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Handlungsbedarf für die Politik

Die beschriebene Betriebsgrößenproblematik ist eigenständig neben anderen Aspekten der Standortproblematik zu sehen. Notwendig ist die Einsicht dahingehend, daß die Zeiten vorbei sind, in denen (West-)Deutschland und Westeuropa durch den "Eisernen Vorhang" vor der Konkurrenz in Osteuropa weitgehend geschützt waren, sich die asiatischen Länder überwiegend noch in einer verhaltenen Entwicklung befanden und zudem hohe Dollarkurse die Exporte nach Nordamerika belebten. Heute sind Deutschland und Westeuropa offene Märkte, deren Zutrittsbarrieren wegen der internationalen Liberalisierungsprozesse im Rahmen des GATT, der Revolutionen in der Informationstechnologie und anderer Faktoren wegbrechen. Hinzu kommt, daß Deutschland die Technologieführerschaft vermehrt mit anderen Ländern teilt oder an diese abgegeben hat und zudem den hohen Außenwert der D-Mark verkraften muß. Im Zuge der Internationalisierung entsteht somit für die deutsche Wirtschaft ein ständig wachsender Wettbewerbsdruck, dem die KMU nur bedingt begegnen können.

Hieraus resultiert politischer Handlungsbedarf, dem sich zwei Ansatzpunkte anbieten:

* In traditioneller mittelstandsspezifischer Perspektive bietet es sich an, KMU durch Übernahme von Transaktionskosten zu unterstützen. Die anteilige Übernahme z.B. von Markterschließungs- und Finanzierungskosten macht es diesen möglich, in neue Märkte einzudringen.

* Der industriepolitische Ansatz ist weitergehend und setzt unmittelbar bei der Betriebsgröße an. Es handelt sich hier um Maßnahmen, die den KMU durch Unterstützung beim Betriebsgrößenwachstum die Möglichkeit geben, eigenständig die Handlungsspielräume zu erweitern.

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Bundespolitik: Übernahme von Transaktionskosten

Die Außenwirtschaftsförderung der Bundesregierung setzt vor allem an den Transaktionskosten an und stützt sich zunächst auf das sog. "Drei-Säulen-Modell":

* Der diplomatische Dienst unterstützt die deutsche Wirtschaft bei der Wahrung ihrer Interessen in den jeweiligen Zielländern (vornehmlich politisch, erste Säule).

* Als Institutionen der Wirtschaft werden die Auslandshandelskammern und die Delegierten bzw. die Repräsentanten der deutschen Wirtschaft vor Ort tätig, die ihre Aktivitäten unternehmensnäher als der diplomatische Dienst gestalten und Aufgaben im Sinne konkreter Interessenvertretung auch für einzelne Firmen verrichten können (zweite Säule).

* Hinzu kommt die Bundesstelle für Außenhandelsinformation (BfAI), die weltweit ein Korrespondentennetz unterhält, dessen Arbeit in vielfältige Publikationen einfließt (dritte Säule).

Alle drei Säulen haben als Ziel, Interessen deutscher Unternehmen vor Ort im Ausland zu vertreten bzw. dort entscheidungsbezogene Informationen unterschiedlichsten Konkretheitsgrads zu beschaffen. Hierbei werden i.d.R. jedoch nur bedingt spezifische unternehmerische Handlungsabläufe unterstützt. Dies übernimmt im Konzept der Bundesregierung vorwiegend die Auslandsmesseförderung. Messeförderung greift problemorientiert die Transaktionskosten für Auslandsengagements auf, indem sie die Beteiligung an zentralen Messeveranstaltungen im Ausland unterstützt. Hierbei ist neben der finanziellen Förderung häufig die organisatorische Hilfe durch die jeweils vom Bund und dem Messeausschuß der Deutschen Wirtschaft (AUMA) mit der Durchführung beauftragten Messeveranstalter von noch größerer Bedeutung für die KMU. Die Bedeutung der Auslandsmesseförderung zeigt sich darin, daß bis zu einem Viertel der Exporte westdeutscher Unternehmen auf Messebeteiligungen zurückzuführen sind. Einschlägige Umfragen zeigen, daß ein weit überwiegender Teil der KMU bei Verlust der Messeförderung die Auslandsengagements zurückfahren würde.

Weitere konkrete Hilfen der Bundesregierung sind die Hermes-Ausfuhrversicherung und Bürgschaften für Direktinvestitionen im Ausland (beschränkt auf politische Risiken), die eine finanzielle Flankierung von Auslandsengagements ermöglichen. Diese Instrumente sind jedoch vorwiegend Großunternehmen vertraut und werden deshalb von KMU nur unzureichend genutzt. Insgesamt wird von KMU und einigen Unternehmensverbänden die Kritik an die Bundesregierung gerichtet, daß ihr Außenwirtschaftskonzept sowie die speziellen Asien- und Lateinamerikakonzepte zu sehr an den Interessen der Großindustrie ausgerichtet seien.

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Bundesländer: Industriepolitische Ansätze

Die Bundesländer sind in den vergangenen Jahren in die Rolle einer vierten Säule der deutschen Außenwirtschaftspolitik hineingewachsen sind, indem sie durch eigene Maßnahmen die Hilfen des Bundes für die Unternehmen substantiell ergänzt und aufgewertet haben. Sie fördern ebenfalls die Beteiligung an Auslandsmessen und bieten darüber hinaus Außenwirtschaftsberatung an. Außenwirtschaftsberatung ermöglicht es den Unternehmen, ganz gezielt Transaktionskosten einzusparen, indem sie Consultingleistungen in nahezu allen außenwirtschaftlichen Belangen in Anspruch nehmen.

Hinzu kommt jedoch ein industriepolitischer Ansatz, durch Förderung von Kooperationen die daran beteiligten Unternehmen zu der für Auslandsengagements notwendigen gemeinsamen Organisationsgröße hinzuführen. Kooperation ermöglicht Aufgaben- und Kostenteilung und eröffnet damit neue Handlungspotentiale. Hierbei übernehmen staatliche Stellen bzw. die Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft bislang erhebliche Anstoß- und Moderatorenfunktionen. Als Beispiele mit z.T. recht unterschiedlicher Kooperationsintensität sind die folgenden zu nennen:

* Deutsche Industrie- und Handelszentren (DIHZ) geben Unternehmen nicht nur die Möglichkeit, vor Ort im Ausland preisgünstigen Geschäftsraum in hochwertigem Standard anzumieten. Hinzu kommt ein umfassender Beratungsservice. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben ein DIHZ in Singapur, Bayern eines in Schanghai errichtet. Weitere Häuser sind geplant.

* Zu einer sehr erfolgreichen Bewegung hat sich die Schaffung von Firmenpools entwickelt. Gegenwärtig befinden sich rund 25-30 Projekte in Planung oder bereits in Umsetzung. Bei Firmenpools beauftragen in der Regel eine oder mehrere Industrie- und Handelskammern eine Person bzw. eine Institution an einem wichtigen Standort im Ausland damit, bei finanzieller Förderung durch einzelne Bundesländer für die Interessen eines festen Kreises von Unternehmen tätig zu werden. (Beratung, Kontaktvermittlung und -betreuung, Interessenwahrnehmung vor Ort, Terminbegleitung einschließlich Vor- und Nachbereitung).

* Weitere Instrumente sind Verbundprojekte und Brancheninitiativen, bei denen ein ganzer Sektor Anstöße zur Zusammenarbeit erhält. Bei Verbundprojekten entwickeln mehrere Unternehmen ein gemeinsames Auslandsvorhaben, das sie dann bei öffentlicher Förderung umsetzen; bei Brancheninitiativen wird für die Unternehmen eines gesamten Sektors ein Kommunikationsforum eröffnet, das Möglichkeiten der Internationalisierung offenlegen und zur Zusammenarbeit hinführen soll.

Von ihrer Grundstruktur her sind die Maßnahmen der Länder eindeutig auf den Mittelstand ausgerichtet. Aus Sicht der KMU stellt die Möglichkeit des "kurzen Drahts" einen weiteren wesentlichen Vorteil der Länderförderung dar.

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Abstimmung und Kooperation

Die genannten Förderansätze von Bund und Ländern bedürfen einer stärkeren Abstimmung; in Teilbereichen fehlt es an einer bewußten Kooperation. Handlungsbedarf ergibt sich hier insbesondere aus der Sicht der mittelständischen Wirtschaft. Trotz der unmittelbaren Ansprachemöglichkeit der Länderverwaltungen besteht eine Intransparenz hinsichtlich der Frage, welche Gebietskörperschaft welchen Tatbestand fördert.

Die Intransparenz wird noch durch EU-Maßnahmen verschärft, bei denen die komplizierten Antragsverfahren nur unzureichend auf die beschränkten Organisationspotentiale von KMU eingehen. Es stellt sich auch hier die grundsätzliche Frage, ob und wie weit unmittelbare KMU-Förderung eine Aufgabe der EU sein kann. Subsidiaritäts- und Effizienzaspekte sprechen hier dagegen. Diese machen deutlich, daß die Praxis einer mittelbaren KMU-Förderung durch die Programme der EU-Strukturfonds sinnvoller ist.

Der Hinweis auf die unzureichende Kooperation gilt aber auch für die Wirtschaft selbst. Es ist nicht nur so, daß gerade die KMU die Zusammenarbeit scheuen, auch die Großunternehmen lassen Möglichkeiten ungenutzt, mittelständische Unternehmen beim Markteintritt zu unterstützen. Kooperationsmodelle im Sinne eines "Huckepackverfahrens", bei dem z.B. ein Großunternehmen branchenverwandte KMU mit einem ergänzenden Sortiment bei der Markteinführung mitnehmen, sind bekannt, werden jedoch nur unzureichend umgesetzt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999

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