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[Seite der Druckausg.: Fortsetzung S. 26]

7. Hausarbeit als Arbeit im Non-Profit-Sektor

Der Ausbau des Sozialstaates, dessen Erhalt heute wieder infrage gestellt wird, war in der Vergangenheit immer verbunden mit einem Ausbau staatlicher Unterstützungen für die private und unbezahlte Hausarbeit, und zwar durch die Bereitstellung von für alle zugängliche öffentliche Einrichtungen zur Kinderbetreuung und -erziehung, zur Alten- und Krankenpflege. So wurde der Bereich der Pflege- und Erziehungsarbeit stückweise zur öffentlichen Aufgabe. Hauswirtschaftliche Arbeiten wurden dabei in geringerem Umgang in das öffentliche Angebot aufgenommen, hier entwickelten sich gewinnorientierte Unternehmen für spezielle Bedarfe: Gaststätten, Wäschereien, Fertigkosthersteller, Reinigungen, Servicedienste für spezielle Arbeiten, Mittagsdienste. Je stärker die Anbieter gewinnorientiert arbeiten, desto höher die Preise, desto stärker die Ausgrenzung derer, die geringere ökonomische Ressourcen zur Verfügung haben. Im internationalen Vergleich ist der Bereich sozialer Dienstleistungen in der Bundesrepublik ein quantitativ und qualitativ unterentwickelter Bereich (Bäcker u.a. 1996). Nach der Wende wurde der im Osten erreichte Standard nicht etwa erhalten, noch viel weniger ist er zum westlichen Standard geworden. Auch in den im Westen neu entwickelten Versicherungssystemen zu Absicherung des Pflegerisikos wurden hauswirtschaftliche Dienstleistungen vernachlässigt. In der Pflegeversicherung ist die Behandlungspflege geregelt, die hauswirtschaftliche Hilfe marginalisiert. Weil es keine bundes- und landesrechtliche Grundlage für die Gewährleistung hauswirtschaftlicher Versorgung gibt, hat sich bislang auch auf Seiten der Träger sozialer Arbeit keine Angebotsstruktur entwickelt.

Wenn es das gesellschaftspolitisches Ziel ist, die hauswirtschaftliche Versorgung für Kinder und Bedürftige zu unterstützen, und damit die sozialstaatliche Entwicklung weiter voranzutreiben, so müssen diese Dienste auch mit staatlichen Mitteln ausgestattet werden, anderenfalls werden gerade diejenigen, die es besonders nötig haben, keinen Anteil haben können. Privatwirtschaftliche Unternehmungen, die hauswirtschaftliche Dienstleistungen anbieten, so zeigen die ersten Erfahrungen, werden ihre Kunden in den Hochverdienerhaushalten finden. Diese sind auch die Zielgruppe des Steuermodells der CDU: Für Hochverdiener wird eine Steuervergünstigung

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attraktiv gemacht, damit sie Arbeitsplätze schaffen, ihnen wird eine bürokratische Entlastung angeboten, damit sie nicht illegal beschäftigen, für sie wird eine organisatorische Entlastung für die Rekrutierung der Arbeitskräfte bereitgestellt, und ihr Bedürfnis nach mehr Qualität und Sicherheit in der Dienstleistung wird ernstgenommen. Nach dem Modell der CDU fließen keine Steuermittel in die Organisation der Dienstleistungsanbieter, das aber ist die politische Alternative. Wer verhindern will, daß sich Hochverdienerhaushalte in einem begrenzten Markt hauswirtschaftlicher Dienstleistungsangebote bedienen können, muß Einfluß auf den Markt nehmen und den Bedarf in den Haushalten entdecken und unterstützen, in denen die gesellschaftlich notwendige Dienstleistung anfällt. Statt im Rahmen der freien Marktwirtschaft weitere soziale Ungerechtigkeiten zu produzieren, bieten sich Arbeiten in privaten Haushalten als qualifiziertes Arbeitsfeld für den Non-Profit-Sektor an. In die Debatte um den dritten Arbeitsmarkt, um die Schaffung neuerer, sicherer Beschäftigungsfelder im Bereich sozialer Dienste sind die Teile der Haus- und Sorgearbeit einzubeziehen, die für Kinder und Alte notwendig sind. Die Frage, welche Arbeiten jeweils unbezahlt in Eigenarbeit erledigt werden sollen und welche durch professionelle Dienstleistungen erfüllt werden sollen, ist eine politische Frage, sie kann in Richtung des Ausbaus des Sozialstaates beantwortet werden oder im Rahmen der sogenannten freien Marktwirtschaft. Für Frauen war und ist der Ausbau des Sozialstaates eine wichtige Voraussetzung für ihre Gleichstellung.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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