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2. Abschied von der Alleinherrschaft

Die demokratische Öffnung des politischen Systems wurde zum einen notwendig, weil innenpolitisch die Legitimation des PRI zunehmend in Frage gestellt wurde. Zum anderen muß die Regierung vermehrt auf ihr Ansehen im Ausland achten, das maßgeblichen Einfluß auf die Erfolgsausichten der angestrebten außenwirtschaftlichen Integration hat. Die Demokratisierung des politischen Systems ist eines der wichtigsten Ziele des Präsidenten Zedillo. Dieser tritt persönlich glaubwürdig, wenn auch nur von Teilen der eigenen Partei unterstützt, für eine Staatsreform mit einer strikteren Gewaltenteilung und stärkeren Trennung von Regierung und PRI ein. Als eine seiner ersten Amtshandlungen leitete er eine Reform des Wahlrechts ein, an deren Aushandlung die Opposition zumindest anfänglich beteiligt war. Unbestreitbar ist, daß die letzten Wahlen von Mal zu Mal sauberer verlaufen sind.

Noch die Präsidentschaftswahl von Zedillos Amtsvorgänger Salinas 1988 hatte im Schatten massiven Wahlbetrugs gestanden. Zedillos Wahl (1994) wurde als formell sauber eingestuft, wobei der PRI allerdings im Wahlkampf Vorteile aus einer hohen, zum Teil unzulässigen Parteienfinanzierung zog und durch wohlwollende Berichterstattung in TV-Kanälen begünstigt wurde. Die im Juli 1997 durchgeführten Wahlen schließlich galten als die freiesten und fairsten in der Geschichte des Landes, und Wahlsiege der Opposition wurden von der Regierung als demokratische Entscheidung ohne Umschweife anerkannt.

Die allmähliche Auflösung der PRI-Alleinherrschaft begann mit dem Einzug von Oppositionsparteien in die Parlamente einiger Bundesstaaten, setzte sich fort mit regionalen Wahlerfolgen der konservativen Oppositionspartei PAN (Partido Acción Nacional), die die Regierungsverantwortung in zunächst vier Bundesstaaten übernahm, und wurde durch die Wahlen Mitte 1997 endgültig besiegelt. In diesen Wahlen wurden die Mitglieder des Abgeordnetenhauses (Cámara de Diputados), ein Teil des Senats (Senado, die Ländervertretung) sowie der Bürgermeister der Hauptstadt gewählt.

Die spektakulären Ergebnisse dieser letzten Wahl spiegeln die Unzufriedenheit mit dem PRI-System wider und beendeten dessen Alleinherrschaft (siehe Anhang). 1997 mußte der PRI das Bürgermeisteramt der Hauptstadt an den linken PRD (Partido de la Revolución Democrática) und die Regierung in zwei weiteren Bundesstaaten an den PAN abtreten. Außerdem verlor der PRI seine absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus und muß nun erstmals politische Kompromisse mit der Opposition schließen. Neben PRD und PAN sind im Abgeordnetenhaus zwei weitere kleine oppositionelle Parteien vertreten: der "grüne" Partido Verde Ecologista Mexicano (PVEM) und die marxistische „Partei der Arbeit" (Partido del Trabajo). Die vier Oppositionsparteien haben sich zu einem lockeren Bündnis - el Grupo de los Cuatro, kurz G4 - zusammengeschlossen. Trotz unterschiedlicher politischer Ausrichtungen haben sie sich darauf geeinigt, vier Punkte geschlossen abzustimmen: Maßnahmen zur Entflechtung von PRI und Staat, Beschränkung der Machtfülle des Präsidenten, Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption und die Stärkung des föderalistischen Systems durch Erhöhung der Kompetenzen und des Etats für Länder und Gemeinden. Außerdem kündigten sie die Überprüfung vielfältiger Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung an.

Gebremst werden könnten sie zwar noch durch den Senat, in dem der PRI weiterhin über eine knappe Mehrheit verfügt. Allerdings dürfte der PRI es nicht auf einen Machtkampf Abgeordnetenhaus gegen Senat ankommen lassen, da es auch unter den PRI-Abgeordneten im Senat regierungskritische Stimmen gibt, die ein geschlossenes Abstimmungsverhalten unwahrscheinlich machen.

Die erste Bewährungsprobe für das neue Parlament war die Debatte um den Haushalt 1998. In Mexiko entscheidet das Abgeordnetenhaus über die Ausgabenseite des Haushaltes, während das letzte Wort über die Einnahmenseite beim Senat liegt. Die Opposition forderte unter anderem die Absenkung der Mehrwertsteuer von 15% auf 12% und Reallohnsteigerungen um 5%. Nach langem Tauziehen, in dem der PRI weitreichende Angebote machte, ohne jedoch die 15%ige Mehrwertsteuer zur Disposition zu stellen, gelang es dem PRI, das Zweckbündnis der Opposition zu sprengen. Der PAN konnte durch das Zugeständnis deutlicher Budgeterhöhungen für die Bundesstaaten und Gemeinden dazu gebracht werden, für den Haushalt zu stimmen.

Der Haushaltsstreit beinhaltet interessante Lehren für die künftige Politik. Zum einen hat er gezeigt, daß alle drei großen Parteien bereit sind, sich mit realistischen, die stabilitätsorientierte Politik nicht grundsätzlich gefährdenden Positionen an einem Aushandlungsprozeß zu beteiligen. Der Ausgang des Tauziehens weist zum anderen darauf hin, daß der PRI weiterhin zentralen Einfluß auf die Politikgestaltung nehmen kann, indem er wechselnde Mehrheiten sucht - zu weit liegen die Interessen der beiden großen Oppositionsparteien PAN und PRD auseinander. In der Wirtschaftspolitik steht der PAN dem PRI eindeutig näher. Dem PRD gibt dieses immerhin die Chance, sich mit Forderungen nach einer redistributiven Lohn- und Steuerpolitik als einziger Anwalt der kleinen Leute zu profilieren.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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