FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Internationaler Klub der Seeleute. Die I.K.d.S. in Rostock und Wismar waren 1955 gegründete Einrichtungen des FDGB. Ähnliche Klubs, offiz. als Einrichtungen der sowj. Gewerkschaft, gab es auch in allen Häfen der Sowjetunion. Nach Aussage von Markus Wolf (*19.1.1923), seit 1953 im DDR-Staatssicherheitsdienst der Leiter der Auslandsaufklärung und damit der dort für Westarbeit und internationale Arbeit Zuständige, ging die Idee für die Gründung des I.K.d.S. auf den damaligen Staatssicherheitschef Ernst Wollweber (*29.10.1898-†3.5.1967) zurück. Wollweber war seit den 30er Jahren hochrangiger kommunist. Funktionär in der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter (ISH) und 1934 Leiter des Internat. Seemannsklubs in Leningrad (heute St. Petersburg), einer Einrichtung einer Spezialabteilung der sowj. Staatssicherheit. In deren Auftrag baute er unter der Tarnung seiner Funktion in der ISH streng getrennt von Parteistrukturen und denen sowj. Dienste eine internat. operierende Organisation für Schiffssabotage, die „Organisation Wollweber“, auf. Auch nach 1945 stand er in Verdacht, eine solche Sabotageorganisation zu betreiben. In der für diese Zeit allerdings nur marginalen diesbezüglichen Forschung ist diese Frage umstritten. Nach Wolf habe die Idee seines Chefs „zu keinen bemerkenswerten Ergebnissen für den Nachrichtendienst“ geführt (M. Wolf, Spionagechef im geheimen Krieg, 1997). Nichtsdestoweniger war mit Willi Grünert ein Gewerkschafter, der zugleich langjähriger Kader der kommunist. Geheim- und Sicherheitsapparate und 1951-53 Leiter des Büros für gesamtdeutsche Gewerkschaftsarbeit beim FDGB-BuV war, Leiter dieser Rostocker Einrichtung. Grünert war zudem 1957 Mitbegründer und bis zu seinem Tod Mitglied des Ständigen Komitees der Arbeiterkonferenzen der Ostseeländer, Norwegens und Islands. Wenn auch die Frage der geheimdienstlichen Funktion der I.K.d.S. als ungeklärt bezeichnet werden muss, steht deren Gründung doch in einem auffälligen zeitlichen Zusammenhang mit der Wiederbewaffnungsdiskussion in Westdeutschland und der Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO. Grünert pflegte hier nicht zuletzt seine Kontakte aus Exil und Widerstand. Eingetragene Klubmitglieder gab es nicht. Die I.K.d.S sollten offiz. allen Seeleuten aus der DDR, dem sozialist. wie auch dem kapitalist. Ausland offen stehen und der gegenseitigen Kontaktaufnahme dienen. I.d.R. unterlagen in der DDR solche Kontaktaufnahmen einer strengen Kontrolle durch die SED und den Staatssicherheitsdienst. Es ist daher höchst unwahrscheinlich, dass gerade in diesem Bereich eine Ausnahme von der Regel gemacht worden sein soll. Der Ruf des bekannteren Rostocker I.K.D.S. wird auf die engagierte Klubleitung durch Grünert zurückgeführt. Im Klub aktive Seeleute aus der DDR suchten im Hafen ankernde ausländ. Schiffe auf, luden die Seeleute in den I.K.d.S ein und betreuten sie. Im Klub gab es Barbetrieb und Tanzveranstaltungen, zu denen oft Studentinnen mit Fremdsprachenkenntnissen hinzukamen. Auch Hotelzimmer standen zur Verfügung.
Grünert vererbte sein Vermögen dem FDGB, der damit die Willy-Grünert-Stiftung e.V. ins Leben rief. Seit der friedlichen Revolution 1989 in der DDR steht das Gebäude des I.K.d.S. in Rostock leer. Die Stiftung existiert als e.V. bis heute.
M.K.