FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 13 ]

Umwelt ins Bündnis für Arbeit

Heinz Putzhammer
Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des
Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)

Die große Resonanz, die diese Tagung bereits im Vorfeld gefunden hat, zeigt, daß wir mit dem „Bündnis für Arbeit und Umwelt„ auf dem richtigen Weg sind.

Was ist der Grund unserer Initiative, Umwelt in das Bündnis für Arbeit zu integrieren?

Bei unserem heutigen Thema geht es um kurzfristig erreichbare Ziele und praktische Maßnahmen. Mit anderen Worten: um praktische Politik, mit dem Ziel, das, was heute möglich ist, jetzt auch für die Umwelt und die Arbeitslosen zu tun. Denn viele Menschen haben mit dem Regierungswechsel die Erwartung verbunden, daß mit dem rot-grünen Regierungswechsel auch ein Politikwechsel in der Umweltpolitik stattfindet und die ökologische Modernisierung des Landes wieder an Fahrt gewinnt. Allerdings: Nach einem Jahr rot-grüner Umweltpolitik ist die Bilanz noch nicht befriedigend. Um nur zwei Beispiele zu nennen:

Die Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung ist eine gute Grundlage, doch die sozial-ökologische Reformstrategie ist erst in Ansätzen sichtbar. Ohne Zweifel, einzelne Erfolge gibt es, wie zum Beispiel das 100.000 Dächerprogramm, aber es gibt keine umfassende Strategie. Um Fortschritte zu erreichen, wollen wir mithelfen und unsere Unterstützung anbieten.

Unser Land ist mit zwei großen Herausforderungen konfrontiert: zum einen die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und zum anderen die dramatisch hohe Massenarbeitslosigkeit. Feststellen müssen wir: In beiden Bereichen – Massenarbeitslosigkeit und Umweltzerstörung – fehlt es noch an konkreten Maßnahmen und an einer zusammenhängenden Strategie, die den zu lösenden Problemen angemessen wären.

Lassen sie mich als Beispiel die in vier Tagen beginnende internationale Klima-Konferenz in Bonn aufgreifen. Angesichts weltweit zunehmender Wirbelstürme, Überschwemmungen und des drohenden Temperaturanstiegs muß sie in einem nur begrenzt zur Verfügung stehenden Zeitraum notwendige Entscheidungen treffen. Dies zeigt: Wir befinden uns durchaus mitten in einem existenziellen Wettlauf, die lebensbedrohliche Natur- und Umweltzerstörung durch ein ökologisch verträgliches Wirtschaften zu ersetzen.

Der Vorstoß von BDI-Chef Henkel, wenige Tage vor dieser Konferenz durch einen Brief an Bundeskanzler Schröder sich aus der eigenen

[Seite der Druckausg.: 14 ]

freiwilligen Selbstverpflichtung zum Klimaschutz zu verabschieden, wird vom BDI mit dem Wettbewerbsargument begründet. Diese Argumentation fällt bei Bundeskanzler Schröder immer auf fruchtbaren Boden. Sie hat nur einen entscheidenden Nachteil: Das Wettbewerbsargument wird von der Natur nicht akzeptiert! Außerdem könnte man mit diesem Argument alle Bemühungen zur nachhaltigen Entwicklung beerdigen. Ewig dauernde Strategiediskussionen und Verhandlungen ohne konkret umsetzbare Ergebnisse können wir uns zeitlich nicht unbegrenzt erlauben. Deshalb brauchen wir jetzt Entscheidungen und konkrete Maßnahmen, die jetzt und nicht erst in fünf, zehn oder 20 Jahren umgesetzt werden. Unsere Gesellschaft droht sonst, die positive Perspektive der gemeinsamen Gestaltung ihrer Zukunft zu verlieren.

Wir sind der Auffassung, daß die Verbindung von Arbeit und Umwelt einen Beitrag leisten kann, die Umwelt zu entlasten und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Wir wollen der Umwelt und den Arbeitslosen mit einer gemeinsamen Strategie helfen. Deshalb wollen wir ein Bündnis für Arbeit und Umwelt.

Zukunftsfähig wird unsere Gesellschaft dann, wenn es gelingt, in gemeinsamer Anstrengung soziale Gerechtigkeit, umweltschonende Produktion und Konsum mit einer leistungsfähigen Wirtschaft zu verbinden. Dies erfordert mit Sicherheit auch einen langen Atem. Nikolaus Simon hat auf das Forschungsprojekt der Hans-Böckler-Stiftung hingewiesen, das sich mehr mit den langfristigen Zielen nachhaltiger Entwicklung beschäftigt. Langfristig denken heißt nicht, Probleme auf die lange Bank zu schieben.

Uns geht es jetzt darum, möglichst rasch alle gesellschaftlichen Kräfte zu mobilisieren und praktikable konkrete Handlungsvorschläge gemeinsam mit Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften umzusetzen. Es geht auch darum, bisherige ideologische Debatten der Umweltpolitik in den Hintergrund zu stellen und nach konkreten Maßnahmen und Umweltinvestitionsfeldern zu suchen, deren kurzfristige Umsetzung im Interesse aller Beteiligten liegt. Darin sehe ich den Schlüssel zum Erfolg.

Eine zukunftsfähige Entwicklung verlangt gezieltes Wachsen und Schrumpfen, die Verlagerung auf ökologische und sozialverträgliche Produktion, Produkte und Dienstleistungen, neue Formen des Arbeitens und Zusammenlebens, ein neues Verständnis von Wohlstand und Fortschritt. Die sozial-ökologische Modernisierung ist eine große Gemeinschaftsanstrengung. Sie bedarf aber auch der Solidarität und der gerechten Verteilung von Chancen und Lasten.

Der DGB erwartet, daß im Rahmen einer sozial-ökologischen Reformstrategie der Sozialstaat Arbeit und Beschäftigung in den Mittelpunkt stellt und darauf seine Finanz-, Wirtschafts- und Steuerpolitik ausrichtet. Im Zentrum muß dabei stehen, den Faktor Arbeit zu entlasten und den Energie- und Rohstoffverbrauch zu verteuern. Der Strategiewechsel heißt, wir brauchen nicht nur eine Steigerung der Arbeitsproduktivität, sondern auch eine Steigerung der Energie- und Ressourcenproduktivität. Sonst droht die Arbeitslosigkeit sich auf einem hohen Niveau zu verfestigen.

Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist die oberste politische Priorität der Bundesregierung.

[Seite der Druckausg.: 15 ]

Daran werden wir ihren politischen Erfolg messen. Die rot-grüne Regierung wird aber auch an ihren umweltpolitischen Ergebnissen gemessen.

Nach Auffassung des DGB kann die Verknüpfung von Umweltpolitik und Beschäftigungspolitik ein Schlüssel zum Erfolg in beiden Politikfeldern sein. Es muß gelingen, Umweltpolitik zum Beschäftigungsmotor zu machen, dann wird das Bündnis für Arbeit auch ein Bündnis für Arbeit und Umwelt sein.

Dabei verschweigen wir nicht, daß es im Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie soziale Konflikte gibt. Wir sind uns darüber im Klaren, daß bei allen positiven Beschäftigungseffekten, im Einzelfall nicht immer da, wo vielleicht ein Arbeitsplatz wegfällt, gleichzeitig auch ein neuer in unmittelbarer Nachbarschaft entsteht.

Nachhaltige Entwicklung ist unser Ziel, dies wird im stärkeren Umfang integrierte Technologien erfordern, die auch weniger beschäftigungsintensiv sein können. Aber: Wer das Bündnis zwischen Arbeit und Umwelt nicht sucht, wird die Zukunft mit noch viel größeren Gefahren, Risiken und Konflikten belasten.

Zur Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze ist die ökologische Modernisierung stärker in praktische Regierungspolitik umzusetzen. Der DGB schlägt daher vor, hierzu kurzfristig umsetzbare Ziele der ökologischen Modernisierung festzulegen und die positiven Beschäftigungseffekte zum Abbau der Arbeitslosigkeit im Bündnis für Arbeit zu nutzen. Im Bündnis für Arbeit Umweltzerstörung und Arbeitslosigkeit gleichzeitig zu bekämpfen, ist das Gebot der politischen Vernunft.

Mit seiner Initiative hat der DGB den Fachdialog Umwelt im Bündnis für Arbeit angestoßen. Hierzu hat der DGB mit seinen Gewerkschaften das Ihnen vorliegende DGB-Positionspapier erarbeitet und in das Bündnis für Arbeit eingebracht.

Das Positionspapier basiert auf fünf Säulen:

  • Stärkung des Umweltordnungsrechts
  • Einsatz von marktwirtschaftlichen Instrumenten der Umweltpolitik
  • Stärkung der Eigenverantwortung im Umweltschutz
  • Ausbau von FuE, Bildung und Forschung
  • Stärkung der Beteiligung der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften

Ein Baustein daraus, die energetische Sanierung des Gebäudebestandes, befindet sich bereits auf dem Weg der Umsetzung, da die Kreditanstalt für Wiederaufbau ein Förderprogramm in Höhe von 4 Milliarden DM zur „CO2-Minderung im Gebäudebestand„ in der zweiten Sitzung des Fachdialoges Umwelt zugesagt hat.

Mit ein weiterer Grund für die DGB-Initiative, Umwelt in das Bündnis für Arbeit zu integrieren, war auch die Tatsache, daß in Westdeutschland die Umweltinvestitionen des Staates und des produzierenden Gewerbes im Zeitraum von 1992 bis 1995 um rund fünf Milliarden DM zurückgegangen sind. Dies ergibt sich aus den Umweltdaten des Statistischen Bundesamtes. Der Vorsitzende der Umweltkommission des Bundesverbandes der Mittelständischen Wirtschaft hat im Oktober 1998 auf den Umwelttagen der Mittelständischen Wirtschaft die aktuellen Berechnungen der Unternehmensberatung

[Seite der Druckausg.: 16 ]

Kaiser zum Export von Umwelttechnologien vorgetragen. Er hat dabei festgestellt, daß der ehemalige Exportweltmeister im Bereich des Exports von Umwelttechnologien seine Spitzenposition eingebüßt hat. Auch dies war ein Grund für die DGB-Initiative „Umwelt ins Bündnis für Arbeit„.

Denn wer hier tatenlos zusieht, riskiert nicht nur ein Fortschreiten der Umweltzerstörung und Risiken für die Gesundheit, sondern auch eine Vernichtung von Arbeitsplätzen im Umweltbereich.

Bereits die Vorgängerregierung wurde vom Sachverständigenrat für Umweltfragen vor einer zukunftsgefährdenden Vernachlässigung des Umweltschutzes gewarnt und die Politiker wurden dringend zum Handeln aufgefordert. Von der rot-grünen Bundesregierung erwarte ich deshalb, daß sie diesen negativen Trend mit einer aktiven staatlichen Umweltpolitik umkehrt. Denn aktive staatliche Umweltpolitik hat bis zu Beginn der 90er Jahre zu steigenden Umweltschutzinvestitionen und damit auch zu steigender Beschäftigung im Bereich des Umweltschutzes geführt. Rund 1 Million Arbeitsplätze im Umweltschutz sind eine positive Bilanz. Auch beim Export von Umweltschutztechnologien hat dies der Bundesrepublik auf dem Weltmarkt einen Spitzenplatz gebracht.

Grundlage für diese Innovationen im Umweltbereich waren nicht die Unternehmen selbst, sondern eine am Vorsorgeprinzip orientierte Umweltpolitik und Anforderungen der Umweltpolitik, die sich am Stand der Technik orientiert haben. Deshalb ist an diese aktive Umweltpolitik wieder anzuknüpfen, da hierdurch notwendige Umweltinvestitionen, Umweltentlastungen sowie umweltverträgliche und gesundheitsverträgliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Deregulierung bringt unsere Gesellschaft nicht weiter.

Um an die vorgenannte positive Entwicklung wieder anzuschließen, haben wir in dem vorliegenden DGB-Positionspapier 79 Maßnahmen und Investitionsvorschläge entwickelt. Die Vorschläge umfassen 10 Themenbereiche: Vom Gewässerschutz über Abfall, Klimaschutz bis hin zum Export von Umwelttechnologien. In der Umsetzung der DGB-Vorschläge steckt ein Beschäftigungspotential von schätzungsweise 500.000 Arbeitsplätzen. Dabei geht es uns nicht um die absolute Zahl, denn Sie wissen wie wir, daß diese Schätzungen von Annahmen und Randbedingungen ausgehen. Dies wollen wir dem wissenschaftlichen Streit überlassen. Bestätigung sehen wir allerdings in der von Prognos angefertigten und fast zeitgleich vorgelegten Greenpeace-Studie, die als Randbedingung keine Fördermöglichkeiten und gesetzliche Verschärfungen annimmt. Trotz dieses restriktiven Ansatzes kommt sie zu immerhin 163.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen im Umweltbereich.

Deshalb haben wir unser Positionspapier Wissenschaftlern mehrerer Forschungsinstitute vorgelegt, denn auch wir brauchen ihre Ideen und ihren kritischen Geist. Die Ergebnisse finden sie in dem Ihnen vorliegenden WSI-Heft „Bündnis für Arbeit und Umwelt„. Die Beschäftigungspotentiale sind offensichtlich vorhanden, nur sie werden nicht genutzt. Nach unserer Auffassung ist die Politik gefordert, jetzt zu handeln! Wo liegen die Beschäftigungspotentiale?

[Seite der Druckausg.: 17 ]

Hierzu einige Beispiele aus den DGB-Vorschlägen:

Allein durch die Verschärfung der Wärmeschutzverordnung könnten nach Berechnungen der IG Bauen-Agrar-Umwelt im Baugewerbe 80.000 Jobs entstehen. Arbeitsplätze entstehen zum Beispiel durch energetische Sanierung des Altbauwohnungsbestandes (Wärmeisolierung bei Keller, Wänden, Dach und Fenster). Hinzu kommen muß die Erneuerung veralteter Heizungsanlagen.

Durch rechtsverbindliche Umsetzung der Altauto-Verordnung wäre nach Angaben der Recycling-Betriebe mit rund 30.000 Arbeitsplätzen im Recycling, in Anlagen zur Wiederverwendung und Wiederverwertung, Demontage usw. zu rechnen.

Bei der gezielten Nutzung der Photovoltaik und Windenergie, so eine Studie der Fraunhofer-Gesellschaft, erhalten insgesamt 30.000 Personen eine Arbeit.

Bei der rechtsverbindlichen Umsetzung einer breit angelegten Elektronik-Schrottverordnung würden sich laut IG Metall – je nach Firmenkonzept – bis 43.000 Arbeitsplätze schaffen lassen, bundesdurchschnittlich etwa 9.000 Arbeitsplätze allein im Demontagebereich.

Um die Luftverschmutzung, insbesondere in Ballungsräumen zu reduzieren, sind Rahmenbedingungen zu setzen, um fortschrittliche Technologien des „sauberen Antriebs„ zum Durchbruch und zur stärkeren Anwendung in der Praxis zu verhelfen. Beispiele sind: E-Mobil, Brennstoffzelle, Hybridauto, 3-Liter-Auto, Null-Liter-Auto (Preßluftantrieb), Erdgasantrieb, Wasserstoffantrieb. Dies schafft Arbeitsplätze im Bereich Forschung, Entwicklung und Produktion.

Notwendig ist die Förderung des Exports von Umwelttechnologien durch Setzung von Umweltstandards auf hohem Niveau in Europa sowie auf internationaler Ebene, durch bessere Erschließung und Nutzung für die produzierende Umwelttechnologieindustrie sowie Umweltdienstleister und durch befristete Markteinführungshilfen für fortschrittliche Umwelttechnologien sowie den Aufbau von Fachpersonal für Umwelttechnologieexport.

Notwendig ist auch, im Bereich Aus- und Weiterbildung den Umweltschutz angemessen zu berücksichtigen. Neben den neuen typischen Umweltberufen wie Ver- und Entsorger werden in den klassischen Berufen umweltbezogene Kenntnisse immer wichtiger. Deshalb sind Umweltschutz und soziale Kompetenz stärker in die Ausbildungsprogramme von Schulen, Berufsschulen, Fachhochschulen und Universitäten zu integrieren.

Dies sind nur einige von vielen Beispielen aus dem Maßnahmenpaket des DGB. Sie zeigen aber deutlich, wie Beschäftigungspolitik und Umweltpolitik Hand in Hand gehen können.

Die Frage, die sich stellt: Wie kommen wir im Bündnis für Arbeit und Umwelt letztlich voran? Werden zukünftig die Unternehmen tatsächlich die Stärkung der Eigenverantwortung im Umweltschutz ernst nehmen und alles freiwillig tun?

Mit Sorge beobachten wir den Kurswechsel der bei der grünen Partei von Bündnis 90/Die Grünen diskutiert wird. So war zumindest vor drei

[Seite der Druckausg.: 18 ]

Wochen im Handelsblatt nachzulesen, ich zitiere: „Mit einem Appell für mehr Deregulierung, Marktfreiheit und Liberalisierung streben die Grünen ein wirtschaftsfreundlicheres Profil an.„

Ich sage dazu: Nur die Starken können sich einen schwachen Staat leisten. Dies gilt im übertragenen Sinne auch für die Umwelt. Denn die Natur sitzt bei den Verhandlungen zwischen Kapital und Arbeit nicht mit an dem „runden Tisch„. Sie hat keine starke Lobby. Wer anders als der Staat soll sie vertreten? Die Staatszielbestimmung im Grundgesetz unterstreicht, daß der Staat sich nicht aus der Verantwortung stehlen kann. Ich denke, aus unserer Erfahrung brauchen wir heute eine aktive staatliche Umweltpolitik, wir brauchen mehr Umweltschutz, der geeignet ist, zum Motor für ökologische Modernisierung, Innovation, Investition und Beschäftigung zu werden.

Um die notwendigen Entscheidungen zu treffen und die Weichen für ein Bündnis für Arbeit und Umwelt richtig zu stellen, ist grundsätzlich folgendes zu beachten:

Selbst umweltengagierte Unternehmen, die sich die Stärkung der Eigenverantwortung im Umweltschutz auf das Panier geschrieben haben, beispielsweise Umweltmanagementsysteme eingeführt haben, werden auch zukünftig Erfolge nur in Bereichen erzielen können, in denen sich der Umweltschutz auch tatsächlich rechnet. Beispiele hierfür sind Energieeinsparung, Ressourcenschonung, Wassereinsparung und Abfallvermeidung.

In den Bereichen, in denen Umweltschutz betriebswirtschaftliche Kosten verursacht, sind die Unternehmen, auch umweltengagierte Unternehmen, überfordert, ein Eigeninteresse an mehr Umweltschutz zu entwickeln. Denn sie können nicht mehr Umweltschutz betreiben als ihre Mitwettbewerber, mit denen sie in Konkurrenz stehen. Deshalb muß der Staat die notwendigen umweltpolitischen Rahmenbedingungen setzen, deren Umsetzung garantieren und deren Einhaltung überwachen.

Der Beitrag, den heute umweltengagierte Unternehmen bereits leisten, ist gut. Für die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft brauchen wir aber den Beitrag aller Unternehmen, ich betone, aller Unternehmen. Deshalb brauchen wir auch wieder eine aktive staatliche Umweltpolitik, die den Unternehmen gleiche ökologische Wettbewerbsbedingungen sichert. Dabei müssen die erforderlichen Instrumente und Rahmenbedingungen für mehr Umweltschutz und Beschäftigung so gestaltet und eingesetzt werden, daß zukunftsfähige Produktion und Produkte auch ökonomisch belohnt und nicht bestraft werden.

Lassen sie mich dies an einem positiven und an einem negativen aktuellen Beispiel verdeutlichen:

Positiv: Die neue Energiesparverordnung, die am 1. Januar 2000 in Kraft tritt, verringert beim Niedrigenergiehaus den Energiebedarf um ein Viertel, fördert die Wärmerückgewinnungstechnologien und baut zukunftsfähige Beschäftigung auf.

Negativ: Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie (BWE) vom 15. Oktober 1999 führt die derzeitige Unklarheit über die erforderliche Neuregelung des Stromeinspeisegesetzes zu einem Investitionsstau in Höhe von 1

[Seite der Druckausg.: 19 ]

Milliarde DM in der „Windbranche„, die mit rund 20.000 Arbeitsplätzen zu einer der aufstrebenden Industrien in Deutschland gehört. Windenergieinvestoren stehen bereit, aber können nicht investieren, „Grüner Strom„ wird nicht produziert und zukunftsfähige Beschäftigung wird nicht aufgebaut.

Diese Beispiele zeigen, wie wichtig die Umweltgesetzgebung für das Anschieben von Umweltinvestitionen sowie „Umwelt und Beschäftigung„ sind.

Freiwillige Selbstverpflichtungen und Umweltmanagementsysteme sind ergänzend zum Ordnungsrecht nötig, sofern sie rechtsverbindlich konstruiert sind und sie nachweislich eine Umweltleistung des Unternehmens erbringen, die über die vom Gesetzgeber verlangten Anforderungen hinausgeht.

Das nationale Umweltrecht ist stärker am Vorsorgeprinzip zu orientieren und auf den aktuellen Stand der Technik hin zu überprüfen. Bei der Harmonisierung von Umweltvorschriften der Europäischen Union sollte der Stand der Technik die Grundlage bilden, um ökologische Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil deutscher Unternehmen in Europa zu vermeiden. Zusätzliche Anreize können den Unternehmen auch durch den Ausbau des Umwelthaftungsrechts gegeben werden. Ergänzend müssen auch Förderprogramme und förderpolitische Instrumente zum Einsatz kommen, die die ökologische Modernisierungs- und Innovationsstrategie unterstützen.

Alle Instrumente sind so auszuwählen und einzusetzen, daß sie die größtmögliche Effizienz im Hinblick auf Umwelt und Beschäftigung entwickeln. Eine ideologisch motivierte Instrumentendebatte hat sich als nicht zielführend herausgestellt.

Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft bedeutet aber auch, daß Betroffene zu Beteiligten werden müssen, um diesen Prozeß zu gestalten. Dies setzt eine Stärkung der Rechte der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften bei der Gestaltung der Umweltgesetzgebung bis hin zum Umweltschutz im Betrieb voraus. Informationsrechte, Qualifizierung und Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer sind daher auszubauen. Denn für die Gewerkschaften heißt in vielen Fällen, daß Umweltschutz gleichzeitig auch einen gewissen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer im Betrieb, aber auch den immissionsschutzrechtlichen Nachbarschaftsschutz sicherstellen muß.

Zu stärken und verbindlicher zu gestalten ist auch die umweltorientierte Unternehmensführung bis hin zur Einbeziehung des Innovationspotentials der Beschäftigten im Umweltschutz.

Die Regierung ist angetreten, die ökologische Modernisierung und die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze mit Hilfe einer sozial-ökologischen Reformstrategie umzusetzen. Deshalb braucht das Bündnis für Arbeit eine umweltpolitische Orientierung, damit das Bündnis zwischen Arbeit und Umwelt gelingt.

Das Bündnis für Arbeit und Umwelt könnte zu einem Erfolgsmodell der rot-grünen Bundesregierung werden. Dafür will der DGB die Unterstützung der Regierung, der Wirtschaft, der Umweltverbände und anderer gesellschaftlicher Gruppen gewinnen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

Previous Page TOC Next Page