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TEILDOKUMENT:




Wie relevant ist der Vergleich der Direktinvestitionen? Positionen und Argumente

Position 1:

International disponierende Unternehmen sehen Deutschland heute als relativ unattraktiven Produktionsstandort an.

Seit 1981 ist Deutschland gegenüber dem Ausland in einer Netto-Gläubigerposition, d.h. es existieren mehr deutsche Kapitalanlagen im Ausland als ausländische in Deutschland. Dies bezieht sich auf unterschiedliche Anlageformen, u.a. Direktinvestitionen. In den 80er Jahren war der Abfluß, d.h. deutsche Investitionen im Ausland, weit höher als der Zufluß, d.h. ausländische Direktinvestitionen in Deutschland.

Dieser Tatbestand muß als Alarmzeichen gewertet werden, zumal Deutschland auch in anderen Vergleichen schlecht abschneidet. Z.B. zieht der Standort D nur einen kleinen Teil der japanischen Direktinvestitionen in Europa auf sich. Andere Länder bekommen wesentlich mehr ab.


Position 2:

Ein negativer Saldo der Direktinvestitionen ist kein eindeutiges Zeichen für Standortschwäche.

Der Zusammenhang zwischen Investitionszuflüssen, Investitionsabflüssen und Standortqualität ist nicht eindeutig. Japan zum Beispiel hat sehr geringe Zuflüsse, aber sehr hohe Abflüsse. Kaum jemand kommt es in den Sinn, dies als Zeichen für die schlechte Qualität des Standorts Japan zu deuten. Es gibt andere Gründe für negative Direktinvestitions-Salden.

Nachholbedarf für deutsche Auslandsinvestitionen: Von jeher war das wichtigste Motiv für Auslandsinvestitionen die Sicherung des Marktzugangs. Nachhaltiger Erfolg auf den Weltmärkten erfordert Präsenz auch außerhalb des Ursprungsstandortes. Für den hohen Nettoabfluß aus Deutschland spielt eine wichtige Rolle, daß die deutsche Wirtschaft selbst heute noch einen vergleichsweise geringen Bestand an Investitionen im Ausland aufweist. Gemessen an den Gesamtinvestitionen blieb die Auslandsinvestition lange gering. Die hohen Investitionen im Ausland während der 80er Jahre waren daher teilweise einem Nachholeffekt geschuldet, bei dem deutsche Unternehmen ihre Präsenz auf ausländischen Märkten auf ein angemessenes Maß zu steigern versuchten.
Die insgesamt vergleichsweise geringe Präsenz der deutschen Industrie im Ausland hängt unter anderem mit ihrer mittelständischen Struktur zusammen. Während es für Großunternehmen wie Bayer, Siemens oder Volkswagen selbstverständlich ist, global mit Fertigungsstätten oder zumindest Vertretungen präsent zu sein, steht ein mittelständischer Maschinenbaubetrieb oder Pharmahersteller vor hohen Hürden, denn seine Managementkapazität reicht dafür oft nicht aus. Die Frage ist hier weniger, wie die Abwanderung deutscher Unternehmen gestoppt, als vielmehr, wie ihre globale Präsenz gestärkt werden kann - auch durch Direktinvestitionen im Ausland.

Erschwerter Zugriff für ausländische Firmenaufkäufer: Weiterhin ist in Rechnung zu stellen, daß ein beträchtlicher Teil internationaler Investitionen dem Aufkauf lokaler Firmen dient. Deutschland aber hat „Beutezüge" des Finanzkapitals im Unternehmensbestand notorisch schwerer gemacht als andere Länder - nicht zuletzt unter Zutun der deutschen Großbanken als heimliche „Gesamtkoordinatoren" der deutschen Industrie.

Auslandsinvestitionen zum Ausgleich von Leistungsbilanzüberschüssen: Ein Land, das - wie Deutschland - meist Überschüsse in der Leistungsbilanz aufweist, muß diese ausgleichen. Direktinvestitionen sind eine Art, dies zu tun. In den 70er Jahren wurde diesbezüglich argumentiert, Deutschland brauche seine Leistungsbilanzüberschüsse, um der Dritten Welt Kapital (u.a. in Form von Direktinvestitionen) zur Verfügung stellen zu können. Damals also keine Spur von Standortpessimismus wegen Netto-Kapitalexporten!

Position 3:

Es kommt nicht auf den Saldo der Direktinvestitionen an, sondern auf das Volumen der produktiven Investition im Inland.

Der Saldo der Direktinvestitionen ist als Indikator für die Attraktivität eines nationalen Wirtschaftsstandortes nicht verläßlich. Ein Nettoabfluß kann Anzeichen für eine expansive, international ausgreifende Phase der nationalen Unternehmensentwicklung sein. Er kann aber auch einen Mangel an lohnenden Investitionsgelegenheiten im Inland anzeigen. Aussagekräftiger als der Saldo von Zu- und Abflüssen ist das Volumen der Bildung von Produktivkapital im Inland, wobei der internationale Vergleich als Meßlatte dienen kann. Von diesem Indikator kann für Deutschland keine Standortschwäche abgelesen werden. Deutschland fällt zwar heute im Club der Industrieländer nicht mehr, wie früher, durch besonders hohe Investitionsquoten auf (Japan tut dies immer noch), aber es liegt gut im Mittelfeld und zeigt bessere Werte als der Dauernachzügler bei Investitionsvergleichen: USA.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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