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TEILDOKUMENT:

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Management Summary


  1. In den untersuchten Ländern – auch und gerade in den „liberalisiertesten„ Marktwirtschaften – wird der Weg in die Informationsgesellschaft von staatlichen Stellen und von NGO in erheblichem Maße koordiniert.

    • Finnland kann nach über fünf Jahren Laufzeit die umfassendste aller „best practices„ vorweisen, derzufolge ein Aktionsplan geeignet ist, in einer Zeit des Leidensdrucks alle wichtigen Akteure gleichsam mit einem „Ruck„ auf gemeinsame Wege zu bringen. Die koordinierende finnische Public-Private-Agentur TIEKE versteht sich vor allem als „Netzknoten„ der Dienstleistung für ihre Mitglieder und Partner. Sie arbeitet sehr eng mit Herstellern und Diensteanbietern der Telekommunikation und deren Verbänden zusammen, sie kooperiert mit der Wirtschaft, der Verwaltung, öffentlichen Agenturen, Kommunen, FuE-Einrichtungen sowie weiteren nationalen und internationalen Partnern.

    • In Irland stehen institutionell zwei miteinander kooperierende Instanzen im Zentrum der Aktivitäten: Erstens die im Mai 1997 von der Regierung berufene „Information Society Commission„ (ISC), der zehn Expertinnen und Experten aus Beratungsunternehmen, Gewerkschaften, der Informations- und Kommunikationsindustrie, der Wissenschaft sowie ein Vertreter des „Department of the Taoiseach„ (vergleichbar dem Kanzleramt) angehören. Die ISC verfügt über ein ständiges hauptamtliches Sekretariat unter der Leitung eines Kommissionsdirektors mit sechs Beratergruppen. ISC arbeitet unter der unmittelbaren Ägide des Regierungschefs und berichtet diesem direkt. Das zweite Gremium ist eine interministerielle Arbeitsgruppe, die gleichfalls unter der Leitung des irischen „Kanzleramts„ steht und in ihrer Arbeit von einem „Information Society Policy Development Team„ unterstützt wird.

    • In Großbritannien hat die Regierung Blair 1999 einen „e-minister„ mit zentraler Zuständigkeit für alle mit dem Thema „Informationsgesellschaft„ verbundenen Angelegenheiten ernannt, der die Regierungspolitik in den Feldern „e-commerce„ und „e-government„ und die Aktivitäten der einzelnen Ministerien und ihrer Abteilungen steuert. Es wurde mit direktem Draht zum Premier ein „e-envoy„ (Gesandter) bestellt, der in Whitehall mit einem zehnköpfigen Spezialistenteam die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen Staat und Gesellschaft forciert und eine PR-Offensive für „e-commerce„ und „e-government„ leitet. Beide zusammen berichten Tony Blair in monatlichem Turnus.

    • Spanien: Ein Hauptaugenmerk legt der Plan XXI (Januar 2000) auf die Koordinierung mit

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      vorhandenen Plänen, vor allem mit dem nationalen Plan für wissenschaftliche Forschung, Entwicklung und technologische Innovation. Es „erscheine jetzt die Notwendigkeit evident, die künftigen Vorhaben der Ministerien zu koordinieren, wobei noch über den besten Weg zur Erreichung der Synergie entschieden werden muss„. Die beiden Programme sollen zu einer „sehr engen Koordinierung„ führen.

    • Australien: Seit Verabschiedung des „Rahmenplans„ im Dezember 1998 hat die australische Regierung die meisten Absichtserklärungen in konkrete Aktivitäten umgesetzt. So wird derzeit – z.T. aus den Privatisierungserlösen der staatlichen Telefongesellschaft Telstra finanziert – mit dem Projekt „Networking the nation„ die Telekommunikationsinfrastruktur vor allem in ländlichen und abgelegenen Regionen des Staates breitbandig aufgerüstet. „Online Australia„ ist eine weitere staatliche Initiative, die auf „awareness raising„ abzielt und Bürger, Gemeinden und soziale Gruppen dabei unterstützen will, „online„ zu gehen. Mit der IuK-technischen Modernisierung der staatlichen Verwaltung ist mittlerweile das eigens dazu gegründete „Office for Government Online„ befasst, das sich zum Ziel gesetzt hat, alle staatlichen Dienstleistungen bis zum Jahr 2001 in elektronischer Form anbieten zu können.

  2. In Frankreich sind umfangreiche legislative Aufgaben für die gesamte Informationsgesellschaft im Sinne einer europäischen Vorreiterrolle voll im Umsetzungsprozess.

    • Als erstes Land der Welt packt Frankreich die Aufgabe an, ein umfassendes „Gesetz zur Informationsgesellschaft„ voranzubringen. Der Entwurf wurde in den beiden letzten Monaten des Jahres 1999 ins Netz gestellt, um Kommentierungen von jedermann zu ermöglichen. Das Gesetz versucht, einen umfassenden Rechtsrahmen zu schaffen, die einzelnen Abschnitte sind in der Diktion einer veritablen Verfassung formuliert.

    • Die französische Regierung stellt fest, dass das Aktionsprogramm PAGSI das breite Spektrum von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteuren in einem Bündnis zusammengebracht hat: lokale Organisationen, Sozialpartner, Verbände, Unternehmen, den Forschungsbereich und selbst „einzelne Privatleute„. Diese „Konzertierung„ wird mit einer Reihe von Berichten unterstrichen, mehrere Parteikongresse zur Innovation haben auf regionaler wie nationaler Ebene die Wichtigkeit des Themas unterstrichen. Auch bei der Internetpolitik leistet der französische Staat Vorbildliches. Ein gutes Dutzend Abgeordnete der Nationalversammlung bringt nahezu im Wochentakt Initiativen und Gesetzesvorlagen ein, staatlich ernannte „Berichterstatter„ (Missionschefs) legen Umsetzungspapiere vor. Diese Aktivitäten werden über das Web unmittelbar kommuniziert, und es wird aktuell über den jeweiligen Vorstoß informiert.

  3. Die Informationsgesellschaft wird in den meisten Ländern als große Herausforderung und Chance für die Kultur begriffen.

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    • Eine Aktionslinie des Plan XXI in Spanien strebt ab 2003 eine verstärkte Kulturarbeit an. Angekündigt wird dies mit dem Aktivziel „spanische Kultur bis in den letzten Winkel der Welt„. Dafür wird auch das weltweit tätige Institut Cervantes verstärkt eingesetzt. Ein vordringliches Ziel ist die Erhöhung der spanischen Webseiten, aber auch der Kulturtourismus und nicht zuletzt die Unterstützung der spanischen „Zweitsprachler in Ländern wie Brasilien und einigen Staaten der USA„. In der heutigen Welt gebe es 21 voll spanischsprachige Länder, die ihre Alltagssprache „verteidigen und entwickeln„.

    • Die „Kultur und die Inhalte„ werden auch in Frankreich mit wichtigen Projekten adressiert. Sie reichen von neuen Hilfsmitteln und Programmen für das Multimedia-Editing über die Ausstattung der Bibliotheken im ländlichen Raum bis hin zu einem Fonds, der Frankreichs Präsenz in den frankophonen Ländern sichert.

  4. In föderal verfassten Ländern kommt dem Engagement der Regierungsspitze eine besonders hohe Bedeutung zu.

    • In Italien wurde zur Koordinierung der Aktivitäten der Gebietskörperschaften im April 1999 auf einer großen Regierungskonferenz mit den Regionen, Provinzen und Kommunen beschlossen, gemeinsam aktiv bei der Initiative für die Informationsgesellschaft mitzuwirken. Übereinkunft wurde erzielt, dass sich die Informationsgesellschaft vor allem auf lokalem Niveau entwickeln müsse. Die Präsidenten der Regionen, der Union der Provinzen und des nationalen Verbandes der italienischen Kommunen drückten ihre Befriedigung darüber aus, dass der Regierungschef diese „maximale Beteiligung„ ermöglicht habe.

  5. Die Vorreiter haben bereits die zweite Stufe des Wegs zur Informationsgesellschaft erreicht und investieren jetzt mit großem Aufwand für die Überwindung des „Digital Divide„.

    • Die Diskussion in den USA hat sich seit 1998 signifikant verlagert. Waren 1993 noch die Gedanken und Aktionen rund um den Begriff des Data Highway, der National Information Infrastructure bis hin zur Global Information Infrastructure der G7-Staaten geprägt, so hat sich jetzt aufgrund des in Studien festgestellten „Digital Divide„ ein Paradigmenwechsel angebahnt. Für einige Jahre hatten die USA mehr oder weniger offen eine IT-Strategie auf das obere Drittel der Bevölkerung („user„) hin verfolgt und die zwei Drittel minder qualifizierten (bzw. zu qualifizierenden) Bürger („loser„) aus den Augen verloren. Die statistischen Zahlen nach fünf Jahren Vernetzungsaktion waren deutlich: signifikante Rückstände bei allen nur denkbaren ethnischen, sozialen und Handicap-Gruppen, ein krasses Stadt-Land-Gefälle und nicht zuletzt ein sattes „Gender-Problem„. Das Memorandum des Präsidenten vom 17.12.1999 zeigt, dass die USA einen zeitlichen Erfahrungsvorsprung von einigen Jahren mit einer Fülle von Experimenten haben. Diese Lektionen der Praxis können und sollten anderswo als Vorbild dienen, man muss diese Erfahrungen nicht zwingend nochmals machen. Es zeigt es sich aber auch, dass der

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      amerikanische Pionierweg des „muddling through„ anderen Ländern bei den Applikationen die Chance für ein Aufholen bietet.

    • Die USA sind bei ihrer ungestümen Internetstrategie nicht nur auf den „Digital Divide„ gestoßen, sondern haben auch bemerkt, dass zu einer Implementierung von „electronic government„ doch eine ganze Menge Vorausüberlegung (in europäischer Diktion: Gestaltung) gehört. Die Amerikaner fassen jetzt Dinge ins Auge, von denen die Nichtamerikaner dachten, allein deren Erwähnung sei unamerikanisch und damit innovationsfeindlich: Standards für Webportale, Digitale Signaturen, vertrauenswürdige Kommunikation und vieles anderes mehr, was in Europa längst Teil sogar der aus dem akademischen Bereich stammenden Konzeptionen ist. In europäischen Papieren zur „elektronischen Verwaltung„, aber auch schon in Pilot-Realisierungen wird nirgends versucht, jeder Behörde eine eigene Zugangsseite für Bürgerdienste einzurichten, sondern man konzentriert sich von vornherein auf den „Lebenslagen-Ansatz„.

  6. Entwicklungs- und Schwellenländer sehen in ihren Aktionsprogrammen große Chancen für den Aufstieg im globalen Wettlauf.

    • In Chile ist ein Ergebnis einer 18-monatigen Umsetzungskampagne des Berichts an den Präsidenten der Aufbau und die Ausstattung eines Verwaltungsportals unter der Bezeichnung „Modernisierung-Chile„. Hier werden nicht nur der Zugang zu Bürgerservices (nach dem Lebenslagen-Ansatz) geboten, sondern auch Mailinglisten, Newsletters und alle wichtigen Informationen rund um die Verwaltungsmodernisierung. Chile veranstaltet jährliche Wettbewerbe mit der Auszeichnung besonders innovativer Kommunen, bei denen die Preise vom Staatspräsidenten überreicht werden.

    • In Südafrika wird angestrebt, dass e-commerce nicht zu einer Vertiefung der Ungleichheit in der südafrikanischen Gesellschaft führt, sondern zu deren Abbau: „Die Ziele einer Verbesserung der Lebensqualität und des wirtschaftlichen Wachstums sind untrennbar verbunden mit den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit. Wir können von daher das wichtigste strategische Ziel unserer Politik zur Förderung des e-commerce mit dem Konzept einer sozial gerechten Entwicklung für alle Bürger umschreiben.„ Dies sei ein Aspekt, der in der internationalen Debatte um den elektronischen Handel, die vornehmlich von den USA und Europa aus bestimmt werde, ansonsten kaum erwähnt werde. Der Erfolg beruhe im Kern auf zwei Faktoren: der aktiven Partizipation aller „stakeholder„ und der strategischen Führung seitens der politischen Spitze.

  7. Die Anstöße der EU haben in den letzten fünf Jahren eindeutig aktivierend gewirkt, es sollten jetzt auch die ständigen Impulse und „best practices„ der Vorreiter aus Skandinavien anderswo aufgegriffen werden.

    • Die Geschwindigkeit der Entwicklung wird in Europa durch Schweden vorgegeben, das sich in den letzten drei Jahren hinsichtlich der PC-Anschlussdichte nach vorn katapultiert hat. Dass Schweden den in Deutschland erstmals formulierten Gedanken, die PC-Dichte durch steuerunschädliche Überlassung von PC an die Mitarbeiter der Wirtschaftsunternehmen zu erhöhen, bereits seit 1998 umgesetzt hat, macht nach Meinung der Financial Times die Extraklasse der Stockholmer Staatsmodernisierer aus. In den USA wird dies inzwischen von Firmen wie GM oder Delta Airlines ebenfalls praktiziert. In Skandinavien sind manche Entwicklungen, über die anderswo noch nachgedacht wird, nach langen Jahren der Erfahrung schon implementiert bzw. gedanklich abgeschlossen.

    • Die EU-Kommission hat im Dezember 1999 mit dem Aktionsprogramm „eEurope„ die Initiative wieder an sich gezogen, eine neue Schlagzahl für die Mitgliedstaaten vorgegeben und vor allem einige „Nachzügler„ im europäischen Geleitzug unter Handlungsdruck gesetzt. Der Weg in die Informationsgesellschaft entwickelt sich in Europa zu einem Kristallisationskern für Kohäsion, besonders bei den Beitrittskandidaten. Die Brüsseler Akteure haben jedoch erkannt, dass die Informationsgesellschaft noch längst kein Selbstläufer ist und Europa im „Wettlauf„ zwar gut im Rennen liegt, aber im Vergleich zu den USA noch im Hintertreffen ist. Daraus ergibt sich politischer „Handlungsbedarf„, was für die EU-Länder aber nicht heißt, zurück zu den alten Strukturen der Staatsbürokratien zu schauen.

[Seite der Druckausg.: 12 = Leerseite ]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 2000

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