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3. Die Bewältigung der Peso-Krise

Mexikos Wirtschaftsentwicklung in den neunziger Jahren war zunächst von wirtschaftlicher Erholung gekennzeichnet. Die Wirtschaft wuchs bis 1994 jährlich etwa um 4%, die Wettbewerbsfähigkeit mexikanischer Unternehmen nahm deutlich zu, und die Reallöhne stiegen allmählich wieder an. Salinas´ Liberalisierungspolitik hatte den Beitritt zum NAFTA im Januar 1994 und die Mitgliedschaft in der OECD nur drei Monate später ermöglicht. Der Preis der Liberalisierung war allerdings ein Importboom, durch den sich die Leistungsbilanz deutlich verschlechterte. Das Leistungsbilanzdefizit wurde durch internationales - zu einem großen Teil kurzfristiges - Portfoliokapital finanziert.

Bereits Mitte 1994 war es aufgrund politischer Ereignisse - dem Mord am Präsidentschaftskandidaten und den anhaltenden Unruhen in der Chiapas-Region - zur Schließung der Banken und der Börse in Mexiko gekommen, mit der eine Kapitalflucht größeren Ausmaßes verhindert werden sollte. Die erheblichen Wertverluste einiger mexikanischer Großunternehmen an der New Yorker Börse konnten dadurch jedoch nicht mehr aufgehalten werden. Im Dezember 1994 wertete die gerade neu angetretene Regierung von Präsident Zedillo völlig unerwartet den seit langem überbewerteten Peso drastisch gegenüber dem US-Dollar ab und bewirkte damit eine unerwartete massive Flucht aus mexikanischen Anlagetiteln. Die Freigabe des Wechselkurses nur zwei Tage später wurde unumgänglich, da die Zentralbank nicht mehr über genügend Devisenreserven verfügte, um ausreichende Stützungskäufe durchzuführen. Der Pesokurs stürzte gegenüber dem Dollar um über 40% und löste eine schwere Währungs- und Wirtschaftskrise aus. Es kam zu einer massiven Flucht aus kurzfristigen mexikanischen Anlagetiteln.

Um die Internationalisierung der Krise einzudämmen, reagierte die internationale Finanzwelt schnell. IWF, BIZ, Privatbanken, die USA und Kanada sagten umgehend Stützungsfonds zu. Bereits im Januar 1995 verabschiedete die mexikanische Regierung ein konzertiertes Notprogramm. Dieses beinhaltete u.a. umfangreiche Ausgabenkürzungen, die Erhöhung der Umsatzsteuer von 10% auf 15%, restriktive Geld- und Fiskalpolitik, Bankenstützungsmaßnahmen, freies Floaten des Peso und Zurückschrauben der Lohnerhöhungen. Um den Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern und die Inflation bremsen, mußten die Binnennachfrage gedrosselt und ein Außenhandelsüberschuß erzielt werden. Als Ergebnis der restriktiven Politik ging die Inlandsnachfrage im Krisenjahr 1995 um 14% zurück, und das BIP schrumpfte um 6,2%. Die Inflation stieg trotz der genannten Anstrengungen auf 52%.

Der Einbruch der Binnennachfrage traf vor allem den Handel sowie kleine und mittlere Industrieunternehmen, von denen die Mehrzahl ausschließlich für den mexikanischen Markt produziert. Da die Politik des knappen Geldes die Kreditzinsen stark in die Höhe trieb, mußten außerdem viele verschuldete Unternehmen Konkurs anmelden. Die Krise kostete allein im Jahr 1995 mindestens eine Million Arbeitsplätze im formellen Sektor. Auch die Reallöhne gingen um rund 20% zurück. 1996 reichte das Einkommen nach Angaben der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika für 45 Mio. Mexikaner - knapp die Hälfte der Bevölkerung - nicht aus, um die für eine angemessene physische und mentale Entwicklung notwendigen Lebensmittel zu erwerben. Die Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln fiel in den ersten 18 Monaten nach Ausbruch der Krise um fast 30%.

Der harte Reformkurs Zedillos nach der Krise führte schnell zu einer Erholung der wirtschaftlichen Eckdaten. Bereits 1996 konnte wieder ein Wirtschaftswachstum von 5,1% und 1997 von 7,0% verzeichnet werden. Ein ungewöhnlicher Aspekt der wirtschaftlichen Wiederbelebung ist die Tatsache, daß sie ohne eine Nettoexpansion der inländischen Bankkredite stattfand. Die Inflation konnte 1997 auf 16% gesenkt werden. Zugleich gelang es, die öffentliche Schuldenlast deutlich zu reduzieren und die Devisenreserven, die als Folge der Pesokrise auf 6 Mrd. US-$ gesunken waren, auf den Rekordstand von 26 Mrd. US-$ zu erhöhen. Die Stabilisierung ist so weit fortgeschritten, daß sich auch die Turbulenzen auf den asiatischen Finanzmärkten in Mexiko kaum bemerkbar machten, während die Börsen in allen anderen großen lateinamerikanischen Ländern in Mitleidenschaft gezogen wurden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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