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6. Banken, Pensionsfonds und Sozialpolitik

Die überfällige Modernisierung des KMU-Sektors ist nur möglich, wenn die nationalen Banken in der Lage sind, Kredite zu angemessenen Konditionen bereitzustellen. Seit der Peso-Krise finanzieren sich die KMU jedoch fast ausschließlich aus Eigenkapital oder ausländischen Krediten. Daher ist die Sanierung des Bankenwesens, das von der Pesokrise hart getroffen wurde, eine zentrale Herausforderung für die Wiederbelebung der Binnenkonjunktur wie auch für die Verbreiterung der Exportbasis.

In der Pesokrise hatten Abwertung, Rezession und eine Explosion der Zinsraten eine Lawine notleidender Kredite anwachsen lassen, die immer mehr Kreditkunden und Banken mitgerissen hatte. Um den Kollaps des Bankenwesens zu verhindern, übernahm die Regierung etwa die Hälfte aller Kredite des mexikanischen Bankenwesens. Die Kosten für diese Rettungsaktion werden auf 12,5% des BIP von 1995 geschätzt. Bis heute ist keine Entscheidung darüber getroffen, was mit diesen faulen Krediten geschehen soll. Die Regierung steckt dabei in einer Zwickmühle: Werden die Schulden nicht rasch abgeschrieben, so lähmt dieses die Banken und verhindert, daß Unternehmen mit faulen Bankschulden frisches Kapital erhalten. Ferner wird der wirtschaftliche Wiederaufschwung dadurch gebremst, daß produktive Ressourcen im Treuhandfonds der Zentralbank eingefroren sind, solange die Entschuldungsfrage nicht geklärt ist. Eine rasche Entschuldung würde andererseits perverse Anreize schaffen, da sie die Zahlungsmoral unterhöhlt. Sie ist überdies politisch nur schwer durchzusetzen. Die Opposition geht davon aus, daß die Rettungsaktionen einseitig die Banken begünstigt und die Lasten den Kreditnehmern aufgebürdet habe. Sie fordert daher Rechenschaft über die Rettungsmaßnahmen, lehnt weitere Zahlungen an den privaten Bankensektor ab und verlangt eine gerechtere Lastenverteilung.

Eine zentrale Maßnahme zur Sanierung der mexikanischen Wirtschaft stellt die Einführung privater Pensionsfonds dar. Die Achillesferse der mexikanischen Wirtschaft ist die geringe interne Sparrate, die zu einer hohen Abhängigkeit von kurzfristigem ausländischem Kapital führt. Die von der Regierung Zedillos trotz heftiger Kritik durchgeführte Teilprivatisierung der Altersvorsorge ist ein Versuch, diese Sparrate zu erhöhen. Mexiko folgte dem Beispiel Chiles und führte zum Juli 1997 private Pensionsfonds ein. Die Beschäftigten können zwischen den privaten Vermögensverwaltern und der staatlichen Altersvorsorge wählen. 17 Unternehmen sind bisher als sog. Afores (Administradores de Fondos para el Retiro) zugelassen, unter denen ein scharfer Wettbewerb um die Gunst der sparwilligen Arbeiter herrscht. Binnen weniger Monate konnten bereits 11 Millionen Beschäftigte für die privaten Pensionsfonds gewonnen werden, was 85% aller in der Sozialversicherung registrierten Personen entspricht. Ausländische Gesellschaften dürfen - mit Ausnahme von NAFTA und Chile - nur einen Anteil von maximal 49% erwerben. Ein Konzentrationsprozeß hat bereits eingesetzt, vier große Afores halten einen Marktanteil von 60%. Der Marktführer Bancomer war bereits Anfang 1998 zum größten Pensionsfonds Lateinamerikas avanciert. Die Afores unterliegen der staatlichen Überwachung und sind in ihren Anlagemöglichkeiten durch Auflagen begrenzt. Vorerst dürfen die Gelder nur in bestimmte sichere Anleihen investiert werden, nach einer Übergangsperiode soll dann auch der Kauf von Aktien erlaubt sein. Damit werden die Fonds auch der mexikanischen Börse einen starken Impuls geben.

Die Einführung der privaten Pensionsfonds wird zugleich als sozialpolitischer Erfolg Zedillos gewertet, da auf diese Weise Rentenzahlungen in angemessener Höhe garantiert werden sollen. Das bisherige mexikanische Sozialversicherungssystem konnte die Grundversorgung im Alter nicht mehr sicherstellen.

Von der erfolgreichen Einführung privater Pensionsfonds abgesehen zeigt die mexikanische Regierung sozialpolitisch nur ein geringes Engagement, obwohl die Armut als Folge der Pesokrise deutlich zugenommen hat. Wesentliche Ursachen für diese Zunahme liegen in den Reallohnverlusten der abhängig Beschäftigten, der zunehmenden städtischen Arbeitslosigkeit und der Krise der Kleinbetriebe. Die Landwirtschaft ist von den schmerzhaften Auswirkungen der Importliberalisierung bislang weitgehend verschont geblieben, da hier eine graduelle Liberalisierung über zehn Jahre und mehr ausgehandelt wurde. Mittelfristig ist allerdings auch bei Kleinbauern und Landarbeitern - den ärmsten Bevölkerungsgruppen - mit entsprechenden sozialen Lasten der Marktliberalisierung zu rechnen.

Die Polarisierung der mexikanischen Bevölkerung ist stark vorangeschritten. Die offizielle Einkommenspyramide weist aus, daß 20% der Bevölkerung der oberen Einkommensschicht 54% des Nationaleinkommens erhalten, während die unteren 20% der Einkommensskala sich mit 4% begnügen müssen. Als unmittelbare Konsequenz von Armut und sozialer Polarisierung schoß die Kriminalitätsrate in die Höhe. In Mexiko werden mittlerweile - nach Kolumbien und Brasilien - die meisten Gewaltverbrechen in Lateinamerika verübt. Die persönliche Sicherheit war Ende 1997 zur Hauptsorge des mexikanischen Durchschnittsbürgers geworden. Besonders besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang die weitverbreitete Korruption in den Polizeikräften, die in großem Umfang Straftaten decken oder sogar selbst begehen. Mehrfach wurden in den letzten Jahren kriminelle Vereinigungen innerhalb der Polizei aufgedeckt, die Morde und schwere Raubüberfälle in Mexiko-Stadt verübt hatten.

In der Vergangenheit wurde ein erheblicher Anteil der Sozialausgaben über die Programme PRONASOL und PROCAMPO kanalisiert, die dem Staatspräsidenten direkt unterstehen und in paternalistischer Weise zu Propagandazwecken des PRI verwendet werden. Hier besteht Reformbedarf, um die Sozialfonds parteipolitisch unabhängig verwalten und die Mittelallokation nach objektivierbaren Kriterien vornehmen zu können.

Die Finanzierung von Sozialprogrammen ist gerade in Krisenzeiten schwierig. Sie muß jedoch mit den immens hohen sozialen und ökonomischen Folgekosten abgewogen werden, die sich aus der ansteigenden Kriminalität in den Städten und den zunehmenden Guerrillaaufständen im Süden des Landes ergeben.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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