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TEILDOKUMENT:
Außenwirtschaftsbeziehungen, EU und Ostöffnung Österreich ist als kleine offene Volkswirtschaft voll in die europäische Wirtschaft integriert. Der Exponiertheitsgrad (Exporte und Importe i.w.S. in Prozent des BIP) beträgt71,1% (Deutschland 50,44%). Die Leistungsbilanz war langfristig tendenziell ausgeglichen, weist aber seit 1995 einen deutlichen Negativsaldo auf. 1996 betrug der Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP -1,8, für 1997 und 1998 werden Werte von -2,1 bzw. -1,9 erwartet. Leistungsbilanz 1996 (Mrd. ATS.)
Die Ursachen der Verschlechterung der Leistungsbilanz sind z.T. temporär (Aufwertung des Schilling), liegen z.T. aber auch in noch unbewältigten Strukturproblemen. Dies gilt vor allem für die massive Verschlechterung in der Tourismusbilanz. 1991 hatte der Reiseverkehrssaldo noch +75 Mrd. S betragen, 1997 wird nur mehr ein Wert von + 17 Mrd. erwartet. Die Ursache dieses deutlichen Rückgangs liegt zu zwei Drittel in steigenden Auslandsausgaben der Österreicher. Diese Ausgaben sind seit 1991 real 40% gestiegen, gleichzeitig ist die Auslandsnachfrage nach österreichischen Tourismusleistungen gesunken. Dies hängt zum Teil mit der schwachen Einkommensentwicklung in Deutschland, dem bei weitem wichtigsten Herkunftsland, zusammen. Zum erheblichen Teil zeigen sich hier aber auch langfristige Tendenzen wie Verbilligung von Fernreisen, Lohnsteigerungen im Fremdenverkehr und Änderungen im Urlaubsverhalten, die strukturelle Umstellungen erfordern. Zwar weisen Tourismus-Dienstleistungen insgesamt eine zur Entwicklung der Einkommen überproportional wachsende Nachfrage auf. Staaten mit westeuropäischem Lohnniveau (wie Österreich, Frankreich und Schweiz) werden sich innerhalb dieser wachsenden Nachfrage aber auf vergleichsweise ertragsstärkere Segmente spezialisieren müssen (Städte- und Erlebnistourismus, Wintertourismus). Im Bereich des Warenverkehrs sind die größten Einzelpositionen auf der Importseite die Einfuhren von Energie und von Fahrzeugen. Bei letzteren ist es gelungen, durch den systematischen Ausbau einer vielfältigen Automobilzulieferindustrie einen annähernd vollständigen Leistungssbilanzausgleich zu erreichen. Die EU-Mitgliedschaft hat zu massiven Importen im bisher geschützten Bereich der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie geführt. Dies konnte durch zusätzliche Exporte im Bereich Maschinen und Fertigwaren nicht voll kompensiert werden. Zusammen mit der Verschlechterung der Dienstleistungsbilanz und der Transferbilanz (aus der Nettozahlerposition Österreichs gegenüber der EU) hat dies zu einem rasanten Anstieg des negativen Leistungsbilanzsaldos Österreichs gegenüber der EU geführt (1993: -17 Mrd. ATS, 1995: -62, 4 Mrd. ATS). In bezug auf die Regionalstruktur des Außenhandels stellt Deutschland sowohl auf der Import- wie der Exportseite den bei weitem wichtigsten Handelspartner dar. Von 1990-1994 wies Österreich gegenüber Deutschland einen Leistungsbilanzüberschuß auf. Seit 1995 zeigt sich, wie in früheren Perioden, ein negativer Leistungsbilanzsaldo (-20 Mrd. ATS). Entscheidend dafür ist das starke Passivum der Handelsbilanz (-68,7 Mrd. ATS), das durch andere Komponenten der Leistungsbilanz (insbesondere Dienstleistungen) nicht mehr kompensiert werden konnte. Bezogen auf Österreichs Exporte folgen als wichtigste Märkte Italien und die Schweiz.
Österreichs Leistungsbilanz nach Regionen (Mrd. ATS)
Quelle: OeNB, Statistische Monatshefte 10/1997
Von besonderem Interesse ist die außenwirtschaftliche Entwicklung zwischen Österreich und den Staaten Ost- und Südosteuropas (insbesondere Tschechien, Slowakei, Ungarn, Polen, Rumänien, GUS, Bulgarien). Hier hat sich im Vergleich zu den Vorgängerstaaten zwischen 1987 (+9,9 Mrd.) und 1995 (+44,7 Mrd.) eine dramatische Erhöhung des positiven Leistungsbilanzsaldos Österreichs ergeben. Entscheidend sind dabei die wachsenden Überschüsse in der Handelsbilanz (1987 bis 1995 von 1,8 auf 22,4 Mrd. ATS). Die stärksten Überschußpositionen werden dabei gegenüber den unmittelbaren Nachbarstaaten Ungarn (+8,5 Mrd. ATS) und Tschechien (+3,3 Mrd. ATS) erzielt, während der Handel mit der GUS wegen der hohen Erdöl- und Gaslieferungen ein Handelsbilanzdefizit aufweist (-2,4 Mrd. ATS). Es ist jedenfalls festzuhalten, daß Österreich von der Ostöffnung per Saldo deutlich profitiert hat, auch wenn sich für einzelne Branchen (z.B. Zement, Düngemittel, einfache Metallverarbeitung) Strukturprobleme ergaben. Österreich hat dabei seine Exporte nicht nur insgesamt erhöht, sondern hat gegenüber anderen Staaten auf den osteuropäischen Märkten auch Marktanteile gewonnen. Es ist davon auszugehen, daß sich dieser Prozeß einer stärkeren außenwirtschaftlichen Verflechtung noch fortsetzen wird. Letztlich handelt es sich hier um einen "Normalisierungsprozeß" innerhalb einer großräumigen Wirtschaftsregion, mit dem der Effekt der Trennlinien nach 1945 schrittweise wieder rückgängig gemacht wird. Derzeit entfallen etwa 20% der österreichischen Exporte auf Osteuropa. Im Jahr 1924 gingen allein in die damalige Tschechoslowakei fast 30% der Exporte Österreichs. Die Öffnung Osteuropas war nicht nur eine Herausforderung für die Handelsströme, sondern vor allem auch für Direktinvestitionen. Nach dem Umbruch im Osten war Österreich das erste - in manchen Staaten zeitweise sogar das einzige - westliche Land, das in größerem Umfang das Risiko von Direktinvestitionen im Osten eingegangen ist. Im Jahr 1991 erreichte der österreichische Anteil noch die beachtliche Größe von 16,5%. Im Jahr 1992 ging der österreichische Marktanteil an den Neuinvestionen im Osten auf 11,3% zurück und nahm in den folgenden Jahren weiter ab. Der Großteil (70% bis 80%) der österreichischen Direktinvestitionen im Osten ist für Ungarn und Tschechien bestimmt; auf diese beiden Länder entfiel auch der mit Abstand größte Teil ausländischer Direktinvestitionen. In den Folgejahren fiel der österreichische Anteil bis auf 6,3% im Jahr 1995. In Tschechien zogen die österreichischen Direktinvestitionen erst 1993 und 1994 an, doch brachte das Jahr 1995 wieder einen Rückschlag auf weniger als 5%: Ein ganz anderes Bild ergibt sich für die Slowakei und Slowenien - Länder, die bisher nur wenig Neuinvestitionen aus dem Westen anzogen. Österreich konnte in diesen beiden Ländern seinen hohen Anteil von 25% bis 30% nicht nur halten, sondern zum Teil sogar ausweiten. Österreichs Anfangserfolg mit Exporten und Direktinvestitionen in den osteuropäischen Nachbarländern kann überwiegend auf jene Faktoren zurückgeführt werden, die als Grundlage der "Sonderrolle" Österreichs zwischen Ost und West gelten: traditionelle Beziehungen, räumliche und mentale Nähe, Flexibilität der vorwiegend mittelständischen österreichischen Unternehmen, hoher Bekanntheitsgrad der österreichischen Produkte. Entscheidend dürfte aber der Informationsvorsprung gewesen sein, der es den potentiellen Investoren aus Österreich erleichterte, die damals noch völlig unkalkulierbaren Risiken eines "Investitionsabenteuers" im Osten besser abzuschätzen und somit auch die für ein Engagement entscheidende Risikoprämie niedriger anzusetzen. Für diese Annahme spricht nicht nur, daß Österreich unmittelbar nach der Ostöffnung einen Marktanteil von 40% erreichte, sondern auch die anhaltende Spitzenposition auf den "unsicheren" Märkten. Als Vorteil erwies sich auch die Konzentration österreichischer Bemühungen auf die Nachbarstaaten, da diese Länder in der Systemtransformation führend sind und die besten Voraussetzungen für Direktinvestitonen bieten. Nicht zuletzt ausschlaggebend war auch das frühzeitige Angebot verschiedener Verfahren zur Abdeckung der Investitionsrisiken im Osten (Ost-West-Fonds der Finanzgarantiegesellschaft FGG, Internationalisierungsprogramm des ERP, Bürges, Beteiligungsgarantie der Kontrollbank). Von Bedeutung ist auch die starke Stellung österreichischer Banken in allen angrenzenden Reformstaaten. In Bezug auf die Entwicklung der österreichischen Direktinvestitionen in Ost- und Südosteuropa gab und gibt es vielfältige Befürchtungen einer Abwanderung von Arbeitsplätzen über die z.T. ja sehr nahe Grenze. Solche Abwanderungen haben auch speziell im Bereich der Bekleidungsindustrie, der Metallverarbeitung und z.T. der Automobilzulieferindustrie stattgefunden. Die wertschöpfungsintensiven Kernaktivitäten verbleiben freilich meist in Österreich. In vielen Fällen hat sich eine neue Arbeitsteilung ergeben, wo sich aus der Kombination von Kostenvorteilen in den Reformstaaten und Qualitätsvorteilen in Österreich für das Gesamtprodukt eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit auf Drittmärkten ergibt. Unter den Aspekten einer großen und wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung der Reformstaaten für Österreich ist das mit der Agenda 2000 konzipierte Projekt der EU-Osterweiterung für Österreich von zentralem Interesse. Österreichs Position ist dabei von einer gewissen Ambivalenz. Unter politischen Aspekten und unter Aspekten des Außenhandels und der Kapitalmärkte unterstützt Österreich voll die EU-Osterweiterung, wobei Österreich dafür eintritt, neben den Nachbarstaaten Tschechien, Ungarn und Slowenien auch mit der Slowakei rasch Verhandlungen aufzunehmen. Die lange gemeinsame Grenze und die Erfahrungen eines schon jetzt erheblichen illegalen Arbeitsangebotes führen allerdings dazu, daß Österreich bei rascher Verwirklichung der vollen Öffnung der Märkte für Arbeits- und Dienstleistungen durch starke Zuwanderung eine Destabilisierung seines Beschäftigungs- und Sozialsystems befürchtet. Österreich tritt daher für eine schrittweise Integration der Reformstaaten ein, wobei (so wie schon bei der Süderweiterung der EU) bei den speziell für den Arbeitsmarkt sensiblen Bereichen entsprechend lange Übergangsfristen vorzusehen sind. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999 |