R E N A I S S A N C E

FOR RIGHT, FREEDOM AND PROGRESS


No. 2

AUGUST, 1941

SIXPENCE


Contents


Page

Die Grossen Drei

25

Zeitnotizen

26

Russland und die Komintern

30

H. Kaiser: Notizen über Süd-Amerika

32

A.B.: Die deutsche Wirtschaftshegemonie
in Frankreich

34

Kurt Doberer: Krieg ohne Kupfer

37

W. Reinhart: Aus dem Dritten Reich

38


Page

Intrigen um Frankreich

42

Streiflichter aus Frankreich

44

Book Reviews


Ambassador Dodd's Diary (A.M.)

45

The Catholic Church and International Order (S.M.)

46

"Ideals and Illusions" (G.H.)

47

"Die deutsche Walpurgisnacht" (W-er.)

47

"Guilty Women" (W.R.)

48

[Seite:- 25 -]

Die Grossen Drei

Das Treffen zwischen Roosevelt und Churchill ist nicht nur der acht Punkte wegen bedeutsam, die sie dort unterzeichnet haben und die eine Grundlage abgeben sollen für die weitere Politik der beiden Länder. Im wesentlichen konnte man natürlich über die politischen Absichten der beiden Staatsmänner für eine bessere Gestaltung der Zukunft unterrichtet sein, wenn man ihre gelegentlichen Erklärungen zu dieser Frage aufmerksam studiert hatte. Zudem sind die acht Punkte verständlicherweise nur Rahmen-Erklärungen, die erst durch die politische Praxis Saft und Leben bekommen können. Bis dahin bleiben sie der Missdeutung ausgesetzt, dass man sie später mit jener bekannten Formel des unseligen deutschen Reichskanzlers Michaelis[1] bedenken wird, der mit der Friedensresolution des Deutschen Reichstages ganz einverstanden war, wenn auch mit der kleinen Einschränkung: "Wie ich sie auffasse!" - Selbstverständlich hat die Propaganda der Achsenmächte diesen Weg bereits beschritten, die in jenen acht Punkten nur den Versuch sieht, "die Achsenmächte abzurüsten".

Allerdings hat die praktische Politik bereits eingesetzt, und man kann also leicht sehen, welchen Weg sie wirklich einschlägt. Die Vereinigten Staaten, so weit sie auf ihren Präsidenten hören (und auf alle Fälle ist er der populärste Mann Amerikas, wenn nicht der ganzen Welt), haben sich dazu entschlossen, dem Britischen Empire und allen Staaten und Bewegungen, die der deutschen Aggression Widerstand leisten, volle Unterstützung in diesem Kampf zu geben. Bei der Schlacht um den Atlantik hat die amerikanische Flotte bereits einen entscheidenden Dienst geleistet, indem sie ihre Patrouillen-Fahrten weit in den Atlantik hinaus ausdehnte und Island besetzte, wodurch englische Schiffe und Mannschaften frei wurden für die Verwendung an anderen wichtigen Plätzen des Kriegstheaters. Die Belieferung der Achsen-Gegner mit Rohmaterial, Fertigwaren und Lebensmitteln spielt schon viel länger ihre wichtige Rolle bei der Verteidigung des Empire und der Vorbereitung einer Offensive gegen die Aggressoren.

Ihre Hauptprobe hatte diese Politik zu bestehen, als Russland in den Krieg hineingezogen wurde. Es ist kein Geheimnis, dass es in Amerika, ebenso wie wo anders, fanatische Gegner Russlands gibt, die es für den Weltfeind Nummer Eins halten. Durch seine selbstgewählte Stellung neben Hitler-Deutschland und als dessen aktiver Steigbügelhalter für eine lange Zeit hatte Russland auch nichts zur Zerstreuung jenes Hasses beigetragen. Aber trotz dieser günstigen Situation für die Antibolschewisten aller Art und Farbe bewies die Parole: ,,Hitler-Deutschland, die Achse und der Totalitätswahnsinn sind die wirklichen Weltfeinde!" ihre Kraft und Wirksamkeit. Man zog Russland in den Kreis der Unterstützungswürdigen mit hinein, da es wie die andern angegriffenen Völker zu den Waffen griff und seine Unabhängigkeit verteidigte. Russland hat bereits Hilfe bekommen, und die gemeinsame Erklärung Roosevelts und Churchills sowie der Vorschlag einer Konferenz in Moskau, an der hohe Vertreter aller drei Staaten beraten sollen, wie man die Angreifer am besten niederringen könne - all dies beweist, dass diese Hilfe weiter geleistet und weiter ausgebaut werden soll.

Diese einmütige Reaktion der beiden Staatsmänner und ihrer Völker gegen den von Hitler und seinen Propagandaleuten gestarteten Kreuzzugsrummel ist

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eine wirkliche und nicht wieder gut zu machende Niederlage der "geistigen" Kriegführung des deutschen Trommlers.

Aber am wesentlichsten an dem Treffen scheint uns die Tatsache zu sein, dass die Vereinigten Staaten öffentlich auf die Seite derer getreten sind, die den Frieden zu beraten und vorzubereiten haben. Es ist selbstverständlich, dass sie damit auch die Verantwortung dafür mit übernehmen, wie der Krieg von den Alliierten gewonnen werden kann, denn nur ein solcher Sieg liefert ja die Voraussetzungen für das, was in den acht Punkten, durchzuführen versprochen wird: die Sicherung eines dauernden Friedens und die Schaffung von Arbeitsbedingungen, die jedem Einzelnen soziale Sicherheit geben. Die Teilnahme Roosevelts an einem solchen Treffen, während der Schlacht um den Atlantik mitten auf dem Atlantik, bedeutet für jeden, der sehen kann, dass Amerika seine Verantwortung öffentlich anerkannt hat. Es ist für den Ausgang des Krieges ebenso mit verantwortlich wie für den kommenden Frieden. Das heisst aber praktisch:

Die Vereinigten Staaten sind seit diesem Tage mit im Krieg!

[Zeitnotizen]

Stiller Teilhaber gesucht

Wink nach U.S.A.

Es war für aufmerksame und langjährige Beobachter des neudeutschen Imperialismus, der natürlich nur die Fortsetzung des alldeutschen vergangener Zeiten ist, kein Geheimnis, dass der Zug dieses Imperialismus nach Osten nicht der Befreiung der Menschheit von irgend einer Geissel dienen sollte; dass er nicht das russische Volk befreien und dass er überhaupt nichts Gutes bedeuten und mit sich bringen würde. Wir brachten bereits in der vorigen Nummer der "Renaissance" einige Hinweise auf die Erwartungen Hitlers und seiner Spiessgesellen, dass mindestens eine Reihe der bewährten Antibolschewisten sich bei diesem Kreuzzug auf seine Seite stellen würde. Wir zeigten an der gleichen Stelle auch, wie sehr seine Hoffnungen bis dahin enttäuscht worden waren. Inzwischen sind einige noch deutlichere Winke von deutscher Seite aus erfolgt. Der "Deutsche Volkswirt", das ernsthafteste deutsche Wirtschaftsblatt, das jahrelang Herrn Schachts[2] Meinung wiedergab und wohl auch heute nicht weit abseits der offiziellen Meinung Deutschlands in Wirtschaftsfragen steht, schreibt zum Beispiel:

"Die deutschen Soldaten sind dabei, die Zitadelle des Bolschewismus zu zerstören. Sie werden damit nicht nur die ganze Welt von einer dauernden Quelle von Unruhe und schrecklicher Gefahr befreien; sie werden auch dem russischen Volk den Weg öffnen zu einer Existenz, die menschlicher Wesen würdig ist. Schliesslich wird sich dort eine Möglichkeit eröffnen für eine erfolgreiche und systematische Ausbeutung der unerschlossenen Quellen dieser grenzenlosen eurasischen Räume.

Obwohl Deutschland nach dem Kriege ohne Zweifel wieder eine bevorzugte Stellung als Käufer und Versorger Russlands einnehmen wird, so eröffnet doch seine ungeheure Grösse Möglichkeiten, deren Ausnutzung weit jenseits der äussersten wirtschaftlichen Fähigkeiten des Reiches liegen. Wenn also eine der Hauptursachen dieses Kriegs der Kampf der kapitalistischen Mächte um neue Märkte ist, dann wird gerade das deutsche Schwert hier Gelegenheit für eine Aktivität schaffen, deren Bedeutung alle gehässige Kritik zum Schweigen bringen muss. Das sollten nach und nach selbst Roosevelts Landsleute begreifen."

Wink nach England

Eine ähnliche, wenn auch etwas vorsichtigere Haltung nimmt der bekannte England-Sachverständige der "Frankfurter Zeitung", Rudolf Kircher[3], ein. Er schrieb dort am 3. August 1941:

"Ohne Zweifel wird infolge des russischen Feldzugs der Krieg länger dauern. Aber wir sind sicher, dass sein siegreicher Abschluss unsern Endkampf gegen England erheblich erleichtern wird. Nichts ist deshalb wichtiger für Deutschland, als Sowjet-Russland so schnell wie möglich zu zerschmettern."

Kircher verfehlt aber nicht, zunächst eine tiefe Verbeugung vor England zu machen, darauf spekulierend, dass sich doch noch irgendwo Anti-Bolschewisten dort befinden müssen. Man fühlt deutlich aus seinem Artikel, wie sehr er den gerade als notwendig bezeichneten "Endkampf gegen England" vermeiden möchte. Er geht sogar so weit zu schreiben, dass der Krieg Deutschlands gegen Russland auch den englischen Interessen diene und dass deshalb die Engländer ihre auswärtige Politik und ihre Haltung der Achse gegenüber noch einmal überprüfen sollten. Kircher entblödet sich schliesslich nicht, die deutschen Armeen als Degen Englands auf dem Kontinent anzubieten:

"England muss wissen, dass allein die deutsche Armee in der Lage ist, der Sowjet-Armee den Weg nach Holland, Belgien, Frankreich und der Schweiz zu sperren und dass, wenn nicht die deutsche Armee dies täte, niemand Europa vor Stalin schützen könnte."

Kircher wiederholt dann die oft vorgebrachte Dreistigkeit, man könne die Angriffsabsicht und Frivolität der Russen gerade daran erkennen, dass ihr Widerstand gegen die Deutschen sich so unerwartet lange hinzöge.

Nach all diesen sorgfältig überlegten und auf Inspiration durch höhere Stellen erfolgten Ausführungen Kirchers wirkt es dann nur für Dumme noch abschwächend, wenn er zum Schluss schreibt, Deutschland sei selbstverständlich in der Lage und entschlossen, nach diesem russischen Feldzug auch England wieder anzugreifen, und zwar energischer als je vorher.

Bejammernswerte Zeitgenossen

Die deutsche Propaganda und Kriegführung ist bisher offenbar mit keiner Erwartung so sehr daneben getreten wie mit der, dass ihre Kreuzzug-Parole gegen Russland ihr zahlreiche Verbündete schaffen würde. Nicht nur, dass sie in, selbst für Nazis erstaunlich, unwürdiger Weise sich geradezu als Handlanger für imperialistische Gruppen aller Art anbietet - selbst in Deutschland scheint die

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Schwenkung der Propaganda um 180 Grad nicht glatt vor sich gegangen zu sein. Wie weit die Gerüchte über mehr oder weniger grosse Krachs in der obersten Heeres- und Parteileitung stimmen, wissen wir nicht. (Es gibt aber viele unwiderlegbare Anzeichen, dass auf alle Fälle erhebliche Unstimmigkeiten dort bestehen.) Dass aber viele Deutsche sich langsam der Gefahr bewusst werden, in die der alldeutsche Weltherrschaftstraum sie bringt, geht aus einem langen Artikel im "Schwarzen Korps"[4] hervor, das immer schon die Aufgabe hatte, die Heimatfront durch eine Art von burschikoser Oppositionshaltung zu beruhigen. Das "Schwarze Korps" nimmt sich dieses Mal einen fingierten Deutschen vor, der nicht recht begreift, wo er den Russenfeldzug hinbringen soll. Dieser fingierte Deutsche fragt sich z.B. nach dem "Schwarzen Korps": "Haben wir nicht erst mit dem deutsch-russischen Grenzvertrag die Sowjets nach Lemberg und Dubno und Wilna gelassen oder jedenfalls stillschweigend gebilligt, dass sie sich dort einnisteten?"

Das "Schwarze Korps" gibt zu: "Vielleicht gibt es tatsächlich einige bejammernswerte, gutwillige Zeitgenossen, die in dem unausrottbaren Hang zur Objektivität sich derart krauses Zeug ernstlich durch ihren Kopf gehen lassen!"

Nachdem dann das "Schwarze Korps" ausdrücklich geleugnet hat, was die für das Ausland bestimmten Zeitungen immer gerade besonders betonen: dass nämlich Deutschland für die ganze Welt den schrecklichen Kreuzzug gegen Russland auszufechten habe, fragt es wörtlich:

"Wo steht denn geschrieben, das deutsche Volk habe von der Geschichte den unabweisbaren Auftrag erhalten, einen Kreuzzug gegen die Bolschewisten zu führen und Tausende seiner besten Söhne zu opfern?"

Die Propaganda für die Heimfront heisst danach:

"Wir müssen diesen Krieg führen, um unser Leben zu sichern. Wir haben nicht behauptet, wir zögen zu Feld ausschliesslich, um Europa und die menschliche Kultur zu retten."

Jedenfalls haben es aber gerade die für das Ausland bestimmten Zeitungen immer behauptet. Zur selben Zeit schrieb übrigens die "Kölnische Zeitung,"[5] eines jener Blätter, wörtlich:

"Es war nicht nur das Gebot der Selbsterhaltung, das Deutschland veranlasste. den Pakt mit dem Räte-Bund abzuschliessen, den dieser dann brach - es war auch eine Mission für Europa."

Nazi-"Geist"

Man erinnert sich vielleicht, dass Hitler in seinem "Kampf" schwere Vorwürfe erhebt gegen alle, die so objektiv sind, auch dem Gegner reine Motive zuzutrauen oder seinen Taten wirklich gerecht zu werden. Die Heeresberichte der Deutschen zeigen, dass man mit Hitlers theoretischen Ansichten über die Behandlung der Gegner in der Praxis ernst macht. So schrieb neulich eine deutsche Agentur, was sie aus militärischen deutschen Kreisen gehört hätte:

"Der Krieg in Russland hat ganz neue Formen des Kampfes hervorgerufen, die mit den herrschenden Regeln europäischer Strategie nicht vereinbar sind. Die Russen sind zweifellos gut gedrillt und auf den Krieg vorbereitet. Sie haben auch viel gelernt aus den Kämpfen, die die Deutschen bisher zu bestehen gehabt haben. Aber - so bedauern die deutschen Kreise verständlicherweise - die Russen haben dank der bolschewistischen Zerstörung des menschlichen Geistes den Krieg in ganz neue Bahnen gelenkt. Und zwar zeigt sich dabei:

(1) Die deutsche Taktik, einen Keil in die feindlichen Armeen zu treiben und die Feinde einzukreisen, hat sich auch der russischen Taktik gegenüber als überlegen erwiesen. Das russische Oberkommando kennt diese Taktik, ist aber unfähig, sich ihr zu entziehen.

Ein ganz neues Element ist nun, dass die umzingelten russischen Kräfte sich weigern, die Niederlage anzuerkennen. Die bolschewistischen Kommandeure werfen lieber Tausende in die Vernichtung, ehe sie das Unvermeidliche hinnehmen.

(2) Der Bolschewismus hat den Geist getötet. Im bolschewistischen Staat gibt es kein Recht auf Leben, und auch ein Recht der Persönlichkeit existiert dort nicht. Keine Religion gibt es da, und also auch keine Furcht vor dem Tode. Deshalb (!) gibt es dort auch keine Wahrscheinlichkeit eines inneren Zusammenbruchs der Massen.

(3) Der Krieg im Osten wird also langsam eine Schlächterei.

Im Westen dagegen, wo der Geist noch was zählt, zögerte König Leopold[6] keinen Augenblick, sich und seine Armee zu ergeben, als er sah, dass die Sache hoffnungslos war."

Die "bloss noch vegetierende russische Armee," von der die militärischen Kreise dann weiter sprechen, haben nichtsdestoweniger den deutschen Truppen schwere Verluste beigebracht, statt "zuzugeben, dass ihre Lage hoffnungslos" war, und damit soviel "Geist" zu zeigen, wie damals König der Belgier, Leopold. - Und sie kämpfen unverändert weiter, trotz der Tatsache, dass sie nach den Regeln der deutschen Blitzkriegs-Strategie gar nicht mehr existieren.

In Wirklichkeit ist natürlich der Geist der russischen Kämpfer zwanglos jedem verständlich, der weiss, dass die Russen, so gut wie die anderen von Hitler überfallenen Völker, ihren Boden und ihre Unabhängigkeit gegenüber den wahnsinnigen Weltbeherrschungssüchtigen aus Deutschland verteidigen. Dass Frankreich verkauft wurde, und seine berufenen Verteidiger deshalb eine andere Rolle spielen mussten, ändert nichts an dieser Feststellung. Was die deutschen Eroberer dann mit den unglücklichen Ländern machten, die unter ihren Absatz gerieten, gibt ein Bild von dem, was sie mit allen anderen vorhaben. Die Behandlung der Polen ist natürlich den Russen nicht unbekannt geblieben.

Dokumente der Schande

Die deutschen Faschisten haben sich nicht entblödet, ihre Schande zu Papier zu bringen, sodass man sie ewig zur Hand hat. Hier ist einiges davon:

"Der Reichsstatthalter.

1/8 [1. August]

An... Betrifft: Umgang der deutschen Bevöl-

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kerung des Reichsgaues Wartheland mit Polen.

(1) Deutsche Volksangehörige, die über das dienstlich oder wirtschaftlich notwendige Mass hinaus Umgang mit Polen pflegen, werden in Schutzhaft genommen. In schweren Fällen, besonders dann, wenn der deutsche Volksangehörige durch den Umgang mit Polen das deutsche Reichsinteresse erheblich gefährdet hat, kommt Ueberführung in ein Konzentrationslager in Betracht.

(2) und (3) ...

(4) Deutsche Volkszugehörige, die mit Polen geschlechtlich verkehren, werden in Schutzhaft genommen. Polnische weibliche Personen, die sich mit deutschen Volkszugehörigen in Geschlechtsverkehr einlassen, können einem Bordell zugewiesen werden." gez. Greiser[7].

Wahrscheinlich brauchte man einige Insassen für die Bordelle, die die deutschen Behörden für die ausländischen Zwangsarbeiter eingerichtet haben und von denen der französische Gewerkschaftsrenegat Georges Dumoulin in der Pariser Zeitung "L'Atelier" berichtete, als er von einer Besichtigung der Unterkünfte solcher Arbeiter zurückkam.

Herrentum

Aber nicht nur den Polen gegenüber vertritt die deutsche Unterwelt einen solchen Standpunkt. Er ist vielmehr gegen alles gerichtet, was nicht dem nazistischen Kulturstall entstammt. Herr Dr. Robert Ley[8], der besondere Reichsbeauftragte des "Führers" zur Täuschung der deutschen Arbeiterschaft, hat vor kurzem eine kleine Broschüre geschrieben, in der er meint, Deutschland müsse die Führung Europas übernehmen, weil ihm die Natur die Kraft dazu gegeben habe. Diesem zoologischen Ideal entsprechend schliesst er:

"Willst du aber, deutscher Arbeiter, Europa führen und damit deine Mission erfüllen, so kannst du kein Prolet sein und dich nicht von internationalen Phantomen und knochenerweichender Solidaritätsduselei beherrschen lassen, sondern dann musst du ein Herr sein. Du bist nur Führer, wenn du führen willst, und du kannst nur führen, wenn du dich zum Führertum und Herrentum erziehst."

Optik und Ethik

Diese Dreistigkeit und Brutalität zeigt sich übrigens auch bei der Behandlung der deutschen Oeffentlichkeit durch die Herrenschicht dort. Als man aus begreiflichen Gründen in Deutschland die Auszahlung von Kriegsgewinnen in Dividenden-Form nicht ins Uferlose steigen lassen wollte, machte man eine sogenannte Dividenden-Stop-Verordnung. Schon in deren Begründung ist davon die Rede, dass die "Optik der Dividenden nicht zu deutlich die wahre Lage widerspiegeln solle. Die Unternehmerpresse beeilte sich, den Wink nicht nur zu verstehen, sondern auch, ihn zu erklären. Sie schrieb, nur politische und psychologische Gründe hätten den Gesetzgeber veranlasst, jenen "Stop" zu verordnen. Und die betroffenen Gesellschaften hatten es dann leicht, einen Dreh zu finden, der die Optik nicht misshandelte, wenn er auch die Ethik verletzte, die ja aber heute nirgendwo mehr viel, und im Dritten Reich schon gar nichts gilt. Man bezahlt heute wahnsinnige Gehälter an Aufsichtsräte und andere Wirtschafts-"Führer", die zum Teil mehr als zwanzig Prozent des Aktienkapitals als Entschädigung beziehen. Noch frecher aber geht eine Reihe von Gesellschaften vor, die einfach den Nennwert ihrer Aktien mit Hilfe eines Stempels verdreifachen oder verzehnfachen, sodass, alles in allem genommen, die Summe der Dividende steigen kann, ohne dass sich der Prozentsatz erhöht.

An manchen Stellen verfuhr man damit und mit anderen Korrekturen des Geschäftsgebarens im Dritten Reich so ausschweifend, dass es sogar einer so hartgesottenen Sünderin wie der "Berliner Börsen-Zeitung"[9] zu viel wurde. Sie beschwerte sich gelegentlich über solche Aktionen der Aktionäre. - Vielleicht aber tat auch dies nur aus politischen und psychologischen Gründen?

Das Arbeits-Zuchthaus

Ganz im Gegensatz zu der Behandlung der Unternehmer im Dritten Reich, denen man überall Löcher offen lässt, durch die hindurch sie den Maschen des manchmal an Worten strengen Gesetzes entschlüpfen können (wie das zum Beispiel die jüngste Verordnung über den Dividenden-Stop deutlich zeigt), steht die Strenge der deutschen Herrenschicht, wenn es sich um Arbeiter-Fragen handelt. Nicht nur wird der Lohnstop ganz unvergleichlich viel rigoroser gehandhabt als der Dividenden-Stop, so dass man den mannigfaltigen Versuchen selbst der Unternehmer, das Lohnstop-Gesetz im Einverständnis mit den Arbeitern zu umgehen (weil sie oft Arbeiter brauchen, die sie mit Hilfe besserer Bezahlung oder Behandlung ihren Konkurrenten wegengagieren möchten), mit sofortigen Verbotsmassnahmen entgegentritt - es wird auch durch Verhängung scharfer Strafen dafür gesorgt, dass die Arbeiter möglichst keine Gelegenheit mehr bekommen, ihre Arbeitsbedingungen durch Arbeitsplatz-Wechsel zu verbessern. Wie sehr die Arbeiter allerdings darauf aus sind, diesen Wechsel trotzdem durchzusetzen, das zeigen die zahlreichen Versuche, die angestellt werden, eine Entlassung durch den Arbeitgeber zu erzwingen. Wenn aber der Arbeiter glaubt, durch Fernbleiben von der Arbeitsstelle diese Entlassung provozieren zu können, so irrt er sich; denn er kann für dieses Fernbleiben schwer bestraft werden, und das geschieht denn auch in der Tat sehr oft. So wurde ein Arbeiter im März zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt, weil er sich ohne Erlaubnis von seiner Arbeitsstelle entfernte. Da es sich offenbar um einen wichtigen Arbeiter handelte, beliess man es zunächst bei der Strafe, ohne sie ihn absitzen zu lassen. Jetzt ist er wegen des gleichen Vergehens zu elf Monaten Gefängnis verurteilt worden. Solche Bestrafungen sind im Dritten Reich jetzt an der Tagesordnung und beinahe täglich in den deutschen Zeitungen zu finden.

Deutscher Ordnungssinn

In Deutschland ist eine Menge französischer Arbeiter beschäftigt, da dank der deutschen Mordaktionen eine Knappheit an Arbeitskräften herrscht. Einer der gewerkschaftlichen

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französischen Ueberläufer, Georges Dumoulin, der heute in einer von den Deutschen ausgehaltenen Zeitschrift: "L'Atelier" für das Dritte Reich schreibt und Reklame macht, hat Deutschland besucht; denn auch das Dritte Reich kann Arbeiter-Delegationen veranstalten. In einem Cliché[10]-Bericht, den Goebbels gematert[11] liefern wird, sagt er unter anderem, und zwar über ein Lager französischer Arbeiter:

"Lager ist Lager, und Männer sind Männer. Für galante Vergnügungen wird eine besondere Baracke eingerichtet und möbliert. Ich habe unsere Führer auf die Nachteile einer derartigen Einrichtung hingewiesen, denn die Geldsendungen an die Familien und das Sparen könnten unter dieser Einrichtung leiden. Man sagte mir, das Ganze sei so geregelt, dass das Sparen nicht beeinträchtigt werde."

Monsieur Dumoulin hatte also angesichts der deutschen Vorsorge keine weiteren Sorgen, als dass nicht genügend Geld an die Familie in Frankreich ginge. Die Zerstörung der Familien selber, deren Zusammenhalt gerade nach der Meinung der heutigen Staatslenker in Vichy und Berlin den Hauptkitt für den Staat abgeben soll, geht ihn offenbar nichts an.

Was die Deutschen angeht, so haben sie vielleicht auch die Prostituierten nun eingezogen und unter der Parole: "Dienst ist Dienst!" eingesetzt, damit "das Sparen nicht beeinträchtigt wird", was der Fall wäre, wenn man sie bezahlen müsste.

"Plangemaess"

In Deutschland verläuft bekanntlich alles plangemäss. Auch der Feldzug gegen die Sowjet-Union. Ab und zu ist es wichtig, sich die deutschen Pläne etwas zurückliegender Zeiten vorzunehmen, um zu merken, dass auch in Deutschland wie in andern Ländern nur mit Wasser gekocht wird.

Am 4. August 1939 schrieb die "Westfälische Landeszeitung - Rote Erde"[12]: "Feindlicher Durchbruch unmöglich! Das Ruhrgebiet gesichert - ein Flug in die Vernichtung. Bei den Manövern, die im Industriegebiet stattfinden, kam mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die Flugabwehr ein Sicherheitsfaktor geworden ist, der jedem Feind einen Durchbruch unmöglich machen wird. Die Manöver haben wieder einmal mit einer Deutlichkeit zu erkennen gegeben, dass ein Feindflug nach Deutschland ein Flug in die Vernichtung sein würde. Das erfüllt unser deutsches Volk mit dem unbedingten Gefühl der Ruhe und Sicherheit. Die Praxis hat bewiesen, dass ein Flugangriff auf das Industriegebiet unmöglich gemacht werden könnte. Wir im dichtbesiedelten Ruhrgebiet können ohne Sorge schlafen, der Feind wird nicht durchkommen. Den deutschen Luftraum beherrscht Deutschland unumschränkt."

Inzwischen treffen sich in Berlin englische und russische Flieger, und zeigen so allen, die sehen können, dass die deutschen Flieger über Deutschland überhaupt keinen Luftraum mehr beherrschen.

Aus dem Schwarzwald wird uns gemeldet, dass dort immer mehr Evakuierte aus dem Ruhrgebiet eintreffen.

Keine weiteren Ueberraschungen

Der Ueberfall auf Russland war natürlich ebenfalls nicht vorher "geplant" gewesen. Die "Leipziger neuesten Nachrichten"[13] schrieben vor kurzem über diesen neuen Feldzug:

"Die Atempause, die der Feldzug im Osten den Engländern und Roosevelt gewährt, verschiebt den Schlussakt dieses Krieges um eine Zeitspanne, deren sich jeder Deutsche gern im Frieden erfreut hätte. Aber weitere Ueberraschungen sind jetzt nicht mehr denkbar."

Tropen-Anzuege

Hitler wird sicherlich keine Zeit verlieren wollen. Wenn er Oel und Korn in Russland eingeheimst hat, so denkt er gewiss, dann kommt es darauf an, den Krieg in Gegenden zu verlegen, wo man auch im Winter Krieg führen kann. Freilich ist der Russenfeldzug keineswegs am Ende, obwohl er schon seit vielen Wochen immer plangemäss verläuft. Auf alle Fälle aber hat die deutsche Heeresleitung für deutsche Truppen riesige Mengen von Tropenanzügen im Elsass bestellt, die, wenn alles plangemäss verläuft, sicherlich nicht in Russland aufgebraucht werden sollen. Diese Aktion spricht mehr für Afrika!

Buecherverbrennung

In Paris haben die französischen Verleger eine Liste von Büchern zusammengestellt, die den Deutschen nicht passen und mit denen man also keine Geschäfte mehr machen kann - wenigstens im Augenblick nicht. Sie sagen dies natürlich nicht so offen, sondern verstecken sich hinter grossen Gesichtspunkten und zeitgemässen "Weltansichten" wie Antisemitismus und der Notwendigkeit einer "gesunden Atmosphäre". Das Vorwort zu dieser schwarzen Liste besagt:

"Die französischen Verleger haben in dem Wunsch, eine gesündere Atmosphäre und die für eine richtige und objektive Wertlegung der europäischen Probleme notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, beschlossen, die auf dieser und etwa später noch folgenden Listen aufgeführten Werke aus dem Verkauf zu ziehen. Es handelt sich um Schriften, die durch ihren unwahren und tendenziösen Charakter zur systematischen Vergiftung der öffentlichen Meinung Frankreichs beigetragen haben. Die Liste enthält insbesondere die Publikationen der politischen Emigranten oder der jüdischen Schriftsteller, die unter Missbrauch der Gastfreundschaft, die Frankreich ihnen gewährt hatte, zu einem Kriege hetzten, aus dem sie in egoistischer Weise für sich selbst Gewinn zu ziehen hofften.

Die deutschen Behörden haben die Initiative der französischen Verleger mit Befriedigung zur Kenntnis genommen und ihrerseits die notwendigen Massnahmen angeordnet."

Unter den jüdischen Missbrauchern der französischen Gastfreundschaft befindet sich - nach dieser Liste! - auch Herr Adolf Hitler mit seinem Schmarren: "Mein Kampf". Dass der in Frankreich verbreitet wurde, wollte er nie zulassen, weil er, mit Recht, annahm, dass dann das französische Volk nicht so leicht durch seine Pazifisten, Kapitalisten und Kapitulanten an das Dritte Reich hätte verraten werden können. Auch heute noch aber hat Hitler also offenbar Grund, die Franzosen nicht mit seinen "Gedanken" aus diesem Buch bekannt zu machen.

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Um so mehr sollte man versuchen, dies trotz Hitler zu tun; denn es ist wichtig, dass die Franzosen wissen, was Hitler wirklich über sie denkt. In der Festung Landsberg, wo er das Buch schrieb, sagte er noch die Wahrheit über seine "territorialen Ansprüche".

Zusammenarbeit

Auf eine Anregung des englischen Gewerkschafts-Klubs hin und unter dem Vorsitz des Präsidenten des englischen Gewerkschaftsbundes, George Gibson[14], wurde in London eine Kundgebung veranstaltet, zu der neben englischen Gewerkschaftsführern auch die Genossen des Internationalen Gewerkschaftsbundes und seiner nichtenglischen Gewerkschaftsgruppen eingeladen waren. Belgier, Franzosen, Polen, Tschechen, Deutsche und Oesterreicher kamen in der Versammlung zu Worte, nachdem George Gibson und Ben Tillet[15] für die Engländer und Walter Schewenels[16] für den IGB gesprochen hatten.

Für den kommenden Frieden sind solche vorbereitenden Zusammenkünfte der Verständigung von unschätzbarem Wert.

Verkehrs-Sabotage

Der Generalrat der Internationalen Transportarbeiter-Föderation versammelte sich kürzlich in London, um über den zweckmässigen Einsatz der Transportarbeiter im Kampf gegen den Hitlerismus Beschlüsse zu fassen. Er veröffentliche u.a. einen Aufruf an alle Transportarbeiter der Weit, jeden Verehr auf Landstrassen, Eisenbahnen, auf dem Wasser und in der Luft mit allen Mitteln zu sabotieren, der auf irgendeine Weise der Kriegsmaschine der Achsenmächte dienen könnte.

Es ist ganz gewiss nicht zufällig, dass in den jüngsten Wochen die Meldungen von schweren Verkehrsunfällen sich häufen - bei einer Reihe von ihnen hat man übrigens mit Bestimmtheit ein absichtliches Verschulden dieser Unfälle festgestellt.

Russland und die Komintern

"Smash Hitler Now"

In einer kleinen Penny-Broschüre tritt Harry Pollitt[17], ein prominenter Führer der englischen Kommunisten dafür ein, Hitler "jetzt" zu schlagen. Man weiss, dass er es bei Kriegsausbruch auch schon mal vorhatte, dann aber wieder verschob, weil damals Stalin nicht mitmachte. Niemand, wird etwas dagegen haben, wenn auch die Kommunisten nun helfen, Hitler zu zerschmettern. Im Gegenteil: man sollte sie begrüssen mit einem: "Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt!"

Die Entscheidung Labours

Die Haltung der englischen Arbeiterbewegung zur sogenannten russischen Frage wurde in einer Entschliessung festgelegt, die vom englischen Gewerkschaftsbund und der Arbeiter-Partei herausgegeben wurde. Darin heisst es:

"Der Gewerkschaftsbund und die Arbeiterpartei betonen, wie sehr sie die Anstrengungen würdigen, die von der Sowjet-Union in dem gemeinsamen Kampf gegen das Hitlertum gemacht wurden.

Sie begrüssen die geschlossene Zusammenarbeit zwischen England und der Sowjet-Union, die sich jetzt entwickelt hat.

Sie bestätigen ihre Ueberzeugung, dass diese Zusammenarbeit zu einer Ueberwindung des Hitlerismus führen wird sowie zur Erreichung einer Verständigung zwischen den beiden Völkern, die nötig ist, um einen dauernden Frieden zu erhalten.

Man hat vorgeschlagen, dass die Labour-Bewegung und die Kommunistische Partei Englands zu gemeinsamen Aktionen kommen sollten.

Der Gewerkschaftsbund und die Arbeiterpartei haben diese Vorschläge sorgfältig geprüft, können aber in der gegenwärtigen Situation keinen Grund sehen, der solche Zusammenarbeit rechtfertigen könnte."

Zur Begründung dieser Ablehnung wird ausgeführt, dass die KP sich bisher abseits gestellt hat, wenn es darauf ankam, die Anstrengungen zur Vernichtung des Hitlertums zu verstärken, ja dass sie diese Anstrengungen bei jeder Gelegenheit sabotiert hat. Diese Politik behielt sie "unbewegt und unbeeindruckt" bei, als täglich Luftangriffe der Nazis England heimsuchten: Am 2. September 1939 war die KP entschlossen, den Krieg gegen Hitler mitzumachen; bald danach passte es ihr, den Krieg für einen imperialistischen zu halten; seit dem 22. Juni 1941 ist der Krieg nicht mehr ein imperialistischer Krieg, wie die KP erklärt. Sie hat mit dieser neuen Wendung nur wieder einmal ihre Unverantwortlichkeit und ihren wandelbaren Charakter gezeigt.

Gewerkschaftsbund und Arbeiterpartei halten deshalb eine gemeinsame Arbeit mit der KP für unmöglich.

Blinder Eifer

Die Sozialdemokratische Föderation in New York hat am 24. Juni eine Entschliessung gefasst, in der es heisst:

"Stalin wünschte, den Krieg zu vermeiden. Und nun hat er ihn, noch dazu unter den ungünstigsten Bedingungen. Er wollte seinen Teil an der Nazi-Beute haben. Aber nun wird er seine Eroberungen wieder verlieren. Er spielte mit einem Kriege, in dem beide Seiten sich verbluten würden, aber nun wird das russische Blut vergossen. Wir bleiben, was wir von jeher waren: Gegner alles dessen, was der Bolschewismus getan hat."

Man fordert dann einen Angriff der Engländer im Westen Deutschlands, zu dem die Vereinigten Staaten möglichst viel Kriegsmaterial unter amerikanischem Geleit schicken sollen. Dann heisst es weiter:

"Der Widerstand des russischen Volkes kann nicht wirksam sein, wenn nicht seine Moral wiederhergestellt wird."

Wir bleiben, was wir von jeher waren!

Das Londoner Büro der österreichischen Sozialisten erklärt ebenfalls am 24. Juni:

"... Die Beendigung der russischen Kooperation mit dem Faschismus muss zu einer neuen Wendung der internationalen kommunistischen Politik führen. Wir Sozialisten hoffen, dass die Kommunisten nun ihre selbstmörderische Sabotage der Verteidigung der Demokratie aufgeben werden. Die Eingliederung

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Sowjet-Russlands in die Kampffront der Weltdemokratie bringt auch die Möglichkeit einer Stärkung der fortschrittlichen und sozialistischen Tendenzen und Kräfte im demokratischen Lager."

Wir bleiben, was wir von jeher waren!

"Keinen Augenblick dürfen wir uns unklar darüber sein, wieviel für den Ausgang dieses Weltkrieges und die Zukunft der Menschheit von den Ereignissen der nächsten Wochen abhängt. Die beiden zahlenmässig stärksten Armeen der Welt kämpfen miteinander an einer Front, die vom Eismeer oder von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer oder zum Mittelmeer reicht. Gelingt einer von beiden ein schneller Sieg, dann kann ihr auf dem europäisch-asiatischen Festland niemand mehr ernsten militärischen Widerstand leisten. Erschöpfen sie sich in langen Schlachten, dann kann der Druck von den Völkern des Festlandes weichen, dann kann die Macht der britischen und amerikanischen Demokratie zum beherrschenden Faktor der politischen Neugestaltung der Welt werden." ("Sozialistische Mitteilungen"[18], Organ der SPD in England, Nr. 27, Ende Juni 1941, Seite 3).

Ueber diese Stellungnahme zum russisch-deutschen Krieg kam es zu einer gewissen Kontroverse zwischen der Schriftleitung der "Mitteilungen" und einem Korrespondenten des Labour-Blattes "Tribune"[19], dem dabei noch die deutsche Sektion der SAP sekundierte, die sich nicht begnügte, ihre Stellungnahme zum russisch-deutschen Krieg zu veröffentlichen, sondern auch die "Union deutscher Sozialistischer Organisationen in England" in die Debatte einbezog - was an dieser Stelle absolut ungehörig war, da die "Union" selber als solche gar nicht Stellung bezogen hatte, die Stellungnahme der anderen Gruppen der "Union" aber nicht erwähnt wurde. Wann wird man wieder lernen, sich über bestimmte Erklärungen bei denen zu informieren, die sie angehen? Wann wird man lernen und sich danach richten, dass für Informationen über Stellungnahmen der "Union" zum Beispiel der Chairman dieser "Union" zuständig ist und nicht zum Beispiel die Gruppe der SAP?

Wir wollen uns keineswegs hier in den Streit über jene Stelle selber einmischen, da wir im übrigen unseren eigenen Standpunkt klar genug zum Ausdruck gebracht haben. Aber wir erlauben uns den Hinweis, dass angesichts des Ernstes der Zeit, niemandem aus sozialistischen Reihen erlaubt sein sollte, sich so zu benehmen, wie jene beiden Schlauköpfe, von denen schon unsere Vorfahren sagten, dass der eine einen Bock melke, während der andere ein Sieb unterhalte.

Russische Sozialdemokraten

Die russischen sozialdemokratische Partei in den Vereinigten Staaten erklärte zu Hitlers Ueberfall auf Russland, nachdem sie den Zusammenbruch der Stalinschen Aussenpolitik dargestellt hatte:

"Für jeden ehrlichen Gegner Hitlers wird jede Macht, die gegen Hitlers Divisionen die Waffen erhebt, zum Verbündeten der Demokratie und der Arbeiter der ganzen Welt. Als solche muss sie das Maximum jeder möglichen materiellen und moralischen Hilfe erhalten ... Ohne unsere Stellung zu ändern, stellen wir den Kampf um die Liquidierung des Stalin-Despotismus zurück hinter das erste Gebot der Zeit: den Krieg gegen den Weltfaschismus als den bösartigsten Feind der Menschheit. Die russische sozialdemokratische Partei ist zutiefst überzeugt, dass der Kampf der Sowjet-Union umso erfolgreicher sein wird, je früher die Kräfte des Landes befreit werden, je früher die Abdankung der Diktatur zu Gunsten von Demokratie und Freiheit zur Tatsache wird."

Auch sie bleiben, was sie von jeher waren - und umso mehr muss man bedauern, dass die russischen Sozialdemokraten vom Aufbau in ihrem Lande ausgeschlossen waren.

Die russischen Sozialdemokraten Theodor Dan[20] und Jugow[21] in New York hatten der Auslandsvertretung der russischen Sozialdemokraten eine Erklärung vorgelegt, die aber nicht angenommen wurde. Sie waren in der Bereitschaft, ihren Kampf gegen die Stalin-Diktatur zu vertagen, sehr weit gegangen, da sie meinten, der Krieg und seine unerbittlichen Notwendigkeiten würden schon die Bedingungen herbeiführen helfen für eine wahre Demokratisierung des politischen Systems in Russland.

Auch die Resolution der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) ist betont russlandfreundlich. Die Tatsache, dass die russische Revolution mit ihrer Zerstörung des "Gemisches aus Feudalismus und Kapitalismus, das früher in Russland herrschte, die Grundlage legte für ein sozialistisches Wirtschaftssystem, das der Sowjetstaat aufzubauen unternahm," ist bestimmend für die "nie aufgegebene Hoffnung, dass dieses Land einen grossen Beitrag zur Verbreitung des Sozialismus in der Welt leisten und dass das Sowjetregime sich zur Demokratie entwickeln werde". Eine " Niederlage Sowjetrusslands würde einen Staat zerstören, der gegründet wurde, um den Sozialismus zu erringen". - Warum aber muss der Sieg Russlands schon, für sich gesehen, eine Demokratisierung hervorrufen?

U.S.A.

Amerikanische Organisationen sind teilweise sehr viel vorsichtiger: Sie bejahen selbstverständlich die Unterstützung Russlands, lehnen aber ab, die Diktatur sowie die Politik der Komintern anzuerkennen.

The American Federation of Labor, der Amerikanische Gewerkschafts-Bund, forderte für Russland alle nur mögliche Unterstützung, "obwohl wir das kommunistische Regime als einen Feind der Demokratie betrachten" und obwohl Grund genug vorhanden ist, davor zu "warnen, es als einen Freund und Verbündeten der Demokratien anzusehen"!

The League for Human Rights (in Cleveland, Ohio, U.S.A.), eine altbewährte Kämpferin gegen den internationalen Faschismus, betont in ihrer Resolution zur Russland-Frage die Notwendigkeit, seinen Kopf klar zu behalten. Sie schreibt unter anderem:

"The Russian war permits a breathing spell as well as a big chance for a strong attack on Nazism by Great Britain and the United States in the West. The strategists of this war have to decide when, where and how much aid should be given to the Soviets fortifying her resistance.

However, a very different problem arises in shaping the policy for a free and democratic America, and a

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peaceful world order in respect to the Communist Party in this country. In one week the Communist Party of America changed their slogans from non-interventionists and no-aid-to-Britain to "Full Aid to Great Britain and the Soviet Union", and "Full Collaboration between the United States, Great Britain and the Soviet Union". They dare to state that they have been the Leaders of a popular front in this country, leaders of the majority of the people, and that the change in the geographical direction of Hitler's attack has now changed the imperialistic war into a people's war. The entire front page of The Daily Worker[22], June 30, 1941, was devoted to historical lies and misrepresentations invented by the National Committee of the Communist Party.

For the past two years, the Communist Party in America has given to honest fighters for democracy an opportunity for close observation. The facts are that this Party is an agent and nothing but an agent of Stalin's Russia; that they are not and never will be primarily concerned with the real issue of justice and freedom for America and the world, but are only concerned with the security and the advantages of a foreign nation directed by Stalin. In this respect they have been, still are, and always will be foreign agents, briefly, subversive fifth columnist elements in the Body of our nation. They have changed in a week from non-interventionists to interventionists, and instead of continuing their support of Hitler, they now are bound to support, for the sake of the Soviet Union, those who want to save democracy and defeat Hitler.

No, we do not object to them running along with us and not biting our legs for the duration of the Russian war, but it must be recognized as being only a temporary and opportunistic alliance. In the final analysis, they are not democracy's champion, they are first, last and always Communists riding whatever vehicle is handy to their ultimate goal. But labour, the New Dealers and bona-fide organisations which stand for all-out aid to the democracies will refuse to consider Communists and Communist fellow-travellers as durable or reliable fighters for democracy."

Notwendige Trennung

Die Zustimmung, Russland in seinem Krieg gegen die Hitlerei zu unterstützen, hat nichts zu tun mit der Frage, was man mit den Kominternparteien macht. Deren verräterische Politik der letzten Jahre wird nicht besser durch den Ueberfall, den Hitler auf Russland unternommen hat. Wenn sie heute nicht mehr sabotieren und auch keine "Volksregierungen" mehr haben wollen und wenn sie auch andere Aktionen zu Gunsten Hitlers heute unterlassen, dann werden wir uns freuen, aber deswegen nicht aus dem Häuschen geraten. Denn das sind alles nur Selbstverständlichkeiten, die keinerlei besondere Anerkennung verdienen. Bei der ganzen neuen Wendung um 180 Grad handelt es sich, wie so oft schon, eben nicht um eine antinazistische, sondern bestenfalls um eine prorussische Aktion. Wir werden nichts dagegen sagen, aber auch keine besonderen Freudensprünge darüber verüben - wie, leider, manche sonst ganz ernsthafte Menschen, die das Ganze so behandeln, als ob es sich um die Rückkehr des verlorenen Sohnes handele, der nun, frisch bekehrt, die Reihen ehrlicher Kämpfer verstärkt. Eine sozialistische Politik aber kann sich nicht nach dem richten, was jeweilig in Russland nötig ist oder nicht. Das kann nur der nicht begreifen, für den Russland das Vaterland der Werktätigen und Stalin der väterliche Ratgeber der Arbeiter ist. Aber dieser infantile Hang kann nur politisch Unreife lenken - wir erlauben uns, auch die russische Politik mit sozialistischen Massstäben zu messen, statt den Sozialismus zu russifizieren. - Bündnisse mit Kominternparteien oder Konglomeraten parteiloser Kommunisten sind mindestens seit dem August 1939, als russische fehlgeleitete Nationalpolitik das Massenmorden einleiten half und als Kominternparteien auch dies noch mitmachten, nicht mehr zu verantworten. Die Wendigkeit der Gewissen muss selbst in unserer Zeit, die an die Politik nicht mit strengen moralischen Massstäben herangeht, eine Grenze haben.

H. Kaiser[23]:

Notizen über Süd-Amerika

Sued-Amerika

Man macht sich im allgemeinen kaum eine klare Vorstellung davon, wie weit der faschistische und nationalsozialistische Einfluss in Süd-Amerika bereits gediehen war, ehe sich die Regierungen dort entschlossen, sich die nazistischen Eindringlinge mal näher zu betrachten. Man kann die berechtigte Hoffnung hegen, dass es damit noch nicht zu spät ist, und dass die berüchtigte Spionage-Organisation des Herrn Bohle[24], die jeden Deutschen im Auslande als ihren Agenten betrachtet und möglichst auch zu behandeln und auszunutzen sucht, jetzt endlich mit ihrem Latein am Ende sein wird. Wir bringen hier einige kurze Hinweise auf die Nazitätigkeit, die uns jüngst von dort zugingen.

Brasilien

Ein in Brasilien lebender Nazi meint, wie man aus seinen Briefen entnehmen kann, "dass die Bevölkerung Englands, die durch den Krieg schwer leiden muss und die sich bisher moralisch an keinen nennenswerten Erfolgen aufrichten konnte, für einen Frieden zu haben sein werde, der dem Lande keine schweren Opfer, auferlegt. Es besteht daher die Möglichkeit, dass es in einem solchen Falle zum Sturz der Regierung Churchill und zu deren Ersatz durch eine verhandlungsbereite Regierung kommen könnte."

Die deutschen katholischen Priester sind vom Erzbischof wegen ihrer nazistischen Propaganda verwarnt worden.

Der frühere Gouverneur des Staates Sao Paulo, der sich 1937 gegen die neue Staatsform erklärt hatte und sehr brüsk zum Rücktritt gezwungen worden war, wurde jetzt zum Direktor der Rechtsfakultät der Paulistaner Universität ernannt und mit grössten Ehren in dieses Amt eingeführt. Er heisst Cardoso de Melo Neto[25] und war der Vorgänger jenes Adhemar de Barros[26], der jetzt seines Amtes enthoben und durch den beliebten Ackerbauminister Fernando Costa[27]

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ersetzt wurde, der als wirklich neutral gilt und daher den Demokratien nicht abgeneigt ist.

Mit Adhemar de Barros, der zuletzt ganz nach Mussolini[28]-Methoden das Land bereist hatte, um Ehrungen entgegenzunehmen und überall das Anbringen seines Portraits zu verlangen, sind auch sein Vater, der eine führende Rolle im Kaffee-Institut gespielt hat, sowie dessen Bruder zurückgetreten, der Chef des Zivilkabinetts des Gouverneurs war und mit einer Schwester des Nazi-Generals und deutschen Militär-Attaches Niedenführ[29] verheiratet ist.

Ehemaligen nazistischen deutschen Offizieren in Brasilien wurde nahegelegt, ihre Kenntnisse des Französischen zu vervollkommnen oder überhaupt Französisch zu lernen. Mit unverkennbarer Deutlichkeit wurde dabei auf die französischen Besitzungen in Amerika und auf Dakar hingewiesen.

Die italienische Luftverkehrsgesellschaft LATI[30] betrügt ihre Klienten, indem sie in Brasilien Postmaterial annimmt, sich das Porto bezahlen lässt, aber schon öfter wochenlang kein Flugzeug nach Europa geschickt hat.

Argentinien

Ein argentinischer Schuldirektor erzählte kürzlich von seinen Erfahrungen in Misiones, einem argentinischen Land mit grossen Teilen deutscher Bevölkerung. Er konnte dort keinen Anklang finden, bevor er sich mit dem Nazi-Chef Wilhelm Wieland[31] gut stellte. Und er konnte sofort merken, was die Feindschaft des Mannes bedeutete, als er es einmal gewagt hatte, anderer Meinung zu sein als dieser:

"Alle Nazis und ihre Sympathisierenden hörten auf, mich zu grüssen. Es fehlte auch nicht an Leuten, die mir zu verstehen gaben, es sei besser, wenn ich mich gut mit ihnen stellte - wenigstens, wenn ich in dieser Gegend bleiben wollte."

Die Nazis haben in Buenos Aires ein Liederbuch herausgegeben, in dem sich 21 Lieder befinden, die in Deutschland von der SA und der Hitler-Jugend gesungen werden Das unverschämteste haben sie vorläufig noch etwas abgeändert. Sie singen nämlich nicht: "Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.", sondern: "Heute hört uns Deutschland und morgen die ganze Welt."

Interessant ist, dass all diese Lieder in Argentinien gesungen werden, obwohl die Nazi-Partei dort verboten ist. Herausgeber der blutigen Schlachtgesänge ist an ihrer Stelle die "Deutsche Wohltätigkeits- und Kulturgemeinschaft", die einfach eine anders benamste [!] Fortsetzung der verbotenen Partei ist.

Seit einigen Wochen arbeitet in Argentinien ein parlamentarischer Untersuchungs-Ausschuss, der sich mit den Nazi-Umtrieben in Argentinien beschäftigen soll. Als er aus eigener Machtvollkommenheit Haussuchungen anordnete, zu der er die Polizei heranzog, erklärte die Regierung, dass sie solch ein Vorgehen nicht für verfassungsmässig halte und deshalb in Zukunft die Polizei nur noch dann zur Verfügung stellen würde, wenn vorher ein regelrechter Haussuchungsbefehl erwirkt worden sei. Die Arbeit gegen die Nazis wird dadurch nicht zu sehr erschwert werden. Es wurden kürzlich zwei wichtige Schritte gegen sie unternommen:

Eine Haussuchung bei der getarnten Naziorganisation, die sich "Wohlfahrtsorganisation" nennt, und bei der "Arbeitsfront." Natürlich werden die Nazis das wichtigste Material beseitigt haben, bevor man bei ihnen haussuchte [!]. - Aber die andere Massnahme scheint interessanter zu sein:

Ein Angestellter der deutschen diplomatischen Vertretung in Argentinien flog mit 200 kg Gepäck nach Peru. Unterwegs fiel schon auf, dass der Mann sich von diesem Gepäck keinen Augenblick entfernte und sogar dabei schlief, als es umgeladen wurde. Kurz vor seiner Ankunft in Peru hatte die dortige Regierung angeordnet, dass nur bis zu 20 kg als Diplomatengepäck anerkannt werden sollten. Die deutsche Vertretung in Peru versuchte nun, das Gepäck trotz dieser Verordnung ohne Durchsuchung herauszubekommen. Als die peruanische Regierung nicht nachgab, wurde ein anderer deutscher Beamter mit dem Gepäck zurückgeschickt. Der Mann war aber nicht so wachsam wie der erste. Jedenfalls erfuhr der Untersuchungsausschuss davon. Auf seine Veranlassung hin wurde das Gepäck durchsucht, und man fand, dass es einen sehr starken Radiosender enthielt, der auf Uebertragungen nach Deutschland eingestellt war. Eine ebenfalls beschlagnahmte Eisenkassette wurde noch nicht geöffnet. Auch die Geschäftsbücher einer Reihe von deutschen Firmen wird man jetzt untersuchen, um sich zu überzeugen, ob und wie weit sie die Nazis unterstützt haben. Der Ausschuss hat also ganze Arbeit vor.

Uruguay

Die klare und deutliche Haltung der Regierung Uruguays macht den Nazis viele Kopfschmerzen. Und sie versuchen mit allen Mitteln, die öffentliche Meinung in Uruguay für sich zu gewinnen. In Drucksachen, die sie massenhaft verschicken, machen sie gegen die Regierung Stimmung. An die Nazis dort versandten sie eine Aufforderung, in Betrieben mit "vertrauenswürdigen" Freunden Spitzeldienste zu organisieren. Wörtlich heisst es:

"Bist du ein Deutscher, dann diene auch hier in Uruguay dem deutschen Volke, deinem Vaterland, unserm Führer Adolf Hitler". Obwohl der deutsche Gesandte in Uruguay die NSDAP aufgelöst hat, besteht sie also einfach weiter.

Putsch in Uruguay?

Die Nazis sind in letzter Zeit wieder intensiv mit Geheimzusammenkünften beschäftigt. Man verlegt solche Treffen jetzt von Montevideo weg nach ausserhalb. Ein beliebter Treffpunkt ist Camino Maldonado Kilometer 28, wo ein deutlich angebrachtes Schild "Waldesrauschen" den Treffpunkt bezeichnet. Er liegt nicht weit vom Militärflugplatz, der die Nazis besonders interessiert. So versuchte man in jüngster Zeit, Besitzungen in dessen Nachbarschaft zu mieten oder zu kaufen.

Gestapo in Uruguay

Trotz der Auflösung der NSDAP arbeitet die Gestapo weiter. Ein bei einer deutschen Firma arbeitender nazifeindlicher Arbeiter bekam vor

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einigen Tagen eine Aufforderung, bei Herrn Daldorf[32], dem Presseattaché der deutschen Gesandtschaft, zu erscheinen. Dieser Mann erklärte dem Arbeiter, wenn er sich weiter antinazistisch betätige, werde man Repressalien gegen ihn ergreifen.

Paraguay

Zahlreiche deutsche Siedler der paraguayischen Siedlung Hohenau haben auf Grund der Heimkehr-Propaganda, die die Hoffnung auf baldigen Kriegsschluss und die baldige Heimkehr ins Reich erweckt hatte, ihre Höfe verkauft und leben nun schon seit Monaten von ihrem Geld, das ihnen allmählich ausgeht.

A.B.[33]:

Die deutsche Wirtschaftshegemonie in Frankreich

Schon einige Zeit bevor die ohnmächtige Vichy-Regierung vor dem militärischen Sieger auch politisch kapitulierte, begann eine intensive wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich, sodass sich zwischen beiden Ländern sehr schnell ein eigenartiges Verhältnis ergab, das die Welt um so mehr erstaunte, als es sonst zwischen Sieger und Besiegten wenigstens in so kurzem Zeitraum nicht üblich ist. Man hat nach mancherlei Erklärung für diesen Zustand gesucht und dabei ideologische und politische Beweggründe nach allen Seiten hin vorgebracht. Doch keine dieser Erklärungen kann restlos befriedigen. Die eigentlichen Ursachen der engen deutsch-französischen Zusammenarbeit sind daher auch auf ganz anderem Gebiet zu suchen. Die Wirtschaft beider Länder hätte sich trotz aller Zwangsmassnahmen, die der Sieger anzuwenden die Macht hat und die er auch rücksichtslos anwendet, nie so schnell aufeinander eingespielt, wenn nicht zwischen den massgebenden Konzernen zu beiden Seiten des Rheins schon seit langem enge Beziehungen bestanden hätten.

I.

Eine intensive wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich lässt sich für die Zeit vor dem Kriege vor allem feststellen bei der Schwerindustrie, der Elektroindustrie, der Chemischen Industrie, der Textilindustrie, der Hochfinanz sowie bei einigen Spezialunternehmen. Die Beziehungen zwischen der deutschen und französischen Schwerindustrie reichen bis in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg zurück. Damals, nach der zweiten Marokkokrise im Jahre 1912, begann sich der Thyssen-Konzern[34] für die französischen Erz-Lager in der Normandie zu interessieren. Er wollte ihre Ausbeutung zusammen mit den Aciéries de la Marine et d'Homécourt[35] unternehmen, doch vereitelte der Generalstab diese Bemühungen. Thyssen war vielleicht deswegen der erste Pionier der schwerindustriellen deutsch-französischen Zusammenarbeit, da in seinen Unternehmungen schon Jahre vorher französisches Kapital arbeitete, vor allem das Kapital der katholischen Kongregationen. Es war ihm auf dem Umwege über den Crédit Lyonnais[36] zugeleitet worden, der gleichzeitig als Pariser Finanzagent des Hauses Thyssen und als die Hausbank der Jesuiten fungierte. Thyssen, selbst eifriger Katholik, hat ähnlich wie der schwerindustrielle deutsche Klöckner-Konzern[37] übrigens auch in Deutschland viel mit katholischem Ordenskapital gearbeitet.

Der Weltkrieg führte naturgemäss zum Abreissen mancher Fäden, die sich da angesponnen hatten. Aber keineswegs aller. Es ist notorisch und durch leidenschaftliche Debatten in der französischen Kammer klargestellt, dass der französische Rüstungskönig Schneider-Creusot[38] auf dem Umweg über die neutralen Länder verschiedene Rüstungsmaterialien an das Haus Krupp[39] in Essen lieferte und dafür von diesem andere erhielt. Eine eigenartige Stelle nahm damals auch die Familie de Wendel[40] ein. Dieses alte Geschlecht von Stahlindustriellen war damals gleichzeitig auf beiden Seiten interessiert. Die Werke des Familienbesitz darstellenden de Wendel-Konzerns befanden sich zum Teil in Französisch-, zum Teil in Deutsch-Lothringen. François de Wendel, das Haupt der Familie, war französischer Kammerabgeordneter. Sein Bruder Humbert Mitglied des deutschen Reichstags. Die Verkaufszentrale des Konzerns in Frankreich leitete während der Kriegsjahre ein Deutscher, der Direktor Goldberger[41], der sich als frisch naturalisierter Schweizer ausgab, ohne dass dies jemals einwandfrei nachgewiesen werden konnte. Diese Angelegenheit und die Geschäftspraktiken des Wendel-Konzerns haben das französische Parlament wiederholt beschäftigt. So enthüllte kein anderer als der spätere Ministerpräsident Flandin[42] in der Kammer, dass das Bombardement der de Wendelschen Erzgruben im Becken von Briey durch französische Flieger infolge gewisser politischer Einflüsse verhindert worden war, obwohl diese Erzgruben von Deutschland besetzt [waren] und das für die deutsche Rüstungsindustrie unentbehrliche Erz lieferten.

Im grossen Stil begann aber die Zusammenarbeit zwischen der deutschen und französischen Schwerindustrie erst in den Nachkriegsjahren während der Besetzung des Saarlands, des Ruhrgebiets und des Rheinlands. Die privaten Reparationsabmachungen beider Industrien, bekannt unter dem Namen Micum-Verträge und durchgesetzt von den beiden französischen Grossindustriellen Loucheur[43] und dem Marquis de Lubersac[44], boten die Handhabe für die Organisierung der Zusammenarbeit, in der auf deutscher Seite zunächst der Röchling-Konzern[45], französischerseits wieder die de Wendels eine führende Rolle spielten. Einen gewissen Höhepunkt erreichte dann diese schwerindustrielle Entente mit der Gründung der ARBED[46], unter welchem Namen die vom Schneider-Konzern[47] und der Banque de l'Union Parisienne[48] gemeinsam mit mehreren deutschen schwerindustriellen Unternehmungen gegründeten Aciéries Réunies de Burbach-Esch-Dudelange verstanden wurden. Dieses in Luxemburg gelegene Stahlwerk war gleichsam die Klammer, die die schwerindustriellen Interessenten beider Länder zusammenhielt. Ein ähnliches Unternehmen, die HADIR[49], wurde bald darauf von anderen Trusts der deutschen Schwerindustrie und der französischen Theodor Laurent-Gruppe[50], deren Kernstück die

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erwähnten Aciéries de la Marine et d'Homécourt[51] ausmachten, gegründet. Während des jetzigen Weltkrieges war die Zusammenarbeit, die zwischen den Rüstungsindustrien beider Länder auf dem Umweg über die ARBED und die HADIR erfolgte, so intensiv, dass, wie Frank Hanighen[52] in März 1940 in Harper's Magazine[53] exakt nachwies, bis zum Frühjahr 1940 noch täglich 3.000 Tonnen lothringischer Erze über den Belgischen Grenzbahnhof Arthus nach Luxemburg an die ARBED und die NADIR geliefert wurden, die sie in verarbeiteter Form nach Deutschland weitersandten.

Bei der engen Verflechtung, die hüben wie drüben zwischen Schwerindustrien und Banken bestand, erscheint es zweckmässig, auf die Rolle hinzuweisen, die gerade von den Banken in dieser Richtung gespielt wurde. Wir erwähnten bereits den Crédit Lyonnais, eine im 19. Jahrhundert mit Hilfe von Genfer Kapital erfolgte Gründung, der besonders als agent de liaison zwischen der deutschen und der französischen Schwerindustrie fungierte und dabei aufs engste mit der Banque de 1'Union Parisienne zusammenarbeitete. Dieses Institut war von mehreren führenden Pariser Privatbanken getragen, vornehmlich von den beiden Häusern Demachy & Co.[54], Mirabaud & Co.[55], beides Satellitenbanken der Rothschilds[56], Lazard Frères & Co.[57], Mallet & Co.[58] und Neuflize & Co.[59] Die Banque de 1'Union Parisienne und ihre Tochterbank, die Banque de 1'Union Européenne[60] verwalteten unter anderem auch die Interessen des Schneider-Konzerns an den Skodawerken[61] und in der Tschechoslowakei und Oesterreich überhaupt, wo sie sich mehr als einmal mit deutschen Interessenten begegneten. Das Bankhaus Neuflize stand in engen Beziehungen zur Frankfurter Metallgesellschaft[62] und zur Frankfurter Metallbank[63], mit denen gemeinsam es an der Aktiengesellschaft Stolberg-Zink[64] sowie an mehreren oberschlesischen Bergbauunternehmungen beteiligt war. Gerade beim Bankhaus Neuflize sind seine deutschen Interessen besonders bemerkenswert, weil dieses Finanzinstitut auf dem Umweg über zwei von ihm kontrollierte grosse Pariser Zeitungen starken Einfluss auf die französische Politik ausübte. Die Neuflizes wären die Herren des "Journal des débats"[65] und haben später dem bekannten französischen faschistischen Führer de 1a Roque[66] die Erwerbung des "Petit Journal"[67] finanziert. In der gleichen Weise beeinflusste das Haus Lazard Fréres den "Matin"[68] und das Börsenblatt "Information"[69], während das Comité des Forges[70], die Zentralorganisation der französischen Schwerindustrie, massgebenden Einfluss auf den "Temps"[71] ausübte.

Das Kapitel der Zusammenarbeit zwischen deutscher und französischer Finanz ist damit natürlich nicht erschöpft. Das Haus Lazard Frères hatte auch andere weitverzweigte deutsche Interessen, namentlich im Agrarkreditgeschäft. Zusammen mit deutschen und Schweizer Grossbanken beherrscht dieses Haus die Internationale Bodenkreditbank[72] in Basel. Darüber hinaus ist es an einer Reihe von mitteleuropäischen und balkanischen Hypothekenbanken beteiligt, und auch dort findet eine Interessenberührung mit den deutschen Agrarkreditinstituten statt. Endlich hatten die Lazard Frères auch die Emission verschiedener privater deutscher Industrie- und Bankanleihen sowie deutscher Kommunalobligationen übernommen. Eine weitere wichtige Verbindung zwischen deutschem und französischem Bankkapital bildet die Internationale Bank in Luxemburg[73], an der wir deutscherseits die Dresdner Bank[74] und die Firmen Delbrück, Schickler & Co.[75] und Pferdmenges & Co.[76], französischerseits wieder die Union Parisienne und den Crédit Lyonnais beteiligt sehen.

Auch die Frankfurter Metallgesellschaft und das Bankhaus von der Heydt[77] sind an der Internationalen Bank in Luxemburg interessiert, und für die Eigenart dieser bankmässigen Verflechtung ist es bezeichnend, dass wenige Tage vor Beginn der deutschen Westoffensive in Luxemburg die französischen und deutschen Aufsichtsratsmitglieder friedlich zusammentrafen, als gäbe es keinen Krieg. Von französischer Seite war der Comte de Watteville-Berckheim[78], der Generaldirektor des Crédit Lyonnais anwesend, von deutscher Seite der Amsterdamer Bankier Königs[79], den die Pariser Boulevardpresse wenige Tage später als das Haupt der fünften Kolonne in Holland denunzierte.

Eine Sonderstellung in der deutsch-französischen Bankenzusammenarbeit nahm das Lyoner Haus Gillet Frères ein. Eng mit Schweizer Kapital verflochten, spielt es eine führende Rolle bei den verschiedensten internationalen Finanzierungsgeschäften auf dem Gebiet der Textilindustrie, der Elektroindustrie und der Chemischen Industrie. An der inzwischen, nach der Niederlage Frankreichs erfolgten engen Arbeitsgemeinschaft der Kunstfaserindustrie beider Länder haben die Gillet Frères[80] hervorragenden Anteil. Das Haus hat massgebenden Einfluss nicht nur auf die Lyoner, sondern auch auf die nordfranzösische Textilindustrie und ist daneben vornehmlich an den chemischen Fabriken im Lyoner Becken und an der ostfranzösischen Elektrizitätsindustrie interessiert.

Bezüglich der letzteren haben die grossen internationalen Finanzierungsgesellschaften die Verbindung zwischen deutschen und französischen Interessenten geschaffen. Die Société Centrale pour 1'Industrie- Électrique, die führende französische Elektroholdinggesellschaft, ist ein Gemeinschaftsunternehmen der amerikanischen Thomson-Houston-Gruppe[81], des Sofina-Konzerns[82] und der Elektrobank[83] in Zürich. Letztere ist eng verbunden mit der A.E.G.[84] und dem Siemens-Konzern[85], mit den grossen internationalen Elektrizitätstrusts der Chade und der Sidro. Soweit Frankreich in Frage kommt, sind es namentlich die Compagnie d'Électricité Industrielle Paris, die Elektroholding Omnium Lyonnais, die Union Électrique et Financière, die Électricité dé Strasbourg die Forces Motrices d'Arrens, die Forces Motrices de la Vienne, die Forces Motrices du Haut-Rhin, die von diesen Trusts beherrscht werden und dem deutschen Kapitaleinfluss gewisse Ein[fluss]möglichkeiten geben.[86]

Wir beschränken uns dabei absichtlich auf die Nennung einiger wichtiger grösserer Gesellschaften und auf den Hinweis, dass gerade auf dem Gebiet

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der Elektroindustrie die internationale Verflechtung zwischen den kontinentaleuropäischen Ländern so stark ist, dass in fast jedes grössere französische Elektrizitätsunternehmen deutsche, italienische, schweizerische Fäden hinein laufen. Endlich wären noch eine Reihe von Spezialverbindungen zu erwähnen. Als solche kann das deutsch-französische Kalikartell gelten, denn die Produzenten beider Länder verfügen zusammen über das Kali-Weltmonopol und sind deswegen zu einer überaus engen Arbeitsgemeinschaft gelangt, die politisch einmal sehr deutlich gewirkt hatte, nämlich in der grossen Propaganda-Aktion, die zu Zeiten Stresemanns der deutsche Kaliindustrielle Arnold Rechberg[87] zu Gunsten einer deutsch-französischen Annäherung entfaltet hat. Wegen seiner politischen Zusammenhänge mag schliesslich noch ein besonderes Unternehmen erwähnt werden, die Établissements Luchaire[88] bei Paris. Dieses Unternehmen, das lange Jahre die bedeutendste französische Gasmaskenfabrik war, war seiner äusseren Form nach eine Familien-KG., die den Luchaires gehörte. Doch fungierten die Luchaires dabei nur als Strohmänner. Denn es ist nachgewiesen worden, dass diese Fabrik finanziell nichts anderes darstellt als eine Tochtergesellschaft der Berlin-Anhalter Maschinen A.G.[89] Der Familie Luchaire entstammt unter anderem Jean Luchaire[90], der Intimus des Botschafters Abetz[91], jetzt führender Journalist in der germanophilen Pariser Presse, einst kleiner Soldschreiber des deutschen Propagandaministeriums. Es ist bekannt, dass Frankreich bei Kriegsausbruch grossen Mangel an Gasmasken hatte. Das erscheint nach dem Gesagten nicht allzu verwunderlich, war doch die erste Gasmaskenfabrik des Landes finanziell von seinen Kriegsgegnern kontrolliert.

II.

Zu diesen deutsch-französischen Dauerverbindungen, die aus der direkten Verflechtung beiderseitiger Finanzinteressen hervorgegangen waren, traten im Laufe der Zeit noch andere. Auch die italienische Finanz und Industrie waren auf manchen Gebieten mit der französischen vertrustet. Die Pariser Banque Italo-Française de Crédit, ein Gemeinschaftsunternehmen des Credito Italiano und zweier vatikanischer Banken kontrollierte einen Teil der Pariser Filmindustrie und mehrere grosse französische Kolonialhandelsgesellschaften.[92] In enger Verbindung stand auch der italienische Pirelli-Konzern[93] mit dem französischen Grossunternehmer Michelin[94], dem führenden Haus der französischen Autoreifenproduktion. Auch hier erwuchsen aus der Gemeinsamkeit finanzieller Interessen politische Verbindungen. Michelin war einer der namhaftesten finanziellen Förderer des italienischen Faschismus in dessen Frühzeit, und die genannte Banque Italo-Française de Crédit trat in den Jahren des spanischen Bürgerkriegs nicht nur als Gönnerin General Francos hervor, sondern finanzierte erwiesenermassen die terroristischen Bombenattentate französischer Faschistenverbände. Daneben hat die Bank bei dem Versuch des deutschen Propaganda-Ministeriums, das Mehrheitspaket der bekannten französischen Filmfirma Pathé-Nathan[95] zu erwerben, eine bedeutende Rolle gespielt, und darüber hinaus die ihr gehörenden Kinotheater zur Vorführung deutscher Propagandafilme gezwungen.

Auch in der chemischen Industrie machten sich in Frankreich italienische und zusammen mit ihnen oder auf dem Umweg über sie deutsche Einflüsse geltend. Der führende französische Chemie-Trust, die Société Kuhlmann[96] in Lyon, war ja nur einer der Pfeiler des europäischen Chemietrusts. Seine anderen waren die I.G. Farbenindustrie[97], der italienische Montecatini-Trust[98] und die Imperial Chemical Ltd.[99] Ein anderes Grossunternehmen der chemischen Industrie, das Haus Rhone-Poulence[100] war gleichfalls durch Lizenzverträge eng mit parallelen Unternehmungen in Italien und Deutschland verknüpft. Zusammen mit den französischen Erz-Magnaten Schneider und de Wendel war der Montecatini-Trust an der Ausbeutung verschiedener Erzvorkommen in Nordafrika, vor allem der tunesischen Phosphatminen interessiert.

Der letzte Partner des Dreimächtepakts, Japan, hatte ebenfalls seine finanziellen Vorposten in Frankreich. Die Franco-Chinesische Bank[101] und die Franco-Asiatische Bank[102] standen beide unter dem Einfluss eines für die japanische Hochfinanz arbeitenden internationalen Finanzabenteurers, der zwar einen englischen Pass auf den Namen Serge Rubinstein[103] besass, aber England hatte verlassen müssen. Auf dem Umweg über die genannten Banken übte er bedeutenden Einfluss auf die französische Flugzeugmotorenfabrik Gnome & Rhône[104] aus, welche, nebenbei bemerkt, an sämtliche Kriegsgegner Frankreichs Flugzeugmotoren lieferte und deren leitende Techniker kurz vor Kriegsausbruch in eine sensationelle Spionageaffäre zu Gunsten Japans verwickelt waren.

Noch zwei wesentliche Gebiete wirtschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich verdienen Erwähnung. Ein solches ökonomisches Zusammenspiel drückt sich ja nicht nur in Finanzverflechtungen aus, sondern ebenso sehr in anderen Formen. Eine der wichtigsten wirtschaftlichen Beziehungen ist allerorts die zwischen dem Lieferanten und dem Kunden. Einer der Hauptkunden der französischen Bauxit-Minen war die deutsche Aluminiumindustrie, die seit der deutschen Luftaufrüstung eine ununterbrochene Hochkonjunktur erlebte. Es ist nur natürlich, dass sich auch hier Fäden anspannen, die jetzt, bei der Organisierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern sichtbar geworden sind. Es ist wohl nicht zufällig, dass ausgerechnet vor einigen Monaten einer der führenden französischen Bauxit-Magnaten, Louis Marlio[105], ein Freund Paul Reynauds[106] und Anhänger seiner Politik, aus den Verwaltungsräten der Bauxitgesellschaften ausscheiden musste, denen er bis dahin als bestimmendes Mitglied angehört hatte. Einen anderen Charakter hatten die Beziehungen, die sich aus der überragenden, ans monopolartige grenzenden Stellung der deutschen Zellstoffwirtschaft ergaben. Deutschland hatte es schon vor einer Reihe von Jahren verstanden, sich die ganze skandinavisch-finnische Zellstoff- und Zeitungspapier-Industrie und in ihrem Gefolge auch den internationalen europäischen Zellstoff-Handel botmässig zu machen. Sämtliche grossen französischen Zeitungen waren

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bezüglich ihres Papierbedarfs auf Deutschland angewiesen, und daraus ergaben sich Rücksichten, die bis in den politischen Teil der Blätter hinein spielten. Die Geschichte der Vorkriegsjahre brachte in dieser Hinsicht zwei besonders krasse Fälle, den des "Intransigeant"[107], der im Jahre 1934 als erstes Blatt in Frankreich in Anerkenntnis gewisser Vorzugsbedingungen beim Bezug seines Papiers Interviews mit den nationalsozialistischen Führern veröffentlichte. Zum zweiten den des "Matin", bei dem die Qualitätsreklamation gegenüber seinen deutschen Papierlieferanten eine Dauererscheinung war, obwohl der in derlei Fragen versierte Leitungsleser das Papier dieses Blattes nicht von dem der übrigen Zeitungen unterscheiden konnte. Diese Reklamationen wurden von den deutschen Lieferanten aber grundsätzlich anerkannt und zum Anlass bedeutender Preisherabsetzung genommen. Bezüglich seiner politischen Haltung war der "Matin" das germanophile Blatt par excellence unter der Gesamtheit der französischen Zeitungen.

Diese vielgestaltigen deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen erfuhren endlich eine weitere Ausdehnung nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch Deutschland. In Prag arbeitete vor der Tschechenkrise sehr viel französisches Kapital, das später durch deutsches abgelöst wurde. Umgekehrt war Frankreich bis dahin einer der wichtigsten Abnehmer der Tschechoslowakei. Die französischen Interessenten in der Tschechoslowakei, namentlich Schneider-Creusot, der massgebend an den Skodawerken und an der Brünner Waffenfabrik[108] beteiligt war, konnten sich bei der Abwicklung einer Vorzugsbehandlung erfreuen, und durften sogar die hohen Beträge, die sie als Abfindung für ihre tschechoslowakischen Interessen erhalten hatten, transferieren. Dieser Schneider'sche Abfindungstransfer ist übrigens einer der Hauptgründe für die Auslieferung des Tschechengoldes an Deutschland durch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich[109] in Basel, bei der der tschechische Staat seine Goldreserven deponiert hatte. Diese Auslieferung erfolgte teils als Gegenleistung für die Begünstigung einzelner französischer Magnaten bei der Abwicklung ihrer tschechischen Interessen, teils um die praktische Durchführung derartiger Transferaktionen überhaupt zu ermöglichen. Es ist bezeichnend genug, dass der französische Financier, der als Verwaltungsratsmitglied der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel es verhindert hat, dass der französische Finanzminister Paul Reynaud rechtzeitig von der geplanten Transaktion in Kenntnis gesetzt wurde, kein anderer war, als der allmächtige Präsident des Crédit Lyonnais, Baron Brincard[110], der Leiter des Finanzinstituts, dessen verschiedentliche Bindungen an die deutsche Schwerindustrie und deutsche Hochfinanz wir schon gekennzeichnet haben.

Nach all dem wird nun wohl deutlich, wie stark die Kräfte waren, die vor und während des Krieges und nach der Niederlage in Richtung einer deutsch-französischen Kooperation drängten. Dass sie in Frankreich im Laufe der Zeit die Oberhand gewinnen konnten, hängt aber nicht zuletzt damit zusammen, dass die anderen kapitalistischen Grossmächte sich in Frankreich verhältnismässig schwach engagiert hatten. Es fehlte, kurz gesagt, die organisierte Gegenkraft. Es gab zwar englisch-französische Finanzgemeinschaften. Die bekanntesten waren durch die internationalen Bankiers-Familien der Rothschilds und der Lazards realisiert: Aber nur bei den Rothschilds lag das Schwergewicht des Hauses in London. In der internationalen Bankengemeinschaft der Häuser Lazard Frères in Paris, London und New York dominierte das Pariser Haus. Und dieses war, wie wir gesehen haben, durch mancherlei Fäden mit der deutschen Finanz verbunden. Die dritte Pariser Bankfirma, die eine Art Finanzgrossmacht darstellte, das Haus Dreyfus& Co.[111] tendierte zwar stark nach der englischen und amerikanischen Seite und war auch Exponent gewichtiger sowjtrussischer Interessen, aber der Schwerpunkt des Hauses lag weniger bei dem Finanzinstitut als bei der mit ihm verbundenen Getreidehandelsfirma, die zum Beispiel diese russischen Interessen wahrnahm, und daraus ergab sich eine gewisse Einseitigkeit im Aufbau des Geschäftskreises beim Hause Dreyfus, die seine Entwicklung zu einer Position hinderte, in der der Einfluss der Firma hätte stärker ins Gewicht fallen können. Umgekehrt hatte die amerikanische und englische Finanz in Frankreich relativ geringe Interessen. Die führenden englischen und amerikanischen Grossbanken unterhielten zwar in Paris Filialinstitute, doch traten diese eigentlich nicht als Emissionsbanken hervor, sondern befassten sich fast ausschliesslich mit dem Zahlungsverkehrs -, namentlich mit dem Reisekreditgeschäft. Lediglich das englische Versicherungskapital, das in manchem eng mit dem Hause Rothschild zusammenarbeitete, spielte in Frankreich eine gewisse Rolle und beeinflusste von der Rückversicherungsseite her eine Reihe von französischen Versicherungsgesellschaften. Was die Amerikaner anbelangt, so war die Thomson-Houston-Gruppe zusammen mit dem Haus Morgan[112] an einer Reihe von französischen Elektrizitätsunternehmungen interessiert. Auch in der französischen Filmindustrie machten sich gewisse amerikanische Interessen geltend. Daneben bestand zwischen Frankreich und den angelsächsischen Ländern in ausgedehntem Mass selbstverständlich die Lieferant-Kunde-Beziehung, doch haben sich diese Beziehungen, wenn wir vom Körnerfrüchte-Import absehen (und das war ja die Domäne des Hauses Dreyfus & Co.), nirgends zu festen finanziellen Dauerbindungen verdichtet. Alles in allem, blieb so in Frankreichs Wirtschaft der angelsächsische Einfluss zu gering, um den von Deutschland ausgehenden zu paralysieren.

Fortsetzung folgt in der nächsten Nummer.

Kurt Doberer:

Krieg ohne Kupfer

Volkswirtschaftler wissen es nicht, und auch die Militärsachverständigen vergessen manchmal, wie schwer es gewesen ist, Kupfer als Munitionsmaterial einzuführen. Es dauerte ein Jahrzehnt, ehe die Techniker der Artillerie die Militärsachverständigen überzeugt hatten, dass die Ersetzung des weichen

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Blei durch das sprödere Kupfer für Gewehrkugeln und Granatringe durch die Entwicklung der Schusstechnik notwendig geworden war. Heute gilt in den Berechnungen vieler Kriegswirtschaftler das Kupfer als völlig unersetzbares Kriegsmaterial, so wie für die Sachverständigen vergangener Zeiten das Blei unersetzlich war. Unter diesem Eindruck gehen Volkswirtschaftler manchmal so weit, die militärische Widerstandskraft eines Landes aus seinen Kupfervorräten zu berechnen.

In vergangenen Jahren haben deutsche Ingenieure zahlreiche Versuche gemacht, einen wirklichen Ersatz für Kupfer zu finden. Sie wollten dem wachsenden Kupfermangel, dem Mangel an einem für gewisse Munitionsteile bis jetzt allein brauchbaren Material, ein Ende machen. Das Ergebnis ihrer Experimente war in der Tat ein neues Material, das geheim in den Krupp-Werken in Essen hergestellt wurde. Die Ingenieure dieses Rüstungsbetriebes behaupten, dass ihre Führungsringe aus dem neuen Material sogar besser arbeiten als die alten kupfernen Führungsringe. Erstaunlicherweise wird dieses neue Material aus Eisenerz hergestellt.

Das Ersatzmaterial für die deutschen Granatringe ist ein poröses Eisen, das sich leicht deformiert. Dieses Eisen mit seinen Sonder-Eigenschaften wird in einem Spezial-Prozess hergestellt, dessen Einzelheiten sorgfältig geheim gehalten werden. Trotzdem ist die theoretische Grundlage dieses Prozesses englischen Metallstaub-Sachverständigen wohlbekannt.

Die Ingenieure der Krupp-Werke sagen, das poröse Eisen hätte nicht, wie Kupfer, die schädliche Tendenz, sich in dem gezogenen Teil des Geschützrohres abzusetzen. Sie glauben daher, dass ihre neuen Führungsringe aus Karbonyleisen die Geschütze weniger abnutzen werden.

Das neue Material für Granat-Führungsringe braucht demnach kein "Ersatz" im schlechten Sinn dieses Wortes zu sein, wie es die vor einiger Zeit verwandten Granatringe aus Aluminium-Verbindungen waren! Das aus Aluminium hergestellte Ersatzmaterial war zu spröde. Die Führungsringe aus Aluminium zerstörten die Geschützrohre in kurzer Zeit. Ein paar Schüsse mit Granaten, die mit solchen Führungsringen versehen waren, machten die Geschütze unbrauchbar. Die Rohre waren bald ausgeweitet und mussten ausgewechselt werden. Von den Windungen blieb nicht mehr viel übrig, und das Rohr selber war so ausgeleiert, dass die Granaten weit vom Ziel fielen.

Im Karbonyleisen hat man ein Material ohne diese Fehler gefunden. Wie sein Name andeutet, ist es aus chemischen Verbindungen entstanden, die Eisen-Karbonyle genannt werden. Eisen-Karbonyl, dieser Grundstoff des geheimen Prozesses, ist seinerseits aus fein zerstäubtem Eisen hergestellt, das dann mit Kohlenoxyd behandelt wird. Das entstehende chemische Produkt zerfällt unter Einwirkung von Hitze wieder in Eisen und Kohlenoxyd. Während sich dabei in einem Niederschlagsprozess metallisches Eisen bildet, entsteht dank der dauernden Ausscheidung gasförmigen Kohlenoxyds das poröse und leicht deformierbare Eisen. Die Deutschen nennen diese Eisenart Sinterit.

Um für die Massenproduktion des neuen Kriegsmaterials eine weitere Basis zu schaffen, hat Krupp es durchweg als Ersatz für Blei eingeführt. Den besonderen Bedürfnissen der Rüstungs- und Schiffsindustrie entsprechend ist es, um nicht zu rosten, mit Erdölbitumen getränkt worden.

Sobald die deutschen Kupfervorräte, bis zu einem gewissen Punkt erschöpft sind, werden die Munitionswerke voraussichtlich mit Sinterit beliefert werden. Nummer 645335 ist eins der deutschen Patente, unter denen Krupp die Produktion von Führungsringen aus Sinterit vornimmt.

Dieses Krupp-Patent spricht von dem Nachteil der gewöhnlich benutzten kupfernen Führungsringe. Es versichert, dass Karbonyleisen keine der Schwächen der kupfernen Ringe aufweist und dass daher die Abnutzung der Geschützrohre geringer werden wird.

Der wichtigste Fortschritt in dem geheimen Produktionsprozess von Sinterit besteht darin, dass die Bindung des Eisenstaubes nur so weit geht, dass das spezifische Gewicht dieses Stoffes viel geringer bleibt als das des gewöhnlichen Eisens. Mit einem andern deutschen Patent (Nr. 642787) versucht Krupp durch Konstruktion neuer Granatring-Formen Schwierigkeiten zu verhindern, die sich bei der Benutzung von Sinterit ergeben können oder schon ergeben haben. Gerade dieses Patent beweist, dass nicht alle deutschen Ingenieure von der gepriesenen Ueberlegenheit des Sinterit überzeugt sind.

Aber Ueberlegenheit oder nicht, es mag sich als sehr nützlich erweisen, diesen Experimenten sorgsam zu folgen. Und es mag noch wichtiger sein, sie in eigenen Untersuchungen zu kontrollieren. Selbst bei grossen Kupfervorräten kann es wünschenswert werden diese zu sparen und statt dessen ein Material zu benutzen das aus heimischem Erz gewonnen werden kann.

W. Reinhart[113]:

Aus dem Dritten Reich

Die Berichte und Erörterungen, die wir unter dieser Ueberschrift regelmässig zu bringen die Absicht haben, sollen der Aufgabe dienen, die Verhältnisse in diesem Dritten Reich so zu beleuchten, dass jedermann weiss, was von diesem Lande zu erwarten sein wird, und zwar im guten und schlechten Sinne. Ueber diese Aufklärung in Tatsachenfragen hinaus haben wir damit vor, für den Kampf gegen das Dritte Reich Waffen zuliefern und ferner: für den Aufbau eines friedlichen und besseren Deutschlands Unterlagen und Anregungen. - Das Material, das uns dabei zur Verfügung steht, stammt teils aus Deutschland teils aus deutschen Quellen, die uns ausserhalb Deutschlands zugänglich sind, teils aus anderen Arbeiten, deren Zuverlässigkeit wir kennen. Der Leser wird unschwer erkennen, welche von diesen drei Möglichkeiten im Einzelfall vorliegt. - Die Bearbeitung des Materials nimmt jemand vor, der jahrelang eine illegale Monatsschrift gegen das Dritte Reich leitete, die regelmässig nach Deutschland gelangte und vielen Oppositionellen dort Tatsachendeutungen und Richtlinien vermittelte, ihrem Kampf Einheitlichkeit gebend.

Schriftleiter der "Renaissance"

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Stimmung

"Es ist nur der Terror, der uns hält!" Diese Stimmung ist weit verbreitet. Die Frage: "Glauben Sie, dass Deutschland den Krieg gewinnen wird?" wird jedem Ausländer fast immer als erste gestellt, der drinnen oder draussen mit Deutschen zusammenkommt. Es ist keineswegs immer nur Siegeszuversicht, die nur bekräftigt zu werden wünscht, was hinter jener Frage steht.

Viele Deutsche glauben zwar immer noch, dass die Nazis alles erreichen werden, was sie mit dem Einsatz ihrer Landtruppen versuchen. Diese Landtruppen machen mit ihrer Systematik und Ausgeklügeltheit der Ausbildung zunächst auf jeden den Eindruck der Vortrefflichkeit and Unbesiegbarkeit. Wir hören das auch aus vielen besetzten nicht-deutschen Gebieten.

Das sagt aber gar nichts für den Endsieg. Viele bei uns in Deutschland wissen, dass Englands und Amerikas Flotte und Luftwaffe riesige Möglichkeiten haben. Die Meinung ist weit verbreitet, und zwar auf Erfahrungen vom letzten Krieg her gegründet, dass England ohne Schwierigkeit viele Schlachten verlieren kann, weil es darauf aus ist, die letzte zu gewinnen. Wir hörten neulich von jemandem erzählen, ihm käme die ganze Sache mit dem Krieg so vor, als wenn ein Neger einen Weissen immer weiter in einen Urwald hineinlocke, indem er ihm eine Banane vorhält. So machten es die Engländer mit den Deutschen. Diese verzettelten sich und müssten schliesslich in den verschiedenen Erdteilen den Krieg verlieren.

Die deutschen Behörden tun alles, um die Stimmung hoch zu halten. Der Nahrungsmittelmangel wird so organisiert, dass er nicht zu häufig im gleichen Gebiet auftritt.

Die Kriegshinterbliebenen werden alle möglichst individuell betreut; sie bekommen Geld, die Kinder der Gefallenen werden bevorzugt bei Stellenvermittlungen u.s.w.

Die Bombardierungen allerdings trotzen allen Beschwichtigungsversuchen. Die deutsche Bevölkerung ist zu sicher gewesen, und zwar dank der Propaganda ihrer eigenen Regierung, dass Luftangriffe in Deutschland unmöglich seien. Umso härter trifft sie jetzt die gegenteilige Erfahrung. Die Nervosität in den Luftschutzkellern ist ausserordentlich stark, und man hört immer wieder Aeusserungen der Bewunderung für die englische Bevölkerung, die all das so lange ertragen hat, ohne so grosse Geschichten daraus zu machen wie die Deutschen.

Man hat das Verbot des Tanzens teilweise aufgehoben, und sich entschlossen, den öden Stumpfsinn des Radios etwas zu beleben.

Man ist sogar gegen "Staatsfeinde" freundlicher geworden. Natürlich versichert man sich vorher möglichst, ob sie besserungsfähig sind. So hatte z.B. jemand wegen eines ganz geringfügigen Verstosses als Staatsfeind ein paar Jahre Zuchthaus bekommen. Nachdem er sie abgebüsst hatte, kam er sofort in eine sehr gut bezahlte Stellung. Das geschah natürlich nicht nur seinetwegen, sondern weil er einen Beruf hatte, dessen Vertreter heute sehr knapp sind. Aber er rechnet es dem heutigen Regime als besondere Menschenfreundlichkeit an, dass es ihn nicht weiter "absinken" liess, sondern ihn sofort "vertrauensvoll" wieder in die deutsche Volksgemeinschaft aufnahm, nachdem er sich so schwer gegen diese Gemeinschaft vergangen hatte - er, der nunmehrige Zuchthäusler. - Man sieht daraus natürlich nur, wie klug das Regime ist, ihn so zu behandeln. Denn er war im Grunde gar kein politischer Mensch, und seine staatsfeindliche Aktion, die ihn ins Zuchthaus brachte, war einfach eine mehr zufällige Entgleisung.

Manchmal allerdings greift das Regime schwer daneben in seinen Versuchen, die Leute mit den für sie besonders geeigneten Mitteln zu betrügen. Ein Journalist, der dem Regime immer ganz freundlich gegenübergestanden hatte, und dem man deshalb wohl zutraute, dass er nun endlich reif sei, mal einen ganz besonders saftigen Propagandabrocken zu verdauen, hatte zusammen mit einer ganzen Gruppe von Berufskollegen das zweifelhafte Glück, auf eine Reise durch deutsche Potemkinsche Dörfer[114] mitgenommen zu werden, die die offizielle Propagandastelle veranstaltete. Er erzählte danach, dass er zum Glück nur die halbe Reise hätte mitmachen können, da er vorzeitig abberufen worden sei. Aber er hätte sie auch sonst wahrscheinlich nicht weiter mitmachen können und sei froh gewesen, einen plausiblen Grund gefunden zu haben, nach Hause zu gehen. Ihm sei es unterwegs zum Ersticken gewesen bei dem Wust von Lügen, der ihnen vorgesetzt worden sei.

Bomben auf Deutschland

Die neue Bombenart der englischen Flugwaffe hat einen ganz besonderen Schrecken hervorgerufen. Ein Augenzeuge berichtet, sie brächten auf eine eigenartige Art und Weise den Zusammensturz der getroffenen Häuser hervor. Während sonst die Häuser nur teilweise beschädigt wurden, sodass oft nur eine Wand eingestürzt war und man unter den Trümmern hervor oft noch Wertvolles hätte retten können, sieht man jetzt oft Stellen, wo ein Haus völlig verschwunden ist. Man weiss nicht, ob der riesige Bombenkrater es verschluckt hat oder ob es völlig auseinandergeflogen ist.

In Hamburg, das sehr schwer mitgenommen wurde, sieht man bei einem Gang durch die Stadt viele Bombeneinschlagstätten sehr geschickt getarnt. Man baut einen Zaun um die Trümmerstätte und versucht auf diese Weise, den Eindruck zu erwecken, als wenn es sich um Baustellen handele oder als wenn dort gewöhnliche und übliche Erdarbeiten vorgenommen würden.

Im übrigen wird alles getan, um an auffälligen Stellen, wo sich der Einschlag von Bomben nicht geheim halten lässt, alle Reparaturen sofort anzubringen oder wenigstens die Trümmer zu beseitigen. An dem Verwaltungsgebäude der Wöhrmann-Linie[115] zum Beispiel wurden sämtliche Fensterscheiben zerstört. Um diesen störendend zugänglichen Anblick nicht zu lange auf die gestörten Anwohner und etwaigen Besucher wirken zu lassen, hatte man Glaser aus allen Teilen des Dritten Reiches hinbeordert, die in fieberhafter Eile die Schäden auszubessern hatten, und zwar mit ihren eigenen Glasvorräten.

Bremen ist vielleicht noch schwerer betroffen worden als Hamburg. Die Focke-Wulf-Werke[116] zum

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Beispiel sind vollständig zerstört worden. Allerdings ist bisher eine etwas mehr weserabwärts gelegene Zweigfabrik gar nicht behelligt worden, wohl weil sie erst später eingerichtet wurde.

Kiel hat ausserordentlich grossen Schaden erlitten, vor allem wohl, weil seine Hafenanlagen besonders übersichtlich angelegt sind.

In Berlin haben sich die Gegner des Regimes besonders gefreut, dass ihre Oper gerade an dem Tage durch einen von Fliegern verursachten Brand vernichtet wurde, als aus Italien ein ganzes Opern-Ensemble eingetroffen war, um dort einige Gastspiele zu geben.

Die Zerstörungen in Berlin, das zunächst nicht so entsetzlich zugerichtet worden war, nehmen immer grössere Ausmasse an. Das berichtet jemand, der eine Reihe von guten Vergleichsmöglichkeiten hat.

In Köln hat er ungeheuerliche Zerstörungen gesehen. Ganze Fabrikquartiere sind dort dem Erdboden gleichgemacht worden.

Aus Mitteldeutschland hören wir ähnliches.

Die deutschen amtlichen Berichte über die Bombenschäden, die die Wirkungen der Bombenabwürfe in Deutschland möglichst zu bagatellisieren versuchen, sind erlogen Das geht schon daraus hervor, dass man den Zug der deutschen Industrie nach dem Osten aus Anzeigen in den Zeitungen östlicher Teile Deutschlands deutlich verfolgen kann, noch mehr aber daraus, dass zum Beispiel im Schwarzwald ganze Scharen von Evakuierten aus dem Ruhrgebiet eingetroffen sind.

Soldaten

Die Behandlung der Soldaten ist sehr sorgfältig überlegt, sodass sie bei guter Stimmung bleiben. Es gibt sehr viele Kranke, die vor allen Dingen Lungenkrankheiten bekommen, offenbar dank schneller Klimaveränderungen, die Erkältungen hervorrufen. Man verwendet sehr viel Arbeit darauf, sie zu kurieren. Urlaub bekommen Soldaten ziemlich viel. Aus Belgien wissen wir z.B., dass sie etwa alle drei Monate nach Haus fahren. Selbstverständlich schleppen sie bei jeder dieser Gelegenheiten von den wenigen Vorräten, die Belgien noch besitzt, möglichst viel nach Deutschland mit. Sie beschweren sich nicht sehr. Aber in immer wiederkehrenden Gesprächen merkt man, dass ihnen der ganze Krieg zum Halse heraus hängt. In Belgien sind sie übrigens weniger gefährdet als offenbar in Holland. Der Widerstand dort ist einhellig, und zwar nahezu bei jedem Holländer vorhanden.

Wie eindeutig er ist, zeigt ein Beispiel, wo ein Techniker in seiner Arbeit nach einer gewissen Zeit einen müden und dauernd zerstreuten Eindruck machte, sodass der Chef ihm schliesslich die Kündigung in Aussicht stellen musste, falls sich das nicht ändere. In einer Unterhaltung über den Grund seiner Zerstreutheit gab er schliesslich zu, dass er gelegentlich ganze Nächte durcharbeite in der Vorbereitung von Sabotageakten gegen die deutsche Besatzung.

Ein anderer Holländer erzählte, dass er eine Heirat, die er gerade vorgehabt hätte, aufgeschoben habe, weil er mit der gefährlichen Arbeit, die er im Augenblick im Kampf gegen die Deutschen im Lande leiste, nicht noch das Schicksal seiner Braut verknüpfen wollte.

Verluste

Der Bericht, der uns hier vorliegt, ist vor dem Einmarsch der Deutschen nach Russland geschrieben. Er betont, dass "man'' in Deutschland die Zahl der Gefallenen nicht für aussergewöhnlich hoch hält. Das kann natürlich zum Teil daran liegen, dass Verlustlisten nicht veröffentlicht werden, sodass die meisten Deutschen gar nicht die Möglichkeit haben, die Verluste zu übersehen. Darüber hinaus muss man bedenken, dass die Deutschen sehr sorgfältig die Bewohner der verschiedenen Teile Deutschlands durcheinander bringen, sodass die Verluste möglichst immer alle Teile des Reichs treffen und also der Fall vermieden wird, dass in einer Stadt plötzlich ungeheuer viele Todesanzeigen gleichzeitig eintreffen.

"Wehrwürdig"

Im allgemeinen sind die Zuchthäusler nicht "wehrwürdig". Gegner des Regimes wissen diesen Vorteil zu schätzen; denn sie sind selbstverständlich nicht darauf aus, für dieses Regime, an dessen Vernichtung sie gerade arbeiten, ihre Knochen zu Markte zu tragen. Die Nazis brauchen aber jeden Menschen, und sie versuchen also mit allen Mitteln, die Zahl der Wehrunwürdigen möglichst zu verkleinern.

Dafür gibt es in Deutschland einen offiziellen Weg. Man kann, auch wenn man einmal wehrunwürdig ist, durch eine besondere Stelle wieder rehabilitiert, d.h. für wehrwürdig erklärt werden. Allerdings kann das nur auf eigenen Antrag hin geschehen. Die Vertrauensmänner der Nazis beobachten einen für wehrunwürdig erklärten Menschen selbstverständlich mit ganz besonders scharfen Augen, z.B. an seiner Arbeitsstelle oder in seinem Verkehr zu Hause. Und wenn sie schliesslich glauben, dass er sich hinreichend gut benommen hat, treten sie an ihn heran mit der Anregung, den Antrag auf Wiederherstellung der Wehrwürdigkeit zu stellen. Das ist für den davon Betroffenen meist sehr peinlich. Einige solche Fälle berichte ich unter dem Kapitel: "Opposition?'

Opposition

Ich hörte gelegentlich, dass ein Wehrunwürdiger, der sich den Bedrängungen seiner Nazi-Obleute nicht mehr entziehen konnte, schliesslich erklärte, er wolle sich nichts erschleichen oder auch nur erbitten, was man ihm einmal, wie er glaube, zu Unrecht abgesprochen habe. Dieser Appell an die Ehre nützte ihm aber bei den Nazis natürlich nichts. Er wurde zum Chef gerufen, der ihm freundlich ins Gewissen redete und ihm, als das nichts half, durchblicken liess, dass er ihn nicht weiter beschäftigen könne, wenn er seinen Antrag auf Wiederherstellung der Wehrwürdigkeit jetzt nicht einreiche. Der Mann gab schliesslich nach - und wurde auch prompt eingezogen.

Er hatte nicht eine so gute Stütze in seinen Freunden wie ein anderer, der auch schon dem ständigen Zureden und härterem Druck seiner Vorgesetzten beinahe erlegen war, ein solches Gesuch zu schreiben. Er zog aber vorher noch, wie es sich für wirkliche Oppositionelle von selbst versteht, einen Freund zu Rate, der in der gleichen Lage war, und der mit

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Menschen umging, die für solche Fälle bestimmte Entschlüsse gefasst hatten. Dieser sagte ihm kurz und bündig, dass man ja geisteskrank sein müsse, um selber zu beantragen, ein Schlachtopfer zu werden. Das zog, und er zerriss sein Gesuch. Der Erfolg ist, dass beide bis jetzt nicht eingezogen wurden. Und sie sind auch nie wieder belästigt worden.

Sicher wird es Euch interessieren, was eigentlich die Menschen in Deutschland anfangen, von denen man positiv weiss, dass sie eindeutig gegen die Nazis sind und es auch bleiben werden. Was haben sie für Vorstellungen von der Zukunft? Womit verbringen sie ihre Zeit, die sie sonst für politische Arbeit verbrauchten?

Es ist klar, dass ein Teil von ihnen unter dem entsetzlichen Druck des Gestapo-Terrors und der ständig erhöhten Anspannungen an der Arbeitsstelle so weit der eigentlich politischen Aktivität entzogen sind, dass sie praktisch nur noch insofern zur "Opposition" gehören, als sie keine Nazis sind.

Viele der alten Bekannten aber halten ihre alten politischen Beziehungen aufrecht, natürlich unter dem Deckmantel persönlicher Freundschaften und Bekanntschaften. Diese Beziehungen sind vorläufig ihre einzigen Stützen und ein innerer Halt innerhalb der Nazi-UmweIt im Beruf und in ihrer privaten Welt. Sie arbeiten daran, sich ein klares Bild über die Situation und ihre voraussichtliche Entwicklung zu machen. Sie versuchen mit allen Mitteln, Informationen zu bekommen, die ihnen das Nazi-Regime vorenthält.

Selbstverständlich müssen sie bestrebt sein, sich gesund zu erhalten, d.h. nicht durch die wilde Schufterei im Betrieb ruiniert zu werden, nicht Soldaten zu werden und nicht in Gegenden zu kommen, die der Krieg besonders gefährdet. Sie sind durchaus und zum Teil sehr planmässig dabei, sich für die von ihnen erwartete Zeit der Auseinandersetzung mit dem Nazi-Regime zu schulen, und zwar politisch, ökonomisch und weltanschaulich.

Schwachmachen

Darüber hinaus versuchen sie, im Kontakt mit Aussenstehenden, ihnen zunächst noch Fremden, solche Leute "schwach zu machen ", wie sie es nennen. Das heisst, sie versuchen, Zweifel in ihnen zu erwecken in die Richtigkeit und die Dauerhaftigkeit des heutigen Regimes. Das Hauptmittel, dessen sie sich dabei bedienen, besteht darin, dass sie sich im wesentlichen auf alte Naziworte und Versprechungen berufen; dass sie diese unter Umständen wörtlicher nehmen, als sie gemeint waren, sodass der Widerspruch zu der Nazi-Wirklichkeit nur um so krasser hervortritt und dass sie damit bei dem Gesprächspartner das eigene Nachdenken anregen: Sobald dieser Punkt einmal erreicht ist, fängt der Betreffende unweigerlich an, von sich aus einige Zweifel zu äussern. Dann ist er zunächst schwach genug!

Eine ganze Reihe solcher aktiver Oppositioneller befolgt schon sehr lange die ausgezeichnete Taktik, die zum Beispiel der Londoner Rundfunk bei den meisten seiner deutschen Sendungen anwendet, in denen er darauf hinweist, dass von dem laufenden Jahr nur noch so und so viele Tage vorhanden sind, und dass innerhalb dieser ständig schwindenden Zeit Hitler den Krieg zu Ende bringen muss, was er ja schon am Ende des vorigen Jahres ausdrücklich versprochen hat. Keiner der Oppositionellen sagt natürlich bei solchen Gesprächen, er glaube nicht, dass Hitler recht behalten werde - obwohl er davon überzeugt ist -, sondern er drück im Gegenteil seine besondere Freude aus, dass wir ja jetzt dem Frieden mit jedem Tag immer schneller näherkommen, da ja Ende dieses Jahres, nach Hitlers Worten, Friede sein werde. Man kann natürlich erwarten, dass die Nervosität der Zuhörer in dem Masse wachsen wird, in dem wir uns dem Ende des Jahres nähern.

Es ist immer wieder wichtig, jede Gelegenheit wahrzunehmen, wo ein in aller Form und öffentlich gegebenes und sogar bestätigtes Wort Hitlers nicht erfüllt wurde, und zwar deshalb nicht, weil die Gegner Hitlers ihn mit Gewalt daran verhinderten. Nur so kann schliesslich der Stumpfsinn bei vielen erschüttert werden, die glauben, was Hitler anfange, das gelinge ihm auch. Inzwischen fängt die deutsche Propaganda an zu leugnen, dass Hitler für 1941 den "Endsieg" versprach!

Volkswagen[117]-Gläubige

Gegen den Stumpfsinn hat die Opposition einen besonders harten Stand. Einer unserer Freunde hatte zum Beispiel neulich eine Unterhaltung mit einem sogenannten Volkswagen-Aktionär. Das war einer jener Narren, die regelmässig Beiträge dafür bezahlen, dass jetzt in einer Fabrik Tanks gebaut werden, in der ursprünglich mal, so hatte es der Lügner Ley versprochen, der billige Volkswagen hergestellt werden sollte. Dieser Aktionär hatte nun zum Beispiel nicht den geringsten Zweifel, dass sofort nach Kriegsende das Regime nichts Eiligeres zu tun haben werde, als ihm seinen Volkswagen noch nachzuliefern. Er hatte sich selbstverständlich damit getröstet, dass die Produktion nur während des Krieges vorübergehend gestoppt worden sei und dass ihn sicherlich niemand vergessen hätte.

Man darf sich durch solche Erfahrungen als Oppositioneller nicht abschrecken lassen in seinen Bemühungen, die Hitlerei zu untergraben. Es war nämlich schon von Anfang an so, dass nur die verhältnismässig Dummen überhaupt solche Volkswagen-Aktionen mitgemacht haben, - und es ist also selbstverständlich, dass sie zu denen gehören, die am schwersten von den Mängeln der Naziherrschaft überzeugt werden können.

Opposition in Uniform

Man hört oft die Meinung vertreten, die deutschen Soldaten seien alle so von Kämpfgeist erfüllt, dass es nicht lohne, unter ihnen irgend eine Art von Propaganda zumachen. Das trifft allerhöchstens für die ganz junge Schicht zu; ältere Soldaten sind zum Teil ausgesprochen gegen das Naziunwesen. Ein Ausländer erlebte zum Beispiel unter deutschen Soldaten folgendes, als er sich vor einigen Wochen längere Zeit in Deutschland aufhalten musste:

Bei einem kurzen Aufenthalt in Köln ging er in ein Restaurant. Nach einiger Zeit kamen zwei Soldaten, ein Flieger und ein Infanterist an seinen Tisch. Sie unterhielten sich sehr lebhaft, waren etwas "ange-

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heitert" und zogen ihn unbefangen mit in ihr Gespräch. Als sie bald darauf kamen, zu erörtern wie viele Deutsche wohl hinter ihrer Regierung ständen, bat er sie, ihn dabei herauszulassen, da er als Ausländer sich nicht in die inneren Angelegenheiten dieses Landes einmischen möchte (und zwar um so weniger, als er bemerkte, dass am Nebentisch ein anderer Soldat sich niedergelassen hatte, der sich sehr für ihre Unterhaltung zu interessieren schien; er kam übrigens später an den gleichen Tisch und beteiligte sich an dem Gespräch). Die beiden aber liessen sich gar nicht durch diesen Einwand stören. Der Flieger war ein begeisterter Hitler-Anhänger. Sein Beruf sei sehr interessant, sagte er, bei ihnen gäbe es immer nur einen Streit, und zwar darüber, wer zuerst gegen England geschickt würde. Jeder sei dazu bereit, und zwar auch deshalb, weil man bei Erfolgen, soweit sie durch Erkundungsflüge bestätigt würden, Prämien erhalte und schnell befördert werde. Hinter Hitler stünden mindestens 90 % des deutschen Volkes. - Der Infanterist war viel pessimistischer. Er machte sogar seiner eigenen Auffassung offen Luft und widersprach dem Flieger, indem er sagte, seiner Meinung nach sei das Verhältnis gerade umgekehrt.

Der Ausländer konnte schliesslich die ganze Geschichte nicht mehr mit anhören und war froh, als er schliesslich einen passenden Grund fand wegzugehen, nachdem er noch die unvermeidliche Frage über sich hatte ergehen lassen müssen: "Glauben Sie, dass wir siegen?" Natürlich wand er sich dabei und meinte, er könne das gar nicht beurteilen. Denn seine eigentliche Meinung: "Hoffentlich nicht!", wagte er begreiflicherweise nicht zu sagen.

Als er schon im Bett lag - er wohnte in dem Hotel, das zu dem betreffenden Restaurant gehörte -, vernahm er plötzlich harte Schritte auf der Treppe und machte sich darauf gefasst, dass er von der Polizei geholt würde, weil er sich an jenem gefährlichen Gespräch beteiligt hatte. Es war ein Glück, dass eine Flucht durchs Fenster unmöglich war; denn so war er genötigt, auf das Klopfen, das tatsächlich an seiner Tür erfolgte, zu öffnen. Wer war draussen? Der Infanterist, der ihn fragte: "Kann ich Sie einen Moment sprechen?"

"Aber nein, das wäre wirklich recht unangenehm für mich als einen Ausländer."

"Bitte, es ist nur für einen Augenblick."

Schon war er im Zimmer und schloss die Tür.

"Ich wollte Ihnen nur gern noch sagen", sagte er leidenschaftlich: "dass es nicht wahr ist, was Ihnen der Flieger vorhin erzählt hat. Man steht in Deutschland keineswegs hinter Hitler. Bitte, erzählen Sie das draussen, wenn Sie wieder zurückkommen in Ihr Land. Es ist nur der Terror, der uns hält!"

Und damit war er wieder draussen.

Radiohören?

Ueber die Häufigkeit des verbotenen Radiohörens gehen die Meinungen und Schätzungen weit auseinander. Sicher ist aber, dass ziemlich viel gehört werden muss, denn dafür gibt es eine Reihe von untrüglichen Indizien.

Erstens werden viele Menschen bestraft, weil sie fremde Sender gehört haben.

Zweitens geht die deutsche Propaganda ausdrücklich auf Meldungen ein, die das Londoner Radio verbreitet hat. Goebbels würde so etwas auf gar keinen Fall tun, wenn er annehmen könnte, dass nur wenige Deutsche diese Meldungen überhaupt gehört hätten.

Und drittens hört man in Deutschland viele der vom englischen Radio verbreiteten Meldungen längst innerhalb Deutschlands kursieren, ehe schliesslich die deutsche Propaganda oder die deutschen Zeitungen sie in irgend einer Form aufnehmen.

Uebrigens wäre es wichtig, die Sendungen selbst dann fortzusetzen, wenn sie in Deutschland selber nicht unmittelbar abgehört werden könnten. Es ist schon wichtig, dass Länder, deren Bevölkerung Deutsch leicht versteht, mit solchen Nachrichten beliefert werden, weil dann mindestens im nahen Grenzverkehr diese Nachrichten weiter verbreitet werden.

Bevölkerungspolitik

Kürzlich holte eine Familie ihre alte Mutter aus dem Altersheim zurück, weil sie gehört hatte, dass man solche alten Leute oft einfach verschwinden liess. Als die alte Frau bereits wohlbehalten bei ihnen zu Hause war, kam eines Tages eine Urne an mit einem Beileidsschreiben, die Mutter sei leider einem Typhusanfall zum Opfer gefallen.

Oel

Auf Verfügung der Kriegswirtschaftsstelle hin hat die deutsche Eisenbahnverwaltung jedem deutschen Eisenbahnwagen im Reich sowie in sämtlichen besetzten Gebieten zwei Liter Oel aus den Achsen nehmen lassen, um der drohenden Schmierölverknappung zu begegnen. Das hat ein deutscher Bahnbeamter einem ausländischen Bahningenieur erzählt, der sich daraus verschiedene der Achsenbrüche erklärte, die in jüngster Zeit zu schweren Eisenbahnunglücken geführt haben.

Intrigen um Frankreich

Den folgenden aufschlussreichen Brief schrieb ein Mitglied der Darlan[118]-Clique an einen abseits stehenden Bekannten.

"Hier haben Sie einige Tatsachen, die Ihnen die Umstände beleuchten, unter denen die Zusammenkunft zwischen Hitler und Darlan stattfand. Seit Monaten schon hatte der Admiral um eine Unterredung mit Hitler gebeten. Dieser aber hatte sie seit dem 13. Dezember fast eigensinnig verweigert.

Abetz (der deutsche Gesandte in Paris) hatte sich lange vergeblich bemüht, die Vichy-Regierung zu bewegen, Laval wieder zu rehabilitieren. Als weiteres Ergebnis seiner Niederlage beobachtete er, dass auch in Berlin die Gegner der deutsch-französischen Zusammenarbeit beträchtlich an Boden gewonnen hatten. Das sind in der Hauptsache Goebbels, Himmler[119] und Rudolf Hess[120]. Diese Gruppe will einen Kompromissfrieden mit England, während Göring[121], Ribbentrop[122] und Abetz die deutsch-französische Zusammenarbeit zum Angelpunkt ihrer Politik machen wollen. Aber nach der Unterwerfung des Balkans, als sich herausstellte, dass man im Sommer von Sollum aus den Feldzug gegen die Suez-Halbinsel schlecht fortsetzen konnte, und als man Frankreich brauchte, um in Syrien Stützpunkte zu erhalten, über die hinweg das deutsche Heer Suez und Alexandria von Osten her

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hätte angreifen können, schien es, dass die Bedingungen für eine deutsch-französische Zusammenarbeit wieder günstiger geworden waren. Darlan versuchte also von Neuem sein Glück bei Hitler, und diesmal gelang es.

Die Affaire Hess wird von hier aus ganz klar: Als dieser den Erfolg der Ribbentrop-Göring-Gruppe sah, die nur darauf aus war, vor allem anderen die Zusammenarbeit mit Frankreich zu sichern, selbst wenn sie auf die Rückkehr Lavals in die Vichy-Regierung verzichten musste, bereitete er einen Gewaltstreich gegen diese Gruppe vor. Diese aber war wendiger als er und kam ihm zuvor: Sie erreichte bei Hitler die Genehmigung zur Verhaftung von Rudolf Hess - der aber trotz der Wachsamkeit der Gestapo entwischte.

Dies ist kein Roman, obgleich es so aussieht. Es ist die lautere Wahrheit.

So kam es zu der Unterhaltung im Berghof. Hitler empfing den Admiral freundlich, beinahe herzlich. Er betonte zunächst, dass er den Schlag vom 13. Dezember als beinahe tödlich gegen die Politik der Zusammenarbeit empfunden habe. Aber durch ständige Zuverlässigkeit könne der Admiral diesen Eindruck wieder verwischen. Ihr Zusammengehen müsste von nun an aufrichtig sein. Die Unverletzlichkeit Frankreichs werde garantiert - die Elsass-Lothringische Frage bliebe noch offen. Frankreich werde ein souveräner europäischer Staat bleiben. Es werde auch sein Kolonialreich behalten. Die Rückgabe von Kamerun an Deutschland werde ausgeglichen werden nach der Vernichtung des britischen Empires in Afrika.

Die Aufrechterhaltung des französischen Kolonialreiches hat Hitler auch sonst betont: Gelegentlich seiner Unterhaltung mit Franco hatte er sich in aller Form geweigert, an Spanien einen Teil von Französisch-Marokko abtreten zu lassen. Franco hatte dies als Gegenleistung für den erbetenen Durchmarsch deutscher Truppen nach Gibraltar verlangt. Hitler hat auch widersprochen, als die Italiener französisches Gebiet verlangten, und hat ihnen dafür reichliche Entschädigung auf dem Balkan versprochen. Im Verlauf der weiteren Unterhaltung über die Bedingungen der Zusammenarbeit zeigte Hitler, dass Deutschland eine Reihe von Stützpunkten im Nahen Osten brauche, um den Sieg über England zu sichern. Was kann er zum Ausgleich dafür geben? Dies war offensichtlich die von Darlan gestellte Frage.

Die Demarkationslinie? - Sie kann zurückverlegt, aber nicht aufgegeben werden, da Deutschland die französische Küste und auch mindestens einen Teil des französischen Gebiets braucht im Hinblick auf eine etwaige Invasion Englands.

Schluss mit den Requisitionen? - Die deutschen Besatzungs-Truppen müssen ernährt werden, weil man anderswo keine Verpflegungsmöglichkeit finden kann.

Rückkehr der Gefangenen? - Bei dem gegenwärtigen Zustand der französischen öffentlichen Meinung: Solange sich kein ernster Wille zur Zusammenarbeit in Frankreich zeige, und solange keine Regierung gebildet sei, die entschlossen sei, die französische Stimmung zu beeinflussen[123], solange müsse man befürchten, dass die zurückkehrenden Gefangenen in ihrem Groll bereit sein würden, an Sabotage-Akten gegen die Zusammenarbeit teilzunehmen.

Nachdem Darlan zweifellos Hitler gegenüber betont hatte, im Einverständnis mit Pétain eine loyale Politik gegenüber dem Dritten Reich zu verfolgen, schloss Hitler die Unterhaltung, indem er sagte: Ich habe die grösste Hochachtung für den Marschall Pétain; ich habe für Sie die freundschaftlichsten Gefühle und zu Laval allergrösstes Vertrauen.

Darauf versammelte man sich in einem riesigen Saal, wo Hitler ein ungeheures Holzfeuer in einem grossartigen Kamin anzünden liess.

Ribbentrop (der stets beauftragt wird, Hitlers aussenpolitische Wünsche den Opfern dieser Politik nahe zu bringen und schmackhaft zu machen) bestand in dem darauf folgenden Gespräch mit dem Admiral darauf, dass die Basis der Vichy-Regierung verbreitert werden müsse, damit man zu einer Regierung der nationalen Einigung gelange, die für die Zusammenarbeit sich einsetze. Abetz schlug vor, in Paris ein Treffen zwischen Darlan, Laval und Abetz einzuberufen. Darlan versprach das. Er versprach auch, sich darum zu bemühen, die letzten Widerstände des Marschalls zu brechen. Abetz betonte ferner, Hitler hielte es für unbedingt notwendig, dass Darlan die militärische Macht und die Nachfolge des Marschalls Pétain übernehme, während Laval die Regierungsgewalt bekommen sollte. (Er soll also zweifellos den französischen Seyss-Inquart[124] abgeben, der bei "Sabotage-Akten" die deutsche Armee und Gestapo zu Hilfe rufen könnte.) Es wäre nötig, dass dann eine Beständigkeit in der französischen Politik gewährleistet wird. Die Absicht der Deutschen, die befriedigt sind, dass sie die deutsch-französische Zusammenarbeit gerettet und darüber hinaus verhindert haben, dass Hitler sich für einen Kompromissfrieden mit England entscheidet, geht heute, Hitlers Anweisungen entsprechend, dahin, die Verständigung zwischen Darlan und Laval voranzubringen.

Zusammenfassend sage ich: Wir haben Versicherungen für den zukünftigen Frieden bekommen, aber keine konkreten und ernsthaften Vorteile für den gegenwärtigen Augenblick. Wir werden noch eine Reihe von Gefahren durchlaufen müssen, wie die Ausführungen des Marschalls auch durchblicken lassen. Man darf Darlan deswegen keinen Vorwurf machen: Es ging dabei um Sein oder Nichtsein Frankreichs. Er musste den deutsch-englischen Frieden auf dem Rücken Frankreichs vermeiden. Man sieht, wovon die Erreichung konkreter Vorteile jetzt abhängt: Von einer Verbreitung der Regierungsbasis. Göring, Ribbentrop und Abetz sind sehr optimistisch in Bezug auf diese Forderung."

[Seite im Original:] - 44 -

Dieser Brief wurde schon vor einigen Wochen geschrieben. Die kürzliche Ausstattung des Admirals mit der vollen Macht über die militärischen Kräfte des Landes zeigt, dass die angedeutete Linie wirklich verfolgt wird. Die jüngsten Nachrichten, die wir soeben erhielten, besagen:

Laval hat die Hoffnung nicht verloren, noch einmal an die Macht zu kommen. In den letzten Wochen intrigierte er sehr, um einen Stoss gegen die Vichy-Regierung führen zu können. Neuerdings liess er wieder wichtige Gewerkschaftsleute, die bisher weder von Vichy noch von den Deutschen etwas wissen wollten, besuchen. Man erzählte ihnen, dass er gegen die bedingungslose Zusammenarbeits-Politik Darlans sei. Er bot diesen Gewerkschaftsführern an, nach Paris zurückzukehren und mit ihm zusammenzuarbeiten, da die von den Deutschen gekauften Gewerkschaftsführer keinen Einfluss mehr auf die französischen Arbeiter hätten.

Laval ist also auf der Suche nach einer neuen Garnitur von Menschen, damit sein neuerliches politisches Hervortreten mehr Gewicht hat.

Die Gewerkschafter, die er für seine neue Politik werben wollte, haben, soweit sie uns erreichbar sind, sämtlich abgelehnt.

Mehr als früher haben wir den Eindruck, dass Pétain eine Doppel-Politik treibt. Freunde mit guten Verbindungen zu Vichy erzählen, Pétain benutze die Politiker á la Darlan, um mit den Deutschen nicht zu viel Schwierigkeiten zu haben. Er ermutige indirekt aber auch Kreise, die den Deutschen Widerstand leisten. Es gibt Beweise dafür, dass es in Frankreich eine sogenannte "schwarze Propaganda" gibt, ähnlich der früher in Deutschland existierenden "Schwarzen Reichswehr". Es gibt sogar französische Offiziere, die sich in Verbindung mit hinter ihnen stehenden amtlichen Kreisen stark für die Vorbereitung von Unruhen in Deutschland im kommenden Winter interessieren.

In fast allen Amtsstellen, bis in die Ministerien hinein, stösst man auf Sympathien für de Gaulle und England. Nicht zu unterschätzen sind auch diejenigen, die zwar nicht für die Engländer sind, aber im Interesse Frankreichs ihren Sieg wünschen. Gerade diese Kreise sind es, die Pétain in ihrem Widerstandsgeist ermutigt. Wahrscheinlich gehört dazu die Mehrheit der Schüler der Ecole de St. Cyr, die nach Aix-en-Provence verlegt worden ist.

Die Uneinheitlichkeit der Vichy-Politik wird schliesslich vervollständigt durch den Streit zwischen Darlan und Weygand[125] anlässlich des Besuchs von Weygand in Vichy wegen der Entsendung von Nordafrika-Truppen zur Verteidigung Syriers.

Streiflichter aus Frankreich

Seit mehreren Wochen sind in Südfrankreich deutsche Grenzkommissionen tätig. Eine von ihnen hat ihren Sitz in Muret, einer Stadt 20 km südwestlich von Toulouse. Ueber die Bedeutung dieser Kommissionen war nichts zu erfahren.

Aus dem besetzten Frankreich hören wir, dass starke Kontingente der Gestapo nach Deutschland zurückbeordert worden sind, weil die Lage dort zu gespannt geworden sei.

Aus der Normandie wird die Ankunft einer grossen Anzahl von Planeurs mitgeteilt, wie sie auf Kreta Verwendung fanden.

In der französischen Kolonie Dahomey ist eine deutsche Gesellschaft tätig, die eine Konzession zur Ausbeutung der Diamantenfelder erhalten hat. Das Gleiche gilt für das Gold auf Französisch Neu Guinea.

Aus Elsass und Lothringen kommen jeden Tag durchschnittlich hundert junge Menschen ins unbesetzte Gebiet, weil sie nicht im Deutschen Arbeitsdienst sich ihre Zeit stehlen lassen wollen.

Die Meldung, wonach in den Friedensplänen Hitlers und Darlans die Einverleibung der Wallonie und der französischen Schweiz in Frankreich vorgesehen sein soll, wird bestätigt durch Aussagen von Walingants[126] (belgische Anhänger der Bewegung, die schon früher im französischsprachigen Teil Belgiens den Anschluss an Frankreich wünschte). Ein Teil dieser Leute ist bis heute nicht nach Belgien zurückgekehrt, sondern wird im unbesetzten Gebiet von der französischen Regierung mit Geld unterstützt.

Auslandsdeutsche in Belgien, die bisher nicht einzurücken brauchten haben nun auch ihre Gestellungsbefehle erhalten.

Die Flugzeugfabriken im unbesetzten Gebiet arbeiten wieder. Die Fabrik Devoitine[127] in Toulouse hat eine Bestellung auf dreihundert Flugzeuge erhalten. Nach einer Aussage des Generals der französischen Luftwaffe Bergeret[128] sollen die Deutschen den Franzosen eine Flugwaffe von 1200 Flugzeugen zugestanden haben, die eingesetzt werden soll, um das Kolonialreich gegen England zu verteidigen.

Diese Luftwaffe wurde nur unter der Bedingung zugestanden, dass alle Flugzeugfabriken im besetzten Gebiet ausschliesslich für Deutschland arbeiten und ebenso noch ein Teil der Flugzeugfabriken im unbesetzten Gebiet. Die Deutschen haben grosse Aufträge erteilt. Liefertermin: März 1942!

Die Gestapo unterhält Büros im unbesetzten Frankreich. Sie sind getarnt als Büros des deutschen Roten Kreuzes. Sie haben unter anderen folgende Aufgaben: Erkundung der Volksmeinung; Kontrolle von Politikern, die im unbesetzten Gebiet geblieben sind, statt ins besetzte Gebiet zurückzukehren. Das bezieht sich vor allem auf die Elsässer; Ueberwachung der Juden; Begünstigung aller Anstrengungen zur Vertiefung der "Collaboration"; Ueberwachung der Emigranten in Frankreich.

In einem Hotel in Vichy sagte einer der höchsten spanischen Beamten zu einem Franzosen, von dem er wusste, dass er den Deutschen nicht sympathisch gegenüber stand, anlässlich der deutschen Kriegserklärung an Russland: "On les aura quand même." Nicht einmal die Spanier sind also "zuverlässig".

Aber auch Marschall Pétain hat offenbar noch eine gewisse Schwäche gegenüber den Engländern; denn als er hörte, dass die Deutschen in Russland einfielen, sagte er: "Enfin les Anglais vont pouvoir respirer."

Le Fou

Seit dem 1. Juli dieses Jahres erscheint in der unbesetzten Zone ein unterirdisches Blatt: Libération[129], als "Organe du Directoire des Forces de Libération Françaises". Am Kopf der ersten Nummer lesen wir die bezeichnenden Worte:

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"A Doullens, je me suis trouvé entre deux hommes: 1'un qui me disait que nous étions fichus, 1'autre qui allait et venait comme un fou et qui voulait se battre. Je me suis dit: "Essayons de Foch[130]. Au moins, nous mourrons le fusil à la main." J'ai laissé aller cet homme sensé, plein de raison, qu'était Pétain; j'ai adopté ce fou qu'etait Foch. C'est le fou qui nous a tirés de lá."

(In Doullens fand ich mich zwei Männern gegenüber: der eine sagte mir, wir wären verloren; der andere lief herum wie ein Verrückter und wollte kämpfen,, Ich sagte mir: Lass es uns mit Foch versuchen, wenigstens werden wir dann mit dem Gewehr in der Hand sterben. Ich habe also den vernünftigen und verständigen Pétain reden lassen und mich an den verrückten Foch gehalten. Und dieser Verrückte hat uns dann herausgehauen.")

Man wird leicht erraten, wer diese ungewöhnliche und trotzdem richtige Wahl traf. Es war Georges Clémenceau[131], der dank seiner Härte und Zielstrebigkeit Frankreich damals rettete vor seinen "vernünftigen" Friedensmachern, die schon damals Europa den Alldeutschen ausgeliefert hätten, welche damals nicht Adolf hiessen, sondern Wilhelm[132]; nicht Brauchitsch[133] und Keitel[134], sondern Hindenburg[135] und Ludendorff[136]; und damals wie heute: Krupp, Klöckner und Thyssen; Deutsche Bank, Dresdner Bank. Man hat dem "Tiger" diesen Dienst an Europa schlecht gelohnt. Es gibt nur wenige Menschen, die sich Mühe gegeben haben, hinter diesen Charakter zu kommen. Deutsche besonders waren sehr häufig erstaunt, dass er sie hasste. In Wirklichkeit war es einer der wenigen Politiker, die wussten, gegen wen man sich in der politischen Welt am meisten zu schützen hat: gegen die Lauwarmen, die Halbstarken, die angeblich "vernünftigen", die "man-muss-doch-leben"-Politiker.

Er ging lieber mit den "Verrückten", womit man damals wie heute oft Menschen bezeichnet, die an der Vorstellung festhalten, dass es auch im politischen Leben wahre Werte zu verwirklichen gäbe.

Books

Ambassador Dodd's Diary - 1933-1938[137]

One can hardly do justice to such a book as this in a review ; and can only give impressions and hope that the reader will be led to read the book for himself.

The "Diary", published after the death of the writer, is a simple day-to-day account, by a man who is not a professional diplomat, but a historian of wide vision. His account of events and of people, of his impressions, and his comments on these, show him as a clear-sighted and objective observer and an honest and consistent thinker. Through his eyes we see the march of events which led to the present world situation, which has brought physical and mental agony to humanity on an unprecedented scale, and the gravest menace to those ideals and rights which civilised people recognise as valuable.

Dodd saw that Germany's war preparations and the success of fascist foreign policy were forces driving towards world-wide catastrophe. And he saw that the only possibility of preventing this consummation lay in radical interference with these and not in attempts to allow them satisfaction at someone else's expense.

Dodd refers again and again to the ever-increasing tempo of German rearmament. He mentions the new airfields, underground hangars, accumulation of arms and especially of aircraft, the number of men under training, the military manoeuvres, etc. He also refers to the maps distributed wholesale throughout Germany by Goering's air ministry showing parts of the Baltic area, Poland, Denmark and France that were to be won by German arms. And he stresses the disquiet of the representatives of France and also of small countries like Holland on account of these happenings and of the attitude towards them of responsible "democratic" politicians.

He is also aware of the "moral rearmament" taking place inside Germany. He sees that many people, officials as well as ordinary citizens, have a feeling of resentment against Hitler and against the path along which he is driving the German people. But this feeling, combined as it of ten is with a feeling of powerlessness, gradually gives way to compliance and often even to active support as the Hitler machine and method is shown to be ever more dominant and successful. One of the very enlightening things in the book is the way in which we see this mental and moral deterioration taking place.

Dodd agrees with the view that a diplomat should not interfere in the internal affairs of the country to which he is accredited. But he is clear that this does not imply professing agreement with the system, or giving support to it by attending Nazi party conferences, where the ideals in which he and his countrymen believe are denounced or derided. This he consistently refuses to do.

To "turn a blind eye" to the violations of the Peace Treaty taking place on such a scale he does not regard as a manifestation of objectivity. Dodd complains that the British Ambassador never seems to get the information about Germany's intense rearmament which the American consular authorities present to him, and that Sir Eric Phipps[138] usually "pretended to be surprised" when Dodd brought such facts to his notice. With regard to the activities of British arms firms in supplying Germany with arms Dodd meets with an evasive attitude, and is convinced that his information is correct, and is in the possession of the British Ambassador. Only a month later the British Government stage a protest to the German Government about rearmament! When, however, it comes to naval rebuilding, obviously directed against Britain. Phipps is obviously concerned.

The appeasement policy he regards as based partly on the fascist sympathies of politicians who manifest an evident admiration for Hitler and Mussolini and their works. Their policy aims not at preventing aggression, but at forcing it to seek an outlet in an Eastward direction. Such a policy, due to the failure to see the realities of the situation would, he anticipated, "mean the decline of England to a position

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like that of Holland", which would be for him a calamity to be deplored.

As events move an their course towards the impending calamity Dodd declares: "To me these moves seem logical, tragic but inevitable."


Nevile Henderson uses similar language in "The Failure of a Mission"[139].

He declares that "... in spite of all my hopes and efforts, for a year and a half ... I had been obsessed with the idea that we were moving remorselessly through the pages of a Greek tragedy to ,its inevitably disastrous and sinister end".

To this theme Henderson reverts more than once. A Greek tragedy moving to its predestined end in spite of all the hopes and efforts of poor mortals!

Dodd would certainly never have agreed with such an interpretation. He saw the tragedy as inevitable. But the inevitability was not that of a Fate pursuing humanity in spite of its efforts - it was the inevitability with which effect follows cause, the inevitability with which one reaps what one sows.

Those politicians who had helped to make possible the war-preparedness and war-mindedness of the Nazis and had hindered the will to resist the Nazi aggression could expect no harvest other than the one of dragon's teeth which they reaped. They had - or thought they had - an interest in a dynamic fascism which by its nature was a threat to the security and peace of others. That others might turn their Instrument against themselves seems to have been a contingency they did not reckon with.

Dodd saw clearly what was evidently too simple to be grasped by the diplomatists: that such an attitude may spread like a pestilence till it blights everything and there is security for none since there is no will to unite against the aggressor.

Let us hope that the sinister march of events since 1938 has torn the veil even from the blindest of eyes, and that, at the eleventh hour the will to united resistance will be strong enough to stem the tide of barbarism. But even that will be of value only if the policy-makers have learnt the lesson of this bitter experience and have realized that it is not possible to build a guaranteed security for ourselves an the insecurity of others, that peace and security are indeed indivisible.

A.M.[140]

The Catholic Church and International Order

"Why doesn't the Pope[141] condemn Hitler and Mussolini? Why is it that, although one and the same God is acknowledged by all the great European nations, the people of Europe are at war for the second time in one generation and praying to that God, each of them, for victory? Why is it that their Churches are encouraging them so to pray, each in the national cause, though as a result Catholic is fighting Catholic and Brother is against Brother?"

With these questions the Catholic writer, A.C.F. Beales[142] starts his very interesting and illuminating little book[143] on the attitude of his church to the most burning problems of international relations of to-day, yesterday and tomorrow. Beales tries to answer these questions by asserting that the Pope and the church were unable to prevent the outbreak of the war, as "the Papal initiative fell against an act of a Force Majeure", namely, the German invasion of Poland. On September 14th, 1939, receiving the Belgian Ambassador to the Holy See, the Pope declared that:

"Up to the very moment when hostilities began I never omitted whatever lay in my Power, with prayer and public exhortation and repeated confidential steps, to clarify all minds on the gravity and danger of the situation, and to bring about loyal and peaceful negotiations on lasting principles of charity and justice ...". How much, however, the Holy See was conscious of the limitations of its power is shown by a Rome report in the "Times"[144] of August 21st, 1939, which says : "... it is emphasized in the Vatican that the Holy Father is unable, even if he so wished, to put forward any concrete proposals for the solution of the crisis, since he is determined not to go outside his spiritual mission". For gauging, for instance, the likely attitude of the Catholic Church to a postwar settlement it is very important to understand how far his "spiritual mission" allows him to go in interfering with political affairs. We do not get a clear answer from Beales on this. But he repeatedly stresses the point that the Catholic Church "has always been neutral on the question of machinery", because "we have to judge the international community primarily by its aims, and only secondarily by its methods". As to aims, Beales says that: "the Christian does claim that the Christian dogma has the last word".

Undoubtedly this book was intended as an apologetic for a Church which has failed to save the world, including its own flock of 350 millions, from the present wholesale slaughter. But it is not too convincing. The essential question is not even broached, namely how does it come about that a church which has great influence in most European countries, and in some an almost complete monopoly of belief and of education, has not instilled into its adherents such a horror of war and such a desire for peaceful methods of settling international conflicts (feelings which should arise naturally from Christian belief) that a situation in which a "Force Majeure" could drive peoples into mass murder and force the Church into connivance at this would be impossible? Although Beales gives a vivid description of the last-minute efforts of the Pope to stave off the catastrophe, he does not prove his assertion that "within the limits set him by the modern world the Pope has raised his voice and exercised his political powers up to the hilt". We are not given any evidence to show that during all these years in which the fascist forces were systematically driving towards war the Church took action to stop this drive. To such questions as "Why does the Pope not excommunicate Hitler and Mussolini?" Beales only retorts: "Would it matter if he did?" To this, all who have an idea of the political potentialities of the Roman Catholic Church will answer: "It certainly would." But for the pre-

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sent it looks as though the church does not dare to put her potentialities in the service of a determined and uncompromising struggle against war and the forces making for warn.

S.M.[145]

"Ideals and Illusions"

Die Gegner der totalitären Machtpolitik sind geschwächt durch ihre Uneinigkeit und die Unsicherheit und Unklarheit vieler ihrer Vertreter über die eigenen politischen Ziele. Susan Stebbing[146] versucht in ihrem Buch: "Ideals and Illusions"[147] diesem Uebel zu Leibe zu gehen durch die Erörterung der Frage: Von welchen Zielen glauben wir, es sei wert, für sie zu leben?

Das blosse Nachdenken über den Sinn der Frage reicht hin, die Antwort gegen zwei Illusionen zu verteidigen, die - obwohl philosophisch längst widerlegt - bis heute jede Verständigung nahezu vereiteln. Die eine Illusion besteht in der Auffassung, das Suchen nach solchen Zielen, d.h. nach Idealen, sei mit einer realistischen Haltung unvereinbar; die andere Illusion besagt, Ideale für das eigene Leben liessen sich nur ableiten aus einer Vorstellung vom Sinn des Weltganzen, von den Plänen Gottes mit der Welt oder von dem Ziel, dem die Geschichte "letzten Endes" zustrebe.

S. Stebbing räumt derartige Vorurteile oft einfach und schlagend aus dem Weg: durch die Besinnung darauf, was gewisse Worte der Umgangssprache besagen und welche Ueberlegungen und Ansichten wir im täglichen Leben mit ihnen zu vertreten pflegen. Untersuchungen dieser Art leiten hin zu einer Verständigung des Menschen mit sich selber über die Werte, an denen er sich faktisch in seinen sittlichen Urteilen orientiert.

Die Analysen, in denen die Verfasserin sich um die Klärung sittlicher Vorstellungen bemüht, gehen allerdings fast durchweg nicht tief genug, um die gestellten Fragen überzeugend zu beantworten. Sie reichen zwar hin, Vorurteile, wie die oben genannten, abzuweisen, bieten aber keine Sicherheit dagegen, dass andere Vorurteile unentdeckt mitgeschleppt werden, oder dass erhebliche Unklarheiten stehen bleiben.

Eine solche Unklarheit haftet z.B. schon der Verwendung des Wortes "Ideal" an. Dass jemand in seinem Handeln durch Ideale geleitet wird, das heisst, so sagt die Verfasserin, er werde geleitet "by his conception of what is worth while to achieve or to attempt to achieve". An andern Stellen begnügt sie sich dagegen mit dem Nachweis, dass jemand überhaupt ein Ziel verfolgt, um ihn einen Idealisten und sein Ziel ein Ideal - das allerdings falsch sein kann - zu nennen, gleichgültig, ob es sich um das Streben nach persönlicher Macht, nach Reichtum und Genuss oder um die Erforschung der Wahrheit oder die Verwirklichung freier und gerechter Gesellschaftszustände handelt. Sie meint demnach anscheinend, jeder, der irgend ein Ziel verfolgt, halte dessen Erreichung auch für wertvoll. Aus der Tatsache, dass er ein Ziel hat, geht aber zunächst nur hervor, dass er an dessen Erreichung interessiert ist, dass er sie wünscht. Ob er sie aber wünscht. weil er sie für wertvoll hält, oder ob er ihr einen Wert überhaupt nur in dem Sinn zuschreibt, dass er sie wünscht, dass lässt sich aus der blossen Tatsache, dass er ein Ziel hat, noch nicht entnehmen. Auf die Beachtung dieses Unterschiedes aber kommt es an, wenn wir, im Gegensatz zur Willkürherrschaft der Nazidiktatur, nach Zielen fragen, die wert sind, verfochten zu werden.

Nun kann man sich gewiss durch solche und ähnliche Unklarheiten - wie sie sich u.a. auch in der Erörterung der demokratischen Ideale finden - zu einer Weiterarbeit anregen lassen, die den hier geforderten und in der Tat dringend notwendigen Klärungsprozess methodischer fortführt. Dass die Verfasserin selber nicht stärker in dieser Richtung vorwärtsdrängt, lässt sich vielleicht verstehen aus einer schon in der Einleitung ausgesprochenen Resignation:

"I do not think that anyone has a right to speak dogmatically for others in the matter of ideals. Accordingly discussion concerning ideals is bound to be unpleasantly personal. It is unpleasant for the hearer because the speaker must keep saying 'I', 'I'; it is unpleasant for the speaker because he must reveal his heart's desire ... This personal aspect cannot be avoided."

Der Versuch, sich mit andern, an den gleichen Problemen arbeitenden Menschen undogmatisch und doch nicht nur persönlich bekennend, sondern durch die Abwägung von Gründen über die eigenen Ideale und deren Berechtigung zu verständigen, wird in dieser Alternative stillschweigend ausgeschaltet.

Ein solcher Versuch gilt demnach von vornherein als aussichtslos - eine Auffassung, die, da sie in keiner Weise erörtert, geschweige denn begründet wird, die Ausführungen des Buches dogmatisch beherrscht. Sie raubt, wie mir scheint, den im übrigen vielfach fruchtbaren und sauber aufgebauten Ansätzen eine entscheidende Voraussetzung, von der das Gelingen der Aufgabe abhängt: sich ohne Illusionen darüber klar zu werden, für welche Ideale wir heute leben sollten. Denn wie können wir erwarten, diese Klarheit je zu erreichen, wenn wir uns nicht zutrauen, den Widerstreit der Meinungen nach Gründen zu schlichten und damit die Alternative zu durchbrechen, als könne man auf diesem Gebiet nur entweder Dogmen oder persönliche Bekenntnisse vertreten?

G.H.[148]

"Die deutsche Walpurgisnacht"

Die Versuche, mit Hilfe toter deutscher bedeutender Menschen nachzuweisen, dass Deutschland entweder die Quelle alles Bösen oder auch das Gegenteil sei, dass es ein politisches Volk oder ein unpolitisches, ein Volk der Dichter und Denker oder der blossen Schlachtenlenker sei, sind ohne Unterbrechung angestellt worden, besonders, seit Adolf Hitler mit einer gewissen Originalität in der Handhabung brutaler Mittel an die Macht gekommen ist. Dosio Koffler[149] stellt in seinem kleinen Buch: "Die, deutsche Walpurgisnacht"[150] drei Deutsche vor, die unter Führung Mephistos das III. Reich bereisen: Goethe[151], Schiller[152] und Nietzsche[153]. Sie sind selbstverständlich nicht wenig erstaunt über ihre Nachfahren, wenngleich man eigentlich annehmen sollte, dass alle Drei so etwas hätten erwarten können.

Koffler hat von allen Dreien sehr interessante und

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zum Teil vergessene Worte herausgesucht, die er den zeitgenössischen Nazis und den von ihnen Verführten teils als Mahnung unter die Nase hält, teils als Belehrung gegenüber dem Versuch, Nietzsche als einen quasi Vorläufer der Nazis hinzustellen, dessen "Uebermenschen" darzustellen sie manchmal Hitler zugetraut haben.

Bücher können nicht den politischen Kampf ersetzen. Die Welt richtet sich nicht nach Büchern, auch wenn das, was in ihnen steht, völlig richtig ist. Aber es ist genussreich, zu lesen, dass es Deutsche gab, die völlig anders dachten als die heutigen Herrscher Deutschlands, - zum Teil allerdings auch ziemlich anders als die Beherrschten und sogar als viele Emigranten.

W-er.

"Guilty Women"

In diesem kleinen Bändchen[154] behandelt Richard Baxter[155] eine Reihe von politischen Ereignissen, in denen Frauen eine stimulierende, und zwar verhängnisvoll stimulierende Rolle gespielt haben. Das für die zeitgenössischen Leser interessanteste Beispiel ist die Freundin Paul Reynauds, die ihn, wenn man dem Verfasser glauben darf, sogar davon abgehalten hat, den General de Gaulle zum militärischen Führer zu ernennen. - Darüber hinaus aber ist interessant die Rolle, die die Schwester des Königs von Bulgarien hinter der Szene zu Gunsten des Massenmörders Zankoff[156] gespielt hat, sowie die Rolle, die eine frühere Freundin Hitlers bei dessen Wendung zum Antisemitismus gespielt haben soll.

Selbstverständlich ist der grösste Teil dieser Geschichten mindestens halb wahr, und es ist für die Anhänger einseitiger Geschichtsauffassungen sehr lehrreich, auch andere treibende historische Kräfte am Werk zu sehen, die neben den von ihnen einseitig ins Licht gerückten "das Getriebe regeln". Es ist dabei ganz gleich, welche Seife sie für die massgebliche halten. Wichtig, dass sie darauf gestossen werden, das in Frankreich im übrigen wohlbekannte Wort zu beherzigen: "Cherchez la femme!"

Der Verfasser scheint uns gleichwohl mit seinen guten Absichten über das löbliche Ziel hinausgegangen zu sein und die Vorstellung zu haben, als wenn das Schicksal Frankreichs, Bulgariens und Deutschlands, vielleicht auch Belgiens, schliesslich nur von Anna, Eudoxia, Helene und anderen Frauen abhängig gewesen wäre. Ganz so schlimm war es gewiss nicht, wobei es übrigens völlig fraglich ist, ob wir dabei schlimmer fahren würden, als wenn wir nebenbei noch von einem Kohlenbaron, einem Bankier oder einem grössenwahnsinnigen Fliegeroberst abhängen, von Nazis ganz zu schweigen.

Das Büchlein vermittelt eine Reihe interessanter Daten und Tatsachen und sollte, wie gesagt, vor allem von Einseitigkeits-Besessenen gelesen werden.

W.R.[157]

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Die "Renaissance" erscheint monatlich. - Preis der Einzelnummer 6d; jährlich 6/- portofrei. - Alle Mitteilungen, Redaktion und Verwaltung der "Renaissance" betreffend, sind zu richten an die Schriftleitung: Willi Eichler, 24, Mandeville Rise, Welwyn Garden City, Herts.

Published by Renaissance Publishing Co. (G.F. Green), 24, Mandeville Rise, Welwyn Garden City, Herts. Editor: Willi Eichler. Printed by The Guardian Press (T.U. all depts.), Guardian House, 644, Forest Road, E.17.






Editorische Anmerkungen


1 - Michaelis, Georg (1857-1936), Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident (Juli bis Oktober 1917).

2 - Schacht, Hjalmar (1877-1970), Bankier und Politiker, Reichswährungskommissar und Reichsbankpräsident (1923-1930), Förderer der Ernennung _ Hitlers zum Reichskanzler, erneut Reichbankpräsident (1933-1939), Wirtschaftsminister (1934-1937), Generalbevollmächtigter für die Wehrwirtschaft (1935-1937) und Minister ohne Geschäftsbereich (1937-1943). Trotz Finanzierung der deutschen Aufrüstung und indirekter Beteiligung an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Freispruch im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess.

3 - Kircher, Rudolf (1885-1954), Jurist und Journalist, bei der ,,Frankfurter Zeitung" zunächst Balkankorrespondent (ab 1912), während des Ersten Weltkriegs Inlandsredakteur in Frankfurt, danach Korrespondent in London (1920-1929), Leiter des Berliner Büros (Berliner ,,Hauptkorrespondent") und England-Sachverständiger (1930-1938), danach Korrespondent in Rom (1938 bis zum Ende der Zeitung 1943), später (auch nach dem Zweiten Weltkrieg) bei der ,,Wirtschafts-Zeitung" bzw. der ,,Deutschen Zeitung und Wirtschafts-Zeitung".

4 - ,,Schwarzes Korps" = ,,Das Schwarze Korps", Wochenzeitung der Schutzstaffeln der NSDAP, Organ der Reichführung der SS, erschien 1935-1945.

5 - ,,Kölnische Zeitung", mitunter mehrmals täglich erschienene Kölner Tageszeitung, nachgewiesen 1813-1944.

6 - Leopold III. (1901-1983), belgischer König (1934-1951), im Zweiten Weltkrieg Kapitulation nach dem deutschen Einmarsch (1940), Internierung (1940-1944), deutsche Kriegsgefangenschaft (1944-1945), Exil (1945-1950), Rücktritt (1951).

7 - Greiser, Arthur (1897-1946), NSDAP und SA (ab 1928), SS (ab 1930), Gaugeschäftsführer der NSDAP in Danzig und NSDAP-Fraktionsführer im Danziger Stadtparlament (ab 1930), Innensenator und Vizepräsident des Danziger Senats (1933-1934), ebd. Präsident (1934-1939), Gauleiter und Reichsstatthalter im Reichsgau Wartheland (ab 1939), verantwortlich für Massendeportation und Ausrottung von Juden und Polen, von einem polnischen Gericht zum Tode verurteilt und gehängt (1946).

8 - Ley, Robert (1890-1945), Politiker, NSDAP-Reichsorganisationsleiter (ab 1934), Gleichschaltung der Gewerkschaften (2. Mai 1933) und Leiter der ,,Deutschen Arbeitsfront" (DAF), Anklage vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg, Selbstmord (1945).

9 - ,,Berliner Börsenzeitung", zwischen 1855 und 1944 erschienene deutsche Börsenzeitung.

10 - Cliché, heute ,,Klischee" geschrieben = Druckstock.

11 - Von ,,matern" = Druckwerk von einem Satz Matern herstellen.

12 - ,,Westfälische Landeszeitung - Rote Erde", amtliches Organ der NSDAP, erschien in Dortmund, nachgewiesen 1935-1945.

13 - ,,Leipziger neueste Nachrichten", zwischen 1892 und 1945 erschienene sächsische Tageszeitung mit Sitz in Leipzig.

14 - Gibson, George (1885-1953), Generalsekretär der im Gesundheitswesen tätigen Gewerkschaft. Großbritanniens, Mitglied des General Council des TUC (ab 1928), später dessen Vorsitzender (1940-1941).

15 - Tillet[t], Ben (1860-1943), Gewerkschafter und Labour-MP (1917-1924, 1929-1931).

16 - Schevenels, Walter (1894-1966), belgischer Gewerkschaftsfunktionär, Generalsekretär des IGB (1930-1945).

17 - Pollitt, Harry (1890-1960), Mitgründer der Kommunistischen Partei Großbritanniens (1920), Generalsekretär der britischen KP (1929-1952).

18 - ,,Sozialistische Mitteilungen": Newsletter, der vom Exilvorstand der SPD zwischen 1939 und 1948 in London herausgegeben wurde, einziges offizielles Organ der Exilsozialdemokratie während des Zweiten Weltkriegs.

19 - ,,Tribüne" = ,,Tribune", seit 1937 erschienene Wochenzeitung der Labour Party mit Sitz in London (,,labour's independent weekly").

20 - Dan, Theodor = Fyodor Ilych Dan (1871-1947), russischer Sozialist und Journalist, nach Sibirien verbannt (1898-1901, 1903), mehrfaches Exil (ab 1903, 1908-1912, ab 1921), Menschewik (ab 1903), nach der Oktoberrevolution Opposition zu den Bolschewiki, einjährige Gefängnishaft (1921), Emigration zunächst nach Berlin, dann nach Paris und schließlich nach New York (1940).

21 - Jugow (auch ,,Yugow"), Aaron, Pseudonym für A. A. Frumson, russischer emigrierter Menschewik und Publizist, in den 20er und 30er in Deutschland und Frankreich, später in den USA. Geburts- und Todesjahr konnten nicht ermittelt werden.

22 - ,,The Daily Worker", kommunistische Tageszeitung mit Sitz in London, erschien 1930-1966, 1941-1942 verboten.

23 - Kaiser, H., Pseudonym von Hans Lehmann (1900-1991), USPD (1919), SPD (1921), IJB und ISK (1926), zusammen mit Erna Blencke Leiter der ISK-Gruppe Frankfurt/Main (1929-1933), Geschäftsführer der den ISK unterstützenden Dreiturm-Seifenfabrik Viktor Wolf in Steinau/Hessen (ab 1926), ,,Schutzhaft" (1933), Flucht nach Frankreich (1933) und Österreich (1934), Emigration nach Argentinien (1936), Rückkehr nach Deutschland (1954), SPD, erneut Mitglied der Geschäftsführung der Dreiturm-Seifenfabrik (bis 1970).

24 - Bohle, Ernst Wilhelm (1903-1960), NSDAP (seit 1932), später auch SS-Obergruppenführer, Leiter der Auslandsorganisation der NSDAP im Range eines Gauleiters (ab 1933), Staatssekretär im Auswärtigen Amt (ab 1937), Verurteilung im Nürnberger ,,Wilhelmstraßenprozess" zu fünf Jahren Gefängnis (1949), Freilassung noch im gleichen Jahr.

25 - Melo Neto, Cardoso de, nach "Renaissance" Direktor der Rechtsfakultät der Universität von Sao Paulo (Brasilien), früherer Gouverneur des Staates Sao Paulo, in diesem Amt Vorgänger von _ Adhemar de Barros. Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

26 - Barros, Adhemar de (1901-1969), nach "Renaissance" Gouverneur des Staates Sao Paulo (Brasilien), dort Nachfolger von _ Cardoso de Melo Neto und Vorgänger von _ Fernando Costa, seines Amtes enthoben.

27 - Costa, Fernando, nach "Renaissance" brasilianischer Ackerbauminister, danach Gouverneur des Staates Sao Paulo, Nachfolger von _ Adhemar de Barros. Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

28 - Mussolini, Benito (1883-1945), Gründer und Führer des Faschismus in Italien, seit dem ,,Marsch auf Rom" (28. Oktober 1928) Ministerpräsident, Einparteiendiktatur, Anlehnung an NS-Deutschland, Eintritt in den Zweiten Weltkrieg (1940), Gefangennahme nach Misstrauensvotum des Faschistischen Großrats (1943), von deutschen Fallschirmtruppen befreit (1943), ,,Staatschef" der ,,Repubblica Sociale Italiana", des Teils Italiens, der im Machtbereich Hitler-Deutschlands lag (1943-1945), Ergreifung und Erschießung durch italienische Widerstandskämpfer.

29 - Niedenführ, Günther (1888-1961), NSDAP, Oberst (1934), militärischer Berater in Argentinien (1935-1940), Luftattaché (nach ,,Renaissance": Militärattaché) in Rio de Janeiro (1940), Generalmajor (1941), Wehrwirtschaftsstab im Kaukasus (1942), Generalleutnant (1943), Kriegsgefangenschaft (1945-1947), Tod in Argentinien.

30 - "LATI", italienische Luftverkehrsgesellschaft, weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

31 - Wieland, Wilhelm, NS-Chef in Argentinien. Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

32 - Daldorf (=Dalldorf), Julius (geb. 1897), kaufmännische Tätigkeit bei einer Exportfirma in Hamburg, später in Montevideo (ab 1920), NSDAP (ab 1933), NSDAP-Gruppenleiter (ab 1939), Pressereferent der deutschen Botschaft in Uruguay (1940-1942), nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen Rückkehr nach Deutschland (1942).

33 - B., A.: Die Initialen konnten nicht entschlüsselt werden.

34 - ,,Thyssen-Konzern", deutscher Industrie- und Handelskonzern, Gründung (1871) durch August Thyssen (1842-1926), Erweiterung um die August-Thyssen-Hütte AG (1890), 1926-1935 Weiterführung durch Fritz Thyssen (1873-1951), wichtiger Finanzier und Förderer der NSDAP (ab 1923), der er 1931 beitrat, Wegbereiter der Kanzlerschaft Hitlers, MdR (1933), Meinungsverschiedenheiten mit der NS-Führung, besonders wegen der Judenverfolgungen (ab 1935), Emigration in die Schweiz (1939), Verhaftung in Frankreich (1941), Konzentrationslager (bis 1945), nach Entnazifizierungsverfahren Auswanderung nach Argentinien (1948). Konzern heute Teil der Thyssen Krupp AG.

35 - ,,Aciéries de la Marine et d'Homécourt", französicher Stahlkonzern.

36 - ,,Crédit Lyonnais", französische Großbank.

37 - ,,Klöckner-Konzern", deutsche Kunststoffverarbeitungs- und Maschinenbaufirma, gegründet von Peter Klöckner (1863-1940): Klöckner Werke AG (1897; Firmenname ab 1923) sowie die Stahl- und Metallhandelsfirma Klöckner & Co. AG (1906; AG seit 1988), jeweils mit Sitz in Duisburg.

38 - ,,Schneider-Creusot", französisches Stahl- und Rüstungsunternehmen, das von Eugène Schneider (1805-1875) und seinem Bruder Adolphe Schneider (1802-1845) unter der Firma MM. Schneider Frères ét Cie. als Weiterführung der Gießerei von Le Creusot gegründet wurde (1836). Durch Eugène Schneider, → François de Wendel und → François Arthur Théodore Laurent Kontrolle der französischen Stahlindustrie in der Zwischenkriegszeit.

39 - ,,Krupp", deutsches Stahl- und Rüstungsunternehmen im Ruhrgebiet. Gründung (1811) durch Friedrich Krupp (1787-1826), Ausbau der Firma unter dessen Sohn Alfred (1812-1887) zur weltgrößten Gussstahlfabrik. Nachfolger: Alfreds Sohn Friedrich Alfred (1854-1902) sowie dessen älteste Tochter Bertha (1886-1957) und deren Ehemann Gustav von Bohlen und Halbach (1870-1950) (,,Krupp von Bohlen und Halbach"), Prosperität während beider Weltkriege durch staatliche Rüstungsaufträge. Alleininhaber ab 1943: Gustavs Sohn Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (1907-1967), Verurteilung (anstelle des haftunfähigen Vaters) von einem amerikanischen Militärtribunal zu 12 Jahren Haft und Einziehung des Vermögens (1948), Revision (1951), Übertragung des Privat- und Konzernvermögens an eine Stiftung (1968), Umwandlung in eine GmbH (1969), später in eine AG (1992), nach mehreren Fusionen heute Firma Thyssen Krupp AG.

40 - ,,de Wendel-Konzern", französisches Stahl- und Rüstungsunternehmen. Haupt der Familie de Wendel: François de Wendel (1874-1949), französischer Stahlunternehmer, Bruder von _ Humbert de Wendel, deren Unternehmen - anfangs eine Gießerei - 1704 von Jean-Martin de Wendel in Lothringen gegründet worden war, Kammerabgeordneter (1914-1933), Senator (1933-1940), Präsident des Dachverbandes der Stahlindustrie und Mitglied des Verwaltungsrats der Bank von Frankreich. Durch François de Wendel, → Eugène Schneider und → François Arthur Théodore Laurent Kontrolle der französischen Stahlindustrie in der Zwischenkriegszeit. Humbert de Wendel, (1876-1954), französischer Unternehmer, Bruder von _ François de Wendel, Direktor der → ,,Banque de l'Union Parisienne" und der ,,Compagnie Universelle du Canal Maritime de Suez" (→ Canal Maritime de Suez). Laut "Renaissance" zeitweise Mitglied des deutschen Reichstags, worin wahrscheinlich eine Verwechselung liegt, denn Humbert de Wendel wird in keinem der einschlägigen Handbücher zum Deutschen Reichstag genannt, wohl aber seine beiden Vettern (?) Henri (zwischen 1881 und 1890) und Charles de Wendel (zwischen 1907 und 1911).

41 - Goldberger, deutscher Verkaufsdirektor des de Wendel-Konzerns in Frankreich. Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

42 - Flandin, Pierre Étienne (1889-1958), französischer Politiker, wiederholt Minister (seit 1924), Ministerpräsident (1934-1935), Außenminister der Vichy-Regierung (1940-1941).

43 - Loucheur, Louis (1872-1931), französischer Politiker und Großindustrieller, im Ersten Weltkrieg als Staatssekretär Organisator des Kriegsversorgungswesens, bis 1931 mehrfach Minister.

44 - Lubersac, de, adelige französische Bankiers- und Industriellenfamilie; unter Graf Odon de Lubersac (gestorben 1928): Beteiligung zweier englischer Bankiers (Philip Walton Livermoore und William Miles McKinon) an seinen Unternehmen (1922) und Umwandlung der Firma in eine Kommanditgesellschaft, die Bank ,,O. de Lubersac et Cie" (1923); nach Odons Tod Umbenennung des Unternehmens nach Graf Raoul de Lubersac (1905-1965) in Bank ,,R. de Lubersac et Cie"; unbehelligte Weiterführung des Unternehmens sowohl während der Besatzungszeit als auch nach der Befreiung; nach dem Zweiten Weltkrieg Aufnahme neuer Gesellschafter (u.a. Ernest Gutzwiller), Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft (,,Compagnie privée de banque", gegründet 1967) und Rückzug der Familie aus der unternehmerischen Führung.

45 - ,,Röchling-Konzern", 1875 von Karl Röchling (1827-1910) gegründetes deutsches Stahlunternehmen mit Sitz in Saarbrücken, wurde eines der führenden deutschen Stahlunternehmen mit zahlreichen Beteiligungen in Kohleverarbeitung, Gaserzeugung, Eisenhandel und Bankwesen. Nachfolger von Karl Röchling: R. Röchling (1863-1926) und Hermann Röchling (1872-1955), letzterer nach dem Ersten Weltkrieg Führer der Deutsch-Saarländischen Volkspartei, nach dem Zweiten Weltkrieg Inhaftierung wegen ihm angelasteter Verbrechen gegen die Menschlichkeit (1946-1951).

46 - ,,ARBED" (Aciéries Réunies de Burbach-Esch-Dudelange), luxemburgischer Stahlkonzern.

47 - ,,Schneider-Konzern", gemeint ist das Unternehmen → ,,Schneider-Creusot".

48 - ,,Banque de l'Union Parisienne", französische Großbank.

49 - ,,HADIR" = ,,Hauts-Fourneaux et Aciéries de Differdange, St. Ingbert, Rumelange", 1920 aus der ,,Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten AG" in Differdingen (die auf ein 1873 gegründetes Luxemburger Industrieunternehmen zurückgeht) hervorgegangenes Bergwerks- und Hüttenunternehmen, das 1967 von der → ARBED übernommen wurde.

50 - ,,Theodor Laurent-Gruppe", Unternehmensgruppe des französisches Stahlunternehmers Theodor Laurent = François Arthur Théodore L. (1863-1953), zunächst stellvertretender Direktor (1908), dann Direktor (1911) in einem Stahlbetrieb, nach dem Ersten Weltkrieg an der Spitze der Stahlindustrie im Département Loire, zeitweise knapp 80 Verwaltungsposten (1940), deren Zahl er durch eine gesetzliche Auflage reduzieren musste. Zusammen mit → Eugène Schneider und → François de Wendel Herrschaft über die französische Stahlindustrie in der Zwischenkriegszeit.

51 - ,,Aciéries de la Marine et d'Homécourt", Hüttenwerk der → Theodor Laurant-Gruppe.

52 - Hanighen, Frank, nach ,,Renaissance" im März 1940 Autor von ,,Harpers Magazin". Weitere biographische Daten konnten nicht ermittelt werden.

53 - ,,Harper's Magazine", US-amerikanisches Magazin für Literatur, Politik und Kultur, erschien seit 1850.

54 - ,,Demachy & Co.", französische Bank im Besitz der → Rothschilds.

55 - ,,Bankhaus Mirabaud"= ,,Banque Mirabaud", französisch-schweizerisches Bankunternehmen, das 1814 von Jacques Mirabaud (1784-1864) gegründet worden war und von seinem Sohn Henri (1821-1893) fortgeführt wurde, 1878 fusionierte die Bank mit den Bankhaus seines Schwiegervaters und hatte fortan die Firma: ,,Banque Mirabaud, Paccard, Puerari et Cie.", nach ,,Renaissance" befand sich das Bankhaus während des Zweiten Weltkriegs im Besitz der Rothschilds, nach dem Zweiten Weltkrieg (1953) Fusion mit der → ,,Banque de l'Union Parisienne".

56 - Rothschild, international tätige Bankendynastie, von Meyer Amschel Rothschild (1744-1812) in Frankfurt a.M. gegründet (1766), selbständige Banken in London, Paris, Wien und Neapel. Finanzierung der gegen Napoleon gerichteten Operationen und der ersten Eisenbahnen, zahlreiche Industriebeteiligungen, Bedeutungsverlust durch das Aufkommen von Großindustrie und Großbanken. Nach ,,Renaissance" Leitung der französischen Holding der Rothschilds nach der Besetzung Frankreichs durch einen kommissarischen Verwalter, der von den deutschen Besatzern im März 1941 bestellt worden war.

57 - ,,Lazard Frères & Co.", französisches Bankunternehmen der französische Bankiersfamilie Lazard aus Lothringen, zurückgehend auf Abraham Lazard (1746-1833); Gründung der Firma ,,Lazard Frères" (Gebrüder L.) - zunächst als Konfektionsgeschäft in New Orleans (USA) - durch dessen Enkel Lazare L. (1821-1878), Alexandre L. (1823-1904) und Simon L. (1828-1898) im Jahre 1848; Umwandlung der Firma in ein international (San Francisco, Paris, London, New York) tätiges Bankhaus (1876), in dem die Familienmitglieder schon zwei Generationen später keine Rolle mehr spielten. Nach Darstellung von ,,Renaissance" unter dem Einfluss der deutschen Besatzung ,,Arisierung" des ursprünglich jüdischen Bankhauses durch Einsetzung von Kommissaren, die den Geschäftsbetrieb der Bankhäuser unter ihre Kontrolle brachten, so dass indirekt auch alle Beteiligungen der Bank kontrolliert werden konnten.

58 - ,,Mallet & Co." = ,,Banque Mallet Freres et Compagnie", von Isaac Mallet 1723 in Paris begründetes französisches Bankunternehmen, das nach dem Zweiten Weltkrieg (1966) mit dem Bankhaus der → Neuflizes zur Firma ,,Banque de Neuflize, Schlumberger, Mallet" (NSM) fusionierte.

59 - ,,Neuflize & Co." = ,,Banque de Neuflize", französisches Bankunternehmen, das auf ein von der Familie André 1667 in Genua gegründetes Banken- und Handelsgeschäft zurückgeht und an dem die Neuflizes ab 1889 als Gesellschafter vertreten sind. Neuflize, adelige französische Bankiersfamilie, 1769 erstmals im Namen einer königlichen Manufaktur genannt; nach und nach Ergänzung des Manufaktur- und Industrieunternehmens um Geldgeschäfte, besonders unter Abraham Neuflize (1820-1868), der im Jahre 1847 eine Bankierstochter heiratete; mehrfach Beteilung von Familienmitgliedern an Führungspositionen der → Banque de France (französische Notenbank). Familienchef der Neuflizes während der Besatzungszeit: Baron André de Neuflize (1875-1949), unter seiner Führung: mehrere Banken, darunter die → ,,Banque de l'Union Parisienne", aber auch mehrere Unternehmen der Metallindustrie, Heirat der Tochter des Barons mit dem Bankier Baron → Jean Watteville-Berckheim; 1945 Fusion der Neuflizeschen Banken mit der Schlumbergerschen Bank zur ,,Banque de Neuflize, Schumberger et Cie.", die ihrerseits 1966 mit der Bank → ,,Mallett & Co." zur ,,Banque de Neuflize, Schlumberger, Mallet" (NSM) fusionierte.

60 - ,,Banque de l'Union Européenne", französisches Bankunternehmen, Tochter der → ,,Banque de l'Union Parisienne".

61 - ,,Skodawerke", 1859 gegründetes Industrieunternehmen in der Tschechoslowakei, Automobilproduktion.

62 - ,,Frankfurter Metallgesellschaft", 1881 gegründetes Unternehmen der NE-Metallindustrie mit Sitz in Frankfurt a. M.

63 - ,,Frankfurter Metallbank", deutsches Bankunternehmen mit Sitz in Frankfurt a.M.

64 - ,,Stolberg-Zink AG", deutsches Metallunternehmen nahe Aachen, das sich nach ,,Renaissance" im Besitz der → Frankfurter Metallbank, der → Frankfurter Metallgesellschaft und der → Neuflizes befand.

65 - ,,Journal des débats", nach ,,Renaissance" französische Zeitschrift im Besitz der → Neuflizes. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

66 - Roque, de la = François de la Rocque (1885-1946), französischer Oberst und Politiker, Vorsitzender eines Bundes von Frontkämpfern des Ersten Weltkrieges (1931), Gründer des ,,Parti social français" (PSF, 1936), Kauf des → ,,Petit Journal", nach "Renaissance" mit Geldern des Hauses → Neuflize (1937), zunächst positive Einstellung zur Politik Marschall → Pétains, später Gegner einer Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht, Verhaftung und Deportation nach Deutschland, nach dem Zweiten Weltkrieg Anerkennung als Mitglied der Résistance durch General → de Gaulle (1961). Nach ,,Renaissance" ein französischer faschistischer Führer.

67 - ,,Petit Journal", nach ,,Renaissance" französische Zeitschrift, die von den → Neuflizes für den französischen Faschistenführer → de la Roque finanziert wurde. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

68 - ,,Le Matin", französische Tageszeitung, erschien seit 1884 in Paris, nach ,,Renaissance" durch das Haus → Lazard Frères beeinflusst, stellte Erscheinen im April 1945 ein.

69 - ,,Information", französisches Börsenblatt, das nach ,,Renaissance" durch das Haus → Lazard Frères beeinflusst wurde. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

70 - ,,Comité des Forges": Über die in ,,Renaissance" enthaltenen Informationen hinaus konnten keine weiteren Angaben ermittelt werden.

71 - ,,Le Temps", französische Tageszeitung, erschien seit 1861 in Lyon, nach ,,Renaissance" durch das → ,,Comité des Forges" maßgeblich beeinflusst, stellte Erscheinen im November 1942 ein.

72 - ,,Internationale Bodenkreditbank", Baseler Bank, in welcher nach ,,Renaissance" das Haus → Lazard Frères im Verwaltungsrat vertreten war. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

73 - ,,Internatonale Bank in Luxemburg", luxemburgische Großbank, an der nach ,,Renaissance" deutsche und französische Unternehmen beteiligt waren.

74 - ,,Dresdner Bank", 1872 in Dresden gegründete deutsche Großbank.

75 - ,,Delbrück, Schickler & Co", 1854 von Adelbert Delbrück (1822-1890) unter Mitwirkung rheinischer Kaufleute gegründetes Bankhaus (,,Delbrück Leo & Co."), das unter seinem Sohn Ludwig Delbrück (1860-1913) mit dem Bankhaus Gebr. Schickler zur Firma ,,Delbrück Schickler & Co." fusionierte.

76 - ,,Pferdmenges & Co.", deutsches Bankunternehmen. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden. Das Bankhaus, an dem der Adenauer-Vertraute Robert Pferdmenges (1880-1962) zwischen 1931 und 1954 beteiligt war, hieß Bankhaus Salomon Oppenheim jr. & Cie., Köln.

77 - Bankhaus von der Heydt", aus einer 1754 von Abraham und Caspar Kersten gegründeten Warenhandlung hervorgegangenes Bankhaus in Elberfeld (heute Wuppertal), durch Heirat in ,,von der Heydt-Kersten & Söhne" umbenannt, zahlreiche Neugründungen durch Nachkommen der Gründerfamilien: u.a. in London und Amsterdam durch Eduard von der Heydt (1882-1964), der seinen Wohnsitz in Ascona hatte und im Verdacht stand, über die Schweiz Geldgeschäfte für die Nationalsozialisten abgewickelt zu haben, Gründung eines ,,Bankhauses von der Heydt & Co." durch Karl von der Heydt in Berlin (1895), das nach dem Ersten Weltkrieg eine Interessengemeinschaft mit der Bank → ,,Delbrück, Schickler & Co" einging.

78 - Watteville-Berckheim, Comte de [Jean?], General-Direktor des Crédit Lyonnais (nach "Renaissance"); verheiratet mit einer Tochter des Barons André de → Neuflize. Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

79 - Königs, Franz Wilhelm (1881-1941), deutscher Bankier (in Amsterdam) und Kunstsammler, Leiter der ,,Fünften Kolonne" beim Einmarsch der deutschen Truppen in den Niederlanden, Tod beim Aufspringen auf einen Zug (1941).

80 - ,,Gillet Frères": Über die in ,,Renaissance" enthaltenen Informationen hinaus konnten keine weiteren Angaben ermittelt werden.

81 - ,,Thomson-Houston Co.", 1883 gegründeter amerikanischer Elektrokonzern, der 1892 durch Fusion mit ,,Edison General Electric Co." zum größten Elektrokonzern der Welt (,,General Electric") wurde; nach ,,Renaissance" war der amerikanische Konzern an der Übernahme französischer Elektrounternehmen interessiert, seine stärkste Dependance hatte er in Großbritannien (,,British Thomson-Housten", BTH), die im Ersten und Zweiten Weltkrieg stark in der Rüstungsproduktion (Ausrüstung für Kampfflugzeuge, Düsentriebwerke, Radarsysteme) vertreten war.

82 - ,,Sofina-Konzern", belgischer Elektro- und Mischkonzern.

83 - ,,Elektrobank", 1895 von der → A.E.G. gegründete Holdinggesellschaft zur Finanzierung des Baus und Betriebs von Elektrounternehmen, Sitz: Zürich, 1946 Umbenennung in ,,Elektrowatt".

84 - ,,A.E.G." (Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft), 1883 gegründetes deutsches Elektrounternehmen.

85 - ,,Siemens-Konzern", 1847 gegründetes deutsches Elektrounternehmen, das in der fraglichen Zeit unter den beiden Firmennamen ,,Siemens & Halske" (AG seit 1897) sowie ,,Siemens-Schuckertwerke" (AG seit 1927) arbeitete (heute vereinigt zur ,,Siemens AG").

86 - Zu den in diesem Absatz nicht annotierten Unternehmen und Trusts konnten weitere Angaben nicht ermittelt werden.

87 - Rechberg, Arnold (1879-1947), Industrieller, Publizist, nach dem Ersten Weltkrieg für eine deutsch-französische Aussöhnung, insbesondere für eine enge Verflechtung der deutschen und französischen Wirtschaft.

88 - ,,Établissements Luchaire", französische Gasmaskenfabrik, die diesen Namen seit 1915 trug und in der die Luchaires nach ,,Renaissance" als Strohmänner der → ,,Berlin-Anhalter Maschinen AG", also eines deutschen Unternehmens, fungierten. Nach Rückzug von Henri Luchaire aus der Unternehmensführung Übernahme der Führung durch Sohn Jacques Luchaire (geb. 1893).

89 - ,,Berlin-Anhalter Maschinen AG", deutsches Maschinenbauunternehmen, übte nach ,,Renaissance" Einfluss auf die Industriellenfamilie → Luchaire aus (→ Etablissements Luchaire). Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

90 - Jean Luchaire (1901-1946), französischer Journalist aus der bekannten französischen Unternehmerfamilie, Mitglied der Radikalen Partei (ab 1920), Intimus des deutschen Botschafters _ Otto Abetz (enger Kontakt zu Abetz auch im Auftrag _ Pierre Lavals), Gründung einer Tageszeitung, in der Kollaborationsforderungen und linker Pazifismus auf eigentümliche Weise miteinander vereint wurden, nach der Befreiung (1944) zunächst Aufenthalt in Deutschland (Sigmaringen), dann in Italien, Verurteilung zum Tode (1946).

91 - Abetz, Otto (1903-1958), Diplomat, NSDAP (seit 1931), SS-Brigadeführer (seit 1941), deutscher Botschafter bei der Militärregierung und in Vichy (seit 1940), wegen Mitschuld an Judendeportationen verhaftet (1945) und zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt (1949), jedoch 1954 wieder auf freien Fuß gesetzt.

92 - Zu beiden Bankinstituten konnten über den Text von ,,Renaissance" hinaus keine weiteren Angaben ermittelt werden.

93 - ,,Pirelli-Konzern", 1920 gegründetes italienisches Unternehmen der Autoreifenindustrie, verflochten mit dem französischen Reifenhersteller → Michelin.

94 - ,,Michelin", 1831 gegründetes Unternehmen der Autoreifenindustrie, verflochten mit dem italienischen Reifenhersteller → Pirelli.

95 - ,,Pathé-Nathan", französisches Filmproduktionsfirma mit Sitz in Paris.

96 - ,,Société Kuhlmann", nach ,,Renaissance" führender französischer Chemietrust mit Sitz in Lyon. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

97 - ,,I.G. Farbenindustrie", 1925 durch Fusion von sechs Unternehmen gegründeter größter deutscher Chemiekonzern mit Sitz in Frankfurt a.M.; der Konzern wurde nach 1945 entflochten.

98 - ,,Montecatini-Trust", italienischer Chemiekonzern, zugleich größter Aluminiumproduzent Italiens.

99 - ,,Imperial Chemical Industries Ltd.", 1926 als Gegengewicht zur → I.G. Farbenindustrie gegründeter britischer Chemiekonzern mit Sitz in London.

100 - ,,Rhône-Poulence", 1895 gegründete Holding der französischen Chemieindustrie mit Sitz in Paris.

101 - ,,Franco-Chinesische Bank" (,,Banque Franco-Chinoise", BFC), 1920 aus der Chinesischen Industriebank hervorgegangene Bank, deren Kapital u.a. von der → ,,Banque de Paris" und dem Haus → Lazard Frères gehalten wurde, das auch im Verwaltungsrat der Bank vertreten war; nach ,,Renaissance" stand die BFC unter dem Einfluss von → Serge Rubinstein und war europäischer Vorposten der japanischen Hochfinanz.

102 - ,,Franco-Asiatische Bank" (,,Banque Franco-Asiatique"), seit 1928 von → Serge Rubinstein als Generaldirektor geleitete und unter seinem Einfluss stehende französisch-japanische Bank, nach ,,Renaissance" europäischer Vorposten der japanischen Hochfinanz.

103 - Rubinstein, Serge (1908-1955), in Russland geborener, 1917 nach Österreich, Frankreich, Großbritannien und in die USA ausgewanderter internationaler Finanzabenteurer mit englischem Pass, der für die japanische Hochfinanz arbeitete und - so "Renaissance" - Einfluss auf die → ,,Franco-Chinesische Bank" sowie auf die → ,,Franco-Asiatische Bank" hatte (die er ab 1928 als Generaldirektor leitete) sowie - über diese beiden Banken - die französische Flugzeugmotorenfabrik → ,,Gnome & Rhône" kontrollierte, die sämtliche Kriegsgegner Frankreichs mit Flugzeugmotoren bediente.

104 - ,,Gnome & Rhône", französische Flugzeugmotorenfabrik, die - nach ,,Renaissance" - an sämtliche Kriegsgegner Frankreichs Flugzeugmotoren lieferte.

105 - Marlio, Louis, nach "Renaissance" Bauxit-Magnat. Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

106 - Reynaud, Paul (1878-1966), französischer Politiker, mehrfach Minister (1930-1940), Ministerpräsident (März bis Juni 1940), zugleich Außenminister, ab Mai 1940 auch Verteidigungsminister, Versuch, nach der Niederlage den Krieg gegen NS-Deutschland von den Kolonien aus weiterzuführen, Auslieferung durch die Vichy-Regierung an Deutschland (1942), KZ-Haft (bis 1945), nach der Befreiung Finanzminister (ab 1948) und stellv. Ministerpräsident (1953-1954).

107 - ,,L'Intransigeant", französische Tageszeitung, erschien in Paris von 1880 bis 1948, zeitweise unter dem Titel ,,L'Intransigeant et le journal de Paris" (erschien nicht zwischen Juli 1940 und Mai 1947); nach ,,Renaissance" veröffentlichte sie bereits 1934 Interviews mit NS-Führern, weil sie - so die Vermutung - auf Papierlieferungen aus NS-Deutschland angewiesen war.

108 - ,,Brünner Waffenfabrik": Über die in ,,Renaissance" enthaltenen Informationen hinaus konnten keine weiteren Angaben ermittelt werden.

109 - ,,Bank für Internationalen Zahlungsausgleich", 1930 von mehreren Notenbanken gegründete Bank mit Sitz in Basel, die ursprünglich als Treuhänderin der deutschen Reparationszahlungen nach dem Ersten Weltkrieg fungierte.

110 - Brincard, Louis Charles George, Baron de (1871-1953), wie schon sein Vater Präsident der französischen Großbank Crédit Lyonnais, Führungsfunktionen in zahlreichen anderen Unternehmen des Banksektors, der Eisenbahnen und der Metallverarbeitung.

111 - ,,Dreyfus & Co.", französisches Bankunternehmen. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

112 - ,,Morgan", amerikanisches Unternehmen. Über den Text von ,,Renaissance" hinaus konnten keine weiteren Angaben ermittelt werden.

113 - Reinhart, W., Pseudonym von _ Willi Eichler.

114 - Potemkin (=Potjomkin), Grigori Alexandrowitsch (1739-1791), russischer Feldherr und Staatsmann, Günstling Katharinas II., 1787 auf Krimreise Katharinas II. mit Dorfattrappen Vortäuschung von Wohlstand (,,potemkinsche Dörfer" - Symbol für die Vorspiegelung falscher Tatsachen).

115 - ,,Wöhrmann-Linie", Afrikanische Schiffahrts GmbH mit Sitz in Hamburg.

116 - ,,Focke-Wulf-Werke" = ,,Focke-Wulf AG", 1924 von Henrich Focke (1890-1979) und G. Wulf gegründetes Flugzeugunternehmen in Bremen, das u.a. zwischen 1932 und 1937 den Hubschrauber Fw 61 baute.

117 - ,,Volkswagen", 1938 aus der 1937 gegründeten Gesellschaft zur Vorbereitung des Volkswagens hervorgegangenes Kraftfahrzeugunternehmen mit Sitz in Wolfsburg, seit 1960 AG.

118 - Darlan, François (1881-1942), französischer Militär und Politiker, Oberbefehlshaber der Kriegsmarine (1939), Handels- und Marineminister der Vichy-Regierung (1940), Vizepräsident des Ministerrats, Außen- und Informationsminister, kurzzeitig auch Innen- und Verteidigungsminister (1941-1942), Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte (1942), ergab sich nach der Landung der Alliierten in Nordafrika, Ermordung durch einen Anhänger → de Gaulles (1942).

119 - Himmler, Heinrich (1900-1945), NS-Politiker, Reichsführer SS (1929-1945), Chef der deutschen Polizei (1936-1945), Staatssekretär im Reichsinnenministerium (1936-1943), ,,Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums" (1939-1945), Reichsinnenminister (1943-1945), Befehlshaber des Heimatheeres (1944-1945), federführende Beteiligung an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und gemeinsam mit Heydrich entscheidender Organisator des Holokaust, Selbstmord (1945).

120 - Heß, Rudolf (1894-1987), NS-Politiker, Privatsekretär _ Hitlers (1925-1932), Stellvertreter des Führers (in der Parteiführung) und zugleich Reichsminister o.G. (1933-1941), federführende Beteiligung an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, Flug nach Großbritannien angeblich zur Friedensvermittlung (1941), dort Internierung (1941-1945), vom Internationalen Militärtribunal in Nürnberg zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt (1946).

121 - Göring, Hermann (1893-1946), NS-Politiker, preußischer Ministerpräsident (1933-1945) und Innenminister (1933-1934), Reichsminister o.G. (1933), Luftfahrtminister (1934-1935), Oberbefehlshaber der Luftwaffe (1935-1945), Generalfeldmarschall (ab 1938), federführende Beteiligung an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, vom Internationalen Militärtribunal in Nürnberg zum Tode verurteilt (1946), Selbstmord 1946).

122 - Ribbentrop, Joachim von (1893-1946), NSDAP-Politiker, Botschafter in London (1936-1938), Reichsaußenminister (1938-1945), federführende Beteiligung an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, 1946 zum Tode verurteilt.

123 - [Fußnote im Original:] Diese Befürchtungen sind begründet genug! - Hitlers vorsichtige Ausdrucksweise heisst zweifellos, dass er Laval zurückwünscht, dem er offenbar zutraut, ein ausgesprochen totalitäres Regime mit all seinen Gestapo- und Konzentrationslager-Konsequenzen aufzurichten.

124 - Seyß-Inquart, Arthur (1892-1946), österreichischer Politiker, NSDAP (seit 1938), unter ihm als Bundeskanzler Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich (1938), Reichsstatthalter für die ,,Ostmark" (1938-1939), Reichskommissar für die besetzten Niederlande (1940-1945), im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess zum Tode verurteilt (1946).

125 - Weygand, Maxime (1867-1965), französischer General, Stabschef von General → Foch (1914-1920), Generalinspekteur des frz. Heeres und Vizepräsident des Obersten Kriegsrats (1931-1935), als Oberbefehlshaber der frz. Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg Initiative zur Einleitung der Waffenstillstandsverhandlungen mit Deutschland (1940), Verteidigungsminister der Vichy-Regierung (1940), Internierung in Deutschland (1942-1945), danach Verhaftung wegen Zusammenarbeit mit der deutschen Besatzungsmacht (1945), später Rehabilitation (1948).

126 - Walingants, nach ,,Renaissance" Anhänger einer Bewegung, die seit langem den Anschluss des französischsprachigen Teils Belgiens an Frankreich forderte. Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

127 - ,,Devoitine", französisches Flugzeugunternehmen mit Sitz in Toulouse, das im Zweiten Weltkrieg vor allem das Jagdflugzeug D 520 produzierte, auf dem auch Flieger der Deutschen Luftwaffe geschult wurden.

128 - Bergeret, Jean-Marie (1895-1956), General der französischen Luftwaffe (ab 1939), Staatssekretär im Luftfahrtministerium der Vichy-Regierung (ab 1940), Entlassung (1942), danach Aufenthalt in Nordafrika, Festnahme und Anklage (1943), Einstellung des Verfahrens (1948).

129 - ,,Libération" (quotidien républicain), französische Untergrund-Tageszeitung, die seit 1941 in der unbesetzten Zone Frankreichs erschien.

130 - Foch, Ferdinand (1851-1929), französischer Marschall, im Ersten Weltkrieg an der Spitze der 9. Armee (1914), dann der Heeresgruppe Nord (1915-1916), Chef des Generalstabes (1917), Oberkommandierender der Entente-Truppen (1918), Verantwortlicher für die entscheidende Wendung des Kriegs an der Westfront und für die bedingungslose Annahme der Waffenstillstandsbedingungen durch Deutschland (1918).

131 - Clémenceau, Georges Benjamin, (1841-1929), Arzt und französischer Politiker, Führer der äußersten Linken (ab 1876), Senator (ab 1902), Ministerpräsident (1902-1909 und 1917-1920).

132 - Wilhelm II. (1859-1941), Deutscher Kaiser und König von Preußen (1888-1918).

133 - Brauchitsch, Walther von (1881-1941), deutscher Generalfeldmarschall, Oberbefehlshaber des Heeres (1938- 1941).

134 - Keitel, Wilhelm (1882-1946), Generalfeldmarschall, Leiter des Wehrmachtsamts (1935-1938), Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (1938-1945), Unterzeichner der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht (8. Mai 1945), Verurteilung zum Tode als Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg.

135 - Hindenburg und Beneckendorff, Paul von (1847-1934), Generalstabschef (1916-1918), Reichspräsident (1925-1934). Wenn auch zögernd, im Januar 1933 Freigabe des Weges zur Bildung der Regierung _ Hitler.

136 - Ludendorff, Erich (1865-1937), preußischer General, Mitglied des Großen Generalstabs (1908-1912), im Ersten Weltkrieg Generalstabschef _ Hindenburgs (ab 1914) und faktischer Leiter der Kriegführung im Osten, nach dem Krieg auf dem völkischen Flügel der Rechten, MdR (1924-1928), NSDAP-Kandidat bei der Reichpräsidentenwahl 1926.

137 - [Fußnote im Original:] Victor Gollancz. London, 1941. [,,Gollancz", britischer Verlag von → Victor Gollancz.]

138 - Phipps, Sir Eric Clare Egmund (1875-1945), britischer Diplomat, zahlreiche Tätigkeiten für das Foreign Office im In- und Ausland (Brüssel, Peking, Istanbul, Rom, Paris, Leningrad Madrid), gehörte zur britischen Delegation bei den Pariser Friedensverhandlungen (1918-1919) und der Haager Reparationen-Konferenz 1929-1930, außerordentlicher Botschafter mit Generalvollmacht in Berlin (ab 1933).

139 - [Fußnote im Original:] Readers' Union. Hodder & Stoughton, 1941. [,,Hodder & Stoughton", britischer Verlag]

140 - M., A.: Die Initialen konnten nicht entschlüsselt werden.

141 - Gemeint ist Pius XII. , vorher Eugenio Pacelli (1876-1958), Nuntius für Bayern (1917-1925) und (zeitweise gleichzeitig) für das Deutsche Reich (1920-1929), Papst (1939-1958), Konkordat mit dem Deutschen Reich (1933), vergeblicher Versuch, den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu verhindern.

142 - Beales, Arthur Charles Frederick (1905-1972), britischer Publizist, Gründer der "History of Education Society" (1967), Autor des in "Renaissance" besprochenen Buchs ,,The Catholic Church and International Order".

143 - [Fußnote im Original:] A Penguin Special.

144 - ,,Times", britische Tagezeitung, erschien seit 1788 in London.

145 - M., S., das ist Susanne Miller (geb. 1915), Prof. Dr. phil., Historikerin, Exil: Großbritannien (1938-1946), hier Mitarbeit in der vegetarischen Gaststätte von Jenny und Walter Fliess, nach ihrer Rückkehr nach Deutschland Angestellte beim Parteivorstand der SPD (1952-1960) und später Referentin bei der Parlamentarismuskommission (1964-1978), Vorsitzende der Historischen Kommission der SPD (1981-1989) und der Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten (seit 1996), zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte der Sozialdemokratie und der internationalen Arbeiterbewegung in Büchern und Zeitschriften; mit _ Willi Eichler verheiratet.

146 - Stebbing, Lizzie Susan, (1885-1943), britische Philosophin, Kings College (1913-1915), Bedford College (ab 1920), University of London (bis 1924), dort Professorin (1933-1943), während des Kriegs Entstehen ihres Hauptwerks ,,Ideals and Illusions", in dem sie die Grundzüge der modernen Gesellschaft unter Anwendung logischer Paradigmen diskutiert.

147 - [Fußnote im Original:] Watts. London 1941. Price 8/6 sh. [,,Watts", britischer Verlag mit Sitz in London].

148 - H., G., das ist Grete Hermann (= Margaret Henry, geb. Hermann, 1901-1984), Naturwissenschaftlerin und Pädagogin, Mitglied des ISK, Unterstützung der Widerstandsarbeit des ISK durch philosophische Kurse mit illegal Tätigen (nach 1933), Exil: Dänemark (Oktober 1936), Großbritannien (1938), Leitung des Londoner Ortsvorstandes des ISK, Stellvertreterin _ Eichlers im Exekutivkomitee der ,,Union", nach dem Krieg Rückkehr nach Deutschland und bildungspolitische Arbeit in SPD und Gewerkschaften, Professorin (1950-1966).

149 - Koffler, Dosio (1892-1953), österreichischer Schriftsteller, Exil: ČSR (ab 1935), Großbritannien (ab 1939).

150 - [Fußnote im Original:] Lincolns-Prager Publishers, London 1941.[,,Lincolns-Prager Publishers", britischer Verlag mit Sitz in London].

151 - Goethe, Johann Wolfgang von (1749-1832), deutscher Dichter der Klassik.

152 - Schiller, Friedrich von (1759-1805), deutscher Dichter der Klassik.

153 - Nietzsche, Friedrich (1844-1900), Philosoph, Professor der klassischen Philosophie in Basel (1869-1879), scharfer Kritiker der traditionellen Moral und Wortführer des aufkommenden europäischen Nihilismus (,,Gott ist tot!"), ,,Umwertung der Werte" (,,Herrenmoral" statt ,,Sklavenmoral" etc.), bekanntestes Werk, halb in dichterischer Form geschrieben: ,,Also sprach Zarathustra" (4 Bde., 1883-1891), in den letzten Jahren seines Lebens in geistiger Umnachtung (1879-1900).

154 - [Fußnote im Original:] Quality Press, London, 1941.

155 - Baxter, Richard, Autor des Buchs ,,Guilty Women". Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

156 - Zankoff (auch Tsankov), Alexander (1879-1959), bulgarischer Politiker, Ministerpräsident (1923-1926), nach dem Sturz seiner Regierung blieb er in der Politik aktiv und sympathisierte mit dem Nationalsozialismus, Flucht (1944), Tod in Buenos Aires, Argentinien.

157 - R., W., das ist W. R[einhart], Pseudonym von → Willi Eichler.



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