FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




Die Logik des Wohnungsmarktes und der Eingriffe in ihn



Page Top

Die Logik des Wohnungsmarktes

Der sich selbst überlassene Markt für die Bereitstellung von Wohnungen zum Verkauf bzw. zur Miete wird informiert von

  • den Kosten der Erstellung von Wohnungen unterschiedlicher Größe und Qualität,

  • der für Wohnzwecke bereitgestellten Bodenfläche,

  • der Verteilung der Nachfragekraft unter den Haushalten,

  • den Nachfragepräferenzen der Haushalte (beeinflußt u.a. durch die Art der Haushalte).

Differenziertes Angebot:Darf der Markt frei von jeglichen Restriktionen wirken, sollte man erwarten, daß Wohnungen für alle angeboten werden. Aber das Angebot wird stark differenziert sein. Größe, Bau- und Ausstattungsqualität sowie die Qualität der Wohnlage werden sich zwischen den Einkommensschichten unterscheiden. Sofern es den Nachfragepräferenzen entspricht, wird eine „angemessene" Wohnungsgröße gegebenenfalls zu Lasten der Qualität und der Wohnlage erreicht. Außerdem ist zu erwarten, daß eine markante räumliche Trennung zwischen „gehobenen" und „minderwertigen" Wohnquartieren entsteht (Herausbildung reiner Armen viertel).

Preissockel: Staatliche Auflagen hinsichtlich der Bebaubarkeit von Bodenfläche und hinsichtlich der Qualität von Wohnbauten führen dazu, daß ein bestimmter Mindest-Quadratmeterpreis nicht unterschritten werden kann. Haushalte mit geringer Nachfragekraft können von da ab nur noch Abstriche bei der Größe der Wohnung machen. Die Tendenz zur räumlichen Trennung zwischen den Einkommensklassen bleibt bestehen.

Investitionssignale: Wohnungsnot induziert Wohnungsneubau, soweit sie sich in Nachfrage umsetzt und damit Preissignale aussendet. Sofern sich Haushalte mangels Nachfragekraft nur „ungenügenden" Wohnraum leisten können, wird dies keine Angebotsreaktion auslösen. Die Preissignale, die Investition in zusätzliche Wohnungen auslösen, stellen sich für die Wohnungs- und Grundeigentümer als Knappheitsrenten dar. Sie haben so lange Bestand, wie eine Diskrepanz zwischen effektiv nachgefragtem (nicht lediglich „benötigtem") und angebotenem Wohnraum besteht. Ein derartiges Marktungleichgewicht dauert mindestens so lange, bis die neuen Bauten geplant, das Terrain erschlossen und die Gebäude errichtet sind. Durch neu entstehende Nachfrage, etwa aufgrund wachsender Bevölkerung, zunehmender Einkommen oder der Tendenz zu separaten Individual-Haushalten, wird das Ungleichgewicht immer wieder neu gebildet.

Motiv Geldanlage: Investoren reagieren jedoch nicht nur auf beobachtbare Preissignale, sie antizipieren auch Nachfrageentwicklungen. Dabei kommt ins Spiel, daß die Bereitstellung von Mietwohnungen für die Investoren nicht nur eine Erwerbstätigkeit, wie etwa die Bereitstellung von Getränkeautomaten, darstellt, sondern auch eine wertsichernde und -steigernde Geldanlage. Dieses Motiv führt u.a. dazu, daß die Rendite, die eine Bauinvestition in Form von Mieteinnahmen erbringt, beträchtlich niedriger sein kann als die Rendite anderer Kapitalanlagen, ohne daß der Wohnungsbau darunter leidet. Dennoch steht der Wohnungsbau natürlich grundsätzlich in Konkurrenz mit anderen Kapitalanlagen.

Nachfragekonkurrenz: Solange sie besteht, bewirkt Übernachfrage auf dem Wohnungsmarkt, daß einkommensschwache Haushalte sich mit noch weniger Wohnraum begnügen müssen, als ohnehin schon. Sie werden sozusagen aus dem Markt gedrängt. Dieser Zusammenhang gilt ganz besonders auch in räumlich eingegrenzten Wohngebieten, in denen die Wohnfläche kaum noch vermehrbar ist, wie z.B. in Innenstadtlagen. Für einkommensschwache Mieter ist es deshalb ein Fluch, wenn ihr Wohngebiet für nachfrage starke Schichten attraktiv wird. Andererseits kann der Zuzug einkommensschwacher Haushalte einen Rückzug nachfragestarker Haushalte aus dem Gebiet und damit einen Preisverfall auslösen.

Rente und Rendite: Im Mietzins steckt immer ein Stück Knappheitsrente; denn der Grund und Boden, auf dem Wohnbauten samt der zugehörigen Versorgungsinfrastruktur errichtet werden, ist durch Investitionen nicht vermehrbar. Bei flexibel reagierenden und gut informierten Grundstücks- und Baumärkten kommt jegliche aus Nachfrageausweitung entstehende Knappheitsrendite dem Faktor Boden zu. er Bauherr muß eine erwartete Extrarendite in Form eines hohen Mietzinses im Vorhinein an den Bodeneigentümer mittels eines hohen Kaufpreises abtreten. Umgekehrt bewirken sinkende Mieterwartungen einen Verfall der Grundstückspreise. Der Wohnungsinvestor kann immer, aber auch immer nur, seine „Mindestrendite" realisieren. Dafür sorgt der (bodenpreissteigemde) Wettbewerb unter den Investoren/Bauherren und der (bodenpreisdrückende) Wettbewerb unter den Grundstücksverkäufern. Freilich kommen auch hier Erwartungen hinsichtlich künftiger Nachfrageentwicklungen komplizierend hinzu, etwa dergestalt, daß Grundstückseigentümer nicht bereit sind, zum Gleichgewichtspreis zu verkaufen und statt dessen ihre Grundstücke zurückhalten.

Page Top

Die Logik der wohnungspolitischen Eingriffe in den Markt

Wohnungspolitische Ziele

Die Funktionsweise des Wohnungsmarktes ist durch staatliche Rahmensetzungen hinsichtlich Baulandangebot und Bauqualität entscheidend bestimmt. Der Hauptgrund des wohnungspolitischen Eingriffs in diesen Markt ist dessen Defizit bei der Versorgung der einkommensschwachen Schichten mit Wohnraum, der in Menge und Qualität als angemessen gilt. Darüber hinaus will Wohnungspolitik der Tendenz des Marktes zur Bildung und räumlichen Trennung unterschiedlicher sozialer Wohnquartiere entgegenwirken.

Zuteilung von Kosten und Nutzen: Weniger klar akzeptiert ist ein drittes Ziel, in dessen Dienst die Wohnungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland de facto zum großen Teil stand. Es ist die generelle Subventionierung des Gutes Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten bis hinauf zu gehobenen Einkommensklassen. Der zu vermutende Effekt: die geförderten Gruppen leisten sich allesamt mehr Wohnraum als es den tatsächlichen Kosten/Knappheiten auf dem Markt und den Nachfragepräferenzen bei marktgerechten Preisen entspricht. Wer trägt die Kosten hierfür? Nicht einfach nur der Steuerzahler! Sofern das Instrument der Begünstigung Preiskontrollen sind, werden Knappheitsrenten für die Grundbesitzer vereitelt und konkurrierende Nachfrager daran gehindert, durch überlegene Nachfragekraft in den Besitz der gewünschten Wohnungen zu gelangen. An die Stelle von Nachfragekraft treten Glück und Beziehungen. Bei finanziellen Subventionen wird die Nachfragekraft der Begünstigten auf dem Wohnungsmarkt gestärkt - direkt in Form von Subjektförderung oder indirekt in Form von Objektförderung gekoppelt mit Vermietungsauflagen. Die Kosten müssen auch hier von der konkurrierenden Nachfrage der Nichtbegünstigten getragen werden, wenn die Förderung nicht gleichzeitig eine Ausweitung des Angebotes auf dem Wohnungsmarkt und dem ihm vorgelagerten Grundstücksmarkt bewirkt.

Vier Wirkungskombinationen:

Bislang galt die Versorgung einkommensschwacher Haushalte mit „angemessenem" Wohnraum als das Hauptziel der Wohnungspolitik. Die diesem Ziel dienenden wohnungspolitischen Strategien und Instrumente wirken sich jedoch unterschiedlich auf die beiden anderen potentiellen Ziele aus. Schematisch gesehen sind hier vier Wirkungskombinationen möglich.

  1. Soziale Mischung der Wohnquartiere und Verbilligung von Wohnraum für breite Schichten

    • Sozialer Wohnungs(neu)bau mit Zugang für breite Einkommensschichten;

    • Mobilisierung von zusätzlichem Bodenangebot, aber planende Eingriffe in die Zuteilung an die diversen Wohnungsmarktsegmente;

  2. Soziale Mischung der Wohnquartiere ohne breite Verbilligung von Wohnraum

    • Erwerb von Belegungsrechten aus dem Wohnungsbestand und Verwendung nach Kriterien der sozialen Mischung;

    • Alternativ: sehr großzügiges Wohngeld, das Einkommensschwache voll nachfragekräftig macht;

    • Ansonsten keine Objektförderung und keine Subjektförderung für Nichtbedürftige (keine Eigenheimförderung).

  3. Tendenz zu „Sozialghettos" aber Verbilligung von Wohnraum für breite Schichten

    • Förderung des Sozialen Wohnungsbaus mit engem Zugangskriterium (nur „Bedürftige");

    • gleichzeitig Förderung des Eigenheimerwerbs für die mittleren (evtl. auch höheren) Einkommensschichten;

    • Mobilisierung von zusätzlichem Bodenangebot, wobei die Zuteilung an die diversen Wohnungsmarktsegmente dem Markt überlassen bleibt.

  4. Tendenz zu „Sozialghettos", keine breite Verbilligung von Wohnraum

    • relativ knappes Wohngeld für Einkommensschwache als einziges Instrument der Wohnungspolitik.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

Previous Page TOC Next Page