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TEILDOKUMENT:




A. Zur Entwicklung des allgemeinen Schulsystems

1. Kriterium für die Qualität der Schulausbildung muß in erster Linie die Tauglichkeit der Ausbildungsergebnisse aus der Sicht der „Kunden" der Schulen sein. Dies sind die öffentlichen und privaten Arbeitgeber sowie die weiterführenden Bildungsinstitutionen. Auf der Grundlage entsprechender Informationen können die Schulbehörden mit den „Kunden" über Wege zur Problemlösung beraten sowie Eltern und Schüler die Entscheidung über die Wahl einer Schule treffen.

Weder in Haupt- und Realschulen noch in Gymnasien sind Zeugnisse ein ausreichender Maßstab für die Ausbildungsqualität. Selbst bei einer Vereinheitlichung der Prüfungsmaßstäbe - etwa durch ein Zentralabitur nach französischem Vorbild - würde sich an der Natur der Prüfung als einer „internen" Qualitätskontrolle nichts ändern. Gegenwärtig spiegeln die Abschlußnoten die tatsächliche Qualität des Ausbildungsergebnisses jedenfalls weder im Vergleich zwischen Schulen noch zwischen den Systemen der Länder wider.

Es fällt auf, daß der allgemeine Anstieg der erzielten Durchschnittsnoten keineswegs dazu geführt hat, daß die Betriebe oder weiterführenden Bildungseinrichtungen sich positiv über die erworbenen Fertigkeiten der von ihnen übernommenen Absolventen der Schulen äußern. Im Gegenteil wird seit Jahren verstärkt ein Abfallen des Leistungsstandes beklagt. Viele Betriebe lehnen die Einstellung Auszubildender wegen zu geringer Lese-, Schreib- und Rechenfertigkeiten ab. Andere Unternehmen veranstalten anstelle der berufsspezifischen Ausbildung mathematische Nachhilfekurse. Solche Nachholkurse sind auch in vielen naturwissenschaftlichen Fakultäten üblich, die sonst den Lehrstoff den Erstsemestern nicht vermitteln können. Juristische Fakultäten beklagen die mangelhafte schriftliche Ausdrucksfähigkeit der Erstsemester. Mängel des Leistungsstandes der Abiturienten haben zu Forderungen nach Eingangsprüfungen der Universitäten geführt, die ihrerseits aber neue Probleme nach sich ziehen (s.unten B).

Die Verifizierung und Veröffentlichung allgemeiner Qualifizierungsdefizite aus der Sicht derer, die als weiterführende Bildungseinrichtungen oder als Arbeitgeber bestimmte Anforderungen stellen müssen, um die eigenen Leistungen erbringen zu können, würde die Motivation der Schulbehörden und Schulen fördern, Abhilfe zu schaffen und einen Qualitätswettbewerb zu eröffnen. Die Forderung der Fraktionen des hessischen Landtages, einen Ländervergleich zur schulischen Bildung durchzuführen, geht insofern in die richtige Richtung. Notwendig sind dabei nicht einmalige und schnell veraltende Studien oder Umfragen über subjektive Eindrücke, sondern ein ständiges screening auf der Grundlage von Rückmeldungen derjenigen, die die Schulabgänger aufnehmen.

Um so eine für die richtige Schulwahl notwendige Transparenz herzustellen, müssen unter Beteiligung der Schulen, der Schüler, der Absolventen, der Arbeitgeber und der weiterführenden Bildungseinrichtungen Performance-Indikatoren entwickelt und veröffentlicht werden, auf die sich das oben geforderte screening beziehen kann.

Wirtschaft und weiterführende Einrichtungen können den Schulen nicht konkrete Bildungsziele oder Lehrinhalte vorgeben, zumal ihnen der viel beschworene „Zukunftsbedarf" naturgemäß noch gar nicht bekannt ist. Sie sollten aber registrieren und die Öffentlichkeit bzw. die Schulbehörden darüber informieren können, welche Schulen ihnen in der Lebenswirklichkeit Absolventen zur Verfügung stellen, die sich auf ihre Anforderungen einzustellen vermögen.

2. Der Wettbewerb unter den Schulen bedingt die Förderung der freien Schulwahl und eine entsprechende Organisation des Schulbesuchs

Wenn es richtig ist, daß der Staat überall ein Ausbildungsangebot vorhalten muß, das freilich nicht überall gleich sein kann und überdies im Wettbewerb entwickelt werden soll (Holzapfel), dann muß dem die tatsächliche Möglichkeit des Schülers entsprechen, ein Angebot in größerer Entfernung oder auch außerhalb des eigenen Wohnortes wahrzunehmen. Dies scheitert heute weitgehend an der Organisation der Halbtagsschule. Forderungen nach dem Angebot ganztägigen Schulunterrichts bis hin zu Internatsschulen müssen daher unterstützt werden. Sie sind auch geeignet, denjenigen Schülern die notwendige Förderung anzubieten, die häusliche Hilfe nicht im gleichen Maß in Anspruch nehmen können wie andere.

Lehrer sind heute keiner direkten Konkurrenz und wenig frischen Einflüssen ausgesetzt. Dafür sorgt schon der verhängnisvolle Einstellungsstop der Schulbürokratie, der zu einer unverantwortlichen Überalterung der Kollegien geführt hat. Hinzu kommen entsprechende Motivationsdefizite und burning-out-Effekte bei den älteren Lehrkräften. Neben einer Änderung der falschen Personalpolitik, die zu wenig Einstellungen ermöglicht und in wenigen Jahren zu einer schweren Krise führen wird, ist eine stärkere organisatorische Selbständigkeit der Schulen, verbunden insbesondere mit der Einstellungsbefugnis im Rahmen vorzugebender Personalbudgets und einer Bestellung der Schulleiter auf Zeit erforderlich.

3. Die Lehrer benötigen Weiterbildungsangebote, die sich an den Qualifikationsanforderungen der weiterführenden Bildungseinrichtungen und der Wirtschaft orientieren; hierzu können Wirtschaftsunternehmen einen wichtigen Beitrag leisten.

Anforderungsgerechte Lehrprogramme können schwerlich von Pädagogen entwickelt werden, die nicht wissen, welche Fähigkeiten von ihren Schülern erwartet werden. Die Behebung hier festzustellender Defizite kann durch Angebote der Unternehmen behoben werden, die Fachausbildung der Lehrer durch betriebliche Praktika zu ergänzen. Sie dürften wirksamer sein als die bisher üblichen oberflächlichen Praktika für Schüler, deren Ausbildungswert sehr begrenzt ist. Auch in scheinbar schulfachfremden Bereichen wie den juristischen Berufen sind Kooperationen der Praxis mit den Lehrern geeignet, deren Verständnis und Fähigkeit zum Erkennen und Fördern spezifischer Begabungen und Fertigkeiten ihrer Schüler zu stärken bzw. überhaupt erst zu schaffen.

4. Es bedarf der Bereitschaft der Unternehmen, sich für die Leistungsfähigkeit der allgemeinbildenden Schulen zu engagieren. Ein solches Engagement muß vom Staat auch künftig gefördert werden.

Die Verknappung der öffentlichen Mittel hat bisher in erster Linie zu Forderungen an die Eltern und die Schüler geführt, sich zugunsten ihrer Schulen unentgeltlich zu engagieren. Kooperationen zwischen Unternehmen und Schulen gibt es in weit geringerem Maße. Beispiele sind jedoch die Förderung einer kommunikationstechnisch orientierten Schule durch einen Medienkonzern oder die Förderung von leistungsorientierten Internaten durch eine Unternehmens-Stiftung.

Über derlei Ansätze hinaus liegt hier ein weites Feld für weitblickendes unternehmerisches Engagement. Wer am Sitz seiner Betriebe auch die dortigen Schulen - etwa durch Lehrerbildungs- und Sprachprogramme oder im technischen Bereich - unterstützt, baut Vorbehalte gegenüber den Anforderungen und Leistungen der Wirtschaft ab und verbessert die Voraussetzungen für die Realisierung selbst geforderter Ausbildungsziele.

Über gemeinnützige Schulfördervereine können hier auch steuerliche Hilfen genutzt werden. Diese Möglichkeiten sollten auch für den Fall erhalten bleiben, daß eine Steuerreform die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten im übrigen einschränkt.


©Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1998

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