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TEILDOKUMENT:
Außen- und Sicherheitspolitik Entspannungstendenzen auf dem Balkan... Griechenlands Beziehungen zu seinen östlichen und nördlichen Nachbarn haben sich in der jüngeren Vergangenheit deutlich verbessert. Die wohl wichtigste Entwicklung war der Abschluß eines Interims-Abkommens mit der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien (EJRM). Hatte die Mazedonienfrage Griechenland lange von seinen EU-Partnern isoliert und hatte man im übrigen Europa die griechische Politik in dieser Frage kaum nachvollziehen, geschweige denn gutheißen können, so geht Griechenland nunmehr auch in diesem Bereich mit seinen EU-Partnern konform. Dazu war allerdings ein einschneidender Wandel auf griechischer Seite erforderlich. Am 13. September 1995 haben die Außenminister der Republik Griechenland, Karolos Papoulias, und der EJRM, Stevo Crevenkowski, in New York am Sitz der Vereinten Nationen ein Abkommen vereinbart, mit dem die zwischen beiden Ländern strittigen Fragen beigelegt werden sollen. Die wichtigsten Bestimmungen des Interims-Abkommens sind die folgenden: Griechenland erkennt die EJRM als unabhängigen und souveränen Staat an. Zwischen beiden Staaten werden diplomatische Beziehungen, später auf der Ebene von Botschaftern, aufgenommen. In Skopje und Athen werden Verbindungsbüros eingerichtet (Art. 1). Bestehende Grenzen werden gegenseitig anerkannt, ebenso die Souveränität, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit beider Seiten (Art. 2 und 3). Beide Seiten verzichten auf die Anwendung von Gewalt und erheben keine territorialen Ansprüche gegeneinander (Art. 4). Athen und Skopje verpflichten sich, feindliche Propaganda zu unterlassen (Art. 7). Über den zwischen beiden Seiten strittigen Namen konnte keine Einigung erzielt werden, es wird daher unter der Schirmherrschaft des VN-Generalsekretärs weiter verhandelt (Art. 5). Die weiterhin bestehenden Differenzen sollen der Entwicklung normaler Beziehungen und der Erleichterung von Handel und Verkehr nicht entgegenstehen. Von seiten der EJRM wird im Abkommen eine klärende Interpretation der eigenen Verfassung vorgenommen (Art. 6). Art. 3 der Verfassung beinhaltet danach keine Gebietsansprüche und Art. 49 impliziert keine Einmischung in innere Angelegenheiten Griechenlands. Die EJRM verzichtet darauf, den Stern von Vergina in ihrer Nationalflagge zu verwenden (Art. 7). Der Stern von Vergina war 1977 von Manolis Andronikos in der Nähe des griechischen Dorfes Vergina auf dem Grabmal Philipps von Mazedonien gefunden worden. Um den hellenischen Charakter der historischen Mazedonier zu behaupten, hat Griechenland darauf gedrungen, daß der Nachbarstaat auf die Verwendung des sechzehnstrahligen Sterns verzichtet. Auf das von Griechenland am 16. Februar 1994 gegenüber der EJRM errichtete Handelsembargo, das die mazedonische Volkswirtschaft nachhaltig beeinträchtigt und das die Europäische Kommission veranlaßt hat, Griechenland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung des EG-Rechts zu verklagen, wurde im Abkommen nicht direkt eingegangen. Es ist lediglich in Art. 8 die Rede davon, daß die Partner jegliche Behinderung des Personen- und Warenverkehrs zwischen den Territorien oder durch sie unterlassen sollen. Die griechische Seite hatte ihre Zustimmung zur Aufhebung des Embargos in der Weise geäußert, daß der VN-Beauftragte Cyrus Vance nach der Unterzeichnung des Abkommens verkünden konnte, daß Athen die handelsbeschränkenden Maßnahmen innerhalb von 30 Tagen aufheben werde. Hatte Griechenland in der Vergangenheit sein Veto gegen die Aufnahme der EJRM in internationale Organisationen erhoben, so verpflichtet Art. 11 des Abkommens, auf derartige Praktiken zu verzichten. Mit Wirkung vom 9. November 1995 wurde denn auch die EJRM in den Europarat aufgenommen. Bemerkenswert ist auch Absatz 2 des Art. 11, stimmen hier doch beide Seiten zu, daß der EJRM ökonomisch insbesondere dadurch geholfen werden soll, daß die EJRM mit dem Europäischen Wirtschaftsraum und der EU zusammenarbeitet. Dies war in der Vergangenheit am Widerstand des EU-Mitglieds Griechenland gescheitert. Angesichts der Tatsache, daß die Mazedonienfrage in der Vergangenheit die Gemüter besonders in Griechenland erregt hat, kam der Reaktion auf den Vertrag in diesem Lande besondere Bedeutung zu. Von der regierenden Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK) wurde der Vertrag ohne großen Widerstand aufgenommen. Auch die oppositionelle Neue Demokratie, ließ nur wenig Unmut vernehmen. Lediglich der "Politische Frühling" hat das Abkommen scharf verurteilt. Innenpolitisch war diese Partei freilich nicht stark genug, um der Umsetzung des Interims-Abkommens im Wege stehen zu können. Verbesserungen ergaben sich auch im Verhältnis zu Albanien. Hier hatte es in der Vergangenheit Differenzen wegen der Behandlung der griechischen Minderheit in Albanien und wegen der nach Griechenland kommenden albanischen Flüchtlinge gegeben. Wegen der Streitigkeiten blockierte Griechenland sogar die Albanien von der EU zugesagte Finanzhilfe in Höhe von 35 Millionen ECU. Griechenland wiederholte damit eine Destabilisierungspolitik, wie sie bereits gegenüber der EJRM zur Anwendung gelangt war. Letztlich wurden dadurch die Nationalisten gestärkt, und es verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage in der EJRM wie auch in Albanien. Nach griechischen Angaben leben über 300.000 griechisch-stämmige Bürger in Nordepirus, wie der südliche Teil Albaniens in Griechenland genannt wird. Nach albanischen Quellen sind es lediglich 65.000. Daß es schon immer höchst problematisch war, Minderheiten auf dem Balkan zu quantifizieren, das hat Elie Kedourie im übrigen in seinem Buch "Nationalismus" anschaulich beschrieben. Danach wurde nach dem zweiten Balkankrieg im Jahre 1913 vereinbart, mittels einer sprachlichen Bestandsaufnahme den Streit zwischen Griechen und Albanern zu schlichten. Allerdings antworteten viele Befragte immer dann auf griechisch, wenn Vertreter Griechenlands auftauchten, während sie Vertretern Albaniens auf albanisch Antwort gaben. Manch ein Dorfbewohner sagte aber auch auf albanisch: "Ich bin Grieche". Im kommunistischen Albanien war der griechischen Minderheit das Recht auf Religionsausübung genommen, und die Kontakte zu Griechenland wurden stark beschnitten. Das hat sich zwar in den letzten Jahren geändert, so wie die übrige Bevölkerung leidet aber auch die griechische Minderheit unter der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage in Albanien. Dieser Umstand hat die Zahl der Flüchtlinge nach Griechenland anschwellen lassen. In einer ersten Flüchtlingswelle kamen bis 1993 bereits über 200.000 Albaner nach Griechenland. Die griechischen Sicherheitskräfte brachten diese Flüchtlinge wieder regelmäßig in ihr Heimatland zurück. Insbesondere, nachdem im Juni 1993 ein orthodoxer Geistlicher wegen angeblicher Propaganda für die Vereinigung des Nordepirus mit Griechenland aus Albanien ausgewiesen wurde und nachdem im August 1994 fünf Angehörigen der griechischen Minderheit der Prozeß wegen wiederholter Kontakte zum griechischen Geheimdienst gemacht wurde, kam es zu massenhaften Abschiebungen, deren erste den bezeichnenden Namen "Operation Besen" erhielt. Griechenland kann indessen kein Interesse an einer generellen Zurückweisung von Albanern haben. Besonders in der Landwirtschaft und im Bausektor sind Albaner als billige Saisonarbeiter durchaus willkommen. Man schätzt, daß gegenwärtig rund 300.000 Albaner illegal in Griechenland, vornehmlich in der Schattenwirtschaft, arbeiten. Aus albanischer Sicht wiederum sind die Überweisungen der Saisonarbeiter ein wichtiger Beitrag, um die Not albanischer Familien zu lindern. Die Finanztransfers sollen rund 300 Millionen US-Dollar erreichen und damit 60 Prozent der albanischen Exporteinnahmen entsprechen. Es war daher eine im beiderseitigen Interesse liegende Entscheidung, daß sich Griechenland und Albanien bemühten, ihre Differenzen auszuräumen. Im März 1996 besuchte der griechische Staatspräsident Stefanopoulos das Nachbarland. Die Außenminister Papoulias und Sereqi unterzeichneten dabei einen Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit beider Staaten. Albanien versprach, griechischsprachige Grundschulen zu bauen und die Visaregelungen für griechische Geschäftsleute zu erleichtern. Im Gegenzug verpflichtete sich Griechenland, den Status der albanischen Arbeitskräfte in Griechenland zu legalisieren und Albaniens Aufnahme in europäische Organisationen zu unterstützen. Die Legalisierung der Saisonarbeit ist allerdings bis heute noch nicht näher geregelt worden. Zu Zeiten des Ost-West-Konflikts waren die guten Beziehungen zwischen Griechenland und Bulgarien stets ein stabilisierendes Element. Zu Beginn der neunziger Jahre ist es auch hier zu Irritationen gekommen. In Griechenland betrachtete man mit Argwohn die Annäherung zwischen Bulgarien und der Türkei. Damit war allerdings kein genereller Kurswechsel in Bulgarien verbunden, vielmehr benötigte man die Partei der Turk-Bulgaren, die Türkische Bewegung für Rechte und Freiheiten, zeitweise als Mehrheitsbeschaffer zur Regierungsbildung. Nachdem die Mazedonienfrage heute in Griechenland bei weitem nicht mehr die Gemüter so wie früher erregt, hat auch die Verärgerung darüber nachgelassen, daß Bulgarien die Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien anerkannt hatte - zwar nicht als Nation, wohl aber als Staat. Weil Bulgarien in der Region eine vermittelnde Rolle spielt, haben sich die Irritationen im Verhältnis Griechenlands zu seinem nördlichen Nachbarn wieder gelegt. Heute gibt es vor allem im wirtschaftlichen Bereich vielfältige Kontakte. Griechische Geschäftsleute sind in Bulgarien recht aktiv, griechische Investoren belegen in Bulgarien mittlerweile nach Deutschland und Rußland den dritten Platz. Griechische Exporte stiegen 1994 auf 500 Millionen US-Dollar, was fast einer Verzehnfachung gegenüber 1990 (53 Millionen US-Dollar) gleichkommt. Rund 900 joint ventures und Niederlassungen sowie örtliche Repräsentanzen griechischer Firmen werden in Bulgarien gezählt. Weitreichende Pläne bestehen zur Nutzung des Wasserpotentials des Nestos-Flusses, zur Schaffung neuer Grenzübergänge, zur Beteiligung an den Transeuropäischen Netzen der EU und zur Energieversorgung im Rahmen der Schwarzmeer-Wirtschaftszone.
...aber weiterhin belastetes Verhältnis zur Türkei
Das Verhältnis Griechenlands gegenüber der Türkei ist weiterhin angespannt. In jüngster Vergangenheit haben die Spannungen sogar noch zugenommen, nachdem die Türkei in der Ägäis eine "Grauzone" reklamiert hat, in der die territoriale Zugehörigkeit etlicher Inseln zu Griechenland bestritten wird. Griechenland sieht sich angesichts der aktuellen Entwicklung veranlasst, ein bisher noch nicht dagewesenes Modernisierungsprogramm seiner Streitkräfte ausgerechnet zur Abwehr einer vom NATO-Partner Türkei empfundenen Bedrohung aufzulegen. Die neuerlichen Spannungen hatten ihren Ausgang genommen, als ein auf der unbewohnten Felseninsel Imia (türkisch "Kardak") gestrandetes türkisches Handelsschiff die Frage aufwarf, wem die Insel eigentlich gehört. Die Regierungen wollten die Angelegenheit zwar nicht hochspielen, doch der Bürgermeister einer benachbarten griechischen Insel hißte seine Landesfahne auf Imia, worauf am 30. Januar 1996 türkische Journalisten der Zeitung "Hürriyet" vor laufenden Kameras den türkischen Halbmond aufzogen. Hätte man die Aktion als solche als eine unbesonnene Tat türkischer Nationalisten abtun können, so wurde die Entwicklung durch die nachfolgende Rechtfertigung der Aktion durch die damalige - nach den Wahlen vom Dezember 1995 innenpolitisch bereits angeschlagene - türkische Ministerpräsidentin Tansu Ciller erheblich angeheizt. Mittlerweile hat die Türkei auch den territorialen Status der von 300 Griechen bewohnten Insel Gavdos, die sich vor der Südküste Kretas befindet (!), in Zweifel gezogen. Nach einer im Sommer 1996 präsentierten Studie der türkischen Militärakademie gehören 100 Inseln in der Ostägäis nicht zu Griechenland sondern zur Türkei. Dazu zählen einerseits alle Inseln, die im Lausanner Vertrag von 1923 nicht ausdrücklich als griechisches Territorium bezeichnet wurden, und andererseits auch diejenigen, die sich innerhalb einer Sechs-Meilen-Zone vor der türkischen Küste befinden. Nach der Studie gehört auch die 11 Quadratkilometer große griechische Ferieninsel Kalymnos zur Türkei. Die Ohnmacht der EU offenbarte sich, als in jener kritischen Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1996, als mit einem Zusammensstoß griechischer und türkischer Militärverbände in der Nähe von Imia zu rechnen war, die EU untätig blieb und es den USA vorbehalten war, durch diplomatische Vermittlung einen militärischen Eklat zu verhindern. In Griechenland ist die Enttäuschung groß darüber, daß sich die EU-Partner in dieser Frage weitgehend zurückhalten und eine Politik der Äquidistanz verfolgen. So vermißte die griechische Seite beispielsweise eine klare Stellungnahme und Mißbilligung der türkischen Infragestellung des territorialen Status in der Ostägäis durch Bundeskanzler Kohl und Außenminister Kinkel, als der griechische Staatspräsident im Juni 1996 der Bundesrepublik einen Staatsbesuch abstattete. In Griechenland ist man auch deshalb enttäuscht, weil selbst die Seekarten der türkischen Kriegsmarine die bezüglich ihrer territorialen Zugehörigkeit angezweifelten Inseln (Imia, Gavdos, Dodekanes) als griechisches Territorium ausweisen. Wegen der Differenzen mit dem türkischen Nachbarn hatte sich die griechische Seite zunächst dagegen gewandt, daß die Türkei Zahlungen von der EU im Rahmen des anläßlich der Mittelmeerkonferenz von Barcelona (27./28. November 1995) beschlossenen MEDA-Programms erhält. Weil MEDA jedoch keine Länderquoten vorsieht, wäre damit das gesamte Programm, das die Herstellung einer mediterranen Freihandelszone unterstützen soll, blockiert worden. Schließlich gab Griechenland im Juli 1996 nach, so daß die MEDA-Zahlungen (auch an die Türkei) aufgenommen werden konnten. Die im Rahmen der Vollendung der Zollunion zugesagten Finanzmittel für die Türkei blieben dagegen gesperrt. Griechenlands Nachgeben wurde dadurch erleichtert, daß die EU-Partner in einer gemeinsamen Erklärung der Türkei die Verantwortung für die Imia-Krise zugeschrieben hatten. Territoriale Fragen, so die Empfehlung der EU, sollten vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag geregelt werden. Viel ist über die Motive der türkischen Seite spekuliert worden. Läßt man einmal überzogene Erklärungen wie etwa die eines in der Türkei zu beobachtenden erneuten osmanischen Expansionismus beiseite, dann bietet sich bei nüchterner Beurteilung ein dreifaches Motivbündel an: Erstens erliegen türkische Politiker in der aktuell unsicheren innenpolitischen Situation wieder einmal der Versuchung, sich innenpolitisch durch einen aggressiven und gegen den Nachbarn Griechenland gerichteten rhetorischen Nationalismus zu profilieren. Entsprechendes findet sich auf der anderen Seite des Ägäischen Meeres. Zweitens scheint man von türkischer Seite Griechenland dadurch unter Druck setzen zu wollen, daß immer neue Forderungen erhoben werden, mit denen Griechenland bei den traditionell strittigen Themen in der Ägäis (Festlandsockel, Territorialgewässer, Luftraumkontrolle militärischer und ziviler Art) zu Konzessionen gezwungen werden soll. Drittens gibt es die Vermutung, daß den türkischen Militärs Spannungen mit Griechenland - die türkische Besetzung von "Grauzonen-Inseln" eingeschlossen - ins Konzept passen könnten, wenn sie sich wegen zunehmender islamistischer Tendenzen unter dem neuen Ministerpräsidenten Erbakan zur Intervention in die Politik, so wie wiederholt in der Vergangenheit, entscheiden sollten. Nach griechischem Verständnis sind die erneuten Spannungszustände in der Ägäis ein Problem gerade auch für die EU. Deshalb hat die griechische Delegation der EU-Regierungskonferenz zur Revision des Maastricht-Vertrags in einem Memorandum vom 22. März 1996 auch die Garantie der Außengrenzen durch die EU vorgeschlagen. Zusätzlich meldete die Presse im November 1996, daß der griechische Außenminister möglichst rasch seine neue amerikanische Kollegin treffen wolle, um deren Vermittlung im Ägäis-Konflikt zu erbitten. Hierbei könne eine Kompromißformel vorsehen, daß die Türkei den territorialen Status quo in der Ägäis akzeptiere und Griechenland auf eine Ausweitung der Hoheitsgewässer von sechs auf zwölf Seemeilen verzichte. (Eine Ausdehnung wurde von der Türkei wiederholt als "casus belli" bezeichnet.) Weil aber der Vorschlag einer Garantie der Außengrenzen von den EU-Partnern mit Reserve aufgenommen wurde und auch keine erneute amerikanische Vermittlung in Sicht ist, hat man in Griechenland erst einmal ein massives Modernisierungsprogramm für die Streitkräfte beschlossen. Nach dem am 19. November 1996 vorgelegten Haushalt für 1997 werden dafür in den nächsten zehn Jahren 4 Billionen Drachmen, also rund 25,4 Milliarden DM eingeplant. Beschafft werden sollen u.a. Frühwarnsysteme, 60 Jäger F-16 oder F-18, 10-20 Hubschrauber, 400 Panzer, 2 U-Boote, 3 Torpedoboote, 2 Korvetten und 20 Tansportmaschinen. Rechnet man zu den geplanten Neukäufen die Rückzahlung alter Rüstungsschulden (2 Billionen Drachmen) und die laufenden Ausgaben (10 Billionen Drachmen) hinzu, dann muß Griechenland bis 2007 fast 102 Milliarden DM aufbringen. Schon jetzt sind in Griechenland die vor allem zum Schutz gegenüber dem NATO-Partner Türkei für notwendig erachteten Militärausgaben mit einem Anteil von 4,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) die höchsten in der NATO. Rechnet man die Bedienung der Rüstungskredite hinzu, kommt man auf 11 Prozent. Die Türkei steht hier nicht nach: Bei ihr erreichen die Militärausgaben einen BIP-Anteil von 4,1 Prozent und erhöhen sich unter Berücksichtigung der Kreditkosten auf rund 10 Prozent. Der griechischen Aufrüstung werden die EU-Partner nicht unbeteiligt gegenüberstehen können. Zum einen muß sich die EU fragen lassen, ob sie alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft hat, um die Aufrüstung beiderseits der Ägäis zu verhindern. Zum andern geraten die EU-Partner durch die griechischen Planungen gleich zweifach unter Druck: Erstens plädiert Griechenland nicht nur für eine "weiche" bzw. "politische" Auslegung der Konvergenzkriterien zur Währungsunion, weil das Land wegen der Rüstungsmaßnahmen immer weniger die in Maastricht gesetzten Ziele einhalten kann. Der vom deutschen Finanzminister vorgeschlagene Stabilitätspakt soll nach griechischer Vorstellung z.B. dann nicht greifen, wenn ein Land besonders hohe Verteidigungsausgaben zu bestreiten hat. Zweitens werden sich die EU-Partner mit dem Argument auseinanderzusetzen haben, daß man mit der griechischerseits auf der Revisionskonferenz geforderten Grenzgarantie das Rüstungsprogramm gegenstandslos machen könne. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999 |