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Michael Bürsch



Im Osten was Neues



Verwaltungsreform in ostdeutschen Städten und Gemeinden



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1. Kommunalverwaltung in den neuen Ländern zwischen Neuaufbau und Reform

Verwaltungsreform ist in ostdeutschen Kommunen genau so nötig und sinnvoll wie im Westen der Republik - darüber sind sich viele Bürgermeister, Landräte, Kommunalpolitiker und Verwaltungsfachleute in den Neuen Ländern im Prinzip einig.

Aber was in rund 100 westdeutschen Städten und Gemeinden in den letzten Jahren jedenfalls schon in Form von neuen Steuerungsmodellen, betriebswirtschaftlicher Haushaltsführung, Stärkung der Effizienz der Verwaltung oder Entwicklung zum "Dienstleistungsunternehmen Kommune" in Angriff genommen worden ist, steckt in den fünf östlichen Bundesländern noch in den Kinderschuhen. So gibt es bislang nach offiziellen Angaben noch keine ostdeutsche Kommune, die konkret die Möglichkeiten eines modernen Steuerungssystems - z.B. durch Einführung von Budgetierung, Kosten-/Leistungsrechnungen, Berichtswesen und Controlling - erprobt. Eine vor kurzem durchgeführte Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik hat ergeben, daß in Westdeutschland jede dritte Kommune (36 %), in Ostdeutschland aber nur jede 12. Kommune (8 %) in nächster Zeit Maßnahmen der Verwaltungsreform auf diesem Gebiet plant.

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Schwierige Ausgangslage im Osten

Die Gründe für einen solchen Reformstau in den Neuen Ländern liegen auf der Hand. In erster Linie waren die ostdeutschen Kommunen in den vergangenen vier Jahren damit beschäftigt, im Schnellgang eine Verwaltung nach westdeutschem Vorbild aufzubauen, die in der Lage sein sollte, für die sofortige Anwendung und Umsetzung des bundesrepublikanischen Rechts- und Verwaltungssystems zu sorgen.

In der früheren DDR war den Gemeinden eine Rolle zugewiesen, die mit der Struktur und Arbeitsweise im Westen nicht vergleichbar war. Die DDR-Verfassung erfaßte in Kapitel 2 "Betriebe, Städte und Gemeinden in der sozialistischen Gesellschaft" unter demselben Sachzusammenhang wie Wirtschaftsunternehmen. Das bedeutete: Kommunen waren zur DDR-Zeit in das wirtschaftlich-politische Leitsystem eingegliedert und im Prinzip mit ähnlichen Aufgaben bedacht wie ein Volkseigener Betrieb oder ein Kombinat.

Dieses System brach Ende 1989 auf einen Schlag zusammen und mußte - unterstützt durch Helfer aus dem Westen - umgehend durch neue demokratisch orientierte Strukturen ersetzt werden, die den meisten in den Ost-Kommunen Beschäftigten völlig fremd waren.

Aus der Rückschau ist nachvollziehbar, daß ostdeutsche Städte und Gemeinden in der schwierigen Anfangsphase nach der Wende zunächst nur an dem Aufbau einer halbwegs funktionsfähigen Verwaltung nach westlichem Muster interessiert waren.

Mit Reformideen konnte sich in dieser Zeit, die durch den täglichen Kampf mit fremder Gesetzesmaterie, fachlichen Schwierigkeiten und menschlichen Unzulänglichkeiten geprägt war, wohl kein Verwaltungspraktiker im Osten näher beschäftigen - so wünschenswert es gewesen wäre, wenn gleich beim Aufbau der neuen Kommunalverwaltungen einige der Verwaltungsmodernisierungen verwirklicht worden wären, für die z.B. die Kölner "Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung" (KGSt) bereits eine Reihe von Umsetzungskonzepten erarbeitet hatte.

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Gebiets- und Funktionalreformen

Für die mangelnde Bereitschaft zur grundlegenden Verwaltungsreform in den Rathäusern gab es in den vergangenen Jahren noch weitere gute Gründe. Nachdem 1990 mit großer Mühe die fünf Neuen Länder Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt gegründet, fünf Landesverfassungen verabschiedet und neue Landesbehörden geschaffen worden waren,

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wurden überall in Ostdeutschland Gebietsreformen und Funktionsreformen (Verlagerung von Aufgaben, Finanzen und Personal auf Landkreise, Städte, Gemeinden und Ämter) in Gang gesetzt. Dabei konnte von einem geordneten Verfahren und klaren Konzeptionen oft keine Rede sein. Die Zielrichtung und Vorgehensweise wurden meist von den Beratern aus dem Westen bestimmt und hing deshalb maßgeblich davon ab, aus welchem westlichen Land (mit bestimmten Verwaltungsstrukturen) die Berater stammten.

Beispiel Thüringen: Zunächst war Hessen das Partnerland im Westen. Dessen Beamte setzten sich daher in Thüringen für die Schaffung von Regierungspräsidien nach hessischem Vorbild ein. Nach dem Regierungswechsel in Wiesbaden (die SPD löste 1992 dort die CDU-Regierung ab), verlor die Thüringer CDU-Landesregierung das Interesse an Hessen und wandte sich Bayern als Partnerland zu. Die bayrischen Leih-Beamten verglichen Thüringen mit Oberbayern und wollten das Land dementsprechend flächendeckend mit einer dreistufigen Verwaltung überziehen. Davon ist spätestens seit der letzten Landtagswahl, aus der eine Regierung der Großen Koalition hervorgegangen ist, keine Rede mehr. Im übrigen existiert aber ein Landesverwaltungsamt als Zwischenbehörde zwischen Land und Kommunen, über deren zukünftige Kompetenz die Koalition noch entscheiden muß. Die Gebietsreform, u.a. mit dem Ziel der Zusammenlegung von Landkreisen, die 1993 von Bernhard Vogel begonnen wurde, ist in vollem Gange.

Spannungen sind dadurch entstanden, daß die Gebietsreform von den Betroffenen häufig als "Planung vom grünen Tisch" empfunden wird, die auf historisch gewachsene Verflechtungen und regionalpolitische Zusammenhänge keine Rücksicht nimmt.

Durch die sog. Kommunalreform wurde in Thüringen die Größe einer "Einheitsgemeinde" auf 3.000 Einwohner und einer "Verwaltungsgemeinschaft" auf 5.000 Einwohner festgelegt. Wie zu erwarten war, entstehen die Schwierigkeiten dieser Reform jetzt bei der Umsetzung, d.h. der Zusammenführung von Gemeinden.

Die Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD enthält eine Übergangsregelung bis zum 30. 6. 1995. Bis zu diesem Tag können sich Gemeinden auf freiwilliger Basis zu Einheitsgemeinden oder Verwaltungsgemeinschaften zusammenschließen. Danach muß der Landesgesetzgeber entscheiden - und Konflikte scheinen programmiert.

Ähnlich schwierig stellt sich die Lage in den anderen vier östlichen Ländern dar. Mag die Gebietsreform mancherorts auch nach etwas klareren Vorgaben als in Thüringen abgelaufen sein - Probleme mit der Umsetzung haben die Bürgermeister und Landräte überall, z.B. auch in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, obwohl dort keine Mittelbehörden eingerichtet wurden und die Entscheidungen über Gebietsreformen (Zusammen-legung von Landkreisen, Städten etc.) schon länger gefallen sind.

Die umfangreichen Gebiets- und Funktionalreformen sind für die Kommunen bis heute mit großem Arbeitsaufwand verbunden. Da bleibt für die Modernisierung der Verwaltungen wenig Zeit und Kraft.

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Verschuldung ostdeutscher Kommunen

Motor für Reformbemühungen in westdeutschen Kommunen ist häufig ihre akute Finanznot. Im Westen hat sich die Finanzlage der Städte und Gemeinden schon seit längerem kontinuierlich verschlechtert. Die Ursache ist für Münchens früheren Oberbürgermeister Georg Kronawitter klar: "Nie zuvor in der Nachkriegszeit wurden die Aufgaben der Kommunen so dynamisch ausgeweitet, wie in den letzten Jahren!" Vor allem die Sozialkosten, für die die Gemeinden aufkommen müssen, sind drastisch gestiegen: Von 1988 bis 1994 haben sich die Ausgaben für Sozialhilfe verdoppelt; 1994 wird der Gesamtbetrag für Sozialhilfe in Deutschland auf 47,5 Mrd. DM geschätzt. Dieser starken Zunahme auf der Ausgabenseite stehen erhebliche Einbußen auf der Einnahmeseite (insbesondere bei der Gewerbesteuer) gegenüber.

Nach vier Jahren Deutscher Einheit sind auch die östlichen Kommunen in Finanznot geraten, obwohl sie noch immer stattliche Transferzahlungen aus dem Westen erhalten (daran sind neben Bund und Ländern auch westdeutsche Kommunen zu 40 % beteiligt, im Jahr 1994 mit rund 12 Mrd. DM).

Für diese Entwicklung gibt es neben den - wie in Westdeutschland - stark gestiegenen allgemeinen Ausgaben einige spezifische Gründe in den Neuen

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Ländern. Ein finanzielles Dilemma ist für die ostdeutschen Kommunen aus der inzwischen häufig geübten Praxis entstanden, Aufgaben von höheren Stellen (Land, Landkreis) übertragen zu bekommen, ohne daß entsprechende dafür erforderliche Mittel bereitgestellt werden. In der Übergangs-Kommunalverfassung der DDR von 1990 war noch ausdrücklich normiert: Wenn den Kommunen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden, müssen ihnen gleichzeitig die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.

Selbst wenn sich diese Regelung auch in ähnlicher Form in den neuen Kommunalverfassungen der Ostländer wiederfindet, so ist dieses Junktim doch in der Praxis allzu oft mißachtet worden. Leider haben sich die Kommunen hiergegen bislang nicht wehren können, weil die einschlägigen Verfassungsbestimmungen keine Sanktionen für den Fall der Nichtbeachtung enthalten.

Ein weiterer Grund für die Finanzmisere ostdeutscher Kommunen liegt in öffentlichen Großinvestitionen der letzten Jahre, deren Folgekosten jetzt immer größere Belastungen für die kommunalen Haushalte mit sich bringen. So erweisen sich die großzügigen Förderungen für Infrastrukturmaßnahmen - aus dem Fonds Deutsche Einheit oder anderen Finanzhilfen des Bundes oder westlicher Länder - schon jetzt als Danaergeschenke.

Viele Städte und Gemeinden haben in der ersten Zeit nach der Wende völlig überdimensionierte Gewerbegebiete angelegt, für die es in der Regel keine wirtschaftlichen Bedarfsanalysen, Betriebskonzepte oder Abstimmungen mit den Nachbargemeinden gegeben hat. So sind in Brandenburg (Fläche: 29.000 km¨, Einwohner: 2,53 Mio.) in den letzten Jahren auf 12.000 ha Gewerbegebiete entstanden, während in Baden-Württemberg, dem Land mit dem höchsten Industrialisierungsgrad in Deutschland (Fläche: 39.000 km¨, Einwohner: 10,23 Mio.), nur rund 5.000 ha Gewerbegebiete existieren.

Für Mecklenburg-Vorpommern läßt sich das ganze Ausmaß der Fehlentwicklung sehr plastisch auf folgenden Nenner bringen: Rechnet man die Fläche aller inzwischen im Lande gebauten Gewerbegebiete zusammen, so würde die Gesamtfläche einem 400 m breiten Streifen entlang der Küste von Lübeck bis Stettin entsprechen. Kein Wunder, daß in Mecklenburg-Vorpommern das Schlagwort von den Gewerbegebieten als "beleuchteten Schafweiden" die Runde macht.

Ähnliche Probleme mit viel zu groß ausgelegten Gewerbegebieten, die nur zum Bruchteil ausgelastet sind, werden aus den anderen Neuen Ländern gemeldet.

Fehlplanungen mit gewaltigen Belastungen für kommunale Budgets und für private Haushalte hat es auch im Bereich von Kläranlagen gegeben.

Beispiel Brandenburg: Nach Schätzung des dortigen Landkreistages sind 1995 Gebührenerhöhungen der kommunalen Wasserzweckverbände auf bis zu 20,-- DM pro Kubikmeter Abwasser zu erwarten (Durchschnittspreis in den alten Ländern zur Zeit rund 5,-- DM). Vielerorts seien überdimensionierte Kläranlagen gebaut worden, die wegen zu geringer Auslastung schnell in die roten Zahlen geraten seien. Rainer Speer, Potsdamer Umweltstaatssekretär: "Viele Zweckverbände sind nach der Wende von völlig unrealistischen Prognosen zur Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung ausgegangen. Außerdem haben Fördermittel der Europäischen Union, des Bundes und des Landes gelockt."

So ist z.B. in der Spreewald-Gemeinde Neu-Lübbenau für 436 Einwohner eine total überdimensionierte Kläranlage gebaut worden, die die Gemeindekasse schon jetzt mit über vier Mio. DM Schulden belastet. Die Dorfbewohner zahlen momentan bereits 8,75 DM pro Kubikmeter für Abwasser. Nach einer Wirtschaftlichkeitsstudie, die vor kurzem fertiggestellt wurde, müßten es in Zukunft 30,90 DM pro Kubikmeter sein. Wer soll das bezahlen? Und Neu-Lübbenau mit seinem Super-Klärwerk ist kein Einzelfall. Viele Gemeindevertretungen und Bürgermeister scheinen nach der Devise gehandelt zu haben: Warum sollen wir uns einen Volkswagen anschaffen, wenn uns doch ein Mercedes zu 90 % gefördert wird?

In Elsterwerda (Kreis Elbe-Elster) konnte eine gewaltige Fehlinvestition in letzter Minute verhindert werden. Die Stadt von 10.000 Einwohnern wollte im Rahmen der "Zukunftsplanung" eine Kläranlage für 240.000 Einwohner bauen - im gesamten umliegenden Landkreis wohnen aber nur 180.000 Menschen. Jetzt wurde die Anlage immerhin auf eine Kapazität für 80.000 Einwohner reduziert (nach Ansicht des brandenburgischen Umweltministeriums noch immer erheblich zu groß).

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Auch im Bereich des Fremdenverkehrs wird öffentlich investiert, ohne daß realistische Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorliegen und die Frage geklärt ist, wer die Betriebskosten tragen kann. Im Wintersportort Oberhof, 3.000 Einwohner, 2.500 Fremdenbetten, wurde für über 100 Mio. DM - mit 90 % Zuschuß des Landes Thüringen - ein großes Freizeitzentrum mit Spaßbad etc. errichtet. Und was geschieht - wiederum mit großzügiger öffentlicher Förderung - im 30 km entfernten Ort Tabarz? Eine ähnlich große Freizeitanlage wird auch dort gebaut - ohne Rücksicht auf das gleiche Einzugsgebiet und die Höhe der Folgekosten, die letztlich die beiden Kommunen zu tragen haben.

Die Beispiele für überzogene Großprojekte ließen sich beliebig vermehren. Bei manchen Kommunalpolitikern ist inzwischen die Einsicht gewachsen, daß die Verlockung großzügiger Förderungen oft den Blick auf die immensen Folgekosten von Mammutprojekten verstellt hat - Lasten, die die Gemeinde selbst treffen und die über Gebühren allenfalls zum Teil auf Nutzer abgewälzt werden können.

Folge der Finanznot in ostdeutschen Kommunen: Wie in westdeutschen Städten und Gemeinden müssen immer höhere Kredite aufgenommen werden, um die laufenden Ausgaben tätigen zu können. Ironischer Kommentar von Halberstadts Wirtschaftsdezernent Ralf Abrahms: "Bei der Kreditaufnahme der Kommunen scheint die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West schon gelungen."

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Zeit für Verwaltungsreformen

Nicht zuletzt mit Blick auf die desolate Finanzlage ist inzwischen auch in den ostdeutschen Kommunen die Bereitschaft zu Verwaltungsreformen gewachsen. Allerdings geht mancher Bürgermeister noch von einem Mißverständnis aus: Allein in der Konsolidierung der Haushalte, z.B. durch pauschale Einsparung von Stellen oder durch simple Privatisierung bislang öffentlicher Einrichtungen, liegt noch keine echte Strukturreform.

Die Bonner Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und F.D.P vom 11. November 1994, Grundlage für die Regierungsarbeit der nächsten Legislaturperiode, bietet insoweit Anschauungsmaterial für den falschen, rein haushaltsbezogenen Ansatz, wenn dort zum Stichwort "Staat schlanker machen - Bürokratie abbauen" als Zielsetzung festgelegt wird:

    "Der Personalbestand in den Bundesbehörden wird in den nächsten vier Jahren um insgesamt 1 % jährlich gesenkt. Die Aufgaben werden verringert bzw. gestrafft, die Zahl der Behörden durch Zusammenlegung oder Auflösung reduziert. Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben wird fortgesetzt. Länder und Kommunen bleiben aufgefordert, ebenso zu verfahren."

Besser wäre es, wenn ostdeutsche Kommunen anders verfahren, als von der Bundesregierung empfohlen. Haushaltskonsolidierung sollte der Ausgangspunkt, nicht aber das Ziel von Verwaltungsreform sein. Eine echte Strukturreform zielt auf die Einführung neuer Steuerungsmodelle, insbesondere betriebswirtschaftlicher Haushaltsführung, auf Erhöhung der Effizienz der Verwaltung, Stärkung der Eigenverantwortung der Beschäftigten und auf Bürgerorientierung bei kommunalen Dienstleistungen.

Wolfram Bremeier, früherer Oberbürgermeister und Kämmerer von Kassel, zur Zeit Geschäftsführer der "Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig" (auf deren Aufgabenstellung wird noch eingegangen), befürwortet uneingeschränkt die Modernisierung der Kommunalverwaltungen, warnt aus eigener Erfahrung aber vor der Illusion, die Finanzmisere der Gemeinden könne allein durch solche Reformen verbessert werden: "Auch wenn wir auf kommunaler Ebene inzwischen effektiver und betriebswirtschaftlicher arbeiten, hat der Staat auf höherer Ebene immer wieder Wege und Mittel gefunden, sich unserer Ressourcen zu bedienen.

Die Finanzlage der Kommunen wird sich letztlich nur über eine Änderung der politischen Machtverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verbessern lassen".

Die Gemeinden müssen entsprechend dem Verfassungsgebot des Art. 28 GG ein stärkeres Gewicht erhalten, um zu verhindern, daß auch in Zukunft weiter Aufgaben mit großer finanzieller Belastung auf sie übertragen werden, wie es noch in jüngster Zeit bei den sogenannten Solidarpakt-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern und den Begleitgesetzen zu § 218 StGB (Kindergartenausbau) geschehen ist.

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Bund und Länder werden auch darüber nachdenken müssen, ob sie tatsächlich 80 %ige Förderzuschüsse für Bau von Gewerbegebieten, Schulen, Kindergärten etc. von Ost-Kommunen zurückfordern sollten, weil die Empfänger - oft bedingt durch das unvermeidliche Verwaltungschaos in der Aufbauphase - nicht alle Auflagen des jeweiligen Förderprogramms erfüllt haben. Das könnte manche ohnehin schon hoch verschuldete Gemeinde in den finanziellen Ruin treiben.

Ähnlich katastrophale Wirkungen wären nach Einschätzung von Landrat Harald Zanker, Mühlhausen, z.B. für 127 Kommunen in Thüringen zu befürchten, wenn die Bundesanstalt für Arbeit ihre Absicht in die Tat umsetzt, ABM-Mittel zurückzufordern, die für die Förderung von Kindertageseinrichtungen gezahlt, aber nicht in jeder Beziehung auflagen-gerecht verwendet worden sind.

Auf dem gesamten Gebiet der staatlichen Förderung zwischen Ost und West wird es offenkundig schon in den kommenden Monaten erheblichen Entscheidungsbedarf geben. Den zuständigen Instanzen auf Bundes- und Landesebene kann nur dringend empfohlen werden, bei etwaigen Rückforderungsansprüchen gegenüber ostdeutschen Kommunen nicht nur nach Gesetzeswortlaut zu entscheiden, sondern nach sorgfältiger politischer und wirtschaftlicher Güterabwägung über Nutzen und Schaden solcher Rückforderungen.

So bedrohlich die Finanzkrise inzwischen auch schon in vielen ostdeutschen Kommunen geworden ist - hierin liegt gleichzeitig auch die Chance zur umfassenden Reform, die die Sanierung der Haushalte mit der Modernisierung der Verwaltung verbindet. Der Zeitpunkt für eine solche Reform in den Neuen Ländern ist jetzt gekommen und wird niemals wieder so günstig sein: Auf der einen Seite haben die ostdeutschen Gemeinden sich nach vier Jahren mit den Spielregeln des deutschen Rechts- und Verwaltungssystems vertraut machen können und entsprechende Organisationsformen geschaffen. Auf der anderen Seite haben sich die Strukturen hier noch nicht so verfestigt, wie es in den Gemeinden der alten Bundesrepublik nach vier Jahrzehnten der "organisierten Unverantwortlichkeit" häufig der Fall ist.

Bei dieser Sisyphos-Aufgabe der Verwaltungsreform dürfen die Kommunen nicht allein gelassen werden. Sie brauchen Hilfe - vor allem von der Landesebene, die auch Sorge dafür tragen muß, daß die Reform auf kommunaler Ebene mit der Modernisierung der Landesverwaltung verzahnt wird.

Wie ein koordiniertes Vorgehen zwischen Land und Kommunen aussehen kann, zeigt beispielhaft das umfassende Projekt "Umbau der öffentlichen Verwaltung in Brandenburg" mit folgender "Wegbeschreibung" (Brandenburg Kommunal, Sonderausgabe 1994):

Umbau der öffentlichen Verwaltungen in Brandenburg

Eine solche Reform kann weder per Gesetz oder Verordnung eingeleitet noch durchgesetzt werden; sie bedarf anderer Instrumente. Der Weg soll skizziert werden, den Brandenburg bei der Einführung neuer Steuerungsmodelle in den Kommunen gehen will.

  1. Im Ministerium des Innern arbeitet unter Federführung der Abteilung III, Ref. III/2, eine kleine Arbeitsgruppe, die Arbeitsgruppe Verwaltungsmodernisierung. Bei ihrer Zusammensetzung spielen Verwaltungserfahrung, betriebswirtschaftlicher und juristischer Sachverstand sowie kommunale Erfahrung die entscheidende Rolle. Verstärkt wird diese Gruppe durch die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und externe Wissenschaftler, die auf dem Gebiet neuer Steuerungsmodelle arbeiten und ihre Erfahrungen sowie ihre Kenntnis anderer Modellversuche einbringen.

  2. Eine Projektgruppe Verwaltungsmodernisierung aus Interessenvertretern der durch das Vorhaben Betroffenen begleitet den Prozeß. In ihr arbeiten Städte- und Gemeindebund,

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    Landkreistag, Gewerkschaften und kommunaler Arbeitgeberverband sowie Mitglieder der Arbeitsgruppe einschließlich der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung mit.

    Die Projektgruppe begleitet alle Schritte der Einführung neuer Steuerungsmodelle, sie wirkt bei der Auswahl der Modellkommunen mit und kann die politische Durchsetzung des Vorhabens fördern.

  3. Eine "Experimentierklausel" soll den Modellkommunen Ausnahmen, insbesondere von haushaltsrechtlichen Regelungen, ermöglichen.

  4. Tagungen und Seminare dienen dem Erfahrungsaustausch der beteiligten Kommunen und können zu weiteren Versuchen anregen.

  5. Einige Modellkommunen sollen in besonderer Weise bei der Einführung neuer Steuerungsmodelle unterstützt werden.

    Kriterien für die Auswahl der Modellkommunen (Vorschlag):

    1. Die Kommune hat ein differenziertes Konzept zur Einführung neuer Steuerungsmodelle, legt einen Stufenplan vor und benennt Verantwortliche - der ernste Wille zur Reform ist erkennbar.

    2. Die kommunale Vertretung hat in einem Beschluß deutlich gemacht, daß sie dieses Reformvorhaben will und es unterstützen wird (z.B. durch Festlegung in der Hauptsatzung).

    3. Es liegt ein Beschluß der Personalvertretung vor, aus dem hervorgeht, daß die Reform unterstützt wird (z.B. Betriebsvereinbarung).

    4. Die Kommune ist leistungsfähig und hat z.B.:
      • "schlanke Verwaltung", d.h. nicht mehr Mitarbeiter je 1.000 Einwohner in der Kernverwaltung als in vergleichbaren Brandenburger Kommunen,
      • einen ausgeglichenen Haushalt, Pflichtrücklage, mindestens aber einen erfolgversprechenden Konsolidierungsplan,
      • keine überdurchschnittliche Verschuldung bzw. statt dessen
      • überdurchschnittliche Investitionen in der Kommune,
      • mindestens durchschnittliche Verwaltungskraft, die sich in angemessenen bzw. vertretbaren Bearbeitungszeiten und Fallzahlen je Mitarbeiter ausdrückt.
    Externe Beratung und Projektbegleitung sollen in diesen Fällen zu einer Dokumentation führen, die anderen Kommunen als "Handbuch" zur Einführung neuer Steuerungsmodelle dienen kann. Darum sollen je ein Kreis, eine kreisfreie oder sonstige größere Stadt, eine kleinere oder mittlere Stadt oder Gemeinde sowie eine Amtsverwaltung ausgewählt werden. Die Kriterien für die Auswahl von Modellkommunen sollen mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt werden.

  6. Die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag und die Arbeitsgruppe sehen es als ihre Aufgabe an, den Kommunen bei ihren Modernisierungsvorhaben beratend und helfend zur Seite zu stehen.



© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 2000

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