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Arbeitszeiten

Die Arbeitszeiten in Japan sind die längsten der entwickelten Welt. Die durchschnittliche Jahressollarbeitszeit lag 1995 in Japan bei 1957 Stunden, gegenüber 1602 Stunden in Deutschland (USA: 1896 Stunden, Großbritannien: 1762 Stunden). Ein japanischer Arbeitnehmer arbeitete 1995 im Durchschnitt 355 Stunden oder 48,8 Tage länger als sein deutscher Kollege. Diese Differenz setzt sich zusammen aus einer längeren Wochenarbeitszeit und weniger bezahlten Urlaubstagen (9 gegenüber 29). Der Unterschied dürfte in der Realität noch größer sein, da die japanische Statistik nur Unternehmen mit mehr als 30 Beschäftigten berücksichtigt, die Arbeitszeiten in kleineren Unternehmen aber noch weit über dem Durchschnitt liegen. Außerdem liegt die Zahl der irregulären Abwesenheitstage in Japan deutlich unter der Deutschlands (3 gegenüber 12). Die langen Arbeitszeiten sollen dem gewerkschaftlichen Dachverband RENGO zufolge zurückgeführt werden: Durch die effektive Einführung der 40-Stunden-Woche, durch den Abbau von Überstunden bzw. die Erhöhung der Überstundenzuschläge sowie durch die effektive Einführung von 20 bezahlten Urlaubstagen. Die Betriebsgewerkschaften jedoch haben ihre Kollektivverhandlungen in der Vergangenheit fast ausschließlich auf Lohnerhöhungen konzentriert, nicht auf die Verkürzung der Arbeitszeiten.





Vom Gesichtspunkt der Unternehmen aus ist Japan hinsichtlich der Arbeitszeiten ein Super-Standort - und soll es bleiben. Zwar ging die Zahl der jährlich geleisteten Arbeitsstunden zwischen 1989 und 1993 von 2111 auf 1957 zurück; diese Entwicklung ist jedoch in erster Linie der Rezession und der Einschränkung der (bezahlten) Überstunden geschuldet. Für Nikkeiren (der die Zahl der jährlichen Arbeitsstunden 1994 auf 1904 ansetzt) ist damit aber auch das Ende der Arbeitszeitverkürzungen erreicht.

Natürlich garantieren lange Arbeitszeiten nicht die effiziente Nutzung der Arbeitskräfte. Dies gilt insbesondere für den Management- und Verwaltungsbereich, der auch in der verarbeitenden Industrie 50% der Beschäftigten umfaßt. Während in der Produktion Rationalisierungsmöglichkeiten weitgehend ausgeschöpft zu sein scheinen, verdecken lange Arbeitszeiten bei den white collar-Tätigkeiten und Dienstleistungen oft Ineffizienz, die u.a. auf die unzureichende Nutzung von Informationstechnologien, komplexe und langwierige Entscheidungsverfahren und arbeitsintensive Serviceleistungen zurückgeführt werden können.

Auf den ersten Blick erstaunlicherweise wurde das von Paul Krugman vorgetragene Argument zum extensiven Charakter des Wirtschaftswachstums in Asien, das auf der Ausweitung des Arbeits- und Kapitaleinsatzes, nicht der effizienteren Nutzung der Produktionsfaktoren basiere, auch auf Japan angewandt, wo lange Arbeitszeiten zumindest im Büro- und Dienstleistungsbereich vom Zwang zur Produktivitätssteigerung entbinden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999

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