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Das Wesentliche auf einen Blick

Seit Anfang der neunziger Jahre hat sich in Italien eine Transformation des Parteiensystems vollzogen, die in Westeuropa ohne Beispiel ist. Zur Erklärung dieses Umbruchs wird häufig auf das Ende des Ost-West-Konflikts verwiesen, das jedoch nur mittelbar die Dynamik innenpolitischer Veränderungen beeinflußt hat. Als weitaus folgenreicher erwies sich die Wahlrechtsreform von 1993, die in der Krise des Parteienstaates geboren wurde. Mit dem Niedergang alter Parteien und der Reform des Wahlrechts haben sich auf dem politischen Markt neue Gelegenheiten geboten, die strategisch planende Akteure – zuerst der Unternehmer Berlusconi, dann der Berufspolitiker D’Alema – erfolgreich genutzt haben.

Berlusconi ist als Regierungschef daran gescheitert, daß die von ihm geschmiedete Mitte-Rechts-Koalition ein zu heterogenes Bündnis von Parteien mit divergierenden Programmen und Interessen war. Der Schlüssel zum Erfolg des Mitte-Links-Bündnisses in den Parlamentswahlen vom April 1996 war die Koalitionspolitik D’Alemas, dem es gelang, die linkskatholischen Erben der DC ebenso wie Exponenten des Großbürgertums für eine Allianz mit der Linken zu gewinnen. Auch diese Koalition ist folglich heterogen und die Regierung Prodi mitnichten stabil, zumal sie von der parlamentarischen Unterstützung der kommunistischen Traditionalisten abhängig ist. Allerdings ist das Mitte-Rechts-Bündnis strukturell schwächer als die Mitte-Links-Koalition. Trotz der Bipolarisierung, die das neue Wahlrecht gefördert hat, hat eine wirkliche Flurbereinigung der Parteienlandschaft im Sinne eines Konzentrationsprozesses noch nicht stattgefunden.

Die Regierung Prodi verfolgt entschlossen das Ziel, Italien zum 1. Januar 1999 in die Europäische Währungsunion zu führen. Die dafür unerläßliche Sanierung der Staatsfinanzen kommt voran, wird aber durch die Konjunkturentwicklung und den Widerstand der Kommunisten und der Gewerkschaften gegen Einschnitte in das Rentensystem erschwert. Das erste fiskalische Konvergenzkriterium des Maastrichter Vertrages, die Rückführung des öffentlichen Defizits auf 3 Prozent des BIP, wird 1997 nur mit Mühe zu erreichen sein. Dabei hat Italien ein überragendes ökonomisches Interesse an der Währungsunion, weil dadurch der Abbau der immensen Zinslast gefördert wird und so die Haushaltssanierung vorangetrieben werden kann. Politisch würde der Ausschluß Italiens von der Kerngruppe der Währungsunion einem Marginalisierungskomplex Vorschub leisten und auch die deutsch-italienischen Beziehungen belasten. Mit der Arbeit an einer Verfassungsreform sucht das Parlament für Italien Regierbarkeit, innere Stabilität und europapolitische Glaubwürdigkeit zu sichern.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-bibliothek | 9.1. 1998

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