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Arbeitsmarkt und Lohnkosten

Gemäß den Erhebungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung betrugen 1996 die Arbeitskosten je Stunde in der verarbeitenden Industrie durchschnittlich 38 DM. Österreich liegt damit im internationalen Vergleich hinter Deutschland (48 DM), Schweiz und Belgien - aber deutlich im oberen Drittel. Die Struktur der Arbeitskosten ist durch relativ geringe direkte Leistungsentlohnung bei gleichzeitig hohen Lohnnebenkosten gekennzeichnet. Rechnet man die Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung, freiwillige Sozialleistungen, bezahlte Ausfallzeiten wie Urlaube, Krankenstandstage etc. sowie den 13. und 14. Monatsbezug zusammen, dann sind die Lohnnebenkosten genau so hoch wie die direkte Leistungsentlohnung. Wenn man das 13. und 14. Monatsgehalt dem Leistungslohn zurechnet, beträgt der Anteil der Lohnnebenkosten (1995) knapp 70%. Dies entspricht etwa den Werten für Deutschland (Anteil der Lohnnebenkosten am Leistungslohn 1995: neue Bundesländer 76%, alte Bundesländer 82%). Wichtigste Komponente der Lohnnebenkosten sind die Sozialversicherungsbeiträge, die bis zu einer Höchstbeitragsgrundlage (derzeit 42.000 S) vom jeweiligen Einkommen des Arbeitnehmers erhoben werden. Die Beitragszahlung ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt und beträgt für die Krankenversicherung rund 7 Prozent, die Arbeitslosenversicherung 6 Prozent, die Unfallversicherung 1,3 Prozent und die Pensionsversicherung 22,8 Prozent

Für die ökonomische Bewertung der Arbeitskosten ist die Höhe der Lohnstückkosten maßgeblich. Die Lohnstückkosten ergeben sich aus dem Verhältnis der Kosten der Arbeitsstunde und der Stundenproduktivität. Sie sind somit kein reiner Indikator der Produktionskosten, sondern umfassen bereits die auf die Arbeitsproduktivität wirkenden Einflüsse aller anderen Standortfaktoren, insbesondere die Qualifikation der Beschäftigten, F&E-Investitionen, die Qualität komplementärer Infrastrukturleistungen oder die Flexibilität der Arbeitszeiten.

Eine Analyse der durchschnittlichen jährlichen Veränderung der Lohnstückkosten im internationalen Vergleich (Guger 1996) zeigt auf Schillingbasis für Österreich für den Zeitraum 1990-1995 einen Anstieg um 0,4%. Dies liegt unter Deutschland und den Niederlanden , aber deutlich über anderen Industriestaaten. Maßgeblich hierfür sind neben unterschiedlichen Arbeitsmarktentwicklungen vor allem Veränderungen der Wechselkursrelationen, die freilich seit 1997 zum Teil wieder in gegenläufiger Richtung wirken.

Entwicklungen der Lohnstückkosten in der verarbeitenden Industrie 1990-1995

(durchschnittliche jährliche Veränderung in % auf Schillingbasis)

Italien

-6,9

Schweden

-6,6

Spanien

-3,6

USA

-2,3

Großbritannien

-1,4

Frankreich

0,0

Schweiz

0,2

Österreich

0,4

Niederlande

1,0

Deutschland

1,1

Japan

7,7



Die Normalarbeitszeit beträgt nach Arbeitszeitgesetz 40 Stunden pro Woche, die meisten Kollektivverträge sehen allerdings geringere Wochenarbeitszeiten vor. Die tatsächlich pro Woche geleistete Arbeitszeit liegt nach EUROSTAT-Erhebungen bei 38 Stunden und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt (35,9 Stunden; Deutschland 37,6 Stunden). Dies zeigt einerseits, daß in der Praxis die österreichischen Arbeitsmarktregelungen eine erhebliche Flexibilität erlauben, andererseits, daß Formen der Teilzeitarbeit in Österreich eine vergleichsweise geringere - wenn auch wachsende - Rolle spielen.

Als Standort mit relativ hohem Lohnniveau ist für Österreich die Qualifikation der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte der Schlüsselfaktor für die betriebliche Wettbewerbsfähigkeit schlechthin. Dies entspricht auch der Einschätzung der in Österreich tätigen ausländischen Investoren. Was die Einschätzung der Standortattraktivität Österreichs betrifft, wird die Verfügbarkeit von Arbeitskräften ohne spezielle Ausbildung als durchschnittlich bewertet. Die Verfügbarkeit hochqualifizierter und gut ausgebildeter Arbeitskräfte ebenso wie die Faktoren Motivation der Beschäftigten und Initiative der Führungskräfte werden hingegen zu den österreichischen Standortvorteilen gezählt.

Grundlage für die entsprechenden Qualifikationen ist ein vor allem im Sekundärbereich (10-18 Jahre) überdurchschnittlich ausgebautes Bildungssystem. In der Altersgruppe zwischen 12 und 14 Jahren weist Österreich in einem Vergleich von 25 Ländern die höchste Anzahl an Unterrichtsstunden auf. Insbesondere für die Ausbildung in Mathematik und den Naturwissenschaften werden deutlich mehr Unterrichtsstunden investiert als in allen anderen 25 Staaten. (Österreich 975, Deutschland 675 jährliche Unterrichtsstunden). Eine weltweite Vergleichsstudie von Schülerleistungen in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern (TIMSS; Third International Mathematics and Science Study) zeigt, daß sich dieser größere Input auch leistungsmäßig auswirkt. Österreich schneidet bei den 41 Länder umfassenden TIMSS-Leistungsstests für 13jährige Schüler sowohl in den naturwissenschaftlichen Fächern mit dem 8. Platz als auch in Mathematik mit dem 12. Platz sehr gut ab. Länder wie Singapur, Japan und Südkorea liegen dabei in der Regel an der Spitze, gefolgt von Tschechien, Bulgarien und Slowenien. Innerhalb der Europäischen Union sind v.a. die Niederlande und Belgien gut plaziert. Gegenüber einer Punktezahl für Österreich von 558 (Naturwissenschaften) bzw. 539 (Mathematik) liegen die entsprechenden Werte für Deutschland bei 531 bzw. 509 Punkten. Das österreichische Qualifikationssystem unterscheidet sich von anderen Ländern v.a. dadurch, daß der Anteil der Sekundarschulausbildung besonders hoch und jener der Tertiärausbildung vergleichsweise gering ist. Darüber hinaus sticht im internationalen Vergleich der große Anteil der Berufsbildung gegenüber der Allgemeinbildung innerhalb der oberen Sekundarstufe (z.B. Gymnasial-Oberstufe, berufsbildende mittlere und höhere Schulen, Lehrlingsausbildung) hervor. Beides trägt wesentlich zur Attraktivität des österreichischen Bildungssystems für die Wirtschaft bei.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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