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TEILDOKUMENT:




Wiemer Salverda:
Niederländische Maßnahmen zur Erhöhung der Anzahl gering qualifizierter Arbeitsplätze



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1. Einleitung

Im Rahmen einer Erörterung zum Thema "Maßnahmen für Geringqualifizierte" mag es offensichtlich sein, was mit den beiden Begriffen gemeint ist. "Gering qualifiziert" bezeichnet einfach die Festlegung eines bestimmten innerhalb des Bildungssystems erworbenen Bildungsniveaus, während mit "Maßnahmen" Handlungen auf seiten des Staates gemeint sind. In der Praxis sind die Konzepte der gering qualifizierten und der gering entlohnten Arbeitskräfte jedoch eng miteinander verknüpft. Darüber hinaus beziehen sich statistische Daten häufig auf die Löhne und sind Maßnahmen auf das sogenannte "untere Ende des Arbeitsmarktes" ausgerichtet, das oft als besonderes Segment betrachtet wird. Was die beruflichen Fertigkeiten betrifft, so herrscht in vielen Fällen Verwirrung zwischen der für einen Arbeitsplatz erforderlichen Ausbildung und der Ausbildung, die ein Beschäftigter genossen hat. Des weiteren besteht die Tendenz, daß der rapide Anstieg des durchschnittlichen Bildungsniveaus zur Inflation der "gering qualifizierten" Fertigkeiten führt. Diese Situation impliziert, daß spezielle arbeitsplatzbezogene Maßnahmen von genauso hohem Stellenwert sind wie Lohnmaßnahmen, aber auch, daß der Zuwachs an Niedriglohnarbeitsplätzen nicht automatisch den Geringqualifizierten zugute kommt. Des weiteren wird im Rahmen des niederländischen "Polder-Modells" immer weniger davon ausgegangen, daß die Arbeitslosigkeitsprobleme vom Staat allein gelöst werden können. Die Sozialpartner spielen eine erhebliche, wenn nicht gar eine wesentliche Rolle; daher sollten deren Aktivitäten in einem erweiterten Begriff der "Maßnahmen" ebenfalls Berücksichtigung finden. Im folgenden werde ich die in dieser Hinsicht ergriffenen Maßnahmen erörtern und beurteilen und dabei versuchen, in bezug auf Fertigkeiten und Löhne klare Aussagen zu machen. Um dem Leser einen gewissen Hintergrund zu vermitteln, werde ich zunächst die Entwicklung der niederländischen Beschäftigungssituation und Arbeitslosigkeit skizzieren und dabei besonderes Augenmerk auf das "untere Ende" richten und einige relevante

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Aspekte des "Polder-Modells" und der politischen Veränderungen des Jahres 1994 darlegen.

Beschäfigungssituation und Arbeitslosigkeit

Die niederländische Wirtschaft scheint das internationale Interesse geweckt zu haben, insbesondere aufgrund ihrer erfolgreichen Senkung der Arbeitslosenquote in der jüngsten Vergangenheit - auf 440.000 bzw. 6% der Erwerbsbevölkerung im Jahre 1996 -, während sie in den Nachbarländern ansteigt ( siehe Abbildung 1). Jedoch gilt es hierbei unbedingt zu beachten, daß die Zahl der Personen, die eine Beschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 12 Stunden suchen und eine solche auch kurzfristig aufnehmen könnten, mit 865.000 erheblich höher ist als die Zahl der registrierten Arbeitslosen. Aber dennoch ist ein deutlicher Anstieg der Beschäftigtenzahlen ( siehe Abbildung 2) und des Arbeitsangebots zu verzeichnen. Wird die Zahl der in einem Beschäftigtenverhältnis stehenden Personen zugrunde gelegt, läßt sich für die zweite Hälfte der achtziger Jahre ein wichtiger Anstieg verzeichnen, bei einem eher geringfügigen Rückgang zu Beginn der neunziger Jahre. Betrachten wir aber die Zahl der gearbeiteten Stunden, ist über die Zeit, im ganzen gesehen, nur eine geringfügige Änderung festzustellen, trotz des nach historischen Maßstäben beeindruckenden Anstiegs auch der Arbeitsstundenzahlen in den vergangenen Jahren. Diese Entwicklung trat nach einem deutlichen Rückgang während der sehr hohen Arbeitslosigkeit in den Niederlanden in der ersten Hälfte der achtziger Jahre ein. Als Grund für die steigenden Beschäftigtenzahlen ist der in den Niederlanden im internationalen Vergleich hohe Anteil der Teilzeitarbeitsplätze zu sehen, doch ist der Beitrag der allgemeinen Verkürzung der Wochenarbeitszeit, wie sie in den meisten Ländern der EU vorgenommen wurde, genauso wichtig, da seit 1950 pro Woche um 24% weniger gearbeitet wird. Etwa 36% aller Beschäftigten haben einen Teilzeitarbeitsplatz, doch arbeitet ungefähr jede dritte dieser Personen weniger als 12 Stunden pro Woche. Aber auch wenn diese Personen außer acht gelassen werden, ergibt sich keine bedeutende Änderung beim Anstieg der unselbständig Beschäftigten. Die Gesamtzunahme der gearbeiteten Stunden verringert sich dabei lediglich von 14 auf 13% (1988-1996). [Fn 1: Das negative Teilzeitlohngefälle ist verhältnismäßig gering, wenn eine Korrektur in bezug auf Einzelmerkmale vorgenommen wird. Aufgrund der Konzentration in den Niedriglohnsektoren ist der effektive Teilzeitlohn jedoch eher niedrig (vgl. Salverda 1997b).]

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Mit Blick auf diesen Beitrag kommt die größte Relevanz der Tatsache zu, daß die Zahl der Beschäftigten ohne Hauptschulabschluß rapide zurückgeht (-22% seit 1990), während die Zahl derjenigen, die über eine Hochschulausbildung verfügen, noch schneller ansteigt (+30%). Der Anteil der Arbeitsplätze, die als "einfach" eingestuft werden, ist dagegen in der vergangenen Dekade mit 6 bis 7% stabil geblieben.



Abbildung 1
Arbeitslosigkeit in den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland, 1970 - 1996




Abbildung 2
Unselbständige Arbeitsplätze in den Niederlanden, Beschäftigungszahl und Arbeitsstunden, 1970 - 1996



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Was die niedrigen Löhne betrifft, so sehen wir, daß die Zahl derjenigen, die den gesetzlichen Mindestlohn verdienen, von 9% aller Arbeiter im Jahre 1979 über 5% im Jahre 1985 auf weniger als 3% (bei gleicher Definition) heute gesunken ist. [Fn 2: Es ist zu beachten, daß die Personen gemäß ihrem altersspezifischen Mindestlohn gezählt werden; unterhalb des einzelnen Wertes des Mindestlohnes für Erwachsene wäre der Anteil der Erwerbsbevölkerung noch bedeutend höher (vgl. Salverda, 1997b).] Der Anteil der Niedriglohnarbeitsplätze, definiert als zwei Drittel des medianen Lohns, ist stabil geblieben; gemäß einer anderen Definition von Niedriglohn, unterhalb des Reallohnes entsprechend dem ersten Quartil der Einkommensverteilung von 1979, nahm der Anteil der Niedriglohnarbeitsplätze in den achtziger Jahren alles in allem zu. [Fn 3: Vgl. CERC, 1991; OECD, 1993 und Salverda, 1996a.] Vornehmlich junge Arbeiter, aber auch Frauen und ethnische Minderheiten erhalten viel häufiger Niedriglöhne, wie dies auch in anderen Ländern der Fall ist. Dieselben Gruppen sind auch in bezug auf die Arbeitslosigkeit überrepräsentiert (siehe Tabelle 1); hierbei handelt es sich um eine gleichbleibende Situation. Im Jahre 1996 lag die Arbeitslosenquote unter ethnischen Minderheiten und bei Personen, die über keinen Hauptschulabschluß verfügen, um das Dreifache über dem Durchschnitt. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit weist eine eher gleichbleibende Tendenz auf; in absoluten Zahlen war zwischen 1995 und 1996 sogar eine geringfügige Steigerung zu verzeichnen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die niederländische Wirtschaft in bezug auf die Beschäftigtenzahlen und die Arbeitslosensituation auf nationaler Ebene offensichtlich Gutes geleistet hat, doch dürfen diese Erfolge nicht überbewertet werden. Auf jeden Fall sind am unteren Ende des Arbeitsmarktes nach wie vor große Probleme vorhanden, die offenbar noch weiter Bestand haben werden.

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Tabelle 1:
Arbeitslosigkeit gefährdeter Gruppen und Gesamtarbeitslosigkeit, 1988 - 1966




Das "Polder-Modell" [Fn 4: Zu näheren Einzelheiten siehe Salverda & Beukema, 1996-97.]

In den vergangenen zehn Jahren hat sich am niederländischen Sozialsystem und am organisatorischen Aufbau des öffentlichen Stellenvermittlungsdienstes vieles geändert. Diese Änderungen gingen jedoch nicht ohne heftige Meinungsverschiedenheiten entweder zwischen den Sozialpartnern oder zwischen diesen und der Regierung vonstatten, da insbesondere die Beteiligung der Sozialpartner auf dem Spiel stand. Durch die Änderungen kommt den lokalen Behörden nun eine bedeutende größere Rolle zu. Soziale Sicherheit und Stellenvermittlung sollen sich auf kommunaler Ebene treffen. Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter ins Detail gehen, sondern nur sagen, daß grundsätzlich alle Beteiligten der Notwendigkeit einer aktivierenden Rolle der sozialen Sicherheit beipflichten. Mittlerweile mögen die Änderungen eine negative Auswirkung auf einzelne Beteiligte gehabt haben.

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So wurde beispielsweise infolge der Änderungen beim Behindertengesetz (WAO) und der vollständigen Abschaffung des Krankengeldgesetzes (ZW) die Arbeitsmarktsituation der (teilweise) Behinderten zu einem Problem.

Viele dieser Maßnahmen wurden in Angriff genommen, bevor eine frische neue politische Koalition 1994 die Macht übernahm. Zum erstenmal seit 1945 gingen die Christdemokraten leer aus, als es den Sozialdemokraten (PvdA), den gemäßigten Liberalen (D66) und den Rechtsliberalen (VVD) gelang, sich zu verbünden. Der politische Wechsel hat zu deutlichen Änderungen in der Haltung gegenüber den Sozialpartnern und auch in der Arbeitsmarktpolitik geführt. Eine wichtige Rolle wird hier vom sozialdemokratischen Minister für soziale Sicherheit und Arbeit, Herrn Melkert, gespielt. Da die Koalitionsparteien auseinandergehende Meinungen vertreten, wird eine heftige Debatte über das Pro und Kontra der Beteiligung der Sozialpartner geführt. Doch ist die Position der Partner auch auf ihrem eigenen Terrain unter Beschuß geraten, nämlich beim Abschluß der Tarifverträge (genauer: der obligatorischen Ausbreitung der Verträge). Gleichzeitig wird von ihnen erwartet, daß sie einen aktiven Beitrag zur Lösung des Arbeitslosigkeitsproblems leisten.

Diese Erwartung hat die Partner sicherlich dazu angehalten, ihre eigenen Ideen festzulegen und einen möglichst weitgehenden internen Konsens zu erreichen und in der Folge zu versuchen, die Regierungskoalition zu überzeugen. Paradoxerweise gewinnt ihre Rolle an Bedeutung. Die Gewerkschaften, vornehmlich der Gewerkschaftsverband FNV, ergreifen in vielen Fällen die Initiative. Wichtigstes Beispiel ist die im März 1996 mit den Arbeitgebern getroffene Vereinbarung über flexible Arbeit und Arbeitnehmeransprüche im Memorandum über Flexibilität und Sicherheit. Diese Vereinbarung führte zu einem detaillierten Gesetzesvorschlag, der von der Regierung akzeptiert wurde. Formell werden diese Vereinbarungen auf nationaler Ebene getroffen und fungieren als Empfehlungen an die Verhandlungsführer der Sozialpartner auf Gewerbezweigs- und Unternehmensebene. In der Praxis erhalten sie eine wichtige Unterstützung auf diesen Ebenen, wo die Partner interessante Modelle entwickeln, die auf die aktive Verhinderung der Arbeitslosigkeit ausgerichtet sind. So wurde beispielsweise in der Keksindustrie (11.000 Beschäftigte) ein Vertrag abgeschlossen, der für andere Industriezweige ein Beispiel setzen kann. Angesichts der bevorstehenden umfangreichen Umstrukturierungen beschlossen Arbeitgeber und

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Gewerkschaften, eine der größten Zeitarbeitsfirmen, Randstad, einzuschalten. Sie stellt die Personen, die arbeitslos werden, fest und nicht als Aushilfskräfte ein und versucht, geeignete Arbeitsplätze für sie zu finden, vorzugsweise in der Keksindustrie. Diese Vorgehensweise entspricht uneingeschränkt der sich ändernden Einstellung gegenüber Zeitarbeitsfirmen, die dem Flexibilitäts-Memorandum zugrunde liegt. Hierbei handelt es sich um ein deutliches Beispiel dafür, wie im Rahmen des " niederländischen Modells" alles funktionieren kann und wie Gewerkschaften wichtige, auf Änderungen ausgerichtete Initiativen ergreifen können. Weiter unten sollen noch weitere Fälle angesprochen werden.

Die Vorstellungen der derzeitigen Regierung über beschäftigungspolitische Maßnahmen weichen nicht erheblich von denen ihrer Vorgänger ab, doch entwickelt sie wesentlich mehr Aktivitäten bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Forderung eines effektiven Beitrags der Sozialpartner. Es wurden umfangreiche Pläne für die direkte Schaffung von Arbeitsplätzen ausgearbeitet, die nach Minister Melkert benannt wurden. Dahinter steht die Entscheidung, die Sozialabgaben in einer anderen, aktivierenderen Weise einzusetzen, entweder für die Finanzierung von Projekten, die sich direkt das Ziel der Schaffung neuer Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor gesetzt haben, oder in Form von Lohnsubventionen, die Arbeitgebern zukommen, die Niedriglohn-Arbeitsplätze schaffen und Langzeitarbeitslose einstellen.

Tabelle 2:
Einsatz von Mitteln zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Zeitraum von 1985 - 1933 in 1.000 Personen


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2. Maßnahmen

Im folgenden möchte ich die politischen Maßnahmen ansprechen, zunächst jene, die auf die direkte Schaffung von Arbeitsplätzen ausgerichtet sind. Danach sollen die indirekten Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere durch Senken der Löhne und Lohnkosten, erläutert und schließlich Maßnahmen zur Arbeitsverteilung besprochen werden. Bevor wir fortfahren, sei auf Tabelle 2 hingewiesen, die einen Überblick über alle Maßnahmen vermittelt, die bis zur Einsetzung der neuen Regierung durchgeführt wurden. Hierunter fällt auch die Ausbildung, auf die ich im folgenden nicht weiter eingehen werde, da es für Geringqualifizierte keine speziellen Ausbildungsmaßnahmen gibt, wenngleich viele dieser Arbeitskräfte, insbesondere aus ethnischen Minderheitengruppen, an Grundbildungsprogrammen für Erwachsene teilnehmen können. [Fn 5: NEI, S. 130: 142.000 Teilnehmer, von denen 60% Immigranten waren.]

2.1. Direkte Arbeitsplatzbeschaffung

Ich konzentriere mich hier auf die wichtigsten Maßnahmen [Fn 6: Zu einem umfassenden Überblick einschließlich Ausbildungsmaßnahmen: NEI, Anhang B oder MISEP.] und möchte vier Arbeitsplatzbeschaffungsprogramme näher erläutern, die bereits vor 1994 angelaufen waren, und die neuen, sogenannten Melkert-Arbeitsplatzpläne. Des weiteren sollen hier zwei von den Sozialpartnern ergriffene Initiativen vorgestellt werden.

1. Behindertenwerkstätten (Wet Sociale Werkvoorziening, WSW)

Diese Einrichtung hat eine so lange Geschichte, daß sie leicht übersehen wird, z.B. in Tabelle 2, trotz ihrer quantitativen Bedeutung: 87.000 Beschäftigte im Jahre 1996. Spezielle, von den Kommunen überwachte Organisationen stellen angepaßte Arbeitsplätze für behinderte Menschen bereit und verkaufen die Produkte zu Marktpreisen. Die einzelnen Personen besitzen zwar einen Arbeitsvertrag, erhalten aber einen geringen Lohn, der einem Tarifvertrag unterliegt. Defizite werden von der zentralen Regierung subventioniert. Die Kosten beliefen sich 1996 auf 3,6 Mrd. Gulden bzw. 42.000 pro Person. Die Beschäftigten sind in einen Tarifvertrag eingebunden und können bedeutend mehr als den Mindestlohn verdienen. Die Be-

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hindertenwerkstätten bieten den Behinderten, jetzt wo viele von ihnen auf den Arbeitsmarkt gedrängt worden sind, einen gewissen Schutz, doch umfaßt ihre Warteliste 21.000 Personen. Daher werden von den Sozialpartnern in deren Tarifverträgen immer mehr Einrichtungen geschaffen, um zu verhindern, daß Personen mit einer teilweisen Behinderung arbeitslos werden, oder um ihnen die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt anzubieten.

2. Beschäftigungsgarantie für Jugendliche (Jeugdwerkgarantieplan, JWG)

Der JWG-Plan wurde Ende der achtziger Jahre ins Leben gerufen und hat sich zum Ziel gesetzt, die Langzeitarbeitslosigkeit von Jugendlichen zu verhindern. Die "Garantie" beinhaltet die Idee, daß jedem jungen Menschen nach einem halben Jahr der Arbeitslosigkeit ein überzähliger Arbeitsplatz im öffentlichen Sektor oder, nach langen Diskussionen, in der Privatwirtschaft angeboten werden sollte. In der Praxis wird nur jeder Zweite vermittelt. [Fn 7: Hier enthalten ist eine beträchtliche Anzahl, die zwar einen JWG - Vertrag, aber keine Stelle besitzt (vgl. NEI, S. 108). Zu beachten ist aber, daß es sich hier um Zahlen für 1994 handelt: 1996 war der JWG - Plan offenbar bedeutend erfolgreicher.] Über den JWG-Plan konnten 1995 etwa 23.000 Arbeitsplätze angeboten werden. Das Programm ist für beschäftigungslose Jugendliche im Alter von 16 bis 21 Jahre und für Schulabgänger bis 26 vorgesehen. Die Kommune trägt die Zuständigkeit; die Kosten werden zum großen Teil durch die Zentralregierung zurückerstattet. Nach höchstens einem halben Jahr sollen die Jugendlichen auf einen anderen Arbeitsplatz wechseln, der ebenfalls über den JWG-Plan gestellt werden kann. In der Praxis ist die Zahl der Abgänge begrenzt, etwa 15% pro Jahr. [Fn 8: Gemäß NEI, S. 117, doch kann es sich hier um einen zu niedrigen Schätzwert handeln.] Folglich sind die Auswirkungen der Unterstützung beim Übergang von der Arbeitslosigkeit in die Arbeitswelt begrenzt. Die Personen, die im Rahmen des JWG-Programms gefördert werden, erhalten einen Lohn, der dem Mindestlohn für eine 32–Stunden–Woche entspricht. Die Kosten belaufen sich auf 440 Mio. Gulden bzw. 19.000 pro Person.

3. Arbeitspools (Banenpool)

Diese Maßnahme zielt formell auch auf die Arbeitserfahrung ab. Spezielle lokal überwachte Stiftungen können die Langzeitarbeitslosen beschäftigen,

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die keine Chance haben, selbst einen Arbeitsplatz zu finden. Über diese Pools kommen sie bei Arbeitgebern im öffentlichen Sektor und in den subventionierten Sektoren der Wohlfahrts-, Bildungs- und kulturellen Aktivitäten unter. 1996 konnten über das Programm 23.000 Personen beschäftigt werden, die den gesetzlichen Mindestlohn erhielten. Verhältnismäßig viele, nämlich fast 50%, besitzen keinen Hauptschulabschluß. Aber immerhin haben auch 10% eine Hochschule besucht, mit oder ohne Abschluß, oder eine Fachhochschulausbildung genossen. Die Finanzierung erfolgt im wesentlichen über die Arbeitslosenversicherung, während zusätzliche Kosten auf unterschiedliche Weise durch den Staat oder den öffentlichen Stellenvermittlungsdienst subventioniert werden. Insgesamt werden die Subventionen auf 35.000 Gulden pro Beschäftigtem bzw. 800 Mio. Gulden für 1996 geschätzt, wovon die Zentralregierung etwa 500 Mio. gezahlt hat. Die als Arbeitgeber fungierenden Institutionen leisten auch einen gewissen Beitrag. Heute sind die Stiftungen von der Steuer und den Sozialabgaben befreit (WVA, siehe unten). In der Praxis gibt es kaum je einen Wechsel zu einem regulären Arbeitsplatz; zwischen 1990 und 1995 gingen weniger als 10% aller Geförderten aus "positiven Gründen" weg.

4. Einstellungssubventionen

(Kaderregeling Arbeidsinpassing, KRA-WEP)

Dieses Programm stellt Arbeitsplätze über den öffentlichen Stellenvermittlungsdienst bereit. Es umfaßt die finanzielle Unterstützung der Arbeitgeber für die Schaffung von Stellen, in denen Langzeitarbeitslose Berufserfahrungen sammeln können, doch ist das Budget stark rückläufig; von 150 Mio. Gulden zu Beginn der neunziger Jahre schrumpfte es auf 35 Mio. im Jahre 1995 zusammen. Die Subventionen belaufen sich auf 15.000 Gulden pro Person und Jahr im privatwirtschaftlichen und 22.000 Gulden im öffentlichen Sektor. 1994 wurde das Programm KRA-WEP von etwa 4.000 Langzeitarbeitslosen genutzt.

5. Melkert-Arbeitsplätze [Fn 9: Siehe SZW, 1996c und 1997.]

Offiziell umfaßt keine der vorgenannten Maßnahmen die direkte Arbeitsplatzbeschaffung für nichtbehinderte Arbeitslose. Solche Maßnahmen hat

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es bereits früher gegeben, doch nie in größerem Rahmen, und alle verliefen im Laufe der achtziger Jahre im Sande. Zum ersten Mal wurde mit Einführung der neuen Regierung im Jahre 1994 beschlossen, den Versuch zu unternehmen, in wirklich groß angelegtem Rahmen neue Stellen zu schaffen. Hierbei handelt es sich um Arbeitsplätze mit unterschiedlichen Akzenten:

Erstens: Melkert-l ist darauf ausgerichtet, 40.000 reguläre, aber zusätzliche Arbeitsplätze im öffentlichen und subventionierten Sektor zu schaffen, die dauerhaft über den Haushalt der Zentralregierung zu finanzieren sind (jedoch stammt die Hälfte der Gelder aus einer Senkung der Ausgaben für die allgemeine Einkommensunterstützung). Die Arbeitsplätze sollen den Langzeitarbeitslosen zur Verfügung gestellt werden, die seit mehr als einem Jahr ein Einkommen nach dem Gesetz über die allgemeine Einkommensunterstützung bezogen haben. Das Sozialministerium weist die Stellen Gemeinden und Einrichtungen des Gesundheitswesens zu. In den Gemeinden wurden 1995 2.500 Arbeitsplätze geschaffen und weitere 7.000 waren es 1996. Von den über 600 niederländischen Gemeinden können sich hier nur die 19 größeren Städte und, seit 1996, 31 weitere Kommunen, in denen mindestens 1.000 dieser Arbeitslose wohnen, beteiligen. Der Minister hat zugesagt, dieses Programm auf alle Gemeinden auszuweiten. Im Gesundheitswesen waren Ende 1996 von den zugewiesenen 12.800 Stellen 6.700 besetzt, doch wird ein Teil der nicht belegten Stellen auf die Gemeinden übertragen. Die Gemeinden beschäftigen die Mehrzahl der Personen in der Überwachung und Pflege von Straßen; aber auch die Zahl der im Bereich der Kinderpflege eingesetzten Personen macht einen großen Anteil aus. Sehr viele der auf diese Weise vermittelten Personen kamen aus den Arbeitspools. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf ca. 600 Mio. Gulden.

Die Finanzierung all dieser Arbeitsplätze erfolgt auf der Basis einer 32-Stunden-Woche, doch dürfen auch Verträge mit einer längeren Wochenarbeitszeit abgeschlossen werden, wenn jemand weiterer finanzieller Unterstützung bedarf; eine kürzere Wochenarbeitszeit, mit anteilmäßiger Entlohnung und Subventionierung, ist ebenfalls möglich. Demgemäß wurden die 9.500 Stellen bei den Gemeinden durch etwas weniger als 8.900 Personen besetzt. Im Gesundheitswesen, wo der Anteil von Teilzeitarbeitsplätzen hoch ist, wurden für die 6.700 Stellen fast 8.800 Personen eingestellt. Die Vergütung setzt beim gesetzlichen Mindestlohn ein, doch bleibt ein ge-

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wisser Spielraum für Lohnerhöhungen bis zu 20% über dem Niveau des Mindestlohnes. Wenngleich die Lohnsituation besser ist als in den Arbeitspools, wird sie bereits kritisiert, da sie den Betroffenen sehr wenig Raum für ein weiteres berufliches Vorankommen bietet. Der Mindestlohn ist die absolute Untergrenze in der niederländischen Lohnskala.

Im Rahmen des zweiten Programms, Melkert-ll, wurden Versuche begonnen, mit Hilfe von Sozialversicherungsmitteln 20.000 neue Arbeitsplätze im privatwirtschaftlichen Sektor zu finanzieren. Im Gegensatz zu Melkert-l muß der Arbeitgeber die Hälfte des Lohnes selbst bezahlen. Reichweite und Kosten dieses Programmes sind derzeit noch nicht bekannt.

Drittens, Melkert-lll. Die Langzeitarbeitslosen, die sehr geringe Aussichten auf einen Arbeitsplatz haben, können freiwillige Arbeiten im öffentlichen Sektor leisten und dabei ihre Arbeitslosigkeitsbezüge behalten. Dieser Versuch wurde 1996 begonnen.

6. Sozialpartner

Die oben angesprochenen Aktivitäten auf dem lokalen und dem regionalen Arbeitsmarkt liegen ohne weiteres außerhalb der Reichweite der Sozialpartner. Ihr einziger Beitrag beruht auf ihrem Sitz in dem regionalen Beschäftigungsausschuß (Regionaal Bestuur Arbeidsvoorziening) und den Industrieversicherungsausschüssen. Jedoch impliziert dies nicht, daß sich die lokale und regionale Beschäftigungssituation hinter dem Rücken der Sozialpartner entwickelt. Die Arbeitgeber sind die wichtigsten "Abnehmer" für die lokalen Arbeitskräfte. Auch Stellen zum Sammeln von Berufserfahrungen und Erstarbeitsplätze, die bei den Tarifverhandlungen vereinbart wurden, nutzen die Sachkenntnisse der lokalen Stellenvermittlungsdienste. Doch können die Sozialpartner auch eigene Beschäftigungsprojekte entwickeln. Ich möchte hier zwei (qualitativ) wichtige Beispiele erörtern, nämlich die Brücken- und Eingliederungsprojekte und das Projekt der 'weißen Reinemachefrau'.

Die Gewerkschaftsverbände CNV und FNV tragen die volle Verantwortung für diese Programme, die vor etwa zehn Jahren mit den Zielen ins Leben gerufen wurden, Langzeitarbeitslose beim Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt zu unterstützen und eine Einrichtung zu schaffen, die nach Beendigung eines Projektes weiterbesteht. Brückenprojekte können auf einen Ge-

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werbezweig, ein Unternehmen oder eine Region mit mehreren sich beteiligenden Unternehmen ausgerichtet sein, oder sie können als Projekte zur Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten "draußen" fungieren, d.h. außerhalb des Gewerbezweigs bzw. Unternehmens. Eingliederungsprojekte machen von den staatlichen Subventionen Gebrauch (Melkert II), um die Eingliederung von gering qualifizierten Arbeitslosen zu fördern. Hierbei handelt es sich um einen Versuch, der, so wird angenommen, nach zwei Jahren zu einem neuen und erfolgreichen Arbeitsmarktinstrument führen wird. Eingliederungsprojekte nutzen andererseits aber auch völlig neue Arbeitsplätze in den wachsenden Sektoren der Wirtschaft, latente Stellen in kleinen und mittleren Unternehmen und sogar nützliche Stellen für Gelegenheitsarbeiten mit wirtschaftlicher Relevanz. Beide Arten von Projekten werden bei den Tarifverhandlungen zum Thema gemacht.

Seit Beginn hat es 57 Brückenprojekte gegeben, und in mehr als 80% der Fälle blieb nach Projektabschluß eine Einrichtung erhalten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt laufen 29 Brückenprojekte und 10 Eingliederungsprojekte, alle auf lokaler bzw. regionaler Ebene. Im Jahre 1995 fanden 482 Arbeitslose einen regulären Arbeitsplatz, nachdem sie ein Brückenprojekt verlassen hatten; weitere 360 erhielten eine nicht-reguläre Stelle im Rahmen des JWG, in einem Arbeitspool, einer Behindertenwerkstatt oder mit Hilfe der Melkert-Programme, insgesamt waren es 842. Gegenüber den 589 Vermittlungen im Jahre 1992 und 680 im Jahre 1994 bedeutet dies eine Steigerung. Ergebnisse der Eingliederungsprojekte liegen derzeit noch nicht vor, da sie gerade erst anlaufen.

Die "weiße Reinemachefrau" ist ein Begriff, der für die Versuche steht, die Arbeitsplätze auf dem schwarzen und dem grauen Arbeitsmarkt mit Hilfe von Geldern aus der Sozialversicherung in weiße Arbeitsplätze umzuwandeln. Abgesehen von Reinigungsarbeiten in Privathaushalten werden auch Garten-, Reparatur- und weitere Gelegenheitsarbeiten für den Zweck des "Weißwaschens" in Erwägung gezogen. Solche Projekte können von lokalen oder regionalen Regierungen organisiert werden, wie etwa der 1.000-Arbeitsplätze-Plan in der Provinz Groningen. Ein ähnliches Projekt wird aber von den Sozialpartnern als Teil des Tarifvertrages für das Reinigungspersonal eingerichtet. [Fn 10: Näheres siehe De Bruin & Salverda, 1996.]
Dieses Projekt wird vom Rat für Arbeitgeber

[Seitenzählung analog zur Druck-Ausgabe: Seite 62]

Arbeitnehmer-Beziehungen für das Reinigungsgewerbe (RAS) verwaltet und von einer besonderen Arbeitsmarkt-Projektstiftung (WP) unterstützt. Das Projekt setzt neben den Geldern, die bei den Lohnverhandlungen für diesen Sektor vereinbart wurden, Sozialversicherungsmittel im Rahmen der Melkert-ll-Programme ein. Derzeit wird in verschiedenen Städten eine Reihe von Versuchen durchgeführt, um mehr über den Bedarf der privaten Verbraucher in Erfahrung zu bringen.

2.2. Lohnpolitik und Subventionen

Zwei Faktoren nehmen in der politischen Debatte über Niedriglöhne einen hohen Stellenwert ein: der gesetzliche Mindestlohn und spezielle neue Subventionen für Niedriglöhne. Diese Faktoren werde ich nachstehend erläutern und in Abschnitt 3 mich den allgemeinen Lohneinschränkungen zuwenden.

Mindestlohn

Der Mindestlohn ist seit Beginn der achtziger Jahre ein Zankapfel in der niederländischen Politik. Die Mindestlöhne für Jugendliche wurden dreimal und die für Erwachsene einmal gesenkt. In manchen Jahren waren sie eingefroren; folglich ist der Realwert des Mindestlohnes zwischen 1979 und 1996 um beinahe 30% zurückgegangen. Gleichzeitig ging die Zahl der Beschäftigten, die den Mindestlohn erhalten, zurück. Begründet ist dies teilweise dadurch, daß die niedrigsten Lohnsätze in Tarifverträgen über diesem Niveau festgelegt wurden, und sie mit den durchschnittlichen Lohnsätzen anstiegen (doch ist der Unterschied in Gewerbezweigen mit einem hohen Anteil an Niedriglohnarbeitsplätzen, wie im Einzelhandel, in der Regel geringer). Nach dem erneuten Einfrieren des Mindestlohnes im Jahre 1992 existierte kein einziger Vertrag mehr, in dem der genaue Mindestlohn vereinbart war. Daher machte eine Politik der Senkung des Mindestlohnes zur Steigerung des Anstiegs der Niedriglohnarbeitsplätze nicht mehr viel Sinn. Die neue Regierung hat die Sozialpartner gedrängt, die niedrigsten Sätze in allen Gewerbebereichen zu senken und neue Lohnstufen zu schaffen, welche die Lücke zum Mindestlohn füllen sollten. Der Druck wurde insofern noch erhöht, als gedroht wurde, keine obligatorische Verlängerung der Tarifverträge mehr zu gewähren. Die Verlängerung ist das Vorrecht des Ministers für soziale Angelegenheiten. Das diesbezügliche Verhalten der Sozialpartner wird von der Regierung genau beobachtet.

[Seitenzählung analog zur Druck-Ausgabe: Seite 63]

Tabelle 3:
Einsatz der neuen niedrigen Lohnsätze nach Unternehmensgröße, 1996


In ihrem Memorandum Ein neuer Kurs (November 1993) begannen die Sozialpartner auf nationaler Ebene, die Verhandlungsführer auf der Ebene von Gewerbezweigen und Unternehmen zu bitten, neue und niedrigere Lohnstufen einzuführen. Das Resultat war, daß Ende 1995 von 103 Verträgen (aus einer Untersuchung von 132 größeren Verträgen), für die Daten verfügbar waren, 20 Verträge Löhne vorsahen, die beim Mindestlohn begannen. Weitere 25 Verträge hatten Anfangslöhne festgelegt, die 10% über dem Mindestlohn lagen. Von 83 bislang in den Jahren 1996 und 1997 abgeschlossenen Verträgen sehen 54 eine Lohnstufe vor, die um nicht mehr als 5% über dem Mindestlohn liegt. Zwischen 1994 und 1996 ging die durchschnittliche Differenz zwischen den niedrigsten Skalen und dem Mindestlohn von 12 auf 8% dieses Lohnes zurück. In vielen Fällen wurden neue Lohnskalen für bestimmte Zielgruppen eingeführt (Langzeitarbeitslose, ethnische Minderheiten, Lehrlinge). Das Baugewerbe, das bekannt ist für die große Kluft zwischen der niedrigsten Lohnstufe und dem Mindestlohn (25% und mehr), hat nun eine Zielgruppenstufe eingeführt, die nur um 6% über dem Mindestlohn liegt. Allerdings werden die neuen Lohnstufen nicht notwendigerweise auch eingesetzt. Tabelle 3 zeigt, in welchem Maße die Beschäftigten in diese Lohnstufen eingegliedert wurden. Eine von der Hauptgewerkschaft für die industrielle Fertigung, der Industriebond-FNV [Fn 11: IB FNV, 1996.] , durchgeführte Umfrage hat ebenfalls gezeigt, daß die Arbeitgeber von der Möglichkeit, die von den neuen Tarifverträgen geboten wird, nur wenig Gebrauch machen.

[Seitenzählung analog zur Druck-Ausgabe: Seite 64]

Als die neue politische Koalition 1994 ihre Arbeit aufnahm, wurde ferner vereinbart, ein Gesetz zu verabschieden, das es den Arbeitgebern erlaubt, unter gewissen Bedingungen weniger als den gesetzlichen Mindestlohn zu bezahlen (Dispensation). Ober diesen Punkt ist zwischen den politischen Partnern eine heftige Debatte entbrannt. Schließlich schlug der Minister für sozial Angelegenheiten, um die Verpflichtung einzuhalten, kürzlich vor, einen solchen Lohnsatz nur für die Arbeitnehmer zuzulassen, die Anspruch auf eine Arbeitslosenunterstützung von weniger als dem Mindestlohn haben (der volle Nettomindestlohn entspricht den Ansprüchen eines Zwei-Personen-Haushaltes ohne Einkommen), d.h. nicht für Alleinverdiener. Die Begründung war die, daß für andere zusätzliche Unterstützungsbeträge zu zahlen wären, wenn sie weniger als den Mindestlohn verdienten. Die Geschichte nahm insofern einen enttäuschenden Ausgang, als zwei von drei Koalitionspartnern, angesichts der für das kommende Frühjahr anberaumten Wahlen, nicht die Verantwortung für das übernehmen wollten, was als der erste formelle Schritt zur Abschaffung des Mindestlohnes betrachtet werden könnte, so daß die Gesetzesvorlage zurückgezogen wurde.

Der Mindestlohn unterliegt nun einer normalen Entwicklung, und die Regierung scheint mit dem Verhalten der Sozialpartner zufrieden zu sein.

Niedriglohnsubventionen (Vermindering afdracht, WVA)

Der zweite wichtige Beitrag von Melkert zur Beschäftigungspolitik ist die Senkung der Sozialabgaben der Arbeitgeber auf die Mindestlöhne. Vergleichbare Programme hat es bereits zuvor gegeben, doch waren diese nur wenig erfolgreich. In diesem Fall aber scheint die administrative Gestaltung des Programms, nämlich die Reduzierung von regulären Steuerlasten, dessen Einsatz deutlich erleichtert zu haben, wie dies in spektakulärer Weise 1996 zu sehen war (siehe Tabelle 4). Die Subventionierung erfolgt in zwei verschiedenen Formen. Eine allgemeine Subvention erlaubt einen Abzug von 1.185 Gulden pro Person für jeden Beschäftigten, der einen Niedriglohn erhält, d.h. weniger als 15% über dem vollen Mindestlohn für einen Arbeitsplatz mit mindestens 32 Wochenarbeitsstunden. Dieser Betrag plus ein weiterer, höherer Betrag von 4.500 Gulden ist für jeden Beschäftigten verfügbar, der vor seiner Einstellung über lange Zeit ohne Arbeitsplatz war und dessen Lohn bis zu 30% über dem vollen Mindestlohn bei 32 Stunden oder mehr betragen kann. Für die Langzeitarbeitslosen bedeutet dies den fast

[Seitenzählung analog zur Druck-Ausgabe: Seite 65]

vollständigen Wegfall der Sozialabgaben. Viele tausend Unternehmen haben sich an diesem Programm beteiligt. Natürlich machen die Niedriglohnsektoren einen erheblichen Anteil aus, da dieser Anteil aber geringer ist als ihr Anteil an Niedriglohn-Arbeitsplätzen, scheint die Nutzung dieses Programms relativ weit verbreitet zu sein.

Tabelle 4:
Lohnsubventionen für Niedriglähne 1996 in Mio Gulden


Zwar liegen über die Anzahl der Beschäftigten leider keine Informationen vor, doch müssen mindestens 660.000 Personen, einschließlich der Langzeitarbeitslosen (wenigstens 15.000), an diesem Programm beteiligt gewesen sein. Jedoch gelten die zuvor genannten Beträge für eine 32–Stunden–Arbeitswoche, die für Personen mit einer kürzeren Wochenarbeitszeit entsprechend geringer sind. Darüber hinaus gilt für junge Beschäftigte das Lohnstaffelungssystem der Mindestlöhne für Jugendliche, das bei einem Betrag von 30% des Erwachsenen-Mindestlohnes, nämlich für 15jährige Arbeitnehmer, beginnt. Folglich kann die Zahl der Beschäftigten sehr viel höher sein (möglicherweise bis zu 900.000). [Fn 12: Schätzung in de Volkskrant, 5.4.1997.]

Das Programm wird 1997 mit einer erhöhten allgemeinen Subventionierung fortgesetzt (1830 Gulden pro Person, aber keine Anhebung für Jugendliche).

2.3. Diskriminierung

Selbst wenn wir davon ausgehen, daß die beiden bislang erörterten Maßnahmen erfolgreich sein werden, bleibt abzuwarten, wer von den neu

[Seitenzählung analog zur Druck-Ausgabe: Seite 66]

geschaffenen Arbeitsplätzen letztendlich profitieren wird. Die Frage der Verteilung ist offensichtlich von großer Bedeutung. Wie wir gesehen haben, besitzt die Arbeitslosigkeit von Geringqualifizierten eine wichtige und nachhaltige ethnische Komponente. Die stark überhöhte Arbeitslosigkeit bei Angehörigen ethnischer Minderheiten ist das dringlichste Problem auf dem niederländischen Arbeitsmarkt. Daher ist dieser Personenkreis im Rahmen der beschäftigungspolitischen Maßnahmen sowohl für die niederländische Regierung als auch für die Sozialpartner seit langem eine Zielgruppe.

Ende 1990 veröffentlichten die Sozialpartner das Memorandum "Mehr Arbeit für Minderheiten", in dem Empfehlungen für Tarifverhandlungen auf dezentralisierter Ebene ausgesprochen wurden. Von zentraler Bedeutung waren dabei Bemühungen, die Zahl der Menschen ethnischer Herkunft, die einen Arbeitsplatz besitzen, zu erhöhen. Das gesetzte Ziel, nämlich den verhältnismäßigen Anteil ethnischer Minderheiten und anderer Gruppen in Beschäftigungsverhältnissen anzugleichen, sollte in vier bis fünf Jahren erreicht werden. Für 1990 bedeutete dies, daß 60.000 zusätzliche Arbeitsplätze für ethnische Minderheiten geschaffen werden mußten (1996 wurden 87.000 benötigt).

Tabelle 5:
Verteilung der Unternehmen, die Angehörige ethnischer Minderheiten beschäftigen, nach der Anzahl der dort beschäftigten Personen dieser Zugehörigkeit, 1992 und 1995


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Die beschäftigungspolitischen Maßnahmen, die in Tarifverträge eingebunden wurden, wurden in den folgenden Jahren wiederholt evaluiert. 1997 sind in 36 Verträgen, die 42% der unter Tarifverträge fallenden Arbeiter umfassen, auf die Beschäftigung von ethnischen Minderheiten abzielende Bestimmungen vorgesehen; dies ist nicht sehr viel mehr als 1991.

Zwar ist die Zahl der Beschäftigten bei den Angehörigen ethnischer Gruppen zwischen 1990 und 1996 deutlicher angestiegen (+24%) als die allgemeine Beschäftigtenzahl (+10%), doch wurde das Ziel des ausgeglichenen Verhältnisses nicht erreicht. Der Anteil der Unternehmen, die ethnische Minderheiten beschäftigen, ist geringfügig angestiegen (Tabelle 5). Die Beschäftigung von Angehörigen von Minderheitengruppen ist praktisch auf größere Unternehmen beschränkt und dies wiederum nur in wenigen Gewerbezweigen. Wenngleich gute und genaue Statistiken nicht verfügbar sind, wird von den Sozialpartnern behauptet, daß der ursprüngliche Vertrag über Minderheiten nicht das gewünschte Resultat gehabt habe.

Auf Unternehmensebene liegen Informationen über den Vertrag im wesentlichen nicht vor; der Vorschlag, die Unternehmen zu veranlassen, spezielle Pläne zur Vergrößerung des Anteils von Minderheiten an ihrer Belegschaft auszuarbeiten, scheiterte vollends. [Fn 13: Vgl. die Beurteilung in SCP, 1996, 130.]
Auf der Sektorenebene, für die die Mehrzahl der Tarifverträge gilt, hat der Vertrag bessere Auswirkungen gehabt, zudem wurde eine gewisse Infrastruktur zur Beratung von Unternehmen geschaffen.

Der Vertrag von 1990 stellt den Beginn eines gemeinschaftlichen Versuches von Regierung, Sozialpartnern und dem Arbeitsmarktausschuß zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation von Minderheiten dar. Die Beteiligung des Public Employment Board (etwa: Stellenvermittlungsgremium) hat nur wenig bewirkt, da er sein Augenmerk nicht mehr auf Ausbildungsmaßnahmen richtet, die von besonderer Bedeutung für beschäftigungslose Angehörige ethnischer Minderheiten sind, die in der Regel eine geringere Qualifizierung besitzen. Die Regierung war ihrerseits gezwungen, ihre eigenen Vorschläge, die Unternehmen zur Erhöhung ihres Beschäftigtenanteiles von Minderheiten zu stimulieren, zurückzuziehen, und mußte eine von einem Parlamentsmitglied eingebrachte Gesetzesvorlage akzeptieren. Das Gesetz (WBEAA) trat am 1. Juli 1994 in Kraft und zwang die Unternehmen, die

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Nationalität ihrer Belegschaft in bezug auf neun Ursprungsländer zu registrieren und einen jährlichen Bericht über den Anteil von Minderheiten vorzulegen. Die Verpflichtungen, insbesondere was die Registrierung betrifft, sind bei Unternehmen und Arbeitnehmern auf heftigen Widerstand gestoßen.

Im November 1996 schlossen die Sozialpartner einen neuen Vertrag ab. Dieser Vertrag hat eine Laufzeit von weiteren vier Jahren und zielt nun auch auf kleine Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten ab. Zwar ist auch der neue Vertrag auf das Erreichen eines verhältnismäßigen Anteiles für Minderheiten ausgerichtet, doch scheinen die Empfehlungen nun realistischer zu sein. Auf der Sektorenebene sollten Verträge über die Übernahme von Minderheiten in Beschäftigungsverhältnisse für die nächsten vier Jahre abgeschlossen werden. Die erforderliche Infrastruktur sollte dabei auf der Ebene der einzelnen Gewerbebereiche geschaffen werden, damit diese Bestimmungen einfacher durchgesetzt und mit weiteren relevanten Aktivitäten, z.B. im Bereich der Ausbildung, und relevanten Organisationen wie dem Employment Board (etwa: Stellenvermittlungsgremium) koordiniert werden können. Es gibt einige erfolgreiche Beispiele solcher Bemühungen auf Sektorebene, vornehmlich im Gesundheitswesen, die als geeignete Vorgehensweise auch anderen Gewerbezweigen empfohlen werden. Die Regierung hat den neuen Vertrag akzeptiert und im Gegenzug einige Angleichungen des WBEAA-Gesetzes zugesagt. Die Änderungen sind im wesentlichen technischer Natur und verhältnismäßig unwichtig. Die aus politischer Sicht prekärste Änderung betrifft die Registrierung. Das WBEAA–Gesetz betrachtet jede Person, die in einem der Ursprungsländer geboren wurde, als Angehörige einer Minderheitengruppe, einschließlich etwaiger Kinder von Beschäftigten mit niederländischer Staatsbürgerschaft, die zum Zeitpunkt der Geburt für niederländische Unternehmen, wie etwa Shell oder Philips, im Ausland tätig waren. Jetzt wird vorgeschlagen, die betreffende Person zwischen dem eigenen Geburtsland und dem der Mutter oder des Vaters wählen zu lassen.

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3. Beurteilung

Eine umfassende Beurteilung der in den Niederlanden durchgeführten beschäftigungspolitischen Maßnahmen würde über den Zweck dieses Beitrages hinausgehen. Ferner wäre mehr Zeit erforderlich, da einige der Maß-

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nahmen gerade erst eingeleitet wurden. Dennoch wage ich, einige Beobachtungen in Form einer Schlußfolgerung zu äußern.

Erstens, die Gemeinsamkeit zwischen den öffentlichen Programmen für die direkte Schaffung von Arbeitsplätzen besteht darin, daß sie auf lokaler Ebene entwickelt und organisiert werden. Die hinter dieser Tatsache stehende Logik ist die, daß die Gemeinden auch die allgemeine Einkommensunterstützung bereitstellen, teilweise aus ihren eigenen Ressourcen. Gleichzeitig kann die Beschränkung einiger Maßnahmen auf bestimmte Kommunen eine gewisse Ungleichheit zwischen den Langzeitarbeitslosen an unterschiedlichen Orten bewirken. Diese Beschränkung wird zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgehoben. Aufgrund ihrer steigenden Zahl entwickeln sich die öffentlichen Maßnahmen zu einer Art Labyrinth, das schwer zu erfassen ist, und zwar sowohl für Insider als auch für Nicht-lnsider. Das neue, in Vorbereitung befindliche WlW-Gesetz, das diese Bestimmungen in einem einzigen Rahmenwerk zusammenfassen soll, könnte hier eine Lösung anbieten.

Paradoxerweise kann eines der am längsten existierenden Programme, die Behindertenwerkstätten, bei der Schaffung von Arbeitsplätzen möglicherweise die größte Wirkung erzielen, zudem ist dieses Programm nicht sehr viel teurer als einige der in letzter Zeit getroffenen Maßnahmen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen im Rahmen der anderen Programme ist mühsam; um so besser ist deren Organisation durch separate (und mitunter sehr erfolgreiche) Institutionen, die von den Gemeinden aber nicht direkt verwaltet werden. Angesichts der Entwicklung der Zahlen der Langzeitarbeitslosen scheint die quantitative Auswirkung dieser Programme eher begrenzt zu sein. Ihre wichtigste (und zweifelsohne begrüßenswerte) Auswirkung ist möglicherweise die teilweise Beseitigung der Folgen der Kürzungen der öffentlichen Ausgaben in den achtziger Jahren.

Aufgrund der sehr geringen Übernahme in reguläre Beschäftigungsverhältnisse gibt es eine Reihe von Problemen. Diese zeigen sich bereits in den Arbeitspools, ergeben sich aber auf plausible Art auch bei den neuen Melkert–Arbeitsplatzprojekten. Diese Probleme wurden unlängst von der der FNV angeschlossenen Hauptgewerkschaft des öffentlichen Sektors, AbvaKabo, [Fn 14: Vgl. AbvaKabo, 1997.] untersucht. Die Menschen neigen dazu, ihren Arbeitsplatz lange zu halten,

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der ihnen für gewöhnlich auch gefällt. Die Arbeitsplätze sind in vielen Fällen durchaus mit "normalen" Arbeitsplätzen in derselben Organisation vergleichbar und sind nicht notwendigerweise gering qualifiziert. Allerdings ist die Vergütung sehr niedrig (die aufgrund der Begrenzung auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 32 Stunden noch verschlechtert wird), und es gibt keine nennenswerte Chance des beruflichen Aufstiegs oder einer Lohnerhöhung. Ebensowenig besitzen die Betroffenen irgendwelche Rentenansprüche oder einen Schutz gegenüber willkürlichen Entscheidungen, Entlassungen usw. durch die Geschäftsleitung, da sie ihren Vertrag mit der speziellen Organisation und nicht mit der Einrichtung abgeschlossen haben, wo sich ihr Arbeitsplatz befindet. Es ist traurig, daß, mit Blick auf die in dieser Weise betroffenen Personen, diese speziellen Organisationen, die sich bei der Beschaffung von Arbeitsplätzen als kompetent erwiesen haben, zur Schaffung eines gesonderten und geringerwertigen Arbeitsmarktes beitragen, aus dem sich die Menschen nicht befreien können. Das künftige WlW-Gesetz droht, den rechtlichen Status der Beschäftigten in den Behindertenwerkstätten in derselben Weise zu untergraben. Es besteht das zunehmende Interesse, die Situation durch gemeinsames Handeln zu ändern.

Zweitens, die neuen Lohnsubventionen sind ein großartiger Erfolg, infolge dessen die Zahlen Beschäftigten mit der Niedriglöhnen erheblich angestiegen zu sein scheinen, verglichen mit den jüngsten Informationen über diese Zahl, die im Oktober 1994 bei 400.000 lag. [Fn 15: Nach einem geringfügig abweichenden Maßstab: bei oder unter dem Mindestlohn plus 40 Gulden pro Woche.]
Der Anstieg kann zwischen 200.000 und einer halben Million liegen. Jedoch ist hier sorgfältig zu prüfen, in welchem Umfang sich dies positiv auf die Zahl der Niedriglohn-Arbeitsplätze ausgewirkt hat, d.h. ob sich die Zahl der Niedriglohn-Arbeitsplätze und gleichzeitig die Zahl der sonstigen Arbeitsplätze tatsächlich erhöht hat. In der Vergangenheit (bei einer speziellen Mindestlohn-Subventionierung in den siebziger Jahren) war ein Anstieg der Mindestlohn-Arbeitsplätze sofort nach Einführung der Subventionen zu verzeichnen gewesen, doch erfolgte nach deren Abschaffung ein ebenso schneller Rückgang. [Fn 16: Vgl. Projektgroep, 1979.] .
Viele neue Arbeitnehmer, die ansonsten mehr als den Mindestlohn verdient hätten, wurden dabei in die Mindestlohnklasse eingestuft. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es schwierig zu bestimmen, ob etwas Ähnliches derzeit

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wieder geschieht, da die vollständigen Informationen über die Löhne im Jahre 1996 noch nicht vorliegen. Jedoch stellt die Tatsache, daß zwischen 1995 und 1996 die Gesamtbeschäftigtenzahl "nur" um 130.000 anstieg und dies nur ein geringfügiger Unterschied zu dem Anstieg um 110.000 Beschäftigte zwischen 1994 und 1995 ist, einen guten Grund dafür dar, so lange skeptisch zu bleiben, bis die tatsächliche Auswirkung klar auf der Hand liegt. Der geringe absolute Anstieg der Zahl der Langzeitarbeitslosen 1996 gegenüber 1995 und die Tatsache, daß die Arbeitspools (mehr als 20.000 Beschäftigte) ebenfalls Anspruch auf die Subventionierung von Langzeitarbeitslosen haben, bekräftigt noch diese Zweifel.

Drittens: Bedenkt man, daß die niederländische Debatte über die Arbeitsmarktsituation ethnischer Minderheiten bereits 1979 einsetzte, als nämlich ein erster Bericht vom Beratungsausschuß über die Regierungspolitik verfaßt wurde, muß festgestellt werden, daß es sich bei der Schaffung von Möglichkeiten der Beschäftigung von Minderheiten in den Niederlanden um einen langwierigen Prozeß handelt. Nach 18 Jahren sind die Resultate alles andere als zufriedenstellend, und das in einem Land, das trotz einer mit dem OECD-Durchschnitt (1,7%) vergleichbaren Einwanderungsrate in den achtziger Jahren (1,8%) zu Beginn der neunziger Jahre [Fn 17: OECD, 1994, Teil 1, 27 - 28.] bei weitem die höchste Arbeitslosenquote bei den Minderheiten (etwa 25%) aller OECD-Länder hatte und heute eine nicht sehr viel geringere. Im Rahmen spezieller Forschungsarbeiten konnte diese ethnische Diskriminierung genau nachgewiesen werden. [Fn 18: Vgl. Van Beek, 1996 und Veenman, 1995.] Das Engagement auf Seiten der Regierung wie auch der Sozialpartner hat sehr wenig Wirkung gezeigt.

Viertens könnten die Geringqualifizierten zu Opfern eines ähnlichen Prozesses der Diskriminierung auf dem niederländischen Arbeitsmarkt werden. In den Jahren 1994/95 waren 17% aller freien Stellen gering qualifizierte Arbeitsplätze. Dieser Wert entspricht dem Anteil der Geringqualifizierten unter den Arbeitslosen. Jedoch wurden drei Viertel dieser Stellen mit besser ausgebildeten Bewerbern besetzt, die auch mit diesen Arbeitsplätzen zufrieden waren. Die Geringqualifizierten werden in hohem Maße von besser ausgebildeten in die Arbeitslosigkeit verdrängt [Fn 19: Vgl. Salverda, 1997a.] .
Tabelle 6 veranschaulicht, daß viele, die über eine bessere Qualifizierung verfügen, auf Arbeitsplätzen

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sitzen, die eine weniger aufwendige Ausbildung erfordern. Am meisten beunruhigt an dieser Situation, daß sie sich zunehmend verschlechtert. Angesichts der geringen Zahl der Arbeitskräfte ohne Hauptschulabschluß (ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt liegt erheblich unter der anderer Gruppen) sollte das Ziel der gleichmäßigen Teilhabe an Erwerbsarbeit quantitativ halb so anspruchsvoll sein, wie es derzeit in bezug auf die ethnischen Minderheiten ist - 45.000 Geringqualifizierte müßten zusätzliche eingestellt werden, verglichen mit 87.000 Angehörigen ethnischer Minderheiten -, jedoch decken sich die beiden Gruppen teilweise.

Tabelle 6:
Arbeitsplatzqualifizierung und Ausbildungsniveau der Beschäftigten 1996 in 1.000, 1996


Grundsätzlich ist die Anzahl der Arbeitsplätze mit geringer Qualifizierung für die Zahl. der Geringqualifizierten ausreichend. Die wesentliche Implikation dieser unausgeglichenen Situation ist die, daß die Schaffung weiterer einfacher, gering qualifizierter und gering vergüteter Arbeitsplätze eine falsche Maßnahme sein könnte. Die entsprechende Anzahl Geringqualifizierter nimmt ab, während die Zahl der Menschen mit einer Ausbildung höheren Niveaus rapide ansteigt. Hierdurch entsteht ein sehr wichtiges Problem, das die Regierung erst jetzt zu bemerken beginnt, [Fn 20: SZW, 1996a, 57.] auf das aber noch keinerlei Antwort in Form von politischen Maßnahmen gefunden wurde. Bestenfalls ist die direkte Schaffung von Arbeitsplätzen eine kurzlebige Antwort auf die gegenwärtige Arbeitslosigkeit älterer Menschen mit einer wenig umfassenden Ausbildung.

[Seitenzählung analog zur Druck-Ausgabe: Seite 73]

Wenngleich wohlgemeint, ist der Beitrag der Sozialpartner zur direkten Schaffung von Arbeitsplätzen quantitativ unbedeutend. Das gleiche gilt für die Zahlung von Niedriglöhnen. Neue Lohnstufen wurden zwar eingeführt, doch werden sie nur in geringem Maße eingesetzt. Dies ist häufig insofern verständlich, als die Einführung neuer Lohnstufen ganz generell gefordert wird, auch von Sektoren der Wirtschaft, in denen Niedriglöhne von geringer Bedeutung sind. In ihrem Kampf gegen die Diskriminierung erging es den Sozialpartnern auch nicht besser.

Der entscheidende Beitrag der Sozialpartner ist wohl in deren Maßnahmen allgemeiner Natur zu sehen. Die allgemeine Lohneinschränkung war erneut bemerkenswert erfolgreich, als die Arbeitslosigkeit in den neunziger Jahren zu steigen begann. Die in den beiden nationalen Memoranden, Atempause und Neuer Kurs, ausgesprochenen expliziten Empfehlungen zeigten große Auswirkungen auf der Ebene der Gewerbezweige und der Unternehmen (siehe Tabelle 7). In dem Maße jedoch, in dem die Lohneinschränkung durch deren Anreiz zur Exporttätigkeit einen positiven Effekt auf den Anstieg der Beschäftigtenzahlen gehabt hat, ist es zweifelhaft, ob das "niederländische Modell" selbst in andere europäische Länder exportiert werden kann, da die Nettoexporte aus der Europäischen Union sehr gering sind.

Tabelle 7:
Prozentuale Änderung der Nominallöhne in Tarifverträgen 1988 - 1997



Derselbe generelle Effekt der Aktivitäten auf Seiten der Sozialpartner kann auch in bezug auf die Arbeitsmarktflexibilität gesehen werden. Ihr Vertrag über Zeitarbeit, den wir bereits angesprochen haben, wurde zum Zeitpunkt eines deutlichen Anstiegs der Zahl der Zeitarbeitsplätze abgeschlossen. Der

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Anteil dieser Stellen an der Gesamtheit der Arbeitsplätze wird sich innerhalb weniger Jahre verdoppelt haben, von 2% im Jahre 1993 auf wohl mehr als 4% im Jahre 1997. Dies impliziert einen Anteil von mehr als 40% beim jährlichen Anstieg der Beschäftigtenzahlen der letzten Zeit, gemessen an der Zahl der gearbeiteten Stunden. Zwar ist dies ein Beitrag zu einer besseren Stellenverteilung unter den vorhandenen Arbeitskräften, doch ist auch die Frage berechtigt, wie stabil diese zusätzlichen Arbeitsplätze letzten Endes sein werden.

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[Seitenzählung analog zur Druck-Ausgabe: Seite 76 = Leerseite]


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