren Pflegeversicherung, sondern gemeint ist eine Zwischenbilanz zu den bisherigen Bemühungen um die Qualitätssicherung der pflegerischen Leistungen, und zwar in der ambulanten und stationären Pflege und bei der häuslichen Krankenpflege im Sinne des § 37 SGB V.

Aber gestatten Sie mir als einem, der an der Schaffung der Pflegeversicherung in den Jahren 1991 bis 1994 unmittelbar beteiligt war, einige generelle Anmerkungen zur aktuellen Situation der Pflegeversicherung insgesamt zu machen, auch zur Qualität der Pflegeversicherung, denn ohne Qualität der Pflegeversicherung kann es auch keine Qualität in der Pflege geben. Mängel in der Pflegeversicherung führen auch zu Mängeln bei den pflegerischen Leistungen.

Ich war nämlich nicht nur beteiligt bei der konzeptionellen Vorbereitung und der politischen Durchsetzung der Pflegeversicherung, sondern habe auch heute noch Gelegenheit, an der praktischen Umsetzung mitzuwirken, und zwar insbesondere auf der Landesebene, in mehreren Landespflegeausschüssen, Schiedsstellen, Landesarbeitsgemeinschaften zur Bemessung der Vergütung von ambulanten und stationären Pflegeleistungen und auch in Gremien zur Gewährleistung und Verbesserung der Pflegequalität.

Eine Gesamtwürdigung der Pflegeversicherung unter Einbeziehung der zahlreichen noch ungelösten und vielfältigen Probleme ist auch geeignet, eine einseitige Überbewertung einzelner, besonders aktueller Fragestellungen, wie beispielsweise die Qualitätssicherung, zu vermeiden oder sie zumindest auf das gebotene Maß zu relativieren.

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Denn - offenbar angeregt durch das Vorbild in der „GKV-Gesundheitsreform 2000", die den bisherigen Neunten Abschnitt im Vierten Kapitel des SGB V mit dem Ziel der „Weiterentwicklung der Qualitätssicherung" grundlegend umgestalten will (vgl. §§ 135 bis 138) - soll jetzt wohl auch die Pflegeversicherung mit einer wahren Orgie von Qualitätsregulierungen überzogen werden. Zumindest geben zwischenzeitlich bekannt gewordene erste „Diskussionsentwürfe eines Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes" zu den schlimmsten Befürchtungen Anlaß. Derartigen Exzessen mit einer schier uferlosen Ausweitung und Aufblähung der Grundsatzregelungen zur Qualitätssicherung in § 80 SGB XI muß entschieden entgegengetreten und der Regelungsbedarf auf ein realistisches Ausmaß beschränkt werden.

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Erster Teil: Allgemeine Zwischenbilanz

Die Pflegeversicherung war und ist auch heute noch ein Erfolg.

Aus der heutigen Erfahrung war das Jahr 1994 die letzte Möglichkeit zur Schaffung einer Pflegeversicherung als fünfter Säule der Sozialversicherung, finanziert im Umlageverfahren durch paritätische Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber. Schon ein oder zwei Jahre später hätte die Forderung nach Senkung der Beiträge zur Sozialversicherung und die Beschwörung der Lohnnebenkosten als Problem Nr. 1 für die Gefährdung der Arbeitsplätze die Schaffung einer umlagefinanzierten Pflegeversicherung verhindert.

Vorangegangen waren mehr als zwanzig Jahre politischer Diskussionen um eine bessere soziale Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit.

Vorangegangen war ein dreijähriges Gesetzgebungsverfahren

  • mit zunächst harten Auseinandersetzungen innerhalb der CDU/CSU und dann in der damaligen Koalition von CDU/CSU und FDP,

  • mit ebenso schwierigen Auseinandersetzungen mit der damaligen Opposition im Bundestag und im Bundesrat, die sich in der zweimaligen Anrufung des Vermittlungsausschusses niedergeschlagen haben, begleitet von wiederholten Voraussagen eines Scheiterns des von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm auf den Weg gebrachten „Unternehmen Pflegeversicherung".

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Harte Diskussionen, schwierige politische Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern der Pflegeversicherung auf der einen Seite und notwendige Kompromisse als Preis für den Erfolg des Unternehmens auf der anderen Seite sind bis heute ein Wahrzeichen und ein Symbol der Pflegeversicherung. Für den Außenstehenden, der an den politischen Auseinandersetzungen nicht unmittelbar teilgenommen hat und die Entscheidungen zwischen Kompromiß oder Scheiternlassen nicht selbst zu treffen hatte, erscheinen die notwendigen Kompromisse aus heutiger Sicht vielfach als unentschuldbare Fehler oder Mängel, sie sind nicht selten Anlaß für eine unbegründete Kritik.

Vor diesem politischen Hintergrund und angesichts der früheren Ausgangssituation für die Pflegebedürftigen - Pflegebedürftigkeit war damals gleichbedeutend mit der Abhängigkeit von Sozialhilfe - ist die Durchsetzung der Sozialen Pflegeversicherung ein Erfolg im Interesse der Pflegebedürftigen und ihrer Familien.

Das wird heute auch im politischen Raum übereinstimmend so gesehen, und zwar nicht nur auf Seiten der damals regierenden CDU/CSU und FDP-Koalition, sondern auch auf Seiten der damaligen Opposition und heutigen Regierungskoalition. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Professor Dr. Martin Pfaff hat bei der Verabschiedung des Vierten Änderungsgesetzes zum SGB XI am 24.06.1999 im Bundestag die Pflegeversicherung einen „Meilenstein in der Entwicklung des Sozialstaates Deutschland" genannt. Die Bundesministerin für Gesundheit, Frau Andrea Fischer, die seit Herbst 1998 für die Pflegeversicherung zuständig ist, hat in derselben parlamentarischen Debatte am 24.06.1999 die Einführung der Pflegeversicherung als einen großen Fortschritt bezeichnet und versprochen, daß sie dieses Erbe annehmen und es sorgsam verwalten werde.

Eine Ausnahme gilt lediglich für die PDS: Der Abgeordnete Dr. Ilja Seifert hält die Pflegeversicherung für eine Sackgasse und nicht für ein erfolgreiches Werk, sie habe im Gegenteil eine Menge Schaden angerichtet, zahlreiche Behinderteneinrichtungen würden heute in Pflegeheime umgewandelt, zum Schaden der Behinderten. Erforderlich sei eine Demokratisierung, die Alleinherrschaft der Pflegekassen und des Medizinischen Dienstes müsse gebrochen werden.

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Lassen wir den Abgeordneten Dr. Seifert mit seiner Meinung allein, er vertritt eine Außenseiter-Position.

Die grundsätzliche Bewertung der Pflegeversicherung als Erfolg darf natürlich den Blick nicht davor verschließen, daß es auch Schwachstellen und Reformbedarf gibt.

Die allseits beklagten Schwachstellen sind weniger konzeptionelle oder handwerkliche Fehler des Gesetzgebers, sie waren vielmehr die zwangsläufige Folge der damaligen politischen Vorgabe, die den Beitragssatz für die Pflegeversicherung auf 1,7 % festgeschrieben hatte, bezogen auf die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit dem aus diesem Beitragssatz zu erwartenden Finanzvolumen von ca. 30 Mrd. DM jährlich mußte die Pflegeversicherung auskommen, an diesem Finanzvolumen hatte sich die Ausgestaltung der Pflegeversicherung zu orientieren. Das galt insbesondere für

  • den Leistungskatalog mit den Leistungsarten,

  • die Höhe und den Umfang der Leistungen,

  • den Begriff der Pflegebedürftigkeit,

  • die Anforderungen an die drei Pflegestufen,

  • die Einführung der dualen Finanzierung für die Investitionskosten, die allerdings gegen den Widerstand der Länder nur höchst unvollkommen und unbefriedigend ausgestaltet werden konnte,

  • den Verzicht auf die Einbeziehung der Behandlungspflege und der sozialen Eingliederung und Betreuung in den Leistungskatalog und,

  • das gilt schließlich für den Verzicht auf eigene medizinische Rehabilitationsleistungen der Pflegeversicherung, die mit Blick auf den Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege" notwendig gewesen wären.

Mit diesen Mängeln muß die Pflegeversicherung vorerst leben, es sei denn, es finden sich politische Mehrheiten für die Ausweitung des Finanzvolumens; derartige Mehrheiten sind allerdings angesichts der allgemeinen Forderung nach Beitragssatzstabilität nicht in Sicht.

Vorrangige Aufmerksamkeit verdienen deshalb diejenigen Mängel, die sich aus einer fehlerhaften oder unzureichenden Umsetzung der Pflegeversiche-

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rung oder aus fragwürdigen Regelungen des Gesetzgebers herleiten. Dazu gehören:

  • Der Rückzug anderer Leistungsträger, insbesondere der Sozialhilfe und der Krankenkassen, aus bisher erbrachten Sozialleistungen, beispielsweise aus der sozialen Eingliederung, der Behandlungspflege und der häuslichen Krankenpflege.

  • Die faktische Verweigerung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation gegenüber Pflegebedürftigen - in offenem Verstoß gegen den Rechtsanspruch des § 18 Abs. 1 SGB XI.

  • Die Belastung der Pflegeversicherung mit Kosten der schulischen Ausbildung von Pflegekräften.

  • Die Umwandlung bisheriger Rehabilitationseinrichtungen, insbesondere zur sozialen Eingliederung von Kindern und Jugendlichen, in Pflegeheime, allein in der Absicht, auf diesem Umweg an die stationären Pflegeleistungen der Pflegeversicherung heranzukommen.

  • Die Überreglementierung in Gestalt einer Flut von Bundesempfehlungen, Rahmenvereinbarungen, Gemeinsamen Grundsätzen und Verlautbarungen.

  • Die Inflation vielfältiger Gremien, die sich auf der Bundes-, Landes- und Ortsebene mit der Durchführung der Pflegeversicherung befassen, die insbesondere deshalb auch zahlenmäßig überbesetzt sind, weil jede Kassenart und jeder Verband der Leistungserbringer in jedem Ausschuß und jeder Arbeitsgruppe vertreten sein wollen.

  • Das gilt nicht zuletzt auch für die zahlenmäßige Besetzung der Schiedsstellen, denen in einzelnen Ländern bis zu 23 Mitglieder angehören, ohne daß durch derartige Massenversammlungen die Qualität oder die Akzeptanz der Schiedsstellen-Entscheidungen verbessert wird.

Es ist sicher an der Zeit, daß nach fünf Jahren Erfahrungen mit der Pflegeversicherung diese und andere Mängel abgestellt werden.

Das heißt aber nicht, daß dabei allen Kritikern und allen Reformvorschlägen Rechnung zu tragen wäre. Denn den Wünschen und Forderungen sowie der Phantasie der Kritiker sind offenbar keine Grenzen gesetzt, insbesondere auch deshalb, weil im Einzelfall der Sachverstand nicht immer im Ein-

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klang steht mit der Lautstärke und dem Inhalt der erhobenen Reform-Forderungen. Das gilt insbesondere für folgende Vorschläge:

  • alsbaldige Wiederabschaffung der Pflegeversicherung,

  • Abkehr von der Beitragsfinanzierung und Übergang zu einem steuerfinanzierten Leistungsgesetz,

  • Verzicht auf die paritätische Beitragsfinanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Einführung einer Alleinfinanzierung durch die Versicherten,

  • Öffnung der Pflegeversicherung für weitere Personenkreise und für zusätzliche Hilfebedarfe, insbesondere für die allgemeine Betreuung und Beaufsichtigung von Dementen, psychisch Kranken und Behinderten,

  • Beitragssatzsenkungen mit Blick auf die in den ersten Jahren angefallenen Überschüsse,

  • Leistungserhöhungen mit Blick auf die Überschüsse,

  • Bildung eines Kapitalstocks und damit Einleitung einer längerfristigen Abkehr von der heutigen Umlagefinanzierung und Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren,

  • Verzicht auf eine eigenständige Pflegeversicherung und Einbau der Pflegeleistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung,

  • Reduzierung der Pflegeversicherung auf eine bloße Geldbeschaffungs-Institution, die ihr Beitragsaufkommen den Sozialhilfeträgern zur Verfügung stellt, die dann mit diesem Geld die Alleinverantwortung für die soziale Sicherung der Pflegebedürftigen übernehmen - so beispielsweise ein Vorschlag des DPWV und seines sehr eifrigen Geschäftsführers.

Diese durchweg wenig realistischen oder gar utopischen Forderungen dürfen nicht davon ablenken, daß gleichwohl ein beachtlicher Änderungs- und Korrekturbedarf vorhanden ist, dem möglichst bald mit einem umfassenden Fünften Änderungsgesetz zum SGB XI Rechnung getragen werden sollte. Zur Vorbereitung eines solchen Änderungsgesetzes bedarf es Geduld, Sorgfalt und auch einer detaillierten gesetzgeberischen Kleinarbeit, um die er-

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kannten Mängel und Schwachstellen durch bessere und auch funktionsfähige Regelungen zu ersetzen.

Ich will hier und heute nicht ein Konzept des Fünften Änderungsgesetzes vortragen, aber aus meinen konkreten Erfahrungen auf einige Probleme aufmerksam machen, die bei einer gesetzgeberischen Initiative rechtzeitig beachtet werden sollten:

  1. Keine Illusionen über die mit den Überschüssen der Anfangsjahre in der Pflegeversicherung vorhandenen finanziellen Spiel- oder Gestaltungsräume.

    Nach Abzug der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserven stünden von den bisherigen Überschüssen in Höhe von rd. 10 Mrd. DM ca. 6 Mrd. DM als bewegliche Finanzmasse zur Verfügung. Das ist sehr viel Geld, das macht aber auch süchtig, vor allem Politiker, doch dieses Geld kann nur einmal ausgegeben werden. Denn die Zeiten der Überschüsse sind wohl vorbei. Gab es im Jahr 1998 noch ein Plus von 250 Mio. DM, so dürften im Jahr 1999 die Ausgaben erstmals die Einnahmen übersteigen. Das bedeutet, die Pflegeversicherung muß auf ihre Rücklagen zugreifen.

    Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen:

    • aus dem Vierten Änderungsgesetz zum SGB XI ergeben sich Mehrausgaben von 260 Mio. DM jährlich;

    • das Sparpaket der Bundesregierung bringt Beitragsausfälle von ca. 400 Mio. DM jährlich durch das Absenken der Bemessungsgrundlage für die Beitragszahlung aus der Arbeitslosenhilfe;

    • die Zahl der Pflegebedürftigen steigt an;

    • die strukturellen Änderungen bei der Leistungsinanspruchnahme dauern an, insbesondere durch häufigere Entscheidungen für Sachleistungen anstelle von Pflegegeld, Ansteigen der stationären Pflege im Verhältnis zur häuslichen Pflege.

    Somit ist für zusätzliche Ausgaben mit Dauerwirkung keinerlei Spielraum vorhanden.

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    Eine Zustimmung des Gesetzgebers zu Beitragssatzerhöhungen ist nicht zu erwarten, sie erscheint eher ausgeschlossen.

    Die verfügbaren Reserven von rd. 6 Mrd. DM werden somit zwingend benötigt, um die in den nächsten Jahren mit Sicherheit zu erwartenden Defizite auszugleichen, weil sonst Leistungsabsenkungen oder Einschränkungen des Kreises der Pflegebedürftigen unausweichlich wären; das kann niemand wollen, deshalb müssen alle Wünsche nach zusätzlichen Ausgaben zurückgewiesen werden, es sei denn, die Finanzierung wird sichergestellt.

  2. Die Forderung nach einem Übergang von der Beitragsfinanzierung zur Steuerfinanzierung oder die Hoffnung auf Zuschüsse zur Pflegeversicherung aus dem Steueraufkommen sind ebenfalls Illusion. Die aktuelle Finanzlage in den öffentlichen Haushalten und die anstehende Steuerreform erteilen derartigen Erwartungen eine deutliche Absage. Wenn den sozialen Sicherungssystemen durch den Einsatz von Steuermitteln geholfen werden soll, so dürfte dabei - wie die jüngsten Erfahrungen zeigen - die Rentenversicherung an erster Stelle stehen, nicht aber die Pflegeversicherung.

  3. Eindringlich zu warnen ist vor einer Ausdehnung des Personenkreises der Pflegebedürftigen und vor Erhöhungen der Pflegeleistungen - solange die dafür erforderlichen zusätzlichen Finanzquellen nicht dauerhaft zur Verfügung stehen.

  4. Sehr viel einfacher und zudem sinnvoller wäre es dagegen, die im Gesetz vorgesehenen Leistungen in vollem Umfang auszuschöpfen, beispielsweise in den Härtefällen nach § 36 Abs. 4 und § 43 Abs. 3 SGB XI. Der Gesetzgeber hat dort mit sehr flexiblen Regelungen die Voraussetzungen geschaffen, bei außergewöhnlich hohem Pflegeaufwand die Leistungen über die generellen Höchstbeträge von 2.800,- DM in beachtlichem Umfang auf bis zu 3.750,- DM bzw. 3.300,- DM monatlich aufzustocken. Tatsache ist, daß entgegen den gesetzlichen Vorgaben bisher weniger als 1 % der Pflegebedürftigen der Stufe III in den Genuss der erhöhten Härtefallleistungen kommen. Im stationären Bereich gibt es 115.000 Pflegebedürftige der Stufe III, 5 % davon, das sind 5.750 Pflegebedürftige, könnten in den Genuss der erhöhten Leistungen kom-

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    men, die tatsächliche Zahl liegt unter 1.000; ähnlich ist die Situation in der häuslichen Pflege.

    Die Ursache für den weitgehenden Leerlauf der Härtefallregelung liegt offenbar in der zu engen Fassung sowohl der Härtefall-Richtlinien vom 03.07.1996 als auch der entsprechenden Begutachtungsrichtlinien vom 21.03.1997. Die Ziffer 4 der Härtefall-Richtlinien und entsprechend Ziffer 6.1.1 der Begutachtungsrichtlinien sind sehr unglücklich formuliert, weil sie den Eindruck erwecken, nur die zwei ausdrücklich beschriebenen Sachverhalte reichten aus, die Härtefallregelung zu erfüllen; sie werden in dieser Form dem Willen des Gesetzgebers nicht gerecht. Deshalb sollten beide Richtlinien schleunigst geändert werden, damit der im Gesetz vorgesehene Anteil der Schwerstpflegebedürftigen in den Genuss der höheren Leistungen und damit auch einer verbesserten Pflege gelangen kann.

  5. Zu warnen ist auch vor einer Verwischung der Unterschiede zwischen Geld- und Sachleistungen. Die Soziale Pflegeversicherung ist auf die aktive Mithilfe der Angehörigen und deren Pflegebereitschaft angewiesen. Die für die Angehörigen bestimmten Leistungen sollen in erster Linie einen Anreiz darstellen, eine zusätzliche Motivation, in der Pflegebereitschaft nicht nachzulassen; sie sind aber keine Vergütung, vor allem keine vollwertige Vergütung der auf familiärer Bindung beruhenden Pflegeleistungen. Eine derartige Vergütung ist mit dem heute vorgegebenen Beitragsrahmen nicht zu bezahlen. Deshalb muß allen populistischen Forderungen nach einer Angleichung des Pflegegeldes an die Höhe der Sachleistungen deutlich entgegengetreten werden.

  6. In diesem Zusammenhang kann auch nicht deutlich genug vor dem sogenannten Arbeitgebermodell oder Pflege-Assistenz-Modell gewarnt werden, das von einigen Verbänden für Schwerstbehinderte gefordert wird und dem auch manche Politiker durchaus Sympathien entgegenbringen. Das Arbeitgebermodell, das eine höchstmögliche Selbständigkeit für Schwerstbehinderte gewährleisten soll und bei dem der Behinderte als Arbeitgeber einen oder mehrere Helfer für eine Betreuung rund um die Uhr einstellt, deren Kosten von der Solidargemeinschaft bezahlt werden, ist ein Irrweg; es stellt eine Überforderung oder gar einen Mißbrauch der Solidargemeinschaft dar, wenn zur Bezahlung mehrerer Helfer Summen bis zu 20.000,- DM monatlich verlangt werden.

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  7. Vorrang verdienen alle Bemühungen, um eine bessere Abgrenzung der Pflegeversicherung von anderen, verwandten Sozialleistungssystemen, insbesondere von der gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialhilfe, zu erreichen.

    Diese Abgrenzung muß einmal mit dem Ziele geschehen, die übrigen Systeme daran zu hindern, sich in unzulässiger und rechtswidriger Weise von eigenen Leistungspflichten zu befreien, beispielsweise die Krankenversicherung von den Leistungen für Hilfsmittel, Behandlungspflege, medizinische Rehabilitation und häusliche Krankenpflege oder die Sozialhilfe von Eingliederungsleistungen für Behinderte oder die Länder von den Investitionskosten.

    Eine zweite Zielvorstellung bei der besseren Abgrenzung muß es sein, die Inanspruchnahme der neben der Pflegeversicherung im Einzelfall noch erforderlichen sonstigen Sozialleistungen so einfach wie möglich zu gestalten. Wenn schon eine umfassende Leistungsgewährung „aus einer Hand" durch die Pflegeversicherung nicht möglich ist, so muß für den Pflegebedürftigen die Inanspruchnahme der zusätzlich erforderlichen Leistungen so einfach wie möglich gemacht werden, beispielsweise durch entsprechende Vorleistungen der Pflegeversicherung.

  8. Vereinfachung und Verbesserung der Verwaltungsabläufe

    • Die Dauer des Begutachtungsverfahrens ist zu verkürzen, zwischen Antrag und Entscheidung über die Pflegeleistungen dürfen im Regelfall nicht mehr als zwei Monate liegen.

    • Die Vergütungs- und Pflegesatzverhandlungen sind zu vereinfachen, die Regelungen über die Eigenschaft als Pflegesatzparteien für die Pflegekassen und die Sozialhilfeträger in den §§ 85 Abs. 2 und 89 Abs. 2 SGB XI sind zu kompliziert: Jede örtliche zuständige Pflegekasse und jeder örtlich zuständige Sozialhilfeträger sollte Partei sein können, ohne Rücksicht auf die Zahl der in einer Pflegeeinrichtung oder von einem Pflegedienst betreuten Pflegebedürftigen; eine Vertretung der Kostenträger durch eine regional federführende Kasse sollte zulässig sein.

    • Die Zahl der Pflege-Gremien, vor allem in den Ländern, und die Zahl der Mitglieder dieser Gremien sind drastisch zu reduzieren.

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  9. Unzureichende personelle Ausstattung des Medizinischen Dienstes und der Pflegekassen.

    Wichtige Aufgaben des Medizinischen Dienstes, insbesondere die zügige und sachgerechte Durchführung der Begutachtung und die in § 80 Abs. 2 SGB XI vorgesehenen Qualitätskontrollen durch unterschiedliche Prüfungen der Pflegeeinrichtungen (regelmäßig, stichprobenweise, aus konkretem Anlass) werden nur unzureichend erfüllt. Das gilt auch für manche Aufgaben der Pflegekassen, beispielsweise die Prüfung und Überprüfung der Voraussetzungen für den Abschluss von Versorgungsverträgen, ferner für die Vergütungs- und Pflegesatzverhandlungen, bei denen das Gesetz grundsätzlich Einzelverhandlungen und nicht Globalregelungen vorschreibt, und schließlich für den gesamten Komplex der Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Sinne des § 79 SGB XI und Vorkehrungen gegen Abrechnungsbetrug und Falschabrechnungen. Die Ursachen dafür liegen eindeutig in der unzureichenden Personalausstattung und einer unzureichenden Fortbildung einschließlich eines gezielten bundesweiten Erfahrungsaustausches. Die Verantwortung dafür tragen bei den Pflegekassen die zugehörigen Krankenkassen und beim Medizinischen Dienst der Verwaltungsrat und damit die Landesverbände der Krankenkassen.

  10. Für die Bundesempfehlungen nach § 75 Abs. 5 SGB XI fehlt es an der notwendigen Verbindlichkeit gegenüber der Landesebene, außerdem fehlt ein Mechanismus zur Konfliktlösung für den Fall, daß sich die Verbände der Pflegekassen und die Verbände der Leistungserbringer nicht einigen können; jahrelange Verhandlungen und Bemühungen um Bundesempfehlungen werden deshalb vergebens geführt.

  11. Ebenso fehlt es für die in § 75 Abs. 2 vorgesehenen Landes-Rahmenverträge an den notwendigen Konfliktlösungs-Mechanismen; die in § 75 Abs. 3 insoweit vorgesehene Schiedsstellenentscheidung galt nur für den erstmaligen Abschluß, nicht aber für eine Änderung der Rahmenverträge.

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Zweiter Teil: Zwischenbilanz zur Pflegequalität und zur Qualitätssicherung

Bei einer Sichtung und Würdigung der vielfältigen und lautstarken Kritik an der Pflegeversicherung fällt auf, daß dabei das Thema „Qualität der Pflegeleistungen" keineswegs im Vordergrund gestanden hat. Erst als in jüngerer Zeit in der Presse über Abrechnungsmanipulationen, Mängel, Mißstände, unzureichende Versorgung mit Essen und Trinken, Vernachlässigung bei der pflegerischen Versorgung und auch von Gewalt gegen Pflegebedürftige berichtet worden ist, hat das Thema Qualität der Pflege eine größere Aufmerksamkeit gefunden und sind einzelne Aktivitäten eingeleitet worden, um diesen Zuständen entgegenzutreten. So ist in Bayern eine Anhebung des Stellenschlüssels für Pflegeheime veranlasst worden, nachdem Fälle von ungenügender Flüssigkeitszufuhr mit Todesfolge berichtet worden waren. In Hamburg hat das Institut für Rechtsmedizin eine Dekubitus-Studie vorgelegt, die in der Öffentlichkeit, in der Politik und in Fachkreisen großes Aufsehen erregt hat.

Um in deutschen Pflegeheimen tatsächlich vorhandene Mängel und Mißstände einmal losgelöst von jeder medienträchtigen oder gar einseitigen und tendenziösen Aufbereitung in konkreter Form deutlich zu machen, darf ich die wichtigsten Ergebnisse von Qualitätsprüfungen im Sinne des § 80 Abs. 2 SGB V kurz darstellen:

Bei 24 sogenannten „anlassbezogenen" Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes eines nördlichen Bundeslandes in 15 Pflegeheimen sind folgende Mängel festgestellt worden:

1. Zur Strukturqualität

  • Ein- und Zweibettzimmer waren mit bis zu vier Betten belegt.

  • Die Wirtschaftsräume waren verdreckt.

  • Unzureichende Sanitärräume, keine Trennung zu Desinfektionsräumen.

  • Ausstattung mit Pflegehilfsmitteln vielfach unzureichend.

  • Vollstationäre Leistungen werden auch in Altenheimen erbracht, deswegen keine zahlenmäßige Kontrolle des vorhandenen Personals mög-

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    lich, nicht eindeutig festzustellen, welche Personen für die eigentliche Pflege und welche Personen für sonstige Betreuungsleistungen zuständig sind.

  • Die personelle Ist-Ausstattung ist nicht deckungsgleich mit den Angaben im Strukturerhebungsbogen, die Besetzung entspricht auch nicht den Anforderungen des Heimgesetzes.

  • Keine Hindernisfreiheit für Rollstuhlfahrer.


2. Zur Prozessqualität

  • Generell wurde beim Personal ein „sehr niedriges" Pflegeverständnis angetroffen, eine Pflegeorganisation ist kaum erkennbar, die Fachkraftquote wird nicht eingehalten, insgesamt ist eine defizitäre Pflege festzustellen.

  • Bei einer Skala von gefährlicher Pflege, Routinepflege, sicherer Pflege bis zur optimalen Pflege kommt der Medizinische Dienst zur Wertung: allenfalls Routine mit einem Trend zur gefährlichen Pflege.

Was die verschiedenen Hilfeleistungen angeht, wurden teils katastrophale, teils sogar strafrechtlich relevante Zustände angetroffen:

  • Unzureichende Inkontinenzversorgung, Dauerkatheter ohne sachliche Begründung, Zwangswindelung (wegen weiter Wege zur Toilette),

  • unzureichende Körperreinigung, unzureichende Wundpflege, keine Nagelpflege (deshalb Kratzwunden),

  • keine Diätnahrung,

  • keine Diabetesversorgung,

  • Magensonden ohne sachliche Begründung,

  • unzureichende Flüssigkeitszufuhr mit der Folge der Austrocknung,

  • kein Füttern der Patienten, Essen wird vielfach einfach nur hingestellt, deshalb keine Nahrungsaufnahme,

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  • keine ausreichenden Angebote zur Mobilität, vielfach Fixierung von Verwirrten (ohne sachlichen Grund).

Trotz dieser schlimmen Mängel im Einzelfall hat der MDK keine allgemeinen Schlüsse für die Gesamtsituation in allen Heimen des betreffenden Landes ziehen wollen, weil die geprüften 15 Heime statistisch nicht repräsentativ sind und es sich außerdem um sogenannte veranlaßte Prüfungen gehandelt hat. Erschwerend fällt jedoch ins Gewicht, daß die Prüfungen jeweils angemeldet waren und in neun Fällen sogar Wiederholungsprüfungen gewesen sind, bei denen festgestellt werden mußte, daß die bei der Erstprüfung gerügten Mängel weiterhin andauerten.

Die aufgedeckten Mißstände werden zwar in den Medien und von den Beteiligten allgemein beklagt und auch von den Verbänden der Leistungserbringer nicht entschuldigt, sie werden aber durchweg als bedauerliche Einzelfälle hingestellt und grundsätzlich und allgemein eine gute Pflegequalität in deutschen Heimen behauptet. Dabei steht nach heutiger objektiver Beweislage keineswegs fest, ob es sich bei den konkret festgestellten Mängeln tatsächlich nur um Einzelfälle oder in Wirklichkeit um die Spitze eines Eisberges handelt. Für eine Gesamtbewertung fehlt es bislang an der notwendigen Zahl durchgeführter Qualitätsprüfungen vor Ort, zu denen aber offenbar weder der MDK noch die Heimaufsicht oder die Kostenträger in der Lage sind - aus welchen Gründen auch immer.

Von einer systematischen Inangriffnahme oder gar einer Lösung der Qualitätsprobleme kann bislang keine Rede sein. Pflegekassen, Medizinischer Dienst, Sozialhilfeträger und die Behörden der Heimaufsicht stehen den zahlenmäßig durchaus ins Gewicht fallenden „Einzelfällen" vielfach eher hilf- und ratlos gegenüber. Im „Ersten Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Pflegeversicherung" vom 19.12.1997 (BT-Drucksache: 13/9528) spielen Probleme der Qualitätssicherung in Heimen und bei Pflegediensten eher eine untergeordnete Rolle, es wird von einzelnen Maßnahmen von Pflegekassen zur Qualitätssicherung berichtet, von einem bundesweiten und bundeseinheitlichen Gesamtkonzept zur Pflegequalitätssicherung ist nicht die Rede (vgl. Seite 43 bis 45, aaO).

Erfreulich erscheint demgegenüber der Vorstoß des Freistaates Bayern im Bundesrat mit dem Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Effizienz

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von Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen (Qualitätsprüfungsgesetz)" vom 05.03.1999 (Bundesrats-Drucksache: 140/99).

Der bayerische Gesetzentwurf geht davon aus, daß es angesichts der bekanntgewordenen pflegerischen Defizite notwendig sei, die Heimaufsicht personell zu verstärken und das gesetzliche Kontrollinstrumentarium der zuständigen Behörden und Stellen - sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich der Pflege - auszubauen und zu verbessern. Das soll durch gezielte Änderungen im SGB XI, im Bundessozialhilfegesetz und im Heimgesetz erreicht werden, vor allem durch Bildung örtlicher Arbeitsgemeinschaften der beteiligten Behörden, durch gegenseitigen Datenaustausch und durch das uneingeschränkte Recht, Kontrollen jederzeit und ohne vorherige Anmeldung durchführen zu können.

Erst im August dieses Jahres hat die Bundesgesundheitsministerin eine eigene Gesetzesinitiative zur Verbesserung der Pflegequalität angekündigt und für den Herbst 1999 die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs zugesagt.

Parallel dazu laufen Bemühungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Änderung auch des Heimgesetzes, um von dieser Seite ebenfalls einen Beitrag zur Qualitätssicherung und zur Verhinderung von Mißständen in der Pflege zu leisten.

Diese Aktivitäten und Initiativen in Bund und Ländern sind meines Erachtens ein Beweis dafür, die bisher auf der Grundlage des § 80 Abs. 1 SGB IX entwickelten „Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen in der ambulanten und stationären Pflege" bislang nicht die notwendigen Wirkungen und Erfolge herbeigeführt haben; andernfalls würde man nämlich nicht weitergehenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf für notwendig halten. Das überrascht allerdings schon deswegen nicht, weil die „Gemeinsamen Grundsätze" als freiwillige Vereinbarungen der zahlreichen Spitzenverbände von Kostenträgern und Leistungserbringern eine Einigung offenbar lediglich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner herbeigeführt haben; die in § 80 Abs. 5 für den Fall des Nichtzustandekommens der Grundsätze und Maßstäbe angedrohte Ersatzvornahme durch den Verordnungsgeber war anscheinend keine ausreichende Sank-

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tion, um wesentliche konkretere Qualitätsvorgaben auf der Bundesebene durchzusetzen.

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Historische Entwicklung

Die gesetzliche Krankenversicherung nimmt - was rechtliche Vorgaben zur Qualität und zur Qualitätssicherung angeht - im Kreise der Sozialversicherungsträger eine Sonderstellung ein:

  • Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen der Krankenkassen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen.

  • Nach § 70 Abs. 1 SGB V haben die Krankenkassen und die Leistungserbringer eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten.

Darüber hinaus enthält das SGB V im Vierten Kapitel „Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern„ einen Neunten Abschnitt mit der Überschrift „Sicherung der Qualität der Leistungserbringung". In den §§ 135 bis 139 sind hier für fast alle Leistungserbringer der gesundheitlichen Versorgung, also

  • für die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung, §§ 135, 136;

  • für die ambulante Vorsorge und Rehabilitation, § 135a;

  • für die stationäre Versorgung, sowohl für die Krankenhäuser als auch für die stationären Vorsorge- und Reha-Einrichtungen, §§ 137, 137a;

  • für die Heilmittel, § 138;

  • für die Hilfsmittel, § 139

konkrete gesetzliche Vorgaben zur Qualität und Qualitätssicherung in der Krankenversicherung normiert. Das geschah im Jahr 1988 im Rahmen der Gesundheitsreform und war damals eine bahnbrechende Neuerung. Es war das erste Mal, daß der Gesetzgeber die Begriffe der Qualität und der Quali-

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tätssicherung von gesundheitlichen Leistungen in einem System der Sozialen Sicherung eingeführt hat.

Der Gesetzgeber hat sich dabei allerdings auf die Vorgaben beschränkt, daß Maßnahmen der Qualitätsprüfung und der Qualitätssicherung durchzuführen sind, und zwar als Aufgabe der Selbstverwaltung, in der Hauptsache der Verbände der Krankenkassen und der kassenärztlichen Vereinigungen.

Angesichts der bislang noch mangelhaften Umsetzung der mit Wirkung vom 01.01.1989 den verschiedenen Selbstverwaltungen erteilten Aufträge, kann man die damaligen Regelungen des SGB V zur Qualitätssicherung als unzureichend kritisieren. Das gilt beispielsweise hinsichtlich konkreter Vorgaben für die Struktur-, Prozeß- und Ergebnisqualität der einzelnen Versorgungsbereiche oder von konkreten Aufträgen zur Entwicklung von Maßnahmen und Verfahren der internen Qualitätssicherung und der externen Qualitätskontrolle und schließlich auch für die Schaffung von Anreizen oder die Androhung von Sanktionen. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Gesetzgeber der Gesundheitsreform von 1988 hier Neuland betreten und sich deshalb verständlicherweise auf Verpflichtungen der Selbstverwaltung beschränkt hat. Wären diese Verpflichtungen entsprechend dem Willen des Gesetzgebers ernst genommen und in den vergangenen zehn Jahren auch in voller Breite umgesetzt worden, so wäre es heute um die Qualität der gesundheitlichen Versorgung in der Krankenversicherung besser bestellt.

Vor dem Hintergrund einer höchst unbefriedigenden Umsetzung der bisherigen Qualitätsvorgaben im SGB V war es nicht überraschend, daß Fragen der Qualitätssicherung in der „GKV-Gesundheitsreform 2000" einen breiten Raum einnehmen sollten. In den 15 „Eckpunkten zur Gesundheitsreform" vom 02.03.1999 ist der Punkt 8 ausschließlich „der Verbesserung der Qualität der gesundheitlichen Versorgung" gewidmet, und dort ist im einzelnen auch dargestellt, was die Koalition unter dieser Forderung verstanden wissen will, nämlich in erster Linie ein umfassendes internes Qualitätsmanagement:

    Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß es ergänzend zu den Maßnahmen der externen Qualitätssicherung auch Maßnahmen der internen Qualitätssicherung bedarf, um eine berufsgruppen- und fachübergreifende Gestaltung der Qualitätssicherung in den

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    Versorgungseinrichtungen zu erreichen. Hierzu ist die Einführung eines umfassenden Qualitätsmanagements, das die stetige Qualitätsverbesserung zum Ziele hat, unerlässlich. Nicht allein die von außen durchgesetzte Suche nach den „schlechten Äpfeln" und ihre Sanktionierung (externe Qualitätssicherung) wird zu einer spürbaren Qualitätsverbesserung von medizinischer Versorgung führen, sondern die engagierte Anstrengung aller Berufsgruppen, die Versorgungsqualität insgesamt zu heben (interne Qualitätssicherung). Es werden daher alle ambulanten und stationären Einrichtungen verpflichtet, ein umfassendes Qualitätsmanagement einzuführen. Die Krankenkassen erhalten die Möglichkeit, das Engagement der Leistungserbringer für eine stetige Qualitätsverbesserung zu befördern und die Vergütungen von der Qualität der erbrachten Leistungen abhängig zu machen.

Diese Vorstellungen, verbunden mit einer deutlichen Aufwertung der Qualitätssicherung in der GKV, haben zwischenzeitlich in dem Regierungsentwurf zur Gesundheitsreform 2000 ihren Niederschlag gefunden, und zwar in Form des weitgehend neugestalteten Neunten Abschnitts im Vierten Kapitel „Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der Leistungserbringung", in den §§ 135 bis 139.

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Transformation in das Recht der Pflegeversicherung

Bei den vielfältigen Gemeinsamkeiten zwischen Krankenversicherung und Pflegeversicherung darf es nicht überraschen, daß bei der Schaffung des SGB XI auch hinsichtlich der Regelungen zur Qualität der Pflegeleistungen gewisse Anleihen bei der Krankenversicherung gemacht worden sind, und zwar sowohl im Kapitel „Leistungsrecht" und auch im Kapitel „Beziehungen der Pflegekassen zu den Leistungserbringern".

Nach § 28 Abs. 3 SGB XI haben die Pflegekassen und die Leistungserbringer sicherzustellen, daß alle Leistungen der Pflegeversicherung nach allgemein anerkanntem Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse erbracht werden; in § 11 Abs. 1 ist dieser Verpflichtung noch einmal ausdrücklich gegenüber den Pflegeeinrichtungen normiert.

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Die zentralen Vorgaben zur Qualitätssicherung der Pflegeleistungen enthält § 80 SGB XI, der folgende Maßnahmen zu einem einheitlichen System der Qualitätssicherung miteinander verbindet:

  • die Selbstverwaltung in Gestalt der Spitzenverbände der Pflegekassen, der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände und der Vereinigungen der Träger von Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, wird in die Pflicht genommen, auf Bundesebene Grundsätze für die Qualität und die Qualitätssicherung der ambulanten und stationären Pflege sowie für das Verfahren zur Durchführung der Qualitätssicherung zu vereinbaren (Abs. 1),

  • die zugelassenen Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste und Pflegeheime) werden verpflichtet, sich an Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beteiligen. Dazu gehört, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung die Überprüfung der Qualität ihrer Leistungen (einschließlich der Prozeß- und Ergebnisqualität) durch Einzelprüfungen, Stichproben oder vergleichende Prüfungen zu ermöglichen (Abs. 2),

  • die Landesverbände der Pflegekassen erhalten die Möglichkeit, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch geeignete Maßnahmen auf eine Abstellung der festgestellten Mängel hinzuwirken. Dazu gehört als letztes Mittel die Kündigung des Versorgungsvertrages (Abs. 3).

Für die häusliche Pflege durch Angehörige oder andere nahestehende Pflegepersonen ist die Qualitätssicherung nicht förmlich geregelt. Hier ist es jedoch einmal Aufgabe des Medizinischen Dienstes, dafür zu sorgen, daß bei Inanspruchnahme des Pflegegeldes die Qualität der damit beschafften Pflege gewährleistet ist (§ 37 Abs. 1). Zum anderen soll durch die in § 37 Abs. 3 geregelte „Kontrollpflege" u.a. auch eine Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege erreicht werden.

Prof. Martin Pfaff kommt in seinem Beitrag „Die Mobilisierung von Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsreserven" in der Reihe „Tagungsberichte des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung", Band 9 (vgl. S. 41ff) unter dem Aspekt von fehlenden Anreizen und Sanktionsmechanismen zur Förderung der Qualitätssicherung im SGB V zu der für die Pflegeversicherung sehr schmeichelhaften Feststellung:

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    „Hier bietet sich ein Blick zur Pflegeversicherung an, für die die Qualitätssicherung in § 80 SGB XI geregelt ist. Dieser jüngste Zweig der Sozialen Sicherung in Deutschland impliziert bereits die Einhaltung umfassender Qualitätssicherungsvorgaben, wenn ambulante, teilstationäre oder stationäre Hilfe und Pflegeeinrichtungen überhaupt eine Zulassung erhalten wollen bzw. die Zulassung fortbestehen soll. Was hier den Leistungsanbietern von Beginn an klar war, muß sich bei einem Sozialversicherungszweig mit mehr als hundertjähriger Geschichte erst etablieren. Den Leistungsanbietern der gesetzlichen Krankenversicherung, die bislang primär unter dem Nimbus der „Unbezahlbarkeit von Leben und Gesundheit" agierten, muß im gleichen Maße, wie zunehmend auch Aspekte der Wirtschaftlichkeit das Handeln beeinflussen werden, auch das Gedankengut der Qualitätssicherung geläufig werden".

Offenbar war Herrn Prof. Pfaff bei dieser wohlwollenden Beurteilung der Pflegeversicherung die sehr pauschale und großzügige Zulassung der Pflegeeinrichtungen im Wege des sog. Bestandsschutzes im Sinne von § 73 Abs. 3 und 4 SGB XI nicht mehr in Erinnerung. Durch diese als einstweilige Übergangsregelung gedachte ad-hoc-Entscheidung ist es bisher leider versäumt worden, vor allem im stationären Bereich, die notwendigen Qualitätsanforderungen zur Erlangung eines Versorgungsvertrages jeweils konkret festzustellen; die Vorschrift des § 73 ist dringend durch eine Regelung zu ergänzen, die es den Pflegekassen zur Pflicht macht, das Vorliegen der fachlichen Voraussetzungen für den Fortbestand der Versorgungsverträge in bestimmten Zeitabständen von Amts wegen zu überprüfen.

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Zum Stand der Umsetzung von Qualitätsanforderungen in die Pflege-Wirklichkeit

Die in § 80 SGB XI den Spitzenverbänden erteilten Aufträge sind formal erfüllt: Es gibt für die ambulante, teilstationäre, vollstationäre und auch für die Kurzzeitpflege die im Gesetz geforderten „Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung", die mit Datum vom 31.05. und 21.10.1996 im Bundesanzeiger Nr. 152a und 213 veröffentlicht sind. Diese Vereinbarungen der Spitzenverbände, die für alle Beteiligten unmittelbar verbindlich sind, haben aber bisher die Pflegedienste und Pfle-

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geheime weder erreicht noch haben sie dort die Leistungserbringung nachhaltig beeinflussen können. Das liegt nicht zuletzt daran, daß bisher eine allgemein akzeptierte Definition über das, was „Pflegeleistungen im Sinne des allgemein anerkannten Standes medizinisch-pflegerische Erkenntnisse" sind, bisher nicht gefunden worden ist. Solange aber diese Zielvorstellung als zentraler Orientierungspunkt fehlt, können wohl auch keine allgemeingültigen Maßstäbe entwickelt werden, die erforderlich sind, um die verschiedenen Ziele der Qualität und die notwendigen Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die Alltagspraxis zu konkretisieren.

Deshalb kann es auch nicht überraschen, daß es bisher keine allgemein gültigen, validen Aussagen über die heute in deutschen Pflegeeinrichtungen vorhandene Pflegequalität gibt. Es gibt nur einzelne Meinungsäußerungen, allerdings mit höchst unterschiedlichen Aussagen.

Angesichts dieser sicher unbefriedigenden Situation kann es heute - unabhängig von den dringend notwendigen Bemühungen um eine alsbaldige Definition der „Pflege nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse" - nur darum gehen, die aktuellen Aufgaben in der pflegerischen Versorgung in den einzelnen Handlungsfeldern pragmatisch und Schritt für Schritt anzugehen.

Aus meiner Sicht sind dabei drei Handlungsebenen zu unterscheiden:

  1. Sofortmaßnahmen, um den in vielen Einzelfällen bekannt gewordenen Mißständen und Mängeln entgegenzutreten,

  2. kurz- und mittelfristige Maßnahmen auf der Grundlage des geltenden Rechts, um in allen Bereichen der Qualität und Qualitätssicherung mit konkreten Schritten voranzukommen,

  3. Maßnahmen des Gesetzgebers, die in Ergänzung der Regelungen des § 80 in Auswertung der zwischenzeitlichen Erfahrungen erforderlich sind, ggf. auch im Bundessozialhilfegesetz und im Heimgesetz.

zu a): Sofortmaßnahmen

    Hierzu möchte ich aus Zeitgründen verweisen auf das „Aktionsprogramm des Landespflegeausschusses in Schleswig-Holstein", das dieser zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der Qualität

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    in Pflegeeinrichtungen am 06.04.1999 beschlossen hat, insbesondere mit der Zielvorstellung, aus den in Einzelfällen festgestellten Mängeln offensiv entgegenzutreten.

zu b):

    Die durchweg sehr allgemein formulierten „Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe" der Spitzenverbände sollten durch konkrete Anforderungen zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität ergänzt werden; auf diese Weise würden für alle Pflegeeinrichtungen Vorgaben geschaffen, die auch im Einzelfall vor Ort mit Erfolg überprüft werden könnten. Dazu gehören für die Strukturqualität die Mindestanforderungen an die sachliche und technische Ausstattung der Pflegeeinrichtungen, beispielsweise auch zu Art und Zahl der erforderlichen Pflegehilfsmittel.

    Notwendig erscheinen zu Gewährleistung der erforderlichen personellen Ausstattung auch die Festlegung vernünftiger, fachlich fundierter Personalanhaltszahlen. Diesem Instrument ist zwar bislang mit Blick auf die Überwindung des Selbstkostendeckungsprinzips eine Absage erteilt worden; die Erfahrungen zeigen indes, daß ohne beiderseits akzeptierte Anhaltszahlen sachgerechte Vergütungsvereinbarungen wohl kaum zu erreichen sind; hier erscheint deshalb ein Umdenken angezeigt.

    Was die Ergebnisqualität angeht, müssen in diese Bewertung selbstverständlich auch die Erfahrungen und Einschätzungen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen mit einfließen. Aber das Instrument der Patientenbefragung, das bei den Rehabilitationsleistungen der Renten- und Krankenversicherung bisher noch weitgehend das einzige Messinstrument für die Erfolgsqualität darstellt, kann für die Pflege nur eine Messgröße neben anderen Parametern sein, beispielsweise den objektiven ärztlichen und pflegerischen Befunden bei Stichprobenprüfungen.

    Große Vorsicht erscheint geboten bei der heute üblich gewordenen Erteilung von Zertifikaten für Pflegeeinrichtungen zum angeblichen Nachweis von Pflegequalität. Insbesondere ist zu warnen vor sog. Binnen-Bescheinigungen durch den eigenen Verband oder auch durch nicht fachkundige Prüfstellen. Das Zertifizierungsverfahren kann erst dann gewissermaßen als Schluss-

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    punkt eines internen Qualitätsmanagements Sinn und Bedeutung erlangen, nachdem die fachlichen Anforderungen an die Pflegeeinrichtungen objektiv und auf wissenschaftlicher Grundlage definiert sind. Solange das nicht der Fall ist, sind Zertifikate in aller Regel entweder eine Möglichkeit, schnelles Geld zu verdienen, oder aber der Versuch, eine in Wirklichkeit nicht vorhandene Pflegequalität vorzuspiegeln.

zu c):

    Für den Gesetzgeber des SGB XI verbleibt die Schaffung einer Reihe zusätzlicher Regelungen, um das Konzept von Qualität und Qualitätssicherung in der Pflege weiter auszubauen und voll funktionsfähig zu gestalten.

    Dazu gehört in erster Linie die Zuordnung konkreter Pflichten

    • an die Leistungserbringer zu Maßnahmen der internen Qualitätssicherung im Sinne der Einführung eines Qualitätsmanagements,

    • an die Kostenträger zur Durchsetzung und Auswertung der notwendigen externen Kontrollmaßnahmen, vor allem zu übergreifenden Vergleichen.

    Dazu gehört ferner die notwendige Koordinierung der auf Seiten der Kostenträger und der staatlichen Aufsicht beteiligten Stellen, nämlich der Pflegekassen einschließlich des Medizinischen Dienstes, der Sozialhilfeträger und der Heimaufsicht. Deren Aufgaben müssen sinnvoll verteilt, aufeinander abgestimmt und effizient wahrgenommen werden, möglichst durch gemeinsame Prüfungen vor Ort.

    Der Gesetzgeber ist auch gefordert, damit Prüfungen bei konkreten Anlässen ohne vorherige Anmeldung in den Pflegeeinrichtungen zulässig sind.

    Angesichts der weitgehenden Abhängigkeit der Heimbewohner ist zu prüfen, ob die Effizienz der Heimbeiräte durch Außenstehende verstärkt werden kann, beispielsweise auch durch Bestellung eines „Beauftragten" für jedes Heim oder durch die Mitgliedschaft von „Ombudsleuten" in den Heimbeiräten.

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    Die Sanktionen bei schlimmen Verstößen gegen die Grundsätze der Pflegequalität, insbesondere bei Vernachlässigungen, Körperverletzung, Freiheitsberaubung usw. sind zu verstärken, die Auflösung von Versorgungsverträgen ist zu vereinfachen, um langwierige Prozesse zu vermeiden.

    Weiterhin bedarf es der Hilfe des Gesetzgebers, um den notwendigen Datenaustausch zwischen den beteiligten Stellen zu gewährleisten; der richtig verstandene Datenschutz kann und darf kein Hindernis sein, um gegen Pflegemängel wirksam vorzugehen.

    In § 80 Abs. 5 ist schließlich sicherzustellen, daß auch bei einer künftigen Änderung der „Gemeinsamen Grundsätze und Maßnahmen" eine Konfliktlösung stattfinden kann, weil sonst substanzielle Veränderungen jederzeit blockiert werden könnten.

    Diese Anregungen bedeuten zwar für den Gesetzgeber gegenüber der relativ bescheidenen Ausgestaltung des heutigen § 80 SGB XI einige zusätzliche Regelungen, aber keineswegs eine derartige Flut neuer Vorschriften, wie das in dem aktuellen Diskussionsentwurf eines „Qualitätssicherungsgesetzes" offenbar angedacht ist.



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Qualität und Wirtschaftlichkeit sind keine Gegensätze

Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat schon in seinem Jahresgutachten 1989 „Qualität, Wirtschaftlichkeit und Perspektiven der gesundheitlichen Versorgung" zutreffend die Qualitätssicherung in eine enge Verbindung zur Wirtschaftlichkeit gestellt (vgl. S. 38, 39):

    „Die Sicherung und Verbesserung der Versorgungsqualität hat gleichberechtigt neben den Zielen der Wirtschaftlichkeit zu stehen. Effektive Qualitätssicherungsmaßnahmen verletzen nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot, im Gegenteil, sie entsprechen ihm.

    Eine treffsichere Diagnostik und die Verhinderung unnötiger ärztlicher und pflegerischer Maßnahmen oder vermeidbare Fehler, Män-

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    gel und Komplikationen erhöhen die Effizienz der Versorgung. Zudem stärkt das Wissen um die Durchführung qualitätssichernder Maßnahmen das Vertrauen der Patienten. Schließlich regt die Feststellung und Demonstration qualitativ guter medizinischer Versorgung den Wettbewerb der Leistungserbringer untereinander an."

Ich meine, diesen überzeugenden Argumenten ist zur Begründung der Notwendigkeit von Qualitätssicherungsmaßnahmen nichts hinzuzufügen. Es geht nicht mehr um das „Ob", sondern nur noch um das „Wie" der Qualitätssicherung. Dabei sollte für jedermann

  • für die Politik,

  • für die Pflegekassen und Sozialhilfeträger,

  • aber auch für die Leistungserbringer, also für die Pflegeeinrichtungen

klar sein, daß Qualitätssicherung unteilbar ist und nicht auf einzelne Teilaspekte beschränkt werden kann und darf - so wie das in der Vergangenheit von einzelnen Gruppen der Leistungserbringer durchaus erfolgreich versucht worden ist, indem sie über lange Jahre von der Ergebnisqualität abgelenkt haben. Erforderlich sind vielmehr Anstrengungen und Ergebnisse für alle Dimensionen der Qualitätssicherung, nämlich

  • Strukturqualität im Sinne optimaler Voraussetzungen der pflegerischen Versorgung, also insbesondere was Personal, Ausbildungsstand, bauliche und technische Ausstattung der Einrichtungen angeht;

  • Prozessqualität im Sinne einer Pflege nach dem allgemein anerkannten Stande der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse, einschließlich einer Pflegekonzeption und einer individuellen Pflegeplanung sowie einer aussagekräftigen Pflegedokumentation;

  • Ergebnisqualität, bezogen auf den Pflegebedürftigen als die eigentliche Zielgröße einer guten und angemessenen pflegerischen Versorgung, belegt durch konkrete Indikatoren und Befunde.

Bei zunehmenden Verteilungskämpfen um vorhandene knappe Budgets und Vorgaben zur wirtschaftlichen Leistungserbringung mit Kontroll- und Sanktionsmechanismen müssen sich Qualitätssicherungsmaßnahmen als integraler Bestandteil des Handelns aller Akteure im Gesundheitswesen etablieren.

[Seite der Druckausg.: 88 = Leerseite]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2000

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