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[STABSABTEILUNG DER FES]
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Essentials

Die sogenannte Revolution der Richter, der Aufstieg einer regionalen Protestpartei im reichen Norden des Landes und die Reform des Wahlrechts haben das italienische Parteiensystem in den letzten Jahren radikal verändert.
Die Wahlen vom April 1996 belegten die mehrheitsbildende Wirkung des neuen Wahlrechts, aber auch eine relativ hohe Stabilität der Wählerpräferenzen, die für eine weiterhin starke Fragmentierung der parlamentarischen Repräsentation bei gleichzeitig ungefährem Gleichgewicht zwischen den beiden Lagern gesorgt hat.
Trotz der Bipolarisierung, die das neue Wahlrecht gefördert hat, hat eine wirkliche Flurbereinigung der Parteienlandschaft im Sinne eines Konzentrationsprozesses noch nicht stattgefunden: Seit 1996 sind immer noch 13 Parteien oder Gruppierungen in der Abgeordnetenkammer gegenüber 16 im Jahr 1994 vertreten.
Die vorrangige Aufgabe der Regierung Prodi besteht in der Sanierung der Staatsfinanzen, um Italiens Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion zum 1. Januar 1999 zu ermöglichen. Die Staatsschuld liegt 1996 etwa bei 124,8 Prozent des BIP. Bei einem geschätzten Rückgang auf 124,3 Prozent (1997) und 121,5 Prozent (1998) kann nur in einem sehr eingeschränkten Sinn davon die Rede sein, daß das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt „hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert" von 60 Prozent nähert. Dieses zweite Fiskalkriterium wird in der italienischen Debatte meist verdrängt.
Das Haushaltsdefizit für 1996 wird auf 6,6 bis 7 Prozent des BIP geschätzt, für 1997 wurden auf der Basis des Haushaltsgesetzes 3,7 Prozent veranschlagt. Per Nachtragshaushalt hat die Regierung Prodi Einnahmeerhöhungen und Einsparungen von 15.500 Mrd. Lire beschlossen, um das Konvergenzziel von 3 Prozent zu erreichen. Das Gros der Maßnahmen besteht dabei aus vorgezogenen Abgaben und Steuervorauszahlungen sowie Ausgabenverlagerungen ins folgende Jahr, womit keine dauerhafte Entlastung des Haushalts verbunden ist.
Eine Verfassungsreform, um die Regierbarkeit des Landes zu verbessern und durch eine Föderalisierung der Herausforderung der Lega Nord zu begegnen, der Übergang zu einem „schlanken Staat" durch die Privatisierung von Staatsunternehmen und eine Reform der öffentlichen Verwaltung, eine Justizreform sowie die Modernisierung des Bildungswesens, dem zentrale Bedeutung für die wirtschaftliche und technologische Entwicklung Italiens zuerkannt wird, sind weitere wichtige Ziele der Regierungspolitik.
Deutschland erscheint in Italien, wie auch Frankreich, vielfach als Hegemonialmacht, welche die Spielregeln der Währungsunion diktiert. Der Ausschluß Italiens von der Kerngruppe der Währungsunion würde als Kränkung eines EG-Gründungsmitgliedes empfunden und einem Marginalisierungskomplex Vorschub leisten, der Italiens europapolitische Kooperationsbereitschaft nicht gerade fördern würde.


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