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TEILDOKUMENT:

[Seite der Druckausg.: 15 ]


2. Rolle der Beschäftigten bei Haushaltskonsolidierung und Verwaltungsreform

Für die Konsolidierung der kommunalen Haushalte - im Westen wie im Osten - gibt es grundsätzlich zwei Ansatzpunkte. Auf der einen Seite wird die Sanierung vielerorts durch Abbau öffentlicher Leistungen betrieben, d.h., die Gemeinden reduzieren z.B. freiwillige soziale und kulturelle Angebote, schließen Theater, Schwimmbäder oder Jugendein-richtungen. Häufig wird auch in der Ausgliederung oder Privatisierung von kommunalen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Stadtwerken, Müllabfuhr etc. ein Allheilmittel gesehen, um so den Haushalt, insbesondere der Städte, zu entlasten.

Auf der anderen Seite rückt immer stärker der Abbau von Personal in das Zentrum der Konsolidierungsbemühungen. Bei vielen Kommunen in den alten Bundesländern hat sich die Notwendigkeit, bei Mitarbeitern zu sparen, aus dem hohen Anteil der Personalkosten am Gesamthaushalt (schon jetzt oft bis zu 40 %) ergeben. In den kommenden Jahren wird sich dieser Anteil wegen der zu erwartenden Steigerung der Pensionslasten noch beträchtlich erhöhen, so daß manche Kommunen heute schon den Zeitpunkt errechnen können, zu dem ihr Haushalt praktisch nur noch Ausgaben für Personal und Pflichtleistungen (vor allem für Zahlung von Sozialhilfe) enthalten wird - falls die Zahl der Beschäftigten nicht in Zukunft verringert wird.

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Personalabbau in Ostdeutschland

In den neuen Bundesländern hat der Stellenabbau eine spezielle Bedeutung, die sich insbesondere aus dem Einigungsprozeß ergab. Viele Aufgaben, die zu DDR-Zeiten auf kommunaler Ebene erledigt wurden (z.B. auf dem Wohnungsmarkt oder im Erziehungswesen), sind entweder auf andere Träger übergegangen bzw. privatisiert worden oder mittlerweile als öffentliche Leistungen ganz entfallen. Auch nach Abschluß der ersten großen Kündigungswelle, die der Vertrag zur Deutschen Einheit entsprechend Art. 20 ausdrücklich ermöglichte (auf die z.T. fatalen Wirkungen dieser Regelung soll hier nicht näher eingegangen werden), sind auch 1995 noch viele ostdeutsche Kommunal- und Kreisverwaltungen überbesetzt.

Dafür sind unter anderem auch die Kreisgebietsreformen verantwortlich, die die Zusammenlegung von Landkreisen, Städten und Gemeinden zum Ziel haben. Als z.B. in Mecklenburg-Vorpommern aus früheren 31 jetzt 12 neue Landkreise gebildet worden sind, hatte dies notgedrungen einen Überhang an Personal zur Folge, weil die alten Landräte mit dem Abbau - aus verständlichen Gründen der politischen Opportunität - nicht mehr begonnen hatten.

Das Landkreisneuordnungsgesetz garantiert den Mitarbeitern zwar eine Weiterbeschäftigung bis zum Juni 1996, aber spätestens dann müssen die neuen Landräte eine - hoffentlich sozialverträgliche - Lösung finden.

Ähnlich wie im Norden sieht die Situation in den anderen vier Neuen Bundesländern aus: Nach realistischen Schätzungen wird in den nächsten Jahren insgesamt noch ein Drittel der derzeit Beschäftigten den öffentlichen Dienst verlassen müssen. Die Wirkungen solch gewaltigen Personalabbaus können sehr unterschiedlich sein - je nachdem, wie die Vorgehensweise der öffentlichen Hand aussieht. Wenn die Betroffenen per Erlaß vor vollendete Tatsachen gestellt werden und keine Möglichkeit zur Mitwirkung erhalten, kann daraus - zurückhaltend formuliert - eine nachhaltige Störung des sozialen Friedens im Osten Deutschlands erwachsen.

Wenn andererseits "Betroffene zu Beteiligten" gemacht werden und die nötigen Haushaltskonsolidierungen mit den sinnvollen Zielen einer Verwaltungsmodernisierung verknüpft werden, mag aus der Krise der Kommunen durchaus die Chance für einen echten Neubeginn erwachsen - allerdings nicht in einer kurzen Spanne von wenigen Jahren, sondern in einem wesentlich längeren Zeitraum.

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Auch Kommunalpolitiker werden sich daran gewöhnen müssen: Unmögliches wird sofort erledigt, aber Verwaltungsreformen dauern deutlich länger als eine Legislaturperiode.

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Der Fall Erfurt

Wie der Prozeß des Personalabbaus konstruktiv gemeinsam mit den Beschäftigten und verzahnt mit einer Verwaltungsreform in Gang gesetzt werden kann, zeigt das Beispiel Erfurt.

In der Landeshauptstadt Thüringens wurde das Personal zwischen 1991 und 1994 von 10.600 Mitarbeitern auf 4.900 reduziert. Zur Hälfte waren davon Lehrerinnen und Lehrer (teilweise vom Land übernommen), zu je einem Fünftel Beschäftigte im medizinischen Dienst und im Erziehungswesen betroffen.

Trotz des drastischen Abbaus sind die Personalkosten in diesen vier Jahren von 165 Mio. auf 254 Mio. DM gestiegen; ihr Anteil am Gesamthaushalt der Stadt beträgt jetzt 41,6 %. Als Folge der Gebietsreform 1994, durch die sich die Fläche Erfurts um 144 km¨ erhöhte, mußten nochmals 266 Beschäftigte aus umliegenden Gemeinden- und Kreisverwaltungen übernommen werden. Dies bedeutet für die Stadt in diesem Jahr eine Mehrausgabe von 15 Mio. DM.

Gleichzeitig sind hohe infrastrukturelle Investitionen erforderlich, um insbesondere Altenheime, Kindergärten und Schwimmbäder zu sanieren und im Klärwerk die 3. Reinigungsstufe für Abwasser einbauen zu lassen.

In dieser prekären Situation kamen die politisch Verantwortlichen der Stadt Erfurt, der Personalrat der Stadtverwaltung und die örtliche Gewerkschaft ÖTV auf die Idee, beim Sparen und Modernisieren an einem Strang zu ziehen. Grundlage der konzertierten Aktion zwischen dem kommunalen Arbeitgeber und den zwei Interessenvertretungen der Be-schäftigten ist die am 19. Mai 1994 abgeschlossene "Rahmenvereinbarung zur Haushaltskonsolidierung und Verwaltungsreform bei der Stadt Erfurt". Die "Ausgangslage" wird darin realistisch so beschrieben:

    "Angesichts der schlechten gesamtwirtschaftlichen Lage, der anhaltenden Finanzkrise der öffentlichen Hände und der Steuereinnahmen, insbesondere der Kommunen, ist für das Jahr 1994 und fortfolgende mit weiteren Haushaltsdefiziten zu rechnen. Hinzu kommt die Neuordnung des Finanzausgleichs im Jahre 1995. Diese Entwicklung zwingt zu einschneidenden Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen.

    Der Konsolidierungsprozeß darf jedoch nicht nur zu dauerhaften Einsparungen durch Abbau von Aufgaben und Arbeitsplätzen führen. Er muß auch zu einer entscheidenden Reform der Stadtverwaltung genutzt werden."

Die Vereinbarung dient u.a. dem Ziel, die "berechtigten Interessen der Beschäftigten zu wahren." Zur Begründung der gemeinsamen Zielsetzung heißt es:

    "Die angestrebte weitreichende Beteiligung der Beschäftigten soll den Konsolidierungsprozeß für alle Beteiligten transparent machen und zur aktiven Mitgestaltung motivieren. Nur so kann ein Ausgleich der unterschiedlichen Interessen erreicht werden. Unter aktiver Mitgestaltung wird insbesondere die Einbeziehung der beruflichen und fachlichen Kompetenz der Beschäftigten sowohl bei der konstruktiven Aufgabenkritik als auch bei der Entwicklung von Reformprojekten verstanden.

    Die bisherigen Reformansätze, mit Maßnahmen der Dezentralisierung der Verwaltung als Teil eines neuen Steuerungsmodells sind weiter zu entwickeln.

    Der Abbau von Leistungen im Rahmen von Haushaltskonsolidierung muß auch Umbau und Aufbau bedeuten."

Zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind folgende "Rahmenbedingungen" vereinbart:

    "Auf betriebsbedingte Kündigungen wird weitestgehend verzichtet. Stattdessen werden die tariflichen Möglichkeiten der Arbeitszeitverkürzung und Teilzeitarbeit voll genutzt. Ziel ist die Personalkostenreduzierung, nicht die Arbeitsplatzvernichtung.

    Personalwirtschaftliche Instrumente sind zu entwickeln, die es ermöglichen, durch gezielte Förderung die Beschäftigten mit gleichwertigen Aufgaben zu betrauen."

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Frank Wenzel, Mitglied des Erfurter Personalrats, sieht in dem Projekt aus Arbeitnehmersicht "die beinahe traumhafte Möglichkeit, Einfluß darauf zu nehmen, daß nicht an, sondern mit den Beschäftigten gespart wird." Für Hartwick Oswald, Geschäftsführer der Erfurter ÖTV, ist die Rahmenvereinbarung vom 19. Mai 1994 "ein verläßliches Signal von oben, daß Mitarbeiterbeteiligung gewollt ist".

So weit, so gut. Den Praxistest muß die Vereinbarung allerdings noch in den kommenden Monaten und Jahren bestehen. Den Erfurtern ist zu wünschen, daß der Vertrag mit Leben erfüllt wird und die Stadt zum Modell für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung und Beschäftigten wird. Auf jeden Fall nachahmenswert - auch für Kommunen im Westen - ist der Weg, den Erfurt seit dem letzten Mai beschritten hat. (Der Text der Erfurter Vereinbarung vom 19.05.1994 ist im Anhang dieses Beitrags abgedruckt). Ähnliche Vereinbarungen über die Beteiligung der Beschäftigten an der Verwaltungsreform gibt es auch in anderen östlichen Kommunen.

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Flexibilisierung des öffentlichen Dienstes

"Unter personalpolitischen Gesichtspunkten stellt der Verwaltungsaufbau und -umbau in den neuen Bundesländern das Experiment dar, völlig neue Anforderungen mit dem vorhandenen Personal zu bewältigen, das dafür nicht - oder nicht zureichend - qualifiziert war. Auf diesem Hintergrund sind im Osten Flexibilisierungsbestrebungen zu erkennen, die im öffentlichen Dienst bislang beispiellos sind"; - zu diesem Ergebnis kommen zwei Autoren in einer kürzlich veröffentlichten Studie über die Personalentwicklung in westlichen und östlichen Kommunen. (Gertrud Kühnlein, Norbert Wohlfahrt: Zwischen Mobilität und Modernisierung. Personalentwicklungs- und Qualifizierungsstrategien in der Kommunalverwaltung. Berlin 1994).

In der Tat: Momentan findet im Osten der Republik ein Großversuch auf dem Gebiet des öffentlichen Arbeitsmarktes statt, an dem Hunderttausende von Beschäftigten beteiligt sind. Wie das Experiment ausgeht, ist noch ungewiß. Personalabbau ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite muß Personalaufbau sein, d.h. Qualifizierung, Fortbildung und Weiterbildung von Mitarbeitern, wie sie der öffentliche Dienst in Zukunft braucht. Für die vielen "freigesetzten" Beschäftigten der letzten Jahre müssen Wege gefunden werden, sie möglichst wieder ins Berufsleben - auch im öffentlichen Sektor - zu integrieren.

Bei Stadtverwaltungen in der früheren DDR waren häufig mehr als ein Drittel der Beschäftigten Erzieherinnen, denen nach 1990 überwiegend aus "betriebsbedingten Gründen" gekündigt worden ist, weil die meisten Kindergärten, Tagesstätten und andere soziale Einrichtungen nicht von den Kommunen weitergeführt wurden. Was geschieht mit dieser großen Gruppe von "Einheitsopfern"? Welche zukunftsweisenden Qualifizierungsmaßnahmen werden ihnen geboten, um eine neue berufliche Perspektive zu entwickeln?

Eine Alternative zur betriebsbedingten Kündigung von Beschäftigten stellen Tarifverträge auf Orts- und Landesebene dar, die zur "sozialen Arbeitszeitverteilung" und "zur Beschäftigungssicherung" abgeschlossen werden. In den Verträgen wird z.B. die Wochenarbeitszeit für bestimmte Gruppen von 40 auf bis zu 32 Stunden (mit Teillohnausgleich) herabgesetzt. Daneben wird Kündigungsschutz bis zu maximal drei Jahren garantiert.

Im Land Brandenburg ist man seit kurzem schon einen Schritt weiter, denn eine Vereinbarung zwischen dem dortigen kommunalen Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft ÖTV befaßt sich nicht nur mit Fragen des sozialverträglichen Personalabbaus, sondern auch mit Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen für die Betroffenen. Auszug aus dem richtungsweisenden Tarifvertrag:

    "Es soll grundsätzlich einen Einstellungsstopp geben, von dem nur Auszubildende und Beamtenanwärter auszunehmen sind. Freie Stellen sollen nur noch intern wieder besetzt werden. Dabei sollen rechtzeitig Qualifizierungsmaßnahmen geplant und durchgeführt werden. Beschäftigte können bis zu einem Jahr unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freigestellt werden, um sich für eine neue Tätigkeit in der Verwaltung fortzubilden oder sogar in einen neuen Beruf umzuschulen."

Durch diese Art Vereinbarungen bietet sich die Chance, Möglichkeiten für eine Mobilität im öffentlichen Dienst zu schaffen, wie sie beim Personalabbau in den westlichen Städten und Gemeinden bislang nicht entwickelt wurden.

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Wenn solche Experimente wie in Erfurt, Brandenburg und anderswo gelingen, könnte am Ende die Flexibilisierung des öffentlichen Dienstes vom Osten modellhaft in den Westen wirken. Zugegeben - eine Vision. Aber ohne Visionen bleibt der Politik nur das kurzatmige Krisenmanagement. Das wäre zu wenig.

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Exkurs: Brennpunkt Berlin

Das berühmte Wort von Willy Brandt zur Deutschen Einheit hat nirgends in Deutschland immer noch so aktuelle Bedeutung wie in Berlin: Hier muß unvermeidbar zusammenwachsen, was zusammengehört, der Osten mit dem Westen der Stadt, die Politik und die Verwaltung.

Die Ausgangssituation im vereinigten Berlin ist dramatisch: Haushaltsvolumen (1994) 47,9 Mrd. DM, Defizit 7,5 Mrd. DM, Gesamtverschuldung 75 Mrd. DM (ohne Nebenhaushalte bei Eigenbetrieben, öffentlichen Einrichtungen mit autonomer Wirtschaftsführung etc.).

Von den derzeit 200.000 Planstellen sollen 25.000 ohne Kündigung durch reguläre Fluktuation, Vorruhestandsregelungen usw. abgebaut werden. Experten schätzen jedoch, daß im Osten der Stadt mindestens weitere 25.000 Beschäftigte "freigesetzt" werden müssen.

Mit dieser Situation konfrontiert, faßte der Berliner Senat am 10. Mai 1994 den Beschluß über die "Einführung eines Neuen Führungs- und Steuerungssystems in der Berliner Verwaltung". Hinter diesem trockenen Titel verbirgt sich das größte Modernisierungsprojekt, das zur Zeit in der deutschen Verwaltung stattfindet, Gesamtkosten: 30 Mio. DM. Als Berater und Projektbegleiter sind mit Arthur D. Little, Price Waterhouse und KPMG (Klynveld, Peat, Marwick, Goerdeler) drei international renommierte Unternehmen engagiert. Der Senatsbeschluß vom 10.05.1994 enthält folgende Elemente:

  • Flächendeckende Einführung eines Neuen Führungs- und Steuerungssystems in allen 23 Bezirksverwaltungen und - zunächst als Start - in 4 Senatsverwaltungen mit dem Ziel der weitgehenden Dezentralisierung der Ressourcenverantwortung und der Schaffung von Verantwortungsbereichen.

  • Schnellstmögliche Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungssysteme einschließlich einer Kosten- und Leistungsrechnung.

  • Der Senat wird die Möglichkeit prüfen, die eingeführten Globalsummen ab dem Haushaltsjahr 1997 auf Grundlage des Kostenrechnungssystems fortzuschreiben.

  • Es wird ein Lenkungsgremium eingerichtet, das eine ständige politische Begleitung unter Beteiligung des Rates der Bürgermeister sicherstellt.

  • Durch Haushaltsplan bzw. durch Haushaltsgesetz wird zur Stärkung der eigenverantwortlichen Mittelbewirtschaftung in den Verwaltungen die Deckungsfähigkeit erweitert.

  • Parallel laufen Vorbereitungen in den Bereichen Personal, Organisation und technisches Umfeld.

  • Die Entwicklung der IT-gestützten Kosten- und Leistungsrechnung und die Einführung des Neuen Führungs- und Steuerungssystems wird extern unterstützt.

  • Das Verfahren ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt in der gesamten Berliner Verwaltung einzuführen.

Auf einen kurzen Nenner gebracht, werden mit der Berliner Reform zwei Ziele angestrebt: die Einführung eines "systematischen Qualitätsmanagements" für öffentliche Dienstleistungen und eine am Ergebnis (d.h. Produkt) für den Kunden orientierte Steuerung der gesamten Berliner Verwaltung auf kommunaler und Landesebene. Damit ist auch eine Verzahnung der Reform zwischen Kommunen (= Bezirken) und Land geplant, wie sie bislang noch nirgendwo in Deutschland verwirklicht worden ist.

Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, wird zur Zeit der Versuch unternommen, flächendeckend rund 25.000 "Leistungen" der Berliner Verwaltung in 2.500 sog. "Produkten", diese wiederum in 400 bis 500 "Produktgruppen" und letztlich in ca. 100 "Produktbereichen" zusammenzufassen.

Der Produktkatalog schafft die Voraussetzungen für Vereinbarungen zwischen Politik und Verwaltung, welche Leistungen in einem bestimmten Zeitraum mit einem entsprechenden Budget erbracht werden sollen (Kontraktmanagement). Außerdem bietet der

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Katalog die Grundlage für eine nachvollziehbare Kosten- und Leistungsrechnung der öffentlichen Hand und für eine Transparenz des Verwaltungshandelns gegenüber dem Bürger.

Bis zum Sommer 1995 soll der Prozeß der Produktdefinition abgeschlossen sein. An dieser mühsamen Arbeit sind neben den Beratungsunternehmen insgesamt etwa 1.600 Mitarbeiter aus den 23 Bezirksämtern, d.h. auf kommunaler Ebene, und rund 100 Mitarbeiter auf Landesebene beteiligt. Auch in anderer Beziehung ist die Beteiligung der Beschäftigten ein zentrales Anliegen der Verwaltungsreform. So ist u.a. geplant, im Jahr 1995 mit begleitenden Qualifizierungsmaßnahmen etwa 3.500 Beschäftigte in herausgehobenen Positionen mit den Einzelheiten der Verwaltungsreform vertraut zu machen. Allein für diese Fortbildung werden 5 Mio. DM bereitgestellt.

Weitere Qualifizierungsangebote sollen im kommenden Jahr folgen. In der Gesamtkonzeption spielen im übrigen Fragen der Personalentwicklung und des Personalmanagements eine maßgebliche Rolle.

Woran es bislang fehlt, ist der Abschluß einer Betriebsvereinbarung zwischen der Verwaltung (Senat und Bezirksämter), dem Hauptpersonalrat und der Gewerkschaft ÖTV, z.B. nach dem Erfurter Vorbild.

Angesichts der Größe des Reformprojektes und der möglichen Konflikte, die sich bei der Umsetzung ergeben können, wäre der Berliner Senat gut beraten, eine solche Vereinbarung bald zu schließen.

Interessant sind die Erfahrungen, die die Projektleiter in der bisherigen Zusammenarbeit mit Beamten in Ost- und West-Berlin in den vergangenen Monaten gemacht haben. Ein Berater bringt die unterschiedliche Einstellung zur Verwaltungsreform zugespitzt auf den Nenner: "Unter den Beschäftigten, mit denen wir bei der Modernisierung der Verwaltung zu tun haben, gibt es die einen, die powern, und die anderen, die mauern. Diejenigen, die powern, sind meist die Beamten im Osten. Und diejenigen, die mauern, kommen oft aus dem Westen."

Als Erklärung für die hohe Reformbereitschaft im Osten ist häufig zu hören: "Dem Verwaltungssystem, was uns von den Westbeamten übergestülpt wurde, stehen wir immer noch mit einer gewissen Distanz gegenüber. Wir haben seine Defizite erkannt und sehen jetzt die einmalige Chance, diese Defizite zu überwinden, indem wir neue Strukturen einführen."

Ja, wenn das so ist - wäre es ein Grund mehr, die Hoffnungen für den Beginn einer umfassenden Verwaltungsreform in Deutschland mehr auf den Osten zu setzen. Was die Motivation der Betroffenen angeht, könnte der Impuls zur Modernisierung offensichtlich wohl eher von ostdeutschen Kommunen ausgehen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 2000

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