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TEILDOKUMENT:
Leitlinien für eine zukunftsfähige Umweltpolitik Hohe Umweltstandards gehen nicht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit Die Bedingungen der ökonomischen und politischen Globalisierung verändern die Handlungspielräume umweltpolitischer Akteure. Gleichwohl ist es falsch, davon auszugehen, daß nationale Umweltpolitik durch die Globalisierung ineffektiv und ineffizient werden muß. Sicherlich verringert sich die Fähigkeit nationaler Regulierungsebenen, im Alleingang Maßnahmen zu ergreifen. Dies resultiert einerseits daraus, daß nationale Entscheidungen zunehmend weniger Einfluß auf globalisierte Märkte haben. Andererseits setzt der verstärkte Konkurrenzdruck nationale Umweltpolitik vor die Anforderung, die Wettbewerbsposition ihrer - soweit man noch davon sprechen kann - nationalen Unternehmen nicht zu beeinträchtigen. Dennoch kommen die meisten wissenschaftlichen Studien über den Zusammenhang von Umweltregulierung und Wettbewerbsfähigkeit zu dem Ergebnis, daß die These, hohe umweltpolitische Standards würden die Wettbewerbsfähigkeit verringern, von der Empirie nicht gestützt wird. Eine aktuelle Untersuchung der OECD (Economic Globalisation and the Environment, 1997) weist vielmehr eine positive Korrelation beider Größen nach: Nationale Wettbewerbsfähigkeit und hohe Umweltstandards können - unter der Voraussetzung eines effizienten umweltpolitischen Instrumentenmix - als sich langfristig gegenseitig positiv beeinflussende Variablen betrachtet werden. Eine zukunftsorientierte wohlfahrtsstaatliche Politik weist dem Staat auch und gerade in der globalisierten Informationsgesellschaft eine wichtige umweltpolitische Rolle zu, allerdings neben anderen Akteuren. Im folgenden werden einige Ansatzpunkte einer solchermaßen zukunftsfähigen Umweltpolitik skizziert: Effizienter und effektiver Instrumentenmix: Damit Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz komplementäre Ziele darstellen können, ist ein - im ökonomischen und ökologischen Sinne - effizienter und effektiver Instrumentenmix in der Umweltpolitik notwendig. D.h. soweit möglich sollten systemkonforme, den Marktmechanismus ausnutzende bzw. unterstützende Instrumente in allen umweltpolitischen Bereichen (Luftverschmutzung, Abfall, Energie, Verkehr u.a.) eingesetzt werden: Steuern, Abgaben, handelbare Emissionsrechte ("Zertifikate") und andere preisliche Anreizmechanismen sowie Haftungsregeln. Soweit umwelt- und gesundheitspolitisch notwendig müssen ordnungsrechtliche Instrumente (Verbote, Gebote, Auflagen, Standards u.a.) erhalten bleiben. Dies gilt insbesondere in Bereichen der Gefahrenabwehr, wo ökonomische Instrumente aufgrund ihrer indirekten Wirkung zu wenig zielgenau eingesetzt werden können. Proaktive, nicht reaktive Maßnahmen: Eine zukunftsfähige Umweltpolitik sollte proaktiv und nicht reaktiv ausgerichtet sein. Das bedeutet in erster Linie die Förderung des integrierten Umweltschutzes gegenüber einem noch weit vertretenen nachsorgenden Umweltschutz durch sogenannte end-of-pipe-Lösungen. Staatliche Umweltpolitik kann hier an der Beseitigung vielfältiger Formen von Marktversagen ansetzen: Größendegressionseffekte bei Umwelttechnik - insbesondere bei regenerativen Energieträgern, die durch staatlich gestützte Nachfrage erhebliche Kostensenkungen erfahren und so zu marktlicher Wettbewerbsfähigkeit geführt werden können -, positive Externalitäten im Bereich von umwelt- und ressourcentechnologischer Forschung mit der Möglichkeit von Spillover-Effekten. Hier ist es wichtig, daß Deutschland nicht nur - wie heute - bei nachsorgender Umwelttechnik führend ist, sondern auch beim integrierten Umweltschutz - dem Markt der Zukunft - wettbewerbsfähig wird. Die Globalisierung kann hier insofern positive Auswirkungen auf den Umweltschutz haben, als die Vergrößerung der relevanten Märkte zusätzliche Anreize für Innovationen im Bereich der Umwelttechnik schafft. Subsidiaritätsprinzip: Aus der Perspektive ökonomischer Effizienz sollten umweltpolitische Interventionen immer auf dem Niveau ansetzen, auf dem die ökologische Externalität auftritt. D.h. lokale Umweltprobleme sollten möglichst auf lokaler Ebene reguliert, nationale Umweltprobleme auf nationaler, regionale Umweltprobleme auf regionaler und globale Umwelteffekte auf globaler Ebene reguliert werden. Die Vielzahl insbesondere regionaler bzw. transnationaler Umweltprobleme (saurer Regen, Wasserverschmutzung, radioaktive Strahlung, Mülltourismus, Verkehr u.a.) unterstreicht die Bedeutung regionaler Umweltpolitik, d.h. aus deutscher Sicht die Bedeutung einer europäischen Umweltpolitik in diesen Bereichen. Vielfalt umweltpolitischer Akteure: Schon heute ist Umweltpolitik keine exklusiv staatliche Aufgabe mehr, sondern wird ergänzt, vorangetrieben und teilweise überwacht durch vielfältige nichtstaatliche Institutionen von lokalen Bürgerinitiativen bis zu großen Verbänden. In der globalisierten Informationsgesellschaft wird diese Tendenz zur Vielfalt umweltpolitischer Akteure deutlich zunehmen und damit - gestärkt durch steigende bürgerliche Partizipationsmöglichkeiten - einen Teil des "Machtverlustes" nationalstaatlicher Umweltpolitik kompensieren. Eine besondere Rolle kommt dabei den sogenannten NGOs (non-governmental organisations) bei der Regulierung regionaler und insbesondere globaler Umweltprobleme zu. Die NGOs haben beispielsweise einen erheblichen Einfluß darauf, daß multinationale Konzerne verstärkt unter Druck stehen, an allen Standorten einheitliche Umweltstandards in ihrer Produktion einzuführen. Die o.a. Untersuchung der OECD zeigt, daß ausländische Investoren i.d.R. höhere Umweltstandards aufweisen als inländische Unternehmen. Insgesamt bedeutet dies, daß staatliche Umweltpolitik auf nationaler wie internationaler Ebene in ein Netzwerk verschiedener Akteursgruppen eingebettet ist, die bei der Entwicklung von Politikmaßnahmen zu berücksichtigen sind. Paketlösungen: Wenngleich das Kooperationsprinzip als Leitlinie der internationalen Umweltpolitik anerkannt ist, stoßen viele Initiativen an die Grenzen von Interessensgegensätzen. Aus diesem Grunde sollten umweltpolitische Regulierungsinitiativen auf internationaler Ebene mit anderen Politikbereichen verknüpft werden, bei denen eher Interessenkonvergenz besteht. In diesem Sinne ist es beispielsweise durchaus sinnvoll, Umwelt- und Handelspolitik auf der Ebene regionaler Wirtschaftsblöcke oder der WTO (World Trade Organisation) zu verbinden. Als Beispiel können die Verhandlungen innerhalb der OECD über ein multilaterales Abkommen über Umweltstandards bei Auslandsinvestitionen genannt werden. Verzahnung von Steuer- und Umweltpolitik: Eine zukunftsorientierte nationale Umweltpolitik hat neben der direkten Gefahrenabwehr vor allem den Abbau von Externalitäten zum Ziel. Diese Externalitäten führen durch preisliche Verzerrungen dazu, daß Umweltgüter in zu hohem Umfang konsumiert werden oder im Grenzfall als öffentliches Gut gar keinem Preismechanismus oder eigentumsrechtlichen Regelungen unterliegen. Dies bedeutet, daß einerseits Subventionen für Energieverbrauch oder verschmutzungsintensive Produktionen abgebaut werden sollten. Andererseits müssen umwelt- und gesundheitliche Externalitäten durch die o.a. Instrumente in die Preisbildung integriert werden. Vor dem Hintergrund der angesprochenen steuerpolitischen Notwendigkeiten einer globalisierten Wirtschaft und unterschiedlicher Substitutionsmöglichkeiten kommt hier der Verzahnung von Umwelt- und Steuerpolitik eine wichtige Rolle zu: Die Verlagerung der heute extremen - und den optimalen Einsatz der Produktionsfaktoren stark verzerrenden - Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit (aber auch des Faktors Kapital) auf die stärkere Belastung von Energie bzw. anderen Umweltgütern (z.B. Wasser) hat dann sowohl umweltpolitische als auch allokations- und beschäftigungspolitische Vorteile. In der Umweltökonomie spricht man hier von einer doppelten Dividende, wenn durch aufkommensneutrale Substitution stark verzerrender Steuern auf Arbeit und Kapital durch Umweltsteuern sowohl positive Umwelt- als auch Wohlfahrtseffekte erzielt werden können. Eine solche zumindest tendenzielle Umbasierung des Steuersystems entspricht auch der, im Zeichen der Globalisierung unvermeidlichen, stärkeren Verbrauchssteuerorientierung. Die in diesem Abschnitt skizzierten Ansätze einer zukunftsfähigen Umweltpolitik haben ohne Zweifel distributive Aspekte, die in der aktuellen Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Energie- und Umweltsteuern auch häufig als Hemmnis angeführt werden. Bei der Diskussion um die Streichung bzw. substantielle Senkung der Kilometerpauschale für die Fahrt zum Arbeitsplatz war der Hinweis auf die regressiven Verteilungseffekte bei den Opponenten einer solchen Regelung besonders manifest. Grundsätzlich kann Umweltpolitik jedoch nicht primär an Verteilungszielen orientiert werden. Gleichwohl muß darauf hingewiesen werden, daß es die wirtschaftlich Schwächeren sind, die Umweltbelastungen in der Regel am wenigsten ausweichen können, was oft übersehen wird. Zudem hat die vorangegangene Diskussion gezeigt, daß ein tariflich weniger progressives Steuersystem, welches aber den ökonomischen Gegebenheiten der globalisierten Informationsgesellschaft besser gerecht wird, sogar positive Verteilungseffekte haben kann, was die tatsächliche Steuerlast betrifft. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999 |