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TEILDOKUMENT:


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Ökologische Modernisierung schafft zukunftsfähige Arbeitsplätze

Jürgen Trittin
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit


Meine Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich danke dem DGB, der Hans-Böckler-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Deutschen Naturschutzring dafür, daß diese so gut nachgefragte gemeinsame Veranstaltung hier stattfinden kann. Ich sehe, daß ein tatsächliches Bedürfnis besteht, einen Fortgang und einen Erfolg für ein Bündnis für Arbeit und Umwelt zu organisieren.

Ich will zu Anfang auf die beiden Kernthesen eingehen, um die es bei diesem Bündnis für Arbeit und Umwelt geht. Es geht darum, das Grundbedürfnis von Menschen nach sinnstiftender und qualifizierter Arbeit zu erfüllen und damit auch den heute arbeitslosen Menschen, gerade auch Jugendlichen, eine sinnvolle Lebensperspektive zu geben; denn Arbeitslosigkeit ist nicht nur eine Frage materieller Verelendung. Sie geht einher auch und gerade mit gesellschaftlicher Ausgrenzung. Und es geht zweitens bei den Diskussionen auch darum, die Bundesrepublik Deutschland bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Ökonomie, sozialer Leistungsfähigkeit und Ökologie wettbewerbsfähig zu halten. Diese beiden Dinge zusammenzubringen, entscheidet über die Zukunft unserer Gesellschaft. Hier heißt es selbstverständlich für viele, auch über den Schatten ihrer unmittelbaren partikularen und teilweise sich sicher durchaus antagonistisch gegenüberstehenden Interessen hinwegzuspringen.

Wir haben als Bundesregierung – der Kollege Putzhammer hat darauf hingewiesen – über die Koalitionsvereinbarung das Ziel geschrieben, Massenarbeitslosigkeit in diesem Lande zu bekämpfen, zu senken. Wir sind zur Erreichung dieses Ziels auf die Mitarbeit von Gewerkschaften wie Unternehmen angewiesen. Das ist der Grund, warum wir so beharrlich als Bundesregierung an dem Instrument eines Bündnisses für Arbeit und Umwelt festhalten, wissend um die Schranken und Beschränkungen eines solchen Instrumentes. Und ich füge hinzu, wissend, daß ein solches Bündnis natürlich nicht das, wofür Politikerinnen und Politiker gewählt werden, nämlich letztendlich dann Entscheidungen auch zu treffen, ersetzen kann. Wir wissen, daß in solchen Bündnissen Erfolge nicht kurzfristig erreicht werden können. Aber es geht darum, aktuell Weichenstellungen zu treffen, die langfristig und nachhaltig Wirkung haben für die weitere Entwicklung dieser Gesellschaft. Das kann

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kurzfristig geschehen. Es gilt selbstverständlich bei solchen diskursiven Einrichtungen wie Bündnisse für Arbeit oder Runde Tische nicht darum, der Gesellschaft vorzugaukeln, wir seien eine Gesellschaft ohne unterschiedliche und auch widersprüchliche Interessen, eine Gesellschaft ohne Konflikt. Nur dem Konsens und dem allgemeinen „Heiteitei„ verpflichtet. Nein, wir glauben, daß es Konsens in einer Gesellschaft nur gibt, wenn man den Raum läßt, Konflikte auch zu benennen und auszutragen, aber immer mit dem Willen, im Interesse einer Gesamtlösung dann zu einem Kompromiß zu kommen. Ich kann an dieser Stelle auch vor dem Hintergrund mancher aufgeregter Diskussion in anderen Bereichen des Bündnisses für Arbeit nur nachdrücklich dafür plädieren und appellieren, solche Diskussionen, die Möglichkeit zum Kompromiß, zur Dialogbereitschaft nicht bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit mit der Drohung, dieses Instrument der Konsensfindung zu verlassen, zu belasten.

Wir haben uns als Bundesregierung nachdrücklich zum Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung bekannt. Dazu gehört als zentrale Aufgabe die ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist richtig, daß damit vielfach Ängste verbunden sind, ja, daß „Ökologie„ und „Modernisierung„ Schreckensworte für viele sind. Machen wir uns nichts vor. Sie wissen es besser: das ist auch in den Betrieben so. Ökologie, Modernisierung, jedes Wort für sich löst schon bei vielen Kolleginnen und Kollegen erst mal Ängste und Befürchtungen aus. Aber ich glaube, wenn wir das ruhig betrachten, stellt sich heraus, daß in diesen beiden Begriffen nicht nur Veränderung, sondern auch Chancen stecken. Und es gilt dann auch, in schwierigen Situationen zu den eigenen Erkenntnissen zu stehen. Kollege Putzhammer hat ja recht, wenn er darauf verweist, daß wir im Rahmen einer ökologischen Modernisierungsstrategie wegkommen müssen von einer Betrachtung von Umweltschutz als der Bekämpfung des einen Verschmutzers. Denn wenn wir integrierten Umweltschutz betreiben, kommen wir sehr schnell zu der Erkenntnis, daß – übrigens aufgrund auch des täglichen Fortschritts – wir es heute eher mit dem Problem zu tun haben, daß es nicht mehr so sehr die Emissionen sind, die bei der Produktion ausgestoßen werden, sondern daß es eigentlich die Produkte selber sind, auf die wir uns konzentrieren müssen Produktverantwortung heißt aber, Produkte von der Entstehung bis zur endgültigen und kompletten Wiederverwertung tatsächlich in einen Kreislauf einzubringen.

Und dann war es eben nicht klug, – und ich habe ja gesagt, wir wollen nicht so tun, als wenn nur Konsense bestehen, sondern auch Konflikte benennen, – dann war es eben gerade nicht klug von der großen, mächtigen und starken IG Metall, sich gegen den Ansatz zu wenden, daß in Europa nur noch komplett recyclingfähige Autos auf den Markt kommen, und Seit an Seit mit der Autoindustrie versuchen, Alternativen zu verhindern. Es war ja nicht so, daß es eine Privatveranstaltung von Herrn Piech gewesen ist, sondern auch der geschätzte Vorsitzende der IG Metall hat sich an dieser Aktion nachdrücklich mit beteiligt. Man kann sagen, im Ergebnis nicht mit großem Erfolg. Denn in der Substanz ist es ab 2001 nur noch möglich, Fahrzeuge in Europa auf den Markt zu bringen, die tatsächlich vollständig recyclingfähig sind. Auch das Problem

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der Altlasten, ein Bereich, in dem sich für viele Recyclingbetriebe Beschäftigungschancen ergeben, ist so gelöst worden, wie es der deutsche Bundesumweltminister im Widerspruch zur Kommission, aber auch im Widerspruch zur Automobilindustrie und zur die deutschen Automobilarbeiter organisierenden Gewerkschaft, schon im Frühjahr vertreten hat, nämlich mit einer Rücknahmepflicht drei Jahre später.

Es geht bei der Umweltpolitik und beim Verhältnis von Umwelt und Arbeit nicht nur um beschäftigungspolitische Legitimation für Umweltschutz. Ich glaube, daß der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und der Ressourcen für kommende Generationen als Begründung für umweltpolitisch verantwortliches Verhalten hinreichend ist. Ich glaube allerdings auch und bin fest überzeugt, daß der Zusammenhang zwischen ökologischer Erneuerung und dem Schaffen von Arbeitsplätzen auch für sich aus ökonomischer Sicht selbsttragend ist. Wir haben heute, darauf ist verwiesen worden, eine Million Beschäftigte in Deutschland im Umweltschutz. Der Umweltschutz ist heute einer der wenigen Bereiche, der tatsächlich, auch was Arbeitsplätze angeht, Wachstumsraten aufzuweisen hat.

Die Diskussion, die sich in einer solchen Situation dann immer entfaltet ist: Wie kriegt man es eigentlich hin, unter den Bedingungen der Globalisierung, eine solche Entwicklung zu halten? Führt nicht die Globalisierung zwingend dazu, daß wir deregulieren müssen, daß wir Umweltstandards absenken müssen und daß genau dieser positive Effekt einer ökologischen Entwicklung, was Arbeitsplätze angeht, konterkariert wird?

Ich glaube, daß wir uns in diesem Bereich die reale Entwicklung anschauen sollten. Die Weltwirtschaft wächst zur Zeit schneller als je zuvor in der Geschichte. Das Welthandelsvolumen hat sich binnen 15 Jahren verdreifacht. Die Folgen sind gerade in den Wachstumsregionen Asiens und Lateinamerikas zu beobachten. Die Globalisierung der Produktionsabläufe hat in bestimmten Bereichen zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensverhältnisse von vielen Teilen der Bevölkerung und in anderen Teilen des Erdballs zu einem Rückgang des Lebensstandards für ganze Nationen geführt. Es gibt mehrere afrikanische Staaten, die heute wieder auf dem Niveau der sechziger Jahre angelangt sind. Zugleich aber haben mit dieser sprunghaften ökonomischen Entwicklung der Verbrauch von Energie und Rohstoffen, der Ausstoß von Schadstoffen, Treibhausgasen, Industrieabfällen, das Verkehrsaufkommen und der Anteil der bebauten Fläche dramatisch zugenommen. Die Entwicklung kann man sich wiederum gerade in den besonders wachstumsintensiven Regionen Asiens und Lateinamerikas anschauen.

Die mit der sprunghaften Entwicklung einhergehende Umweltzerstörung ist selbst zu einer Bremse für eine weitere wirtschaftliche Entwicklung, zu einer Bremse für wirtschaftliches Wachstum geworden. Sie hat nicht nur die angestammten Sozialbeziehungen dieser Gesellschaften nachhaltig zerstört, sie ist auch darangegangen, die Grundlagen, mit denen dort produziert wird, zu zerstören. Es ist eben kein Zufall, und ich behaupte es ist eher eine Gesetzmäßigkeit, daß ein so gestaltetes ökologisch auf Raubbau begründetes ökonomisches System naturgemäß in eine Krise kommen muß. Die ökonomische Krise dieser Regionen und die ökologische Katastrophe sowie die soziale Proble-

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matik gehören zusammen. Ich glaube, daß langfristig und weltweit die Globalisierung einhergehen muß mit einer umweltgerechten und nachhaltigen Entwicklung. Hier liegt die Chance, denn es werden langfristig nur die Unternehmen und die Nationen erfolgreich sein, denen es gelingt, mit den natürlichen Ressourcen wie Rohstoffe, Energie und Wasser effizient, um nicht zu sagen, im Ergebnis dann im Sinne einer Kreislaufwirtschaft umzugehen. Und so gesehen ist in einer solch langfristigen Betrachtung Umweltschutz im Prinzip nichts anders als Langzeitökonomie.

Wir müssen anfangen, im Rahmen der Diskussion von Globalisierung Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung als ein aktives Element zu einer Globalisierungsstrategie zu begreifen. Es geht, wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, nicht eben nur um ein anderes Wort für Umweltschutz. Nachhaltigkeit, so ist sie im Prozeß von Rio definiert worden, beinhaltet eine tragfähige wirtschaftliche Entwicklung unter Beachtung und Schonung der Ressourcen für kommende Generationen, in sozialer Gerechtigkeit und bei demokratischer Teilhabe. Die in den letzten Jahren zu beobachtende Reduktion des Begriffs der Nachhaltigkeit auf sozusagen einen etwas erweiterten Umweltschutzbegriff muß gerade vor den Herausforderungen der Globalisierung immer wieder zurückgewiesen werden.

Daß auch auf globalisierten Märkten Umweltschutzstrategien ökonomisch Erfolg haben können, belegt nicht nur das Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, nein, auch die USA. Beide Nationen sind mit 18 Prozent Anteil am Welthandel Exportmeister bei Umweltschutzgütern. Es zeigt sich also, daß man mit einem ökologischen Ansatz tatsächlich auch ökonomisch erfolgreich sein kann. Es geht meines Erachtens heute nicht mehr um die Frage: Wollen wir die Globalisierung als Fluch oder Segen betrachten? In der Regel kommt dann die Plattheit heraus, sie sei Chance und Herausforderung. Nein, ganz in dem Sinne, wie Heinz Putzhammer es als Konflikt auf der nationalstaatlichen Ebene ja angesprochen hat, gilt das Verhältnis von Markt und staatlichem Rahmen auch für die Globalisierung.

Die Globalisierung braucht angesichts weltweit zunehmender Verflechtung der Wirtschaftsbeziehungen einen kohärenten ökologischen Ordnungsrahmen. Ein Rahmen, der sicherstellt, daß die Globalisierung eben eine nachhaltige Entwicklung im definierten Sinne fordert. Und ich füge ausdrücklich hinzu: Auch aus ökonomischen Gründen darf globaler Wettbewerb nicht zu einem Wettlauf um den niedrigsten Umwelt- und auch nicht den niedrigsten Sozialstandard werden. Umwelt- und Sozialdumping sind nicht nur inhuman, sie untergraben im Ergebnis gerade ökonomische Leistungsfähigkeit. Es wird deswegen eine der Herausforderungen sein, die wir zu bewältigen haben, im Rahmen der nächsten Runde der Welthandelsorganisation hier tatsächlich sowohl was Sozialstandards, aber auch, was Umweltaspekte angeht, entsprechende Fortschritte zu erreichen. Es kann ja nicht sein, daß die gleichen Nationen, die ein Abkommen über den Erhalt der biologischen Vielfalt dieser Erde nicht unterschrieben haben, weil ihr Agro-Business das nicht will, die erst jüngst in Cartagena verhindert haben, daß es ein Abkommen über biologische Sicherheit gibt, die

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verhindern, daß eingeführte genmanipulierte Pflanzen in Ländern der Dritten Welt auswildern und dort entsprechende Schäden anrichten, daß genau diese Nationen dann losgehen, anschließend solche multilateralen Umweltabkommen als Handelshemmnisse einzuklagen und zu verhindern. Wir sind als Bundesrepublik Deutschland auch im Bereich der Umweltpolitik eine Exportnation. Ökonomie und Ökologie gehen, ich habe vorhin darauf verwiesen, auch auf internationalen Märkten durchaus zusammen. Aber es gibt auch handfeste ökonomische Zwänge, daß wir den ökologischen Strukturwandel im eigenen Land vorantreiben müssen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft für umweltbewußtes Management schätzt, daß sich 2 bis 5 Prozent der Gesamtkosten in einem Unternehmen allein durch gezieltes Umweltmanagement einsparen lassen. Man kann das auch anders ausdrücken. Nach diesen Berechnungen gibt es in der deutschen Wirtschaft ein Gesamteinsparpotential durch Umweltmanagement in einer Größenordnung von 150 bis 200 Mio. DM pro Jahr. Angesichts solcher Zahlen erlaube ich mir die Frage: Können wir es uns eigentlich leisten, daß Unternehmen dieses Potential nicht nutzen? Besteht nicht gerade im unterlassenen Umweltschutz die Gefahr für den Standort und damit für Arbeitsplätze in Deutschland? Und in diesem Zusammenhang wird häufig übersehen, daß eine moderne Umweltinfrastruktur auch bei ausländischen Unternehmen ein wichtiges Kriterium für die Auswahl von Investitionsstandorten ist.

Ich will an dieser Stelle noch einmal unterstreichen: Es geht mir hier nicht darum, Umweltschutz wirtschaftlich zu legitimieren. Er legitimiert sich aus sich selbst heraus. Aber ich will mit dieser Frage Unternehmen motivieren, Umweltschutz als Chance zu begreifen, auch, um im Bündnis für Arbeit und Umwelt zu Ergebnissen zu kommen. Erst, wenn die Chancen, die die Gespräche bieten, für alle Partner deutlich sind, wird ein solcher Erfolg möglich sein.

Die Entwicklung der Umweltpolitik in Deutschland hat zu deutlichen Veränderungen der Arbeitswelt geführt. In nahezu allen Berufen gibt es inzwischen mehr oder weniger starke Berührungspunkte zum Umweltschutz. In Ausbildung und Berufsleben spielt das eine wichtige Rolle, sei es bei Automechanikern, bei Schornsteinfegern, beim Tankwart oder beim Ingenieur. Kenntnisse und Qualifikationen hierfür werden auf dem Arbeitsmarkt verstärkt nachgefragt. Darüber hinaus haben sich spezielle Berufsbilder entwickelt, die unmittelbar auf Umweltschutz ausgerichtet sind. Als Stichwort seien hier Umweltdienstleistungen genannt. Gerade der Bereich der ökologischen Dienstleistungen hat heute ein enormes Wachstumspotential und ist beschäftigungspolitisch einer der Hauptgewinner.

Der Anteil der Erwerbstätigen im Umweltschutz nimmt stetig zu. Bei uns arbeiten zur Zeit 2,7 Prozent der Erwerbstätigen in diesem Bereich. Die OECD hat für die USA im Jahre 1992 ermittelt, daß dort ca. vier Millionen Beschäftigte, das sind rund drei Prozent der Erwerbstätigen, im Umweltschutzbereich arbeiten. Für die USA hat die OECD prognostiziert, daß in diesem Bereich 2005 5,3 Millionen Beschäftigte arbeiten werden, das heißt, man erwartet dort einen Zuwachs von 1,4 Millionen Arbeitskräften im Umweltbereich. Unsere Prognosen können ähnliche Dimensionen beinhalten. Aber selbst-

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verständlich sind solche Prognosen, wie alle Berechnungen, eben mit Unsicherheiten behaftet. Die wesentlichen Bedingungen, unter denen diese Prognosen sich zu entwickeln haben, sind neben der ökonomischen Entwicklung insgesamt die Entwicklung der nationalen Umweltgesetzgebung, das Umweltbewußtsein der Unternehmen und die politisch gestalteten Rahmenbedingungen, unter denen Unternehmen dann tätig sind. Bei diesen Rahmenbedingungen geht es darum, den erforderlichen Synergieeffekt für Umweltschutz und Arbeitsmarkt zu optimieren.

Die optimale Verbindung von anspruchsvollen Umweltschutzanforderungen mit kreativen Umsetzungsstrategien, das ist die Aufgabe, vor der wir hier in diesem Bündnis für Arbeit und Umwelt stehen. Ziel ist es, schon jetzt vorhandene Synergien zu nutzen, neue bislang nicht ausreichend erschlossene Beschäftigungsfelder zu erkunden, Vorschläge zu erarbeiten, wie diese besser ausgeschöpft werden können. Das hat am 10. Juni mit einer ersten Sitzung begonnen. Ich glaube, daß wir in den ab November weiter stattfindenden Gesprächen ganz konkret auf Vorschläge für umweltpolitische Vorhaben und ihre Realisierungschancen hinarbeiten müssen. Es gibt im Rahmen der europäischen Entwicklung, gerade auch, was technologische Standards und ökonomische Rahmenbedingungen angeht, einen großen Bereich, wo wir als Bundesregierung versucht haben, die Bedingungen für eine kohärente Entwicklung von Umwelt und Arbeitsplätzen zu verbessern. Ich nenne nur wenige Stichworte: Eins der Stichworte ist die unter deutscher EU-Präsidentschaft erfolgte Verabschiedung der Richtlinie über schwere LKW, die künftig zwingend vorschreiben wird, daß diese Fahrzeuge mit Rußpartikelfiltern und Denox-Katalysatoren ausgestattet sind. Das führt nicht nur zu einer drastischen Reduzierung der Schadstoffbelastung insbesondere in unseren Städten, es führt nicht nur dazu, daß künftig Vorläufersubstanzen für den Sommersmog wie für das bodennahe Ozon deutlich reduziert werden, sondern es ist natürlich auch ein Antrieb, neue Motoren zu konstruieren, die zu höherer Energieeffizienz fähig sind. Das gleiche gilt für die Maßnahmen, die wir ergriffen haben bei der vorzeitigen Einführung schwefelarmer Treibstoffe, die für die EU erst ab 2005 gelten wird. Wir haben durch den Aufschlag auf die Ökosteuer erreicht, daß ab 2001 dieses schwefelarme Benzin in Deutschland nach meiner festen Überzeugung die Regel sein wird; und in dem gleichen Maßstab schwefelfreies Benzin, also 10 ppm, in der Bundesrepublik schon ab 2003 die Regel sein wird.

Vor dem Hintergrund dieser technischen Möglichkeiten und der Chancen, die sich aus einer solchen Politik ergeben, ist es mir nach wie vor völlig unverständlich, welcher Teufel denn den BDI geritten hat, pünktlich zur Fünften Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention zu sagen, man wolle sich von dem 25-Prozent-CO2-Reduktionsziel verabschieden. Das ist aus dreierlei Gründen auch im Interesse des BDI schlicht sehr kurz gedacht.

Erster Grund: Es gibt nur drei Länder auf der Erde, die Reduktionsverpflichtungen eingeleitet haben, die dann auch tatsächlich zu einer Reduktion geführt haben. Eines davon ist die Bundesrepublik Deutschland. Warum stellt man sein Licht so unter den Scheffel? Ich habe eigentlich

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immer gedacht, Unternehmen leben davon, daß sie sich preisen und loben.

Zweitens: Neben allen Diskussionen, die wir selbstverständlich führen müssen über die Frage, zu welchen Effekten die deutsche Vereinigung im Guten wie im Schlechten bei der Reduktion von Klimagasen geführt hat, bringt diese Aktion nun ausgerechnet den Bereich in Verruf, der in besonderer Weise gewisse Verdienste gehabt hat. Die Reduktion von Klimaschadstoffen durch die deutsche Einheit ist sicherlich – nicht ausschließlich – aber sehr stark beeinflußt worden durch den Deindustrialisierungsprozeß im Osten Deutschlands. Auf der anderen Seite hat der Vereinigungsprozeß auch erheblich dazu beigetragen, daß die verkehrsbedingten Emissionen um mehr als 9 Prozent gestiegen sind, während wir insgesamt einen Rückgang der Emissionen von 13 Prozent haben. Also ein zweites Argument, warum es falsch ist, daß die deutsche Industrie sozusagen ihr eigenes Licht unter den Scheffel stellt, denn sie hat eine Reduktion klimaschädlicher Gase aus ihrer Produktion um immerhin 27 Prozent erreicht und liegt damit über dem Durchschnitt von 13 Prozent.

Und letzter Punkt: Gerade wenn man über eine solche Politik Wettbewerbsverzerrung fürchtet – ich glaube ja nicht an die Wettbewerbsverzerrung, ich glaube ja, daß die Steigerung der Ressourceneffizienz sich auch betriebswirtschaftlich in Kostenreduktion niederschlägt –, aber wenn man denn diesen ökonomisch fragwürdigen Thesen glauben sollte, dann wäre es doch im Sinne einer Verhandlungsstrategie klug, die eigenen Anstrengungen herauszustellen, statt sein Licht in dieser Weise unter den Scheffel zu stellen. Wie gesagt, ich kann es nicht nachvollziehen. Selbst, wenn ich mich auf den Standpunkt, was mir schwerfällt, von Herrn Olaf Henkel stelle, ist mir völlig rätselhaft, was dieser Vorstoß in seinem Sinne denn nun erreichen soll.

Als wichtige Schlüsselaufgaben für eine Entwicklung von Arbeit und Umwelt gelten für uns die beiden Bereiche der Energiepolitik und des Klimaschutzes. Hierbei kommt der Frage der ökologischen Steuerreform als Teil einer umfassenden Energiewende, aber auch als ein Signal, zu einer Politik der Ressourceneffizienz umzusteuern, eine Schlüsselbedeutung zu. Die Botschaft der ökologischen Steuerreform lautet: Wir halten es, platt gesagt, für sinnvoller, Kilowattstunden zu rationalisieren, als Menschen aus den Betrieben herauszurationalisieren.

Das ist auch der Grund, warum wir bei der ja auch in Kreisen der Gewerkschaften oft umstrittenen Frage: Sollen wir die Einnahmen aus der ökologischen Steuerreform nicht lieber in ökologische Programme zur Förderung von bestimmten Dingen tun, statt sie zur Senkung der Lohnnebenkosten zu verwenden?, warum wir in dieser Frage so beharrlich geblieben sind. Das ist ja nicht nur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, das hat ja nicht nur Auswirkungen auf die Nettolöhne, sondern es ist genau diese Botschaft: Wir wollen, daß ökonomisch nicht mehr belohnt wird, Menschen hinauszusetzen, sondern wir wollen, daß ökonomisch belohnt wird, Ressourcen und Energie effektiv einzusetzen.

Und wenn wir von Lenkungswirkung reden, so hat es ja viele Debatten darüber gegeben, ob der

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absolute Betrag, der bei der ökologischen Steuerreform eingesetzt worden ist, nun eine ökologische Lenkungswirkung hat oder nicht. Da gibt es ganz komische Experten. Wenn Sie die reale Entwicklung betrachten, stellen Sie fest, daß diese Diskussion müßig ist. Die knappen sechs Pfennige machen vor dem Hintergrund der Entwicklung der Rohölpreise und der frechen kartellgebildeten Preise beim Mineralöl eigentlich kaum noch was aus, was die Endpreise beim Benzin betrifft, während die durchaus deftige Einführung einer Stromsteuer mit einem Pfennig pro Kilowattstunde angesichts des Verfalls der Energiepreise an sich diesen Verfall nicht kompensieren konnte.

Das Entscheidende aus meiner Sicht sind deswegen nicht die Zahlen und die einzelnen konkreten Hebungsschritte, sondern der entscheidende Schritt hin zur ökologischen Lenkungswirkung bei der Ökosteuer ist die Verstetigung des Erhöhungsgrades. Denn die Verstetigung des Erhöhungsgrades führt dazu, daß dann fällige Investitionen oder in Privathaushalten Anschaffungen vor dem Erwartungshintergrund, es wird langfristig jedenfalls nicht mehr billiger, sondern eher teurer, dazu führen, daß Menschen wie Unternehmen sagen: Vor dieser Perspektive entscheiden wir uns für das ressourceneffizientere Gerät, wenn wir zwischen zwei Geräten zu entscheiden haben. Darin liegt das Geheimnis der Lenkungswirkung. Nicht in den sechs Pfennigen oder dem einen Pfennig.

Wir gehen heute davon aus, daß die ökologische Steuerreform in ihrer ersten Stufe tatsächlich auch auf dem Arbeitsmarkt Effekte gehabt hat. Man mag darüber streiten, ob das RWI recht hat mit der Prognose von 100.000 Arbeitsplätzen. Ich glaube aber, in der Kombination von Verstetigung und dieser Entwicklung ist es unbestreitbar, daß es hier tatsächlich zu mehr Arbeitsplätzen kommt. Ein Teil der Branchen sind ja hier schon genannt worden. Aber Arbeitsmarktpolitik und Klimaschutz stehen auch in anderer Weise im Einklang.

Eine konkrete Initiative für Umwelt und Arbeit, wie ich sie mir als Ergebnisse dieses Dialoges wünsche, ist die unter des Bundeskanzlers und meiner Schirmherrschaft laufende Solarkampagne 2000. Im Trägerkreis der Kampagne sind Wirtschafts- und Umweltverbände ebenso vertreten wie einzelne Bundesländer. Den größten Beitrag zu dieser Kampagne liefert die Bundesstiftung Umwelt. Ziel ist, zusätzlich zwei Millionen Quadratmeter Solarkollektoren bis zum Jahr 2003 zu installieren, was etwa 400.000 neuen Solaranlagen entspricht, und damit die CO2-Emissionen um 0,3 Millionen Tonnen pro Jahr zu mindern. Das bedeutet die Schaffung von weiteren 100.000 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2010. Wohl gemerkt, es handelt sich um ein Programm, das wir zusätzlich zu den Ansätzen durchführen, die wir in der Energiepolitik verfolgen.

Völlig berechtigt sind die Sorgen über die Frage: Wie geht es mit den erneuerbaren Energien weiter? Gerade die Windenergie braucht eine Perspektive. Es muß eine kalkulierbare Einspeisevergütung geben. Diese kalkulierbare Einspeisevergütung kann sich durchaus auch mal nach der Qualität der jeweiligen Windstandorte richten. Es gibt ja Standorte, wo eine solche Einspeisevergütung einer Gelddruckmaschine gleich kommt, und andere, wo das schwieriger ist. Deswegen brauchen wir eine Änderung des Strom-

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einspeisungsgesetzes, um hier eine sichtbare Perspektive zu haben. Niemand glaubt, daß erneuerbare Energien tatsächlich in der Grundlast beispielsweise fossile oder nukleare Großkraftwerke ersetzen werden.

Die Energiepolitik von morgen wird eine Energiepolitik sein, die auf den drei Säulen Effizienz in der Produktion, Einsparung ohne Komfortverlust und Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien aufbaut. Hier haben wir viel getan. Wir haben mit der ökologischen Steuerreform in der ersten Stufe die Kraftwärmekopplung freigestellt. Wir müssen jetzt daran gehen, der Kraftwärmekopplung einen sicheren Anteil am Markt zu geben. Wir haben zweitens mit der Verstetigung der zweiten Stufe der ökologischen Steuerreform dafür Sorge getragen, daß nicht diejenigen, die in moderne Kraftwerke investieren, beim Einsatz ihrer Primärenergie nach wie vor benachteiligt werden. Ich sage das mit großem Nachdruck auch in diesem Kreise, weil dies ein Konflikt mit einer bestimmten Gewerkschaft ist. Wir wollen, daß Gas- und Dampfkraftwerke in ihrem Primärenergieeinsatz genauso behandelt werden wie Kohlekraftwerke und Kernkraftwerke, daß sie also die Primärenergie beziehen können, ohne daß da Steuer draufgeknallt wird. Wir halten alles andere für eine Wettbewerbsverzerrung. Eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten von Kraftwerken, die immerhin 55 Prozent und mehr ihrer eingesetzten Primärenergie in elektrische Energie umwandeln, während diese großen anderen Genannten in der Regel 70 Prozent ihrer Abwärme in die Flüsse und in die Atmosphäre weiterleiten. Das halten wir für falsch und ökologisch unverantwortlich.

Und schließlich, wir haben bereits in dieser Wahlperiode die erneuerbaren Energien in einer Größenordnung von mehr als einer Milliarde DM gefördert. Das Programm zur Förderung erneuerbarer Energien plus dem Programm zur Förderung der Photovoltaik haben ein Gesamtvolumen von mehr als einer Milliarde DM mit entsprechenden Arbeitsplatzeffekten. Deswegen muß ich an dieser Stelle mit Nachdruck sagen: Wir wollen eine Entwicklung hin zu einer vernünftigen Energiepolitik. Diese vernünftige und moderne Energiepolitik kann aber nicht Raum greifen, wenn wir die jetzige Entwicklung auf dem Energiemarkt einfach so laufen lassen, daß nämlich abgeschriebene Altanlagen, seien sie nuklear oder seien sie kohlebefeuert, moderne Anlagen wie Kraftwärmekopplung, Gas- und Dampfkraftwerke und erneuerbare Energien in ihrer Entwicklung behindern. Und deswegen müssen wir diese erneuerbaren Energien ein Stück schützen in ihrer Entwicklung, und wir müssen gleichzeitig klar machen, daß es für diese abgeschriebenen Altanlagen nur eine begrenzte Lebensperspektive gibt, daß ihr Ausstieg sichtbar ist. Wenn wir das nicht tun, würde die Bundesrepublik Deutschland Gefahr laufen, auf Dauer zu einem Stromimportland zu werden. Das kann auch für Ökologen nicht von Interesse sein.

Deswegen gehört für mich zum Einstieg in die erneuerbare Energie, zum Einstieg in eine Effizienzrevolution in der Energiewirtschaft auch die Perspektive des Ausstiegs. Anders gesagt: Nur wer aussteigt, wird in eine neue Energiepolitik der Zukunft einsteigen können. Und ich füge in Erwartung der berechtigten Sorgen und in Erwartung auch der Demonstrationen, die es

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dazu möglicherweise geben wird, hinzu: Eine solche Energiepolitik wird unter dem Strich sehr viel mehr neue und sehr viel nachhaltiger Arbeitsplätze schaffen als eine Politik, die einfach nur daran festhält, möglichst lange die betriebenen Altanlagen noch am Netz zu halten. Ich weiß, daß wir da auf einen Konflikt zukommen.

In anderen Bereichen, die Energiesparverordnung hat Heinz Putzhammer genannt, glaube ich, müssen wir noch ein Stück nachlegen. Wir sollten mal betrachten, daß die bisherigen Programme zur Wärmedämmung häufig in einem hohen Maße auf Neubauten ausgerichtet waren. Wir sollten uns angucken, was beispielsweise bisher mit dem KfW-Wohnraumprogramm, dem Modernisierungsprogramm in den neuen Bundesländern und dem KfW-Programm zur CO2-Minderung in den alten Bundesländern erreicht worden ist. Immense Programme nicht nur zur Förderung der Ökologie, sondern auch zur Sicherung der Beschäftigung. Mit dem Auslaufen des Programms in den neuen Ländern zum Jahresende 1999 verbleibt dort allerdings nach unserer Einschätzung ein Investitionsbedarf von mehr als 100 Milliarden DM. Wir haben von unserer Seite nachdrücklich den Vorschlag gemacht, durch ein Sanierungsprogramm für 500.000 Häuser mit einem Gesamtkreditvolumen von rund 15 Milliarden DM weitere 900.000 Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen. Wir haben hierzu erste konkrete Gespräche mit der KfW und dem Wirtschaftsminister geführt. Diese Gespräche sind noch nicht zu einem Ergebnis gekommen. Ich glaube aber, mit dem Druck gerade aus dem Dialog Umwelt und Arbeit können wir an dieser Stelle tatsächlich etwas bewegen.

Mein Eindruck ist auch, daß dies keine Veranstaltung ist, die ausschließlich von den Ökologen und den Gewerkschaftern getragen wird, sondern hier gibt es auch massive Interessen gerade im Zentralverband des Deutschen Handwerks. Dieses Programm ist ein Musterbeispiel, wie man die Fragen des Klimaschutzes und die Fragen von Arbeitsplätzen erfolgreich verbinden kann.

Das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit bietet nach meiner tiefen Überzeugung hervorragende Chancen für eine Stärkung des Standorts Deutschlands. Die Stärkung des Standorts erschöpft sich nicht darin, gute Bedingungen nur für Wirtschaftswachstum zu schaffen. Dazu gehört, den Menschen, und unter ihnen gerade den Arbeitslosen, zu beweisen, daß diese Gesellschaft willens und in der Lage ist, das Problem Arbeitslosigkeit gemeinsam anzugehen. Dazu gehört, den Menschen einen Ausbildungsplatz und eine berufliche Perspektive zu geben. Dazu gehört es, auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise, einer Wirtschaftsweise, die die Bedürfnisse auch kommender Generationen berücksichtigt, voranzukommen. Lassen wir diese Chance nicht verstreichen, indem wir bekannte alte Positionen wiederholen und alte Grabenkämpfe fortsetzen. Entwickeln wir gemeinsame konkrete Vorschläge und sorgen wir gemeinsam für eine Umsetzung. Ich hoffe und bin fest davon überzeugt, daß auch Ihre Teilnahme und diese Veranstaltung hierzu viel beitragen werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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