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4. Dynamische Exportentwicklung Ein wichtiger Grund für die schnelle Erholung der mexikanischen Wirtschaft liegt in der dynamischen Exportentwicklung. In dieser Hinsicht besteht ein bemerkenswerter Unterschied gegenüber der Rezession von 1982. Damals mußte die Außenhandelsbilanz über eine dauerhafte Senkung der Importe ausgeglichen werden, was zu einer langfristig rezessiven Entwicklung führte. 1995 reagierte der Exportsektor sehr dynamisch auf die Abwertung des Peso und steigerte die Ausfuhren um 36%. Dieses war nur möglich, weil die Unternehmen bereits seit Mitte der 80er Jahre durch weitreichende Reformen zur Außenhandelsliberalisierung auf internationale Wettbewerbsfähigkeit vorbereitet worden waren. Ihren Höhepunkt erreichte diese Liberalisierung mit dem Inkrafttreten des NAFTA-Vertrags 1994. Der Vertrag sieht die schrittweise Einführung einer Freihandelszone zwischen Mexiko, Kanada und den USA bis zum Jahre 2008 vor. Der größte Teil der intraregionalen Handelsliberalisierung wird jedoch bereits vor der Jahrhundertwende erreicht sein. Aufgrund von genereller Handelsliberalisierung und NAFTA-Integration nahmen die Exporte verarbeiteter Güter aus Mexiko zwischen 1985 und 1995 jährlich um 19,6% zu - eine Wachstumsrate, die von keinem der asiatischen Tigerstaaten erreicht wurde. Dabei stieg der Anteil der Industriegüter an der mexikanischen Ausfuhr von 27,2% auf 75,7%, das Land wurde also von einem Rohstoff- zu einem Industriegüterexporteur. Allerdings erhöhten sich infolge der Öffnung auch die Industriegüterimporte deutlich, wenn auch mit geringeren Zuwachsraten, so daß die Handelsbilanz im Industriegüterbereich negativ blieb. Die Pesokrise beschleunigte die Integration der mexikanischen Wirtschaft in den NAFTA-Raum erheblich. Die Abwertung um 40% veranlasste viele US-Unternehmen, aus Mexiko zu importieren bzw. Produktionsstätten dorthin auszulagern. Infolgedessen nahmen der intraindustrielle Handel und die US-amerikanischen Direktinvestitionen in Mexiko deutlich zu. Seit Inkrafttreten von NAFTA im Januar 1994 haben sich die Handelsströme zwischen den Partnerländern erheblich vergrößert. Mitte 1996 gingen 86% aller mexikanischen Exporte in den NAFTA-Raum, gegenüber 69% fünf Jahre zuvor. Mittlerweile importieren die USA zweimal mehr aus Mexiko als aus allen lateinamerikanischen Ländern zusammen. Hinter diesem stark wachsenden Handel zwischen USA und Mexiko verbirgt sich ein eindeutiger Trend zur Aufteilung von Wertschöpfungsketten zwischen den USA und Mexiko. US-Unternehmen spezialisieren sich auf technologisch innovative Bereiche der Fertigung und auf kundennahe Dienstleistungen, während sie standardisierte Produktionsschritte auslagern. Zum Teil geschieht dieses durch Gründung eigener Filialen in Mexiko, so daß ein Großteil des neuen Güteraustauschs Intrafirmenhandel ist. Besonders dynamische Beispiele für die grenzüberschreitende Organisation von Produktionsprozessen liefern die Automobil-, Autoteile- und Elektronikindustrie. In diesen Branchen haben die Branchenriesen aus den USA, z.B. General Motors und Ford, IBM und Hewlett Packard, relevante Teile der Fertigung nach Mexiko verlagert, um von dort aus den US-Markt zu bedienen. Diese Verlagerung umfaßt nicht nur einfache manuelle Montageoperationen, sondern z.B. komplette, weitgehend automatisierte Motorenfabriken. Auch bei letzteren können relevante Lohnkostenvorteile entstehen, sofern die Technologien weitgehend standardisiert sind und ohne spezialisierte Ingenieursleistungen auskommen. Die Autokonzerne, die in ihren mexikanischen Werken früher nur veraltete Modelle für den geschützten Inlandsmarkt hergestellt hatten, haben ihre Produktionsstätten mit großem Aufwand modernisiert und lassen dort jetzt neueste Modellreihen vorwiegend für den Export fertigen. Hatten die mexikanischen Werke früher in gewissem Umfang ihre eigenen lokalen Zulieferer, so sind sie jetzt in das globale Zulieferernetz der Mutterkonzerne eingebunden. Neben diesen komplexeren Industriebranchen expandieren die Exporte besonders schnell in traditionellen, arbeitsintensiven Branchen wie der Montage elektronischer Komponenten und der Bekleidungsindustrie. In diesen Sektoren spielt die spezielle Unternehmensform der Maquiladoras" (Veredelungsbetriebe) eine große Rolle. Dieses sind in der Regel sehr arbeitsintensive Unternehmen, die Vorprodukte zollfrei importieren und nach der Bearbeitung reexportieren. Rund 2.400 Unternehmen produzieren mit ca. 755.000 Beschäftigten im Rahmen einer solchen Lohnveredelung. Sie tragen mit 47% zu den mexikanischen Industriegüterausfuhren bei. Freilich überzeichnet dieser Wert die reale wirtschaftliche Bedeutung der Maquiladoras, da es sich im wesentlichen um Reexporte geringfügig weiterverarbeiteter Güter handelt. Setzt man nur die Wertschöpfung der Maquiladoras in Bezug zu den Industriegüterexporten, so liegt ihr Anteil nurmehr bei 12%. Neben den traditionellen Leichtindustrien sind in den letzten Jahren auch technologisch anspruchsvollere Maquiladoras entstanden, die durch den Einsatz von moderner Technik und ausgebildeten Fachkräften eine deutlich höhere Produktivität erzielen und einen Beitrag zum Technologietransfer leisten. Angesichts der Vielfalt von Branchen, die potentiell aus den USA nach Mexiko ausgelagert werden können, dürfte die Vertiefung der intraindustriellen Arbeitsteilung bei weitem noch nicht abgeschlossen sein. Voraussetzung ist freilich das Vertrauen der US-amerikanischen Investoren in die wirtschaftliche und politische Stabilität Mexikos. Derzeit wächst der Zustrom von Direktinvestitionen noch. Die starke Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA bleibt allerdings ein Risikofaktor für die mexikanische Wirtschaft. Die Regierung Zedillos versucht dem mit einer größeren Diversifizierung der Handelspartner zu begegnen. In diesem Sinne besteht auch großes Interesse an einer stärkeren Annäherung an die Europäische Union. Dies liegt auch im Interesse der EU, die bereits Nachteile der NAFTA zu spüren bekam. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999 |