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6. Fallbeispiel 3: Einstieg in die Informationstechnologie

Malaysias 7. Entwicklungsplan (1996–2000) legt einen Schwerpunkt auf die Förderung der Informationstechnologie (IT) und die Transformation Malaysias in eine wissensbasierte Gesellschaft. Kernstück dieser Bemühungen soll der Multimedia Super Corridor werden: Zwischen dem neuen Kuala Lumpur City Centre mit den Petronas Towers, den höchsten Bürotürmen der Welt, und dem 1998 fertiggestellten größten Flughafen Südostasiens in Sepang im Süden soll ein High-Tech-Korridor entstehen. In diesem Korridor, der ein Gebiet von 15 x 50 km umfaßt, wird eine moderne Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur geschaffen. Darüber hinaus sind zwei große Entwicklungsprojekte vorgesehen, nämlich:

  • die neue Verwaltungsstadt Putrajaya, in der der Premierminister und die meisten Ministerien ihren Sitz haben sollen. Putrajaya ist als „intelligente" Stadt konzipiert, in der innovative Lösungen für eine papierlose, elektronische Verwaltung erprobt werden sollen. Verwaltungsabläufe sollen auf Intranets, Online-Kundendienste u.a. Informationstechnologien umgestellt werden.
  • die High-Tech-Stadt Cyberjaya südlich Putrajayas soll eine Agglomeration von IT-Unternehmen, F&E-Zentren und einer Multimedia-Universität in einer Gartenlandschaft werden, die mit ihrer hohen Lebensqualität auch für internationale Fachkräfte attraktiv ist. Weltweit führende IT-Unternehmen sollen hier ihre Asien-Niederlassungen haben und Standortsynergien für F&E- sowie Logistikaufgaben nutzen können.

Der MSC bietet erschlossene Industrieflächen mit moderner Telekommunikationsinfrastruktur, unterstützende Dienstleistungen und besonderen Rechtsstatus (sog. Cyberlaws, die z.B. den Patentschutz garantieren). Neben den für Exporteure üblichen fiskalischen Anreizen gelten für Unternehmen im MSC liberale Eigenkapitalrichtlinien, und der Anteil ausländischer Mitarbeiter wird nicht reguliert. Ergänzend vergibt die Regierung öffentliche Aufträge für innovative IT-Anwendungen. Zu diesen sogenannten flagship applications zählen die elektronische Verwaltung, die Einführung einer elektronischen Mehrzweck-Kundenkarte, elektronisch vernetzte Schulen sowie Telemedizin-Anwendungen.

Alle diese IT-Anwendungen haben zweifellos ein großes Wachstumspotential. Die letzten Neuentwicklungen der IT-Branche haben gezeigt, daß vier Faktoren ausschlaggebend dafür sind, an welchem Standort Innovationen entwickelt werden: (1) die Verfügbarkeit hochspezialisierter Fachkräfte, (2) die Nähe innovativer Anwender, (3) ein rechtliches Umfeld, das neue IT-Anwendungen nicht behindert und (4) eine funktionierende Telekommunikationsinfrastruktur (z.B. Glasfaserverkabelung). Der MSC bietet die beiden letztgenannten Faktoren – wie allerdings auch viele andere Standorte weltweit. Ein besonderer Wettbewerbsvorteil des MSC ergibt sich aus der öffentlichen Finanzierung und der Möglichkeit zur Erprobung innovativer Anwendungen. Außerdem spricht für einen Standort in Malaysia, daß bereits alle großen Elektronikunternehmen im Lande präsent sind, so daß Synergien zwischen F&E-Aktivitäten und Fertigung entstehen könnten.

Ein Engpaßfaktor ist dagegen der Mangel an Fachkräften. Der Staat hat in den letzten Jahren weder in die Ausbildung von IT-Spezialisten noch in F&E investiert. Zwar soll im Rahmen des MSC-Konzeptes auch eine Multimedia-Universität aufgebaut werden, aber diese wird den Rückstand Malaysias mittelfristig nicht ausgleichen können. Überdies haben auch die Privatunternehmen F&E in Malaysia vernachlässigt. Eine 1996 durchgeführte Erhebung des Ministeriums für Wissenschaft, Technologie und Umwelt zeigte, daß die von der Regierung angebotenen Anreize zur Förderung von F&E in der Informationstechnologie fast überhaupt nicht angenommen wurden. Der F&E-Anteil am BIP ist zwischen 1994 und 1996 von 0,34 %% auf 0,22 %% zurückgegangen und damit um eine Zehnerpotenz geringer als in den Industrieländern (um 2,5 %%) oder Südkorea (2,33 %%). Auf 10.000 Beschäftigte kommen in Malaysia gerade fünf Forscher, zehnmal weniger als in Singapur und 15mal weniger als in den USA (siehe Tab. 2 im Anhang.). In der IT ist die Forschungsintensität sogar noch niedriger als im Branchendurchschnitt. Derzeit sind also größere F&E-Aktivitäten in Malaysia nur möglich, wenn die TNK in großem Stile ausländisches Forschungspersonal nach Malaysia bringen würden – was offensichtlich nicht realistisch ist.

Dennoch ist das MSC-Projekt in der Privatwirtschaft auf Interesse gestoßen. Im Juni 1998 hatten bereits 143 Unternehmen den MSC-Status beantragt und erhalten, der Investoren zehn Jahre Steuerfreiheit, die unbeschränkte Einstellung ausländischer Mitarbeiter und unzensierten Informationsfluß garantiert. Unter diesen Unternehmen befinden sich neben nationalen und internationalen Mittelständlern aus der Elektronik- und Software-Branche auch eine Reihe führender TNK, darunter Ericcson, Intel, Motorola, Siemens, Fujitsu, Nokia und Unisys. Die meisten dieser großen Unternehmen montieren bereits Elektronikprodukte in Malaysia und beabsichtigen nun, eine begrenzte Anpassungs-F&E im MSC durchzuführen. Ihr Interesse am MSC beruht vor allem darauf, die attraktiven Vergünstigungen mitzunehmen. Darüber hinaus möchte man die Option auf etwaige interessante Regierungsaufträge wahren, auch wenn angesichts der aktuellen Finanzkrise zur Zeit eine abwartende Haltung vorherrscht. Die von der Regierung angestrebten Synergieeffekte durch räumliche Ballung vieler IT-Entwickler und Anwender werden von der Privatwirtschaft nicht als relevanter Standortvorteil eingeschätzt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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