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Der Standort D und die D-Mark: Positionen und Argumente

Position 1:

Der hohe Wert der DM gefährdet die preisliche Wettbewerbsfähigkeit vieler deutscher Produkte. Die Ursache ist die hohe Verschuldung, in die der Staat aufgrund der deutschen Vereinigung geschlittert ist.

Die mit der Vereinigung praktisch unumgänglichen Transferleistungen nach Ostdeutschland wurden weitgehend über eine massive Neuverschuldung des Staates auf dem Kapitalmarkt finanziert. Ergebnis war eine Steigerung des Zinsniveaus, die Deutschland für ausländische Anleger attraktiver machte. Die Nachfrage nach DM stieg, und damit auch ihr Wert.

Bis 1992 war der Außenwert der DM durch das Europäische Währungssystem (EWS) gegenüber den Währungen der EG stabil, der Aufwertungsdruck der DM kam nur gegenüber den USA und dem Dollar-Raum sowie gegenüber Japan zum Ausdruck. Nach dem Zusammenbruch des EWS im Jahre 1993 hingegen stieg der Außenwert der DM gegenüber den europäischen Partnerländern, und zwar um rund 12%. Gegenüber dem Dollar und dem Yen fiel er wieder.

Das Aufwertungsproblem kann langfristig nur durch eine Haushaltskonsolidierung und die damit verbundene Entschärfung des Konflikts zwischen Fiskal- und Geldpolitik gelöst werden. Die Transferleistungen nach Ostdeutschland müßten entweder solide über Steuern finanziert oder gewaltig gekürzt werden. Ersteres bedeutet Steuererhöhung oder Ausgabenkürzungen auf anderen Gebieten. An eine Verminderung der Transferleistungen läßt sich wohl nur dann denken, wenn ein Wirtschaftsaufschwung im Osten den Transferbedarf senkt.

Illusorisch wäre es, die Stärke der DM durch betonte Zurückhaltung an der Lohnfront kompensieren zu wollen. Solange der Zufluß ausländischen Kapitals nicht nachläßt, würde die erhöhte preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte den Druck auf die DM nur noch weiter erhöhen.

Fazit Staatshaushalt konsolidieren!

Position 2:

Die Höherbewertung der DM in den letzten Jahren hat die deutsche Standortschwäche nur ans Licht gebracht. Zuvor war sie von der stets leicht unterbewerteten DM verdeckt.

Die Tatsache, daß die deutsche Inflationsrate über viele Jahre hinweg unter dem Durchschnitt der Industrieländer lag, führte zu einer schleichenden realen Aufwertung der

Konkurrenzwährungen, deren Wechselkurse nicht im gleichen Rhythmus wie die Inflationsdifferenz angepaßt wurden. Hinzu kam in der ersten Hälfte der 80er die gewaltige Aufwertung des Dollars und der an ihn gebundenen Währungen infolge der riesigen Kapitalnachfrage des amerikanischen Staates. Dies alles gab vielen deutschen Produkten eine Wettbewerbschance, die sie eigentlich nicht „verdient" hatten. Die Kosten am Standort D wurden im internationalen Vergleich künstlich niedrig gehalten. Jetzt, wo die Zeit der unterbewerteten DM zu Ende ist, zeigt sich, daß ohne diese „Währungsprotektion" viele Wirtschaftszweige in Schwierigkeiten geraten.

Fazit: Nicht von dem Scheinproblem der DM-Stärke ablenken lassen! Statt dessen die eigentlichen Schwächen des Standort D anvisieren!

Position 3:

Die Unterbewertung der DM in den 80er Jahren und die damit einhergehenden Leistungsbilanzüberschüsse haben die deutsche Standortschwäche nicht nur verdeckt. Sie waren paradoxerweise eine Folge dieser Schwäche.

Dieser Zusammenhang ist jetzt durch die einigungsbedingte Aufwertung der DM überlagert worden.

Weil es am Standort D relativ wenig lohnende Investitionschancen gab, wurde viel Kapital im Ausland angelegt. Die DM wurde dadurch unter ständigen Verkaufsdruck gesetzt, was ihren Wert gegenüber anderen Währungen niedrig hielt. Davon profitierte natürlich die deutsche Industrie. Der sich ergebende Leistungsbilanzüberschuß spiegelte die Tatsache wider, daß ein beträchtlicher Teil der deutschen Ersparnisse nicht im Lande investiert, sondern der ausländischen Nachfrage als Kaufkraft zur Verfügung gestellt wurde. Also beileibe kein Zeichen für besondere Wettbewerbsfähigkeit, sondern schlichtweg für einen nationalen Sparüberschuß - bedingt durch Investitionszurückhaltung!

Die massive Aufwertung der DM in den letzten Jahren bedeutet nicht, daß die Investitionsschwäche überwunden ist. Wohl gibt es heute einen Nettokapitalzufluß nach Deutschland - aber nicht in Form erhöhter Direktinvestitionen. Vordem floß ein Teil der deutschen Ersparnisse ins Ausland, anstatt zu Hause investiert zu werden. Heute fließen ausländische Ersparnisse nach Deutschland, um hier den gestiegenen öffentlichen Konsum (in erster Linie Transferzahlungen nach Ostdeutschland) mitzufinanzieren.

Fazit: wie Position 2

Position 4:

Auch ohne die vereinigungsbedingten Schwierigkeiten wird der Standort D in Zukunft mit einer stärkeren DM leben müssen. Denn die D-Mark wird in zunehmendem Maße als internationale Reservewährung nachgefragt.

Diese Rolle ist der DM aufgrund des schieren Gewichtes der deutschen Volkswirtschaft in Verbindung mit der im internationalen Vergleich beeindruckenden - sozusagen in der wirtschaftspolitischen Kultur des Landes verankerten - Preisstabilität zugefallen. Man kann sie nur dadurch wieder loswerden, daß man das weltweite Vertrauen in die deutsche Wirtschaftspolitik nachhaltig zerstört - keine attraktive Option.

Fazit: Wie immer es um die Stärke des Standort D steht, über den Wechselkurs läßt sie sich nicht verbessern.

Position 5:

Die riesigen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse der 80er Jahre waren auf die Dauer weder haltbar noch wünschenswert. Ihr lang fälliger Abbau geht notgedrungen mit einer DM-Aufwertung und einer verschlechterten preislichen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte einher.

Länder mit großen Exportüberschüssen, wie seit vielen Jahren Japan und eben in den 80ern auch Deutschland, geben dem Rest der Welt gleichsam negative Wachstumsimpulse; denn sie halten Nachfrage zurück. Zwar stellen sie dem Ausland Nachfragekraft zur Verfügung, aber um den Preis der Verschuldung oder der Entäußerung nationalen Vermögens. Wie gut oder schlecht das in einer gegebenen weltwirtschaftlichen Situation ist, hängt von der Gesamtkonjunkturlage und der Durchhaltbarkeit der sich aufbauenden Verschuldungspositionen ab. Die Fortsetzung des Musters der 80er Jahre, daß die USA ständig gewaltige deutsche und japanische Sparüberschüsse absorbieren, war kaum wünschenswert.

Der Abbau der hohen deutschen Sparüberschüsse wurde durch die plötzliche Ausweitung der staatlichen Kreditnachfrage im Gefolge der Vereinigung fast schockartig herbeigeführt. Aber er wäre auf Dauer ohnehin fällig gewesen. Damit sich der Ausgleich auch im Handel mit Gütern und Dienstleistungen herstellt, muß die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte nachlassen, diejenige ausländischer Substitute muß steigen. Es muß zu einer gewissen Auslese unter den deutschen „tradables" (international gehandelten Produkten) kommen.
Ein Weg dorthin führt über die Verteuerung der DM, die sich ja sowieso aus der erhöhten Nachfrage nach dieser Währung auf dem Kapitalmarkt ergibt.

Erfolgreiche Versuche, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produkte insgesamt zu verbessern, würden in dieser Lage den Normalisierungsprozeß konterkarieren. Wahrscheinlich würden sie den Aufwertungsdruck verstärken.

Fazit: Kein Handlungsbedarf in bezug auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Standort D!


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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