FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausg.: Fortsetzung S. 23]

6. Hausarbeit als vermeintlich unqualifizierte Arbeit

Hausarbeit in privaten Haushalten unterliegt keinen Qualifikationsstandards. Frauen, die stolz darauf sind, daß sie nicht kochen können, haben recht: Sie machen darauf aufmerksam, daß die weibliche Sozialisation nicht mit den unauffälligen Erlernen aller im Haushalt notwendigen Arbeiten verkoppelt sein muß. Diese Koppelung wird allerdings immer noch unterstellt: Egal, welche Ausbildung eine Frau absolviert hat, zu hauswirtschaftlicher Arbeit scheint jede Frau qua Geschlechtssozialisation geeignet. So wie jeder Mensch die Zähne putzen kann, so soll auch jede Frau die Wohnung putzen können. Die Annahme einer geschlechtsspezifischen Eignung für bestimmte Arbeiten dient immer der Verschleierung einer Privilegierung oder Diskriminierung. Das Arbeitsfeld in privaten Haushalten ist höchst variabel, schichtenspezifisch unterschiedlich, immer aber hochkomplex und vielfältig. So sind z.B. die Anforderungen an die Koordinierungsfähigkeit in einem Haushalt mit drei schulpflichtigen Kindern, einer betreuungsbedürftigen älteren Person und Haustieren in einer Großstadt nicht vergleichbar mit den Anforderungen in einem Haushalt, in dem zwei erwerbstätige Menschen wohnen. Die Anforderungen an die Qualifikation zur Sauberhaltung einer Vorstadtvilla sind nicht vergleichbar mit denen, die sich bei der Reinigung eines Ein-Zimmer-Appartements stellen. Die Beispiele sollen zeigen, wie wichtig die Frage nach der Art der Aufgaben ist, die erwerbsarbeitsmäßig gestaltet werden soll. Z. Zt. gelten Putzfrauen oder Haushaltshilfen nicht als qualifizierte Arbeitskräfte und, wie so oft in den typischen Frauenberufen, weiß man gar nicht genau, was sie tun oder tun könnten. Die gewerkschaftlichen Bemühungen von Frauen zur Aufwertung ihrer Berufsarbeit in Dienstleistungsberufen hat sichtbar gemacht, welche Qualifikationen Frauen in scheinbar so primitiven Jobs - z.B. in der Schulreinigung oder in öffentlichen Toiletten - real brauchen. Was sie an ihren Arbeitsplätzen alles tun, wird in keinem Tarifvertrag erfaßt, wird entsprechend auch nicht entlohnt. Ebenso steht es mit der hauswirtschaftlichen Arbeit in privaten Haushalten. Ohne eine genaue Anforderungsanalyse darf nicht davon

[Seite der Druckausg.: 24]

ausgegangen werden, daß es sich um einfache Arbeit, um Hilfsarbeit handelt, und wo eine solche nachgefragt wird, ist möglicherweise eine Beratung des Haushaltes angesagt. Sicher ist, daß die Vermischung von hauswirtschaftlichen Arbeiten und personaler Betreuung von Kindern und Alten eine hochkomplexe Arbeit ist, die Vielseitigkeit und Flexibilität, soziale Kompetenz und Streßresistenz erfordert. Hausarbeit in privaten Haushalten hat mit den unmittelbaren Lebensbedürfnissen von Menschen jeden Alters zu tun. Eine Ausbildung von hoher Qualität dafür auszuschließen, heißt, diese Lebensbedürfnisse nicht ernstzunehmen. Durch Abspaltung von Arbeitstätigkeiten kann das Qualifikationsniveau gesenkt werden, wie aus den frühen Rationalisierungsstrategien in der Industrie bekannt ist.

Hausarbeit in privaten Haushalten ist auch spaltbar, rationalisierbar bis zu einem gewissen Grad, aber die Grenze liegt nicht im Machbaren, sondern in den Bedürfnissen der im Haushalt lebenden Menschen. Wenn Hausarbeit dem guten Leben dienen soll, und dazu beitragen soll, daß die Mitglieder des Haushalts sich wohl fühlen und sich als Person akzeptiert sehen, dann können industrieerprobte Rationalisierungsformen schnell kontraproduktiv werden. Eine gute Versorgung ist, wenn es um die im Haushalt lebenden Personen geht, eher bei geringer Arbeitsteilung und großen Handlungsspielräumen garantiert als bei detailspezifischer, enger Arbeitsbereichsabgrenzung. Die Qualifizierung im Bereich Hausarbeit liegt nicht so sehr in der immer stärkeren Spezialisierung, sondern in einem breiten Fähigkeitsspektrum und in der Fähigkeit, Aufgaben mit unterschiedlichem Anforderungsniveau gleichzeitig zu erfüllen. Es geht hier um einen Typ von Arbeit, dessen Charakter ebenso hohe Qualifikationsanforderungen beinhaltet wie spezialisierte technische Arbeit. Es ist gesellschaftspolitisch sehr bedeutsam, welche Qualifikationen für die Hausarbeit in privaten Haushalten anerkannt werden, welche als Bedarf definiert und dadurch marktfähig werden. Marktfähig kann dabei nicht die dienstleistende Frau als Person sein, die als flexible Arbeitskraft stundenweise eingesetzt wird, in dieser Zeit alles tut, was im Haushalt gerade anfällt, und die weggeschickt wird, wenn sie nicht mehr gebraucht wird. Diese Form der ungeschützten Frauenarbeit erinnert an Dienstboten. Marktfähig sind genau beschriebene Dienstleistungen, die vertraglich vereinbart werden und deren Standards der Anbieter setzt. Agenturen sind zum Aufbau und zur Sicherung einer hohen Qualifikation der Dienstleistenden eher in der Lage, als es einzelne Beschäftigte je sein können. Agenturen können Angebot und Nachfrage eher steuern als einzelne Haushalte als Arbeitgeber. Gerade dann, wenn pauschale Leistungen angeboten werden, kann auch der Bedarf geweckt

[Seite der Druckausg.: 25]

werden, und die Dienstleistenden haben eine Chance, vorgehaltene Qualifikationen einzusetzen. Die Professionalisierung der Hausarbeit steckt noch in den Anfängen, jede Form der Privatisierung dieser Arbeit verhindert weitere Schritte. Bei der zukünftigen Gestaltung von Berufsbildern oder bei der Veränderung der gegenwärtig vorhandenen wird es darauf ankommen, die besondere Qualität der Hausarbeit in privaten Haushalten zu berücksichtigen:

Diese spezifische Mischung zwischen Zeitersparnis durch rationelle Arbeit und Zeitverausgabung bei persönlicher Zuwendung, die Koordinierungsleistungen für alltägliche Lebensführung, aber auch die hohen Anforderungen, die aus dem neuen Wissen über ökologische und medizinische Zusammenhänge stammen.

Erst wenn die Hausarbeit als qualifiziertes Arbeitsfeld angesehen wird, wenn die Abwertung der Arbeit aufgehoben wird und die besondere Qualität der Dienstleistung unter anderem in der sozialen Kompetenz und der Koordinierungsleistung anerkannt wird, sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß Hausarbeit kein Arbeitsfeld nur für Frauen bleibt. Je stärker die qualifikatorischen Elemente der Arbeit betont und verstärkt werden, desto eher wird diese Arbeit auch für Männer attraktiv werden und zu einer Mischung der Geschlechter in diesem Berufsfeld führen.

Ein anderes Problem der Professionalisierung ergibt sich aus der Frage nach der Zukunft der Geschlechterbeziehung: Haus- und Sorgearbeit war bislang eine Quelle spezifischer Erfahrungen, die überwiegend Frauen gemacht haben, und die sogar zu der Annahme eines weiblichen Sozialcharakters geführt haben. So schädlich und falsch jede Form der Polarisierung der Geschlechter ist, so wertvoll erscheinen aber dennoch die spezifischen Arbeitserfahrungen bei der Hausarbeit für die Entwicklung einer Person. Wertvorstellungen und Orientierungen, die aus der verantwortlichen Pflege kleiner Kinder und alter Menschen entstehen können, könnten zur professionellen Spezialisierung einzelner werden. Wenn alle Arbeiten, die heute noch im privaten Haushalt anfallen, professionell, also arbeitsteilig erfüllt werden, verschwindet ein Erfahrungsraum für soziale Kompetenz, aber auch für ökologische Einsichten, den allerdings bisher überwiegend die Frauen genutzt haben. Die Einseitigkeit der Geschlechterzuweisung ist zwar aufzuheben, die Erfahrungsbereiche jedoch damit nicht gleichzeitig zu zerstören, vielmehr müssen sie jedem, Mann oder Frau, geöffnet werden. Abgestützt durch professionelle Dienste, die dort eingesetzt werden, wo der Umfang der Arbeit für die oder den Einzelnen zu groß ist, darf die privat geleistete

[Seite der Druckausg.: 26]

Haus- und Sorgearbeit nicht als solche gänzlich aufgelöst werden, vielmehr muß sie zum Erfahrungsbereich jedes Einzelnen und jeder Einzelnen gemacht werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

Previous Page TOC Next Page