FES | ||
|
|
TEILDOKUMENT:
3. Außenhandel: wiedergewonnene Wettbewerbsfähigkeit 1995 verzeichnete Frankreich zum vierten Male hintereinander einen Exportüberschuß im Außenhandel. Nachdem die französische Handelsbilanz seit 1975 ununterbrochen defizitär gewesen war und vor allem in den achtziger Jahren hohe Importüberschüsse verzeichnet hatte, erfolgte in den neunziger Jahren die Trendwende, die die wiedergewonnene internationale Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft dokumentiert (Abbildung 2). Dies ist vor allem einer spektakulären Verbesserung der Industriebilanz in den neunziger Jahren zu verdanken, die ihr Defizit von ca. 50 Mrd. Francs (1990) in einen Überschuß von ca. 75 Mrd. Francs (1995) verwandeln konnte. Dazu trug vor allem die verbesserte Wettbewerbsposition der Investitionsgüterbranche bei (Überschuß von 58 Mrd. Francs), während die traditionellen Devisenbringer Landwirtschaft/Nahrungsmittel (51 Mrd. Francs) und Parfümerie (25 Mrd. Francs) ihre Exportstärke konsolidieren konnten und die Fahrzeugindustrie (26 Mrd. Francs) eine leichte Verschlechterung ihrer Ergebnisse hinnehmen mußte. Stark rückläufig ist dagegen der Exportüberschuß bei Rüstungsgütern, der früher jährlich rund 30 Mrd. Francs betrug und nun auf gut 7 Mrd. Francs abgeschmolzen ist. Die geographische Struktur der Handelsbilanz ergibt solide positive Salden mit der Europäischen Union (27 Mrd. Francs; hier hatte Frankreich in den achtziger Jahren hohe Defizite), Afrika (24 Mrd. Francs) und - in geringerem Maße - dem mittleren Orient (8 Mrd. Francs). Eine deutliche Verbesserung ergibt sich gegenüber den dynamischen Märkten Asiens (9 Mrd. Francs). Anhaltend defizitär bleibt dagegen der Handel mit den nichteuropäischen OECD-Ländern, vor allem den USA (Defizit von 23 Mrd. Francs) und Japan (20 Mrd. Francs). Damit scheint sich auf den ersten Blick das traditionelle Problem mangelnder internationaler Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft relativiert, wenn nicht aufgelöst zu haben. Auch wenn man Sondereinflüsse konjunktureller Art oder die Bedeutung von außergewöhnlichen Großlieferverträgen (Rüstungs-güter; Airbus) ausschaltet, so bleibt eine strukturelle Verbesserung der außenwirtschaftlichen Position. Die französische Wirtschaft hat in den neunziger Jahren die Früchte des oben beschriebenen konsequenten Stabilitätspolitik zu ernten begonnen. Dies gilt zunächst für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit: die traditionell hohen, noch Anfang der achtziger Jahre zweistelligen Inflationsraten sind drastisch reduziert worden, liegen seit 1985 dauerhaft unter dem EU-Durchschnitt und haben seit 1990 das deutsche Inflationsniveau unterschritten (Abbildung 3). Dem entspricht die Entwicklung der Arbeitskosten. Die Stundenlöhne in der Industrie haben sich im Verlauf der achtziger Jahre in einem gemäßigteren Rhythmus als in den übrigen EU-Staaten entwickelt. Von 1992-95 stiegen sie um insgesamt 8,1% gegenüber 16,6% in Deutschland. Diese günstige Lohnkostenentwicklung wird durch eine überdurchschnittliche Produktivitätsentwicklung ergänzt. Die Lohnstückkosten sind nach Berechnungen der EU-Kommission gegenüber den übrigen Industriestaaten im Zeitraum 1987-95 um etwa 10% gesunken, während sie im EU-Durchschnitt um ca. 5% gestiegen sind. Gegenläufig wirkten allerdings die Aufwertungseffekte im Zuge der EWS-Krise 1993: Der Franc (wie die DM) hat sich gegenüber den 25 wichtigsten Weltwährungen 1992-95 um 9-10% aufgewertet, gegenüber dem britischen Pfund um 11%, gegenüber der Peseta um 16% und gegenüber der Lira um 25%. Damit ist ein Preisdruck auf die französische Exportwirtschaft entstanden, der diese zu einer Reduzierung ihrer Preis- und Gewinnmargen zwang. Die Verteuerung der französischen Währung spiegelt sich auch in der Lohnkostenentwicklung wider: Nur noch vier EU-Staaten (1992: sechs) weisen höhere Kosten auf als Frankreich; zehn dagegen niedrigere (Tabelle 2). Es spricht aber für die wiedergewonnene Solidität der französischen Exportwirtschaft, daß sie trotz der Aufwertungseffekte ihre Position insgesamt verbessern und auch gegenüber den drei EU-Abwertungsländern weitgehend halten konnte. Wachsende Exportüberschüsse bei steigendem realen Austauschwert des Franc: diese für Frankreich neue Situation kennnzeichnet die neunziger Jahre und deutet auf eine gefestigte qualitative Wettbewerbsfähigkeit hin (Abbildung 4). Auch die mit der Politik seit 1983 verbundene Verbesserung der unternehmerischen Rahmenbedingungen, insbesondere ihrer Gewinnquote, kann als Ursache der zurückgewonnenen Wettbewerbsfähigkeit gesehen werden. Die Gewinnquote stieg von 24% (1983) auf 34% (1989) und bewegt sich seither zwischen 32% und 33%, d.h. auf einem höheren Niveau als vor dem ersten Ölschock (Abbildung 5). Nachdem die Unternehmen ihre neugewonnenen Gewinnmargen zunächst zur Entschuldung eingesetzt hatten, begann ab 1985 ein Investitionsschub mit einer nachhaltigen Modernisierung der Produktionsanlagen. Allerdings mußte damit auch ein fast zehnjähriger Investitionsstau seit 1974 kompensiert werden. Zudem war die Investitionstätigkeit in der Rezession 1991/93 wieder stark rückläufig und hat sich seither nur wenig erholt (Abbildung 6). Die wiedergewonnene Überschußposition im Außenhandel ist nicht unbedingt identisch mit steigenden Marktanteilen. Der französische Marktanteil an den Exporten der neun größten Handelspartner ist zwischen 1979 (etwa 10,5%) und 1985 (knapp 9%) deutlich gefallen. Seither hat Frankreich seine Position zwar wieder verbessert, aber nur knapp die Hälfte dieses Verlustes wettmachen können. Die Entwicklung der neunziger Jahre deutet wiederum auf leichte Verluste an Marktanteilen auf dem Weltmarkt hin. Ferner ist das französische sektorale und geographische Spezialisierungsprofil trotz einer starken Reorientierung in den achtziger Jahren weiterhin unzureichend auf die Veränderungen des Weltmarktes ausgerichtet; bezeichnend ist die Schwäche der französischen Marktanteile in den neuen außereuropäischen Wachstumsmärkten wie z.B. Südamerika oder Asien. In Asien beispielsweise betrug der französische Marktanteil 1994 ganze 2% (Deutschland: knapp 5%). © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999 |