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TEILDOKUMENT:




Fünf Politikansätze zur Stärkung des Standort D

Politikansatz 1:

Unternehmen kostenmäßig entlasten

Zugehörige Politiken:

  • geringere Unternehmenssteuern,

  • Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung reduzieren (z.B. in höherem Maße aus Steueraufkommen finanzieren),

  • weniger kostenträchtige soziale Auflagen,

  • weniger kostenträchtige Umweltauflagen,

  • Steuerstruktur, die die finanzielle Anpassungsfähigkeit der Unternehmen bei schlechter Ertragslage stärkt und damit das Risiko einer Investition am Standort D senkt,

  • Lockerung der sozialen Auflagen, die die Flexibilität der Unternehmen einengen (Entlassungsschutz),

  • Drängen auf maßvolle Tarifabschlüsse.

Was kann der Politikansatz bewirken, was nicht?

  1. Auf den international umkämpften Märkten (Exportmärkte und heimischer Markt) verbessern sich die Chancen deutscher Produkte und die Gewinne der am Standort D produzierenden Unternehmen, sofern und solange die Wechselkursdynamik die erzielten Kostenvorteile nicht wieder zunichte macht. Letzteres hängt u.a. davon ab, ob die durch Kostendämpfung evtl. erzielten Leistungsbilanzverbesserungen mit dem gesamtwirtschaftlichen Sparverhalten und dem Bedarf an Kapitalimporten vereinbar sind.

  2. Die Neigung deutscher und ausländischer Unternehmen, am Standort D zu produzieren (und entsprechende Produktionsanlagen zu errichten), erhöht sich, sofern die erreichten Kostenvorteile als dauerhaft eingeschätzt werden und in dem Maße wie sie für Standortentscheidungen von Relevanz sind. Verbesserungen in den Kostenstrukturen dürften dabei eher als dauerhaft angesehen werden als reine Absenkungen der Kostenniveaus.

  3. Die Chancen, auf den international umkämpften Märkten Produktivitäts-, Qualitäts- oder Innovativitäts-prämien zu verdienen (und somit hohe Löhne, hohe Abgaben an das Gemeinwesen, geringe Umweltbelastung etc. zu ermöglichen), bleiben unberührt.

Politikansatz 2:

Spielraum für Unternehmen erweitern - und verringern

Zugehörige Politiken:

  • weniger restriktive Investitions- und Produktionsauflagen (Genehmigungszeiten, Verbote im gentechnischen Bereich),

  • flexiblere Arbeitsmarktregelungen (und ggfs. Absicherung der Arbeitnehmer außerhalb der Untemehmensebene),

  • mehr Wettbewerbsdruck (Aufbrechen von monopolartigen Lieferbeziehungen, insbesondere zur öffentlichen Hand),

  • Anpassungen im Unternehmensrecht, die die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats stärken.

Was kann der Politikansatz bewirken, was nicht?

  1. Für am Standort D ansässige Unternehmen wird es leichter, Marktchancen wahrzunehmen.

  2. Die Neigung deutscher und ausländischer Unternehmen, am Standort D zu produzieren und investieren, steigt.

  3. Beides weitet tendenziell den Bereich aus, der auf den international umkämpften Märkten Produktivitäts-, Qualitäts- oder Innovativitätsprämien abwirft. Dies wird aber evtl. erkauft durch Verzichtsleistungen (etwa in bezug auf Sicherheit oder Umweltqualität).

  4. Für am Standort D ansässige Unternehmen wird es leichter, betriebliche Abläufe effizient zu organisieren.

  5. Stärkerer (und rechtzeitig fühlbarer) Wettbewerbsdruck wirkt der Sklerosetendenz aller Organisationen und geschlossenen Systeme entgegen. Er zwingt Unternehmen, Ineffizienzen auszumerzen und in bezug auf Produktqualität, Service etc. internationale Standards nicht zu unterschreiten.

  6. Während die Richtung der Wirkung klar ist, bleibt ihre Stärke zweifelhaft (wie hoch ist z.B. der Stellenwert bestimmter Regelungen im durchschnittlichen unternehmerischen Investitionskalkül?).

Politikansatz 3:

Vorleistungen des Standorts optimieren

Zugehörige Politiken:

  • physische Infrastruktur (heute insbesondere Kommunikationsnetze) ständig modernisieren;

  • sicherstellen, daß den Unternehmen für alle Tätigkeitsbereiche hervorragend qualifizierte Arbeitskräfte (Humankapital) zur Verfügung stehen;

  • öffentliche und öffentlich subventionierte Produktion Weltmarkt-relevanten technologischen Wissens ausweiten.

Was kann der Politikansatz bewirken, was nicht?

  1. Beschaffungs-, Vermarktungs-, Kommunikations-, Ausbildungs- und evtl. F&E-Kosten werden für Unternehmen niedrig gehalten. Dies kommt ihrer preislichen Wettbewerbsfähigkeit zugute.

  2. Die Voraussetzungen für hohe Produktivität verbessern sich. Auch dies stärkt ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit und erhöht die Aussicht auf eine Produktivitätsrente in Form von hohen Löhnen, hohen Abgaben an das Gemeinwesen, geschonte Umwelt etc.

  3. Verbessert werden auch die Voraussetzungen für qualitativ anspruchsvolle Produktion, die der Markt mit einer hohen Qualitäts- und Innovativitätsprämie belohnt.

  4. Die Neigung deutscher und ausländischer Unternehmen, am Standort D zu produzieren und investieren, steigt.

  5. Der Politikansatz kann allein freilich weder hohe Produktivität noch hohe Innovativität noch die zugehörigen Marktprämien sichern. Denn all dies hängt von mehr als von den Vorleistungen des Standorts ab.

  6. Optimale Vorleistungen des Standorts schützen nicht gegen die Folgen von Überteuerung.

Politikansatz 4:

Institutionelles und soziales Umfeld optimieren

Zugehörige Politiken:

  • institutionalisierte Versorgung mittelständischer Unternehmen mit technologischer und marktbezogener Information verbessern,

  • regionale Netzwerke von Unternehmen, Institutionen der Wirtschaftsförderung, Bildungseinrichtungen u.a. schaffen bzw. stärken und gegen innovativitätsfeindliche Abkapselungstendenzen schützen,

  • institutionalisierten Dialog zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Staat erhalten und stärken,

  • Strukturen der Interessenvertretung stärken, die konstruktive Kompromißlösungen begünstigen,

  • Verteilungsstrukturen sichern, die die Einbindung der Arbeitnehmer in das Wirtschaftssystem festigen und gleichzeitig ein hinreichendes Maß an Leistungsdruck aufrechterhalten,

  • alternativ dazu: Arbeitnehmermacht schwächen, um Disziplinierung zu erleichtern (Modell USA/ UK),

  • wirtschaftsfreundliches Grundklima des öffentlichen Diskurses pflegen.

Was kann der Politikansatz bewirken, was nicht?

  1. Ein erhöhter Fluß an relevanter Information stärkt die Leistungsfähigkeit vor allem kleinerer Unternehmen. Dies erhöht ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit sowohl in preislicher als auch in qualitativer Hinsicht. Von der Leistungsstärke der mittelständischen Zulieferer profitieren auch die Großunternehmen am Standort D

  2. Das gleiche gilt für Synergien, die durch Kooperation zwischen Unternehmen entstehen.

  3. Sozialer Friede und hochmotivierte Arbeitskräfte tragen generell zu hoher Produktivität und somit zur preislichen Wettbewerbsfähigkeit der am Standort D tätigen Unternehmen bei.

  4. Die Neigung deutscher und ausländischer Unternehmen, am Standort D zu produzieren, insbesondere qualitativ anspruchsvolle Tätigkeiten vorzunehmen (und die entsprechenden Kapazitäten zu errichten), steigt.

  5. Die Institutionalisierung eines kompromißorientierten Sozialdialogs schützt weitgehend gegen exzessive Arbeitskosten.

  6. Optimierung des sozialen Umfeldes kann Defizite in den Bereichen Regulierung, Infrastruktur, Humankapital und Unternehmensorganisation nicht kompensieren, erhöht aber die Chancen zu ihrer Thematisierung und Beseitigung.

Politikansatz 5:

Gezielte Einflußnahme auf Unternehmensstrategien

Zugehörige Politiken:

  • Selektive Förderung von Wirtschaftszweigen, Produktentwicklungen und Produktionsverfahren,

  • Setzen von Umwelt-, Verbrauchs-, Sicherheits- und anderen für Unternehmen verbindlichen Leistungsstandards,

  • „industriepolitischer Dialog" zwischen Staat und Wirtschaft (incl. Arbeitnehmerschaft) zur Festlegung strategischer Prioritäten - ohne Verbindlichkeit, aber dennoch von Orientierungswert.

Was kann der Politikansatz bewirken, was nicht?

  1. Unternehmen werden - in Abweichung von ihren eigenen Tendenzen - veranlaßt, ihre Prioritäten auf diejenigen Märkte hin zu orientieren, in denen in Zukunft besonders umfangreiche Innovativitätsprämien anfallen. Dadurch wird die Entwicklung besonders gut im Markt liegender Industriestrukturen begünstigt. Fragliche Voraussetzung ist freilich, daß kollektive oder öffentliche Prozesse der Prognosefindung längerfristige Marktentwicklungen treffsicherer erfassen bzw. das unternehmerische Verhalten nachhaltiger bestimmen.

  2. Unternehmen werden veranlaßt, sich rechtzeitig von Produktlinien und Produktionsverfahren zu trennen, die in Zukunft an Marktfähigkeit verlieren. Hier gilt das gleiche Caveat wie unter Ziffer 1.

  3. Durch staatliche Vorgaben oder staatliche Programme können frühzeitig Märkte geschaffen werden, auf denen deutsche Unternehmen sich auf später ohnehin eintretende Marktentwicklungen vorbereiten und einen Vorsprung vor der internationalen Konkurrenz erlangen können (Beispiele: Umweltschutz, Verkehrsleitsysteme).

  4. Gegebenenfalls wird die Entwicklung internationaler Märkte selbst dahingehend beeinflußt, daß sie den Stärken der deutschen Unternehmen entgegenkommen (wenn es z.B. gelingt, internationale Standards zu setzen).

  5. Industriepolitische Zielvorstellungen mögen zwar Bemühungen zur Verbesserung der allgemeinen Standortbedingungen begünstigen, aber sie ersetzen sie nicht.

  6. Die Gefahr ist nicht auszuschließen, daß staatliche Industriepolitik an den Marktrealitäten vorbeigeht und wettbewerbsschwache Strukturen erzeugt oder subventionsabhängige Pseudowettbewerbsfähigkeit schafft.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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