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5. Reformen in vor- und nachgelagerten Sektoren

Ein modernes und leistungsfähiges Agrarsystem kann in den Transformationsländern nur entstehen, wenn Reformen im vor- und nachgelagerten Bereich bzw. im Bezugs- und Absatzsystem durchgeführt werden. Dies wird u.a. daran deutlich, daß die Versorgungsengpässe während des Sozialismus nur teilweise auf unzureichende Produktionsleistung, sondern vor allem auf hohe Verluste bei Lagerung, Transport, Verarbeitung und im Vertrieb zurückzuführen waren. Zudem haben sich staatliche Vertriebssysteme als unfähig erwiesen, das Nahrungsmittelangebot nachfrageorientiert anzupassen bzw. die Landwirtschaft termin- und qualitätsgerecht mit entsprechenden landwirtschaftlichen Betriebsmitteln zu versorgen.

In den fortgeschrittenen Reformländern Polen, Ungarn, Tschechische und Slowakische Republik (Visegrad-Länder) können die Privatisierung und Umstrukturierung des Absatzbereichs und der Nahrungsmittelindustrie Erfolge vorweisen. Es zeigt sich, daß vor allem Branchen mit höher verarbeiteten Erzeugnissen (u.a. Pflanzenöl, Konfekt, Tabak und Bier) schneller als der Fleisch- und Molkereibereich zu privatisieren und beachtliche Qualitätsverbesserungen durchzusetzen waren. In einigen Ländern (insbesondere Ungarn) hatten ausländische Investoren maßgeblichen Anteil am Privatisierungsprozeß in der Nahrungsmittelbranche. Im Durchschnitt lag im ungarischen Nahrungsmittelbereich Ende 1994 die ausländische Kapitalbeteiligung bei etwa 38%, in einigen Branchen sogar zwischen 70% und 100%. Insgesamt erfreut sich der Nahrungsmittelsektor einer hohen Priorität bei ausländischen Investoren. Schätzungen gehen davon aus, daß in Ungarn, Tschechien und Polen 10% bis 18% aller Direktinvestitionen in diesen Sektor flossen.

Der gesamte vorgelagerte Bereich (Maschinenbau, Chemie etc.) der Landwirtschaft hatte unter Subventionsstreichungen sowie dem drastischen Nachfragerückgang bei Investitionsgütern und Betriebsmitteln besonders stark zu leiden. Dies schlug sich teilweise in überdurchschnittlichen Produktionsrückgängen nieder. Die dadurch induzierten strukturellen Anpassungsprozesse verlaufen im Vergleich zur Nahrungsmittelindustrie jedoch wesentlich langsamer, da die Vorleistungsindustrien einen wesentlich höheren Konzentrationsgrad aufweisen. Vielfach sind diese Unternehmen noch in staatlicher Hand, auch wenn erste Schritte zur Privatisierung (u.a. die Umwandlung in Aktiengesellschaften des Staates) eingeleitet wurden. Die Umstrukturierung der vorgelagerten Industrien unterscheidet sich jedoch zwischen einzelnen Ländern und ist abhängig von der allgemeinen Geschwindigkeit und Strategie der Privatisierung. Dabei trägt vor allem in jenen Ländern, in denen sich die Privatisierung von Großbetrieben aus politischen Gründen verzögerte, die Expansion eines neu entstandenen Privatsektors entscheidend dazu bei, die Bezugs- und Absatzsysteme in der Landwirtschaft flexibler zu gestalten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999

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