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Strategische Nachteile von KMU

Die spezifischen Hemmnisse mittelständischer Unternehmen lassen sich wie folgt beschreiben:

* Begrenzte Managementkapazitäten sind ein erstes Kennzeichen von KMU. Unter anderen wegen der Prägung als "Familienunternehmen" haben sie häufig eine stark zentralisierte Entscheidungsstruktur, die aus der Gründertradition heraus einzig auf die Unternehmensleitung zuläuft. Es besteht eine Personalunion von Leitung und Eigentum, eine enge Verzahnung von Familieninteressen und Unternehmenspolitik. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen ist ein Alleinunternehmer bzw. ein einziger geschäftsführender Gesellschafter jedoch nur bedingt befähigt, umfassende und zeitraubende Auslandsengagements persönlich aufzubauen, ohne dabei das "Alltagsgeschäft" am deutschen Standort zu vernachlässigen.

* Beschränkte Organisationspotentiale behindern darüber hinaus die Aufnahme und Abwicklung einmal eingegangener Auslandsengagements. Es fehlen z.B. Mitarbeiter mit juristischen und mit Landeskenntnissen, die für die entscheidungsrelevante Einschätzung von Risiken und Chancen bei neuen Zielmärkten unabdingbar sind. Darüber hinaus ist es bereits bei der Produktentwicklung nur schwer möglich, sich auf die Bedürfnisse spezifischer Zielmärkte einzustellen. Folge sind u.a. Produktentwicklungen "am Markt vorbei", so daß sich z.B. Erzeugnisse mit hohem deutschen Standard und entsprechenden hohen Preisen in industriellen Schwellenländern nur schwer vermarkten lassen.

* Ein besonderes Problem stellen die unzureichenden Finanzierungspotentiale von KMU dar. KMU zahlen in Europa an die Kreditwirtschaft im allgemeinen einen um zwei bis fünf Prozentpunkte höheren Zinssatz als Großunternehmen. Diese höheren Zinsbelastungen stellen für KMU jedoch erst in zweiter Linie ein Problem dar, da eine vergleichsweise geringe Kapitalintensität diesen Kostenfaktor begrenzt. Gravierender ist die unzureichende Verfügbarkeit von Kapital. Die Kreditwirtschaft verhält sich bei den KMU häufig restriktiv und orientiert sich an den nur begrenzt vorhandenen dinglichen Sicherheiten, anstatt die Ertragspotentiale von Auslandsengagements hinreichend zu würdigen.

* KMU haben oftmals auch nur ein begrenztes Problembewußtsein in dem Sinne, daß unternehmensstrategische Entscheidungen nur bedingt auf die Reflexion aller relevanten Rahmenbedingungen zurückgeführt werden (können). Westdeutsche KMU richteten die Internationalisierung Ende der 80er Jahre vorwiegend auf Westeuropa, Anfang der 90er Jahre dagegen auf die ehemalige DDR und die Transformationsstaaten aus. Dabei wurde es nicht nur versäumt, entsprechende Energien auch auf wichtigen Märkten in Ostasien oder Amerika einzusetzen, oftmals wurden wegen der starken Regionalorientierung auf Europa bereits erreichte Marktpositionen in Übersee vernachlässigt oder gar aufgegeben. Diese werden gegenwärtig mit erheblichem Einsatz neu aufgebaut.

* Alle die genannten Faktoren kumulieren in einer unzureichenden Risikofähigkeit bzw. Risikobereitschaft von KMU. Wegen der Verzahnung der (konservativen) Familieninteressen mit der Unternehmenspolitik werden die Chancen von Auslandsengagements häufig den überbewerteten Risiken gegenübergestellt, deshalb einschlägige Vorhaben vorschnell, u.U. schon in der Planungsphase, abgebrochen.

Die genannten Faktoren behindern nicht nur das reine Exportgeschäft, sondern wirken sich z.T. noch nachteiliger bei weitergehenden Internationalisierungsschritten - z.B. beim Aufbau von Vertretungen und Niederlassungen im Ausland sowie von Joint-ventures und anderen Kooperationsformen - aus. Gerade diese Formen der Internationalisierung sind jedoch zur langfristigen Marktsicherung, zum Know-how- und Ausbildungstransfer sowie zur Sicherstellung eines kurzfristig verfügbaren After-sales-Services für die Kunden vor Ort zumeist unbedingt erforderlich.

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Überproportional hohe Kosten

Betriebswirtschaftlich stellen sich die besonderen Hemmnisse von KMU im Vergleich zu Großunternehmen in Form von überproportional hohen Transaktionskosten für Auslandsengagements dar. Transaktionskosten sind in diesem Sinne Aufwendungen, die für Planung und Entscheidung sowie bei Aufnahme von wirtschaftlichen Aktivitäten im Ausland entstehen. Konkret: KMU müssen kostenintensiv die Geschäftsführerebene erweitern, um qualifiziert Auslandsmärkte bearbeiten zu können. Ebenfalls sind Personaleinstellungen und Sachinvestitionen notwendig, um die Organisation für die Bewältigung internationaler Geschäfte vorzubereiten. Und nicht zuletzt entstehen Kosten für die Akquirierung und Verzinsung zusätzlicher Finanzmittel.

Vereinfacht wirken sich die internationalisierungsspezifischen Transaktionskosten auf den Entscheidungsprozeß in KMU wie folgt aus: Die (Routine-)Kosten für Inlandsaktivitäten bzw. für das räumlich nahe Ausland werden als normaler Maßstab angesehen, so daß höhere Kosten, insbesondere für Engagements in Übersee, häufig als "bedenklich" und inakzeptabel erscheinen. Diese Kosten werden nur einem oder wenigen Auslandsengagements zugeschrieben, deren Erfolg vergleichsweise unsicher erscheint. Damit führen Auslandsaktivitäten zu einem Fixkostensprung durch Personal- und allgemeine Betriebskosten, der erst in einer späteren Phase durch konkrete Einnahmen gedeckt werden kann. Hohe Unsicherheit und eine zum Teil geringe Risikofähigkeit bzw. -bereitschaft bei KMU lassen hier häufig nur wenig Spielraum. Dies ist nachvollziehbar, wenn man sich z.B. vergegenwärtigt, daß ein mittelständisches Unternehmen von 50 Mill. DM Jahresumsatz beim Aufbau einer Repräsentanz in Singapur jährliche Kosten von rund 1 Mill. DM zu bewältigen hat.

Durch die tatsächlichen oder nur vermuteten Hemmnisse der Internationalisierung wird es den KMU somit erschwert, ihre komparativen Vorteile innerbetrieblicher Flexibilität und innovativer Problemlösungen gegenüber Großunternehmen im gebotenen Maße auszuspielen.

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Große Märkte brauchen große Unternehmen

Weniger problematisch ist die Ausgangslage von Großunternehmen. Vielfältige Auslandsaktivitäten führen zu einer Degression von Internationalisierungskosten, so daß der voraussichtliche Break-even-point für einzelne Vorhaben früher als bei KMU erreicht wird.

Großunternehmen haben gegenüber KMU eine Reihe manifester Vorteile:

* Sie haben i.d.R. eine größere Verhandlungsmacht bei Anbietern und Nachfragern, aber auch gegenüber öffentlichen Stellen und nicht zuletzt im Kontakt mit der Kreditwirtschaft. Letztgenannte ist zudem oftmals unmittelbar in die Leitung und Kontrolle von Aktiengesellschaften eingebunden, so daß sich neben "dem kurzen Weg" auch ein größeres Eigeninteresse als bei "anonymen" mittelständischen Unternehmen in Form von Personengesellschaften und einer kleinen GmbH ergibt.

* Deshalb ist insbesondere auch deren Finanzierungspotential elastischer gestaltet, vermag Anfangsverluste bei Neuangagements im Ausland besser zu absorbieren.

* Das größere Management- und Organisationspotential kann zudem leichter verschiedenste Aktivitäten in einer Vielzahl von Ländern aufnehmen und abwickeln.

Zusammengefaßt: Großunternehmen können weltweit an der besten Stelle kaufen, verkaufen, produzieren, forschen, finanzieren, versteuern. Im Sinne einer "Large-firm/lage-market-Hypothese" läßt sich deshalb folgende Kernthese formulieren: Internationalisierung bedarf i.d.R. einer optimalen Mindestgröße der Unternehmen.

Als Vorteile von KMU werden häufig deren besondere Qualitätsorientierung, Flexibilität, Innovationsfreudigkeit und die Bereitschaft zur Besetzung von Nischen genannt -Faktoren, die im Einzelfall und von Branche zu Branche unterschiedlich große Bedeutung haben. Die Empirie spricht jedoch für die Größenvorteile: Je größer die Unternehmen, desto umfassender ist im Durchschnitt auch deren Internationalisierungsgrad.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999

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