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7. Zukunftsperspektiven

Mexikos Wirtschaft befindet sich auf einem soliden Wachstumspfad. Für die nächsten Jahre werden jährlich um die 5,0% Wachstum und eine weiterhin sinkende Inflationsrate prognostiziert. Die Beibehaltung des Stabilitätskurses ist zwar grundsätzlich notwendig, aber eine zu restriktive Geld- und Fiskalpolitik würgt dauerhaft die Binnenkonjunktur ab. Angesichts der bereits erzielten Erfolge bei der Inflationsbekämpfung und einer weitgehend ausgeglichenen Haushaltsbilanz bestehen nunmehr Spielräume für eine Lockerung der kontraktiven Wirtschaftspolitik, die zur Belebung der Inlandsnachfrage genutzt werden sollten. Mit einer solchen Lockerung ist auch aus politischen Gründen zu rechnen: erstens, weil im Jahre 2000 die nächste Präsidentschaftswahl ins Haus steht und die Haushaltsdisziplin in den Vorwahljahren erfahrungsgemäß nachläßt; zweitens, weil die Opposition, insbesondere der PRD, der Regierung entsprechende Maßnahmen abtrotzen wird. Darüber hinaus ist bis 2000 nicht mit einer substantiellen Intensivierung der oben angemahnten "Mesopolitiken" - Industriepolitik, Arbeitsmarktpolitik usw. - zu rechnen.

Der Demokratisierungsprozeß verläuft erfolgversprechend und gefährdet nicht den wirtschaftlichen Aufschwung. Die Alleinherrschaft des PRI ist beendet, ohne daß dieses zu einer politischen Blockade oder Vertrauenskrisen auf den Kapitalmärkten geführt hätte. In der Tat zielt keine der beiden großen Oppositionsparteien auf einen radikalen wirtschaftspolitischen Kurswechsel. Insbesondere der linke PRD kritisiert zwar die neoliberale Politik des PRI, prangert korrupte Privatisierungen an und tritt für eine Erhöhung der Kaufkraft in den unteren Einkommensgruppen ein. Die Fundamente der Wirtschaftsreform, wie außenwirtschaftliche Öffnung, NAFTA-Integration und stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik, stellt er jedoch nicht grundsätzlich in Frage. Ohnehin sind die wirtschaftspolitischen Entscheidungsspielräume jeglicher Regierung durch Mexikos internationale Verpflichtungen im Rahmen von NAFTA, WTO und OECD stark eingeengt. Das weiß auch die Wirtschaft, und entsprechend nahm sie den Wahlsieg des PRD in der Hauptstadt mit Gelassenheit auf. Nach der Wahl blieb der Peso stabil, und der Aufwärtstrend an der Börse setzte sich fort. Für viele Investoren dürfte die demokratische Öffnung die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Mexiko sogar erhöht haben. Erstens werden viele Entscheidungsprozesse, z.B. über öffentliche Ausschreibungen, transparenter werden als im alten, korporatistischen Mexiko, auch wenn der Aushandlungsprozeß langwieriger wird. Zweitens erhöhen demokratischere Institutionen und eine unabhängigere Justiz die Rechtssicherheit. Drittens können unabhängigere Bundesstaaten und vom Korporatismus emanzipierte Wirtschaftsverbände eine bessere regionale Standortpolitik betreiben.

Die demokratische Reform des Staates wird fortschreiten, da in diesem Aspekt ein Grundkonsens zwischen Reformern im PRI und der Opposition besteht, während der Rückhalt der reformfeindlichen „Dinosaurier" in der Partei und den korporatistischen Organisationen bröckelt. Der Machtwechsel, der in wirtschaftlich wichtigen Bundesstaaten wie Jalisco, Nuevo León und Chihuahua stattgefunden hat, wird das föderalistische System stärken. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele gesellschaftliche Institutionen, die sich allenfalls sehr langfristig demokratisieren werden. Korruption und Vetternwirtschaft sind in allen Parteien, in der Verwaltung, in Armee, Polizei und Justiz auf allen Hierarchieebenen schon solange Bestandteil des politischen Systems gewesen, so daß die Durchsetzung demokratischer Werthaltungen nur ein sehr langwieriger Prozeß sein kann. Der erforderliche Wertewandel setzt Glaubwürdigkeit der Führungsetagen der angesprochenen Institutionen voraus. Um diese zu fördern, müßten z.B. Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Drogenhandel oder der Privatisierung geprüft und eine schonungslose Aufklärung der Mordfälle an den hohen PRI-Funktionären oder der Massaker im Chiapas angestrebt werden. Die Chance, daß dieses geschehen wird, ist allerdings gering, da offenbar zu viele ranghohe Personen aus der Regierung, der Parteispitze des PRI, der Armee usw. involviert sind.

Trotz der Wahlerfolge der Opposition 1997 ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß der PRI nach 2000 die Präsidentschaft wird abgeben müssen. Ein erheblicher Teil der Wähler, die ihre Stimme 1997 einer Oppositionspartei gegeben haben, dürften Protestwähler sein, die dem PRI eine Quittung für die Pesokrise geben wollten, bei der Präsidentschaftswahl aber vor einem Wechsel zurückschrecken. Dem PRI wird außerdem der derzeitige wirtschaftliche Aufschwung zugute kommen, der bis zum Wahljahr vermutlich gewisse Verbesserungen auch für den Normalbürger bringen wird. Der PRD als derzeit aufstrebende Oppositionspartei kann sich zwar mit seiner Gallionsfigur Cuauthémoc Cárdenas im Bürgermeisteramt der Hauptstadt mit etwas Glück als präsentable Alternative profilieren, aber das Amt beinhaltet auch zahlreiche Risiken. Große Erfolge bei den wichtigen Themen der Megastadt - z.B. Kriminalitätsbekämpfung, Umweltschutz, Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen - wird er in drei Jahren kaum vorweisen können, zumal die ihm zur Verfügung stehende Verwaltung in hohem Maße von PRI-Mitgliedern dominiert ist. Ein farbloser Cárdenas könnte aber rasch zur Desillusionierung der PRD-Anhängerschaft führen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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