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Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen

Die soziale und politische Partizipation von Immigranten in Deutschland bildet den Gegenstand dieser Studie. Sie umfaßt so heterogene Phänomene wie die Partizipation von Immigranten in den Auslandsorganisationen der Parteien des Herkunftslandes, in den deutschen Gewerkschaften, in religiösen Vereinigungen, in Folkloregruppen und in Fußballvereinen. Die hier unterschiedenen Grundformen der Partizipation (herkunftslandorientierte und aufnahmelandorientierte sowie politische und nicht-politische Gruppierungen) variieren deutlich hinsichtlich ihrer Ziele und der Anforderungen, die sie an ihre potentiellen Mitglieder stellen. Die Wechselwirkung zwischen dem allgemeinen Interesse der Immigranten an den Angeboten und Zielen verschiedener Organisationen und den Voraussetzungen, die mit den einzelnen Partizipationsformen verbunden sind, spielt eine große Rolle bei der Erklärung und Prognose der qualitativen und quantitativen Unterschiede in der Beteiligung verschiedener Zuwanderergruppen unterschiedlichen Alters, unterschiedlichen Bildungsgrads und unterschiedlicher Anwesenheitsdauer. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen der Partizipation spielen v.a. bei der politischen Partizipation eine wichtige Rolle, da sie die Kosten und die Erfolgswahrscheinlichkeit des Engagements entscheidend beeinflussen.

Gerade weil den verschiedenen Partizipationsformen so unterschiedliche Interessen und Voraussetzungen zugrundeliegen, unterscheiden sich diese auch deutlich in ihren möglichen Auswirkungen. Den mit der Partizipation verbundenen Anreizen und Gelegenheiten zum Erwerb von Fähigkeiten, die der Integration in anderen Bereichen des Aufnahmelandes zugutekommen, kommt hier eine entscheidende Bedeutung zu. Aufgrund der schlechten Datenlage können hinsichtlich der Auswirkungen verschiedener Partizipationsformen noch keine eindeutigen Schlüsse gezogen werden. Durch die aufnahmeland-orientierte Partizipation werden Fähigkeiten erworben und Gelegenheiten geschaffen, die einer erfolgreichen strukturellen Assimilation, d.h. der Assimilation in Bereichen wie dem Arbeitsmarkt und dem Bildungssystem, zuträglich sind. Der Rückzug in die ethnische Enklave kann hingegen die Gefahr in sich bergen, daß sie die Anreize und Gelegenheiten für den Erwerb dieser Ressourcen schmälert. Hierfür spricht der übereinstimmende Befund verschiedener Studien, daß die Partizipation in herkunftslandorientierten Gruppierungen oft mit einer relativ festen Einbindung in diese Organisationen einhergeht.

Trotz der unbefriedigenden Datenlage, die einer hinreichenden Überprüfung vieler hier diskutierter Zusammenhänge bislang im Wege steht, lassen sich auf der Grundlage der Verbindung von Befunden der Partizipations- und der Integrationsforschung mit den existierenden empirischen Evidenzen folgende Handlungsempfehlungen ableiten:

  1. Hinsichtlich der vieldiskutierten Neigung v.a. türkischer Jugendlicher zu religiösen herkunftslandorientierten Gruppierungen sprechen sowohl allgemeine partizipations-theoretische Einsichten als auch die empirischen Befunde verschiedener Studien dafür, daß eine große Diskrepanz zwischen der Partizipationsmotivation der Eliten und der einfachen Mitglieder besteht. Für die einfachen Mitglieder haben die Angebote dieser Vereinigungen eine essentielle Funktion bei der Alltagsgestaltung und -bewältigung. Je mehr alternative Quellen dieser Angebote es gibt, desto weniger stark wird der Zulauf zu diesen Gruppen sein. Das geringe politische Interesse und die niedrige allgemeine religiöse Partizipation der jugendlichen Migranten sprechen dafür, daß es in erster Linie die Angebote im Bereich Freizeitgestaltung, Alltagsbewältigung und Zugehörigkeitsgefühl sind, die die Attraktivität dieser Gruppierungen aus-

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    machen. Wie verbreitet diese Partizipationsform unter den Jugendlichen wirklich ist, läßt sich indes noch nicht sagen. Unerwünschten Entwicklungen in diesem Sektor gilt es also durch gezielte Freizeit-, Beratungs- und Identitätsangebote zu begegnen, damit aus dem Rückzug in die eigenethnischen Gruppierungen keine „radikalisierte Abkehr" von der deutschen Gesellschaft wird.

  2. Gerade was die Identitätsangebote anbetrifft, herrscht in der Bundesrepublik Handlungsbedarf. Das extrem niedrige politische Interesse der nichtdeutschen Jugendlichen zeigt, daß von einer Identifikation mit den politischen Institutionen des Aufnahmelands noch nicht die Rede sein kann. Gleichzeitig ist eine in der Generationenfolge wachsende Unzufriedenheit über die fehlenden Mitwirkungsmöglichkeiten zu verzeichnen. Von dem politische Desinteresse darf also nicht auf Gleichgültigkeit gegenüber den fehlenden Mitbestimmungsmöglichkeiten geschlossen werden. Die Kombination aus Unzufriedenheit über die fehlenden Partizipationschancen und mangelnder Identifikation mit den deutschen politischen Institutionen dürfte die Anfälligkeit für die Mobilisierung durch herkunftslandorientierte Gruppierungen stärken, die teilweise massive Ressentiments gegen die deutsche Gesellschaft schüren.
  3. Die aus diesen Gründen geboten erscheinende Stärkung der Bindung von Zuwanderern der zweiten und dritten Generation an die deutschen Institutionen ist derzeit aufgrund des Verfassungsgerichtsurteils von 1990 durch eine Ausweitung der politischen Partizipationsrechte für Nichtdeutsche nicht möglich. Sie kann daher nur über den Umweg der Einbürgerung erfolgen. Da der Großteil der Zuwanderer nicht willens ist, die angestammte Staatsbürgerschaft zugunsten der deutschen aufzugeben, scheint die Duldung der doppelten Staatsbürgerschaft vor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklungen aus pragmatischen Gründen empfehlenswert.

Die Erfahrungen in anderen Ländern sprechen dafür, daß mit den geeigneten Maßnahmen und Kampagnen eine Stärkung des Interesses der Immigranten am politischen Geschehen der Aufnahmegesellschaft durchaus möglich ist. Die Partizipation von Zuwanderern in den Vereinigungen des Aufnahmelandes, die gerade für die jüngeren Zuwanderer in vielen Sportvereinen schon eine Selbstverständlichkeit ist, steht im Bereich der politischen Partizipation noch aus. Vor diesem Hintergrund könnte die Schaffung der geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen ein Integrationsinstrument darstellen, auf das ein Land, in dem 7,5 Millionen Menschen ohne deutschen Paß leben, nicht länger verzichten sollte.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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