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Das Wesentliche auf einen Blick

Bei den Parlamentswahlen am 11. April 1996 konnte die Regierungspartei 'New Korea Party' (NKP) des Staatspräsidenten KIM Young-Sam die absolute Mehrheit nicht verteidigen, schnitt aber besser ab als erwartet. Mit Hilfe von Überläufern besteht seither eine dünne, doch arbeitsfähige Mehrheit im Parlament. Bei der Auswahl des Kandidaten der NKP für die Präsidentschaftswahl im Dezember 1997 kann Präsident KIM Young-Sam der Rolle als Königsmacher nicht gerecht werden. Von politischen Mißerfolgen und Skandalen geschwächt, muß er miterleben, wie die Partei von Gruppen- und Hahnenkämpfen erschüttert wird. Aus der Opposition melden bislang die beiden 'alten' KIM's ihre Kandidatur an. Im Juli 1997 wählte die NKP-Delegiertenversammlung den ehemaligen Richter und Premierminister LEE Hoi Chang (seit Anfang 1996 Parteimitglied) mit 60 Prozent der Stimmen erst im zweiten Wahlgang zum Präsidentschaftskandidaten.

Das erste Halbjahr 1996 stand im Zeichen der Prozesse gegen die ehemaligen Generals-Präsidenten der Republik, CHUN Doo-Hwan (1980-1988) und RHO Tae-Woo (1988-1993). Angeklagt des Hochverrats, der Meuterei und Bestechung wurde in den Berufungsverfahren das Todesurteil gegen Chun in lebenslänglich umgewandelt und die 22-jährige Gefängnisstrafe gegen Rho auf siebzehn Jahre reduziert. Gemeinsam mit beiden waren 14 hohe Militärs wegen Meuterei und Hochverrat zu Gefängnisstrafen und führende Wirtschaftsrepräsentanten wegen aktiver Bestechung (darunter der Chairman von Daewoo, KIM Woo-choong) verurteilt worden. Bei den Wirtschaftsführern wurden die Gefängnisstrafen wegen der Bedeutung der Personen für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen zur Bewährung ausgesetzt. Traf der Prozeß gegen die Ex-Präsidenten vor allem Politiker der altkonservaten Minjong-Fraktion in der NKP, so forderte der Hanbo-Skandal Anfang 1997 Opfer vor allem in den Reihen der präsidentennahen Minju-Fraktion. Nur Zufälligkeiten?

In der Wirtschaft geriet nach drei Jahren explosiven Wachstums die erwartete Konsolidierung über 'soft landing' zu einem schmerzhaften 'crash test'. Handelsbilanzdefizit (- $ 20 Mrd.), Zahlungsbilanzdefizit (-$ 22 Mrd.) und Auslandsverschuldung (Zunahme um $ 23 Mrd. auf $ 100 Mrd.) waren die auffälligen Wachstumsbereiche des Jahres. Hohe Kosten bei zu geringer Produktivität werden in den offiziellen Verlautbarungen als Hauptgrund für das Verfehlen des Wachstumsziels von 7,5 % (nach 9 % im Jahr 1995) angegeben. Ein GDP-Wachstum von nunmehr 6,8 % reicht für Korea, angesichts hoher Unternehmensverschuldungen bei hohem Zinsniveau, nicht. In der koreanischen Realität beginnt die Rezession bei einem GDP-Wachstum unter 7%.

Die schlechten Wirtschaftsdaten verschärften die innenpolitische Diskussion um den OECD-Aufnahmeantrag vom März 1996. Wirtschaft und Arbeitnehmer fürchten, die Liberalisierungsverpflichtungen als OECD-Mitglied würden im Finanz- und Dienstleistungsbereich zu existenzgefährdender ausländischer Konkurrenz führen. Auch im Produktionsbereich sei Korea für eine vollständige Marktöffnung noch nicht stark genug. Daß die OECD vor dem Aussprechen der Einladung an Korea im Oktober 1996 in bislang unüblicher Hartnäckigkeit die Arbeits- und Gewerkschaftsrechte im Land prüfte und auf Anpassung an internationale Standards beharrte, ist der Bevölkerung von Regierung und Medien nur mit Zurückhaltung bekanntgemacht worden. Das Parlament hat den OECD-Beitritt im Dezember 1996 gebilligt.

Mit dem Gesetzespaket zur Arbeitsrechtsreform - ein Versuch der Bündelung von Gewerkschafts- und Arbeitgeberforderungen - schuf die Regierung für sich eine 'no win' Situation. Beide Gruppen schlugen massiv aufeinander und beide auf die Regierung ein. Obendrein brachte das Vorgehen bei der Parlamentsbehandlung der Reformen internationale Kritik. Die in einer zum Jahresende 1996 putschartig von der Regierungsfraktion durchgezogenen Parlamentsabstimmung verabschiedete Reform der Arbeitsgesetzgebung löste einen Generalstreik der Gewerkschaften aus. Internationale Aufmerksamkeit und Popularitätseinbrüche im Land zwangen die Regierung zu einer Revision der Revision. Die Arbeitsgesetzgebung in Korea ist nunmehr den Standards der Industrienationen weitgehend angepaßt.

Die Handels- und Zahlungsströme zeigen Korea seit 1996 in einer ungemütlichen Position zwischen den Industrieländern, ihrerseits um Aufrechterhaltung des Abstands bemüht, und in vielen Produktgruppen konkurrenzfähig nachrückenden Entwicklungsländern. In einer Doppelstrategie versuchen die Chaebols, sich vom bislang ausschließlichen Produktionsstandort Korea zu lösen. Über den Ankauf von Technologieunternehmen in Industrieländern wird neben erweiterten Marktchancen Zugang zu Know-how erhofft. Die angekündigten Investitionen in Milliardenhöhe in Entwicklungsländern sollen Marktzugang sichern und Exporte stärken.

In der südkoreanischen Politik wächst die Besorgnis, von einer konfliktmüden Weltpolitik in der Nordkoreafrage abgehängt zu werden. Nordkorea sucht nach Wegen aus der Isolation und einer Ablösung des Waffenstillstands von 1953 durch einen Friedensvertrag - an Südkorea vorbei. Die USA verfolgen ein regionales Befriedungskonzept - wenn es sein muß, auch mit Druck auf Südkorea. Größte Furcht Südkoreas ist, politische Ungeduld und ökonomischer Egoismus der Befreundeten und Nachbarn könnte Nachgiebigkeit gegenüber Nordkorea fördern. Die Strandung eines nordkoreanischen U-Boots an der südkoreanischen Ostküste im September 1996 - offenbar bei einem mißglückten Nahaufklärungseinsatz - wurde im Süden von Politik, Militär und Medien als Beweis fortbestehender Aggressionsbereitschaft des Nordens mit Säbelrasseln und verschärfter innenpolitischer Agitation beantwortet. Die eher gelassene internationale Reaktion verbitterte im Süden. Die Clinton-Administration arbeitet weiter daran, die Koreas an einen Tisch zu bringen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999

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