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TEILDOKUMENT:
12. Kommentar zur Entwicklungspolitik 14. Zuzug weiterer entwicklungspolitischer Institutionen [Seite der Druckausg.: 51] Bonn soll nicht nur zum Nord-Süd-Zentrum ausgebaut werden, sondern auch im Bildungswesen das Gewicht der Nord-Süd-Arbeit verstärken. Da ist eine Aufgabe für die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder, das Bundesbildungsministerium und zentrale Verbände wie den Deutschen Volkshochschulverband oder den Deutschen Bundesjugendring, die ihren Sitz in Bonn haben. Das Thema der Nord-Süd-Beziehungen ist im deutschen Bildungswesen unterbelichtet. Zwar gibt es in einigen Bundesländern Bemühungen, spezielle "Eine-Welt-Schulstellen" zu errichten, die geeignetes Lehr- und Lernmaterial zum Thema sammeln und anbieten und die Lehrkräfte fortbilden und beraten, aber dies ist weit davon entfernt, flächendeckend und effektiv zu sein. Ein Bonner Nord-Süd-Zentrum könnte mit den hier ansässigen Bildungszentralen zu einer besseren Koordinierung und Aufgabenverteilung kommen, als dies bisher möglich war, vor allem, wenn die neuen Forschungskapazitäten sich auch der Entwicklungsprobleme des Nordens, d.h. des Industrielandes Deutschland annehmen und den globalen Zusammenhang der Entwicklung in Süd und Nord aufzeigen. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat mit dem Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie bereits begonnen, hier die Grundlagen zu legen. Schrittweise muß erreicht werden, daß in deutschen Schulen globale Probleme der Entwicklungspolitik fächerübergreifend behandelt werden und daß sich auch die Lehrerbildung mehr damit beschäftigt. Der endlich begonnene Dialog zwischen dem BMZ und den Kultusministerien, den Schulen und den Nichtregierungsorganisationen könnte durch ein Nord-Süd-Zentrum, das Entwicklung auch als Nord-Aufgabe begreift, erheblich verbessert werden. [Seite der Druckausg.: 52]
12. Kommentar zur Entwicklungspolitik
Alle zwei Jahre erscheint der Entwicklungspolitische Bericht der Bundesregierung, der nicht nur über die Tätigkeit des BMZ Auskunft gibt. Seine Wirkung auf die öffentliche und politische Diskussion ist bisher gering. Auch die Medien nehmen davon kaum Kenntnis, denn um ihn verstehen und werten zu können, bedarf es einiger Arbeit. Diese könnte aber in Bonn geleistet werden, etwa mit einem prinzipiell wohlwollenden, aber kritischen Kommentar zum entwicklungspolitischen Gesamtverhalten der Regierung, ausgeweitet auch auf eine kritische Betrachtung der parlamentarischen Behandlung ausgewählter Kapitel der internationalen Politik. Dadurch könnten die Aussagen des entwicklungspolitischen Berichtes auch für den interessierten Laien und die Medien verständlich gemacht und akzentuiert werden. Der "Bonner Kommentar" zum Entwicklungspolitischen Bericht und zur parlamentarischen Behandlung der Entwicklungspolitik, sowohl aus der Sicht der Wissenschaft als auch der vielfältigen praktisch engagierten Institutionen, könnte zu einer Standardeinrichtung werden. Die Aussagen des von einigen Organisationen verbreiteten Alternativberichts zur amtlichen Entwicklungspolitik könnten dabei mitbehandelt werden. [Seite der Druckausg.: 53]
13. Besucherprogramme
Die internationale Stellung Bonns wird durch zusätzliche Besucherprogramme aus dem Ausland gestärkt werden. Nichts schafft stärkere Bindungen mit dem Ausland und ist so sehr ein Prüfstein dafür, ob Bonn als interessant und angenehm akzeptiert wird. In Inter Nationes ist eine erstklassig versierte, erfahrene Institution vorhanden, die durch eine solche erweiterte Aufgabe zusätzlich an Bonn gebunden wird. Auf längere Sicht sollte sich eine gesprächsversierte "Bonner Gruppe" aus Mitarbeitern der Nord-Süd-Institutionen konstituieren, die von Zeit zu Zeit durchs Land reist und in Deutschland mit den Bürgern diskutiert. Während sich klassische Außenpolitik weitgehend der direkten Bürgermitwirkung, auch über Nichtregierungsorganisationen, entzieht, von Einrichtungen wie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik abgesehen, kann und sollte das erweiterte Feld der internationalen Politik, vor allem auch das auf den ersten Blick schwer durchschaubare Geflecht und Zusammenspiel der multilateralen Organisationen, in stärkerem Maße in die Diskussion an der Basis integriert werden. Vermittlungsorganisationen im Lande, etwa die Volkshochschulen, sind in ausreichendem Maße vorhanden. Von Bonn könnten von Zeit zu Zeit Kampagnen ausgehen, die die künftigen Synergieeffekte der Bonner Diskussion zwischen Akteuren verschiedener Art der Wissenschaft und der Politik in die deutschen Länder tragen. [Seite der Druckausg.: 54]
14. Zuzug weiterer entwicklungspolitischer Institutionen
Über die in den relevanten Gesetzen und politischen Vereinbarungen bereits genannten Institutionen hinaus sollten folgende Einrichtungen geschaffen, erweitert oder für Bonn angeworben werden:
[Seite der Druckausg.: 55]
[Seite der Druckausg.: 56]
15. Kontakte zu Stellen ausserhalb des Raumes Bonn
15.1 Verbindung mit Ostdeutschland
Einen möglichen Nachteil der Konzentration von Nord-Süd-Einrichtungen in Bonn sollte von vornherein begegnet werden: Der Ausgrenzung entwicklungspolitischer Institutionen in Ostdeutschland. Eine Reihe effektiver, aber finanziell nicht sehr potenter entwicklungspolitischer Initiativen und Organisationen in den östlichen Ländern Deutschlands und auch in Berlin befürchten vom Nord-Süd-Zentrum Bonn eine zunehmende Ausgrenzung, da ihnen die Mittel fehlen, von Zeit zu Zeit nach Bonn zu fahren, Bonner Einladungen wahrzunehmen und regelmäßig Material über das, was sich in Bonn tut, zu sammeln. Vielleicht läßt sich mit Unterstützung des Bonner Institutionen-Verbundes der Bundesregierung, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Bonn eine ständige Vertretung der Ost-NROs, vielleicht über die evangelische Akademie Brandenburg, die offensichtlich das Vertrauen aller genießt, in Bonn einrichten. Zumindest sollte ein Reisefonds zur Verfügung stehen, der die Teilnahme wichtiger Vertreter der fünf, sechs wichtigsten ostdeutschen Organisationen und einiger Universitätsinstitute an den Diskussionen und Konzeptionen, Bearbeitung wie auch Politikberatung in Bonn ermöglicht. Auch sollten gerade für Ostinstitutionen Praktika bei den amtlichen und privaten Institutionen und Organisationen in Bonn, vor allem im ZEF, vorrangig möglich sein.
15.2 Vertretung des Institutionenverbundes Nord-Süd-Zentrum Bonn in der Bundeshauptstadt Berlin, Brüssel, Paris und New York
Politikberatung und Vertretung entwicklungspolitischer Forderungen und Anregungen bei politischen Entscheidungsträgern ist eine der Hauptaufgaben der entwicklungspolitischen Einrichtungen im Nord-Süd-Zentrum Bonn. Diese Aufgabe wird vornehmlich von den Institutionen jeweils gegenüber ihren Ansprechpartnern und ihren Zielgruppen wahrgenommen. Bei einem funktionierenden Verbund gibt es aber auch Interessen gemeinsamer Vertretung in Zentren von politischer Bedeutung. Es kann ein Teil des Synergieeffekts der Nord-Süd-Stadt Bonn werden, daß durch konkrete Absprachen und Angebote solche Interessen nach Möglichkeit von bereits bestehenden Institutionen wahrgenommen werden und nicht Neueinrichtungen erforderlich machen. Die wichtigste Verbindung ist sicher die nach Berlin. Einige Organisationen unterhalten leistungsfähige Verbindungen oder sogar Kopfstellen in Berlin, die ihre Interessen ausreichend wahrnehmen. Darüber hinaus wird aber sicher ein Interesse bestehen, eine ständige Berliner Verbindung des Institutionenverbundes der Nord-Süd-Stadt Bonn in Berlin zu unterhalten, und zwar möglichst mit minimalen zusätzlichen Aufwendungen. [Seite der Druckausg.: 57] Aufgaben für eine solche Verbindungsstelle:
Diese Aufgaben werden am zweckmäßigsten wahrgenommen durch eine Institution, die sich bereits in Berlin auskennt, dort verwurzelt ist und die Aufgaben auf hohem Niveau wahrnehmen kann, d.h. als Sprecher des Bonner Verbundes auch gesellschaftlich und politisch akzeptiert wird. Es bietet sich an, beim Transfer einer Einrichtung, die alle genannten Voraussetzungen erfüllt, nicht alle Arbeitskräfte nach Bonn zu ziehen, sondern eine leistungsfähige Komponente in Berlin zu halten. Verbindungsaufgaben im vorgenannten mehrfachen Sinne, Dokumentationstransfer, Hilfestellung bei Besuchen und Vertretung gemeinsamer Anliegen könnten auch in Brüssel, Paris, New York mit dem Wachsen des Bonner Nord-Süd-Zentrums interessant werden und im Interesse des Synergieeffektes von dort bereits befindlichen Vertretungen deutscher Institutionen oder Einrichtungen wahrgenommen werden. Dabei ist sicherzustellen, daß für den zweifellos geringen zusätzlichen Aufwand keine zusätzlichen Kosten für den Verbund entstehen und auch Zuwendungsgeber einverstanden sind, daß einzelne Organisationen das gemeinsame Interesse des Nord-Süd-Verbundes vertreten.
15.3 Der Umkreis der Nord-Süd-Stadt Bonn
Es wurde immer wieder betont, daß Bonn nicht nur für sich, sondern auch im Zusammenhang mit Städten im Umkreis wie Aachen und Köln dem Gewicht und Image Nord/Süd-Stadt und Zentrum für Entwicklungspolitik Nachdruck verleihen will. Bei den bisherigen Bonner Werbekampagnen ist man eher zurückhaltend gewesen, das erhebliche Potential von insbesondere Köln und seine Nähe zu Bonn voll mit einzusetzen. Bei einer Diskussion über diese Gesichtspunkte entgegnete der ehemalige Oberstadtdirektor, man kenne die Sprüche, wonach das Beste an Bonn der Schnellzug nach München sei, und empfindet das natürlich als Abwertung von Bonn. Wenn man die kurze Entfernung bis ins Zentrum von Köln erwähnt, leistet man aber keinen Fluchtmotiven Vorschub und wertet Bonn nicht ab. Die Entfernung Köln-Bonn ist geringer als manche Entfernungen von Vororten großer internationaler Metropolen zu deren Zentren. Durch die Heraushebung des Zusammenhangs Köln/Bonn unter Einbeziehung von Aachen, ja auch Köln/Ruhrgebiet und der Betonung der kurzen Entfernungen zu westeuropäischen Hauptstädten, verliert Bonn nicht, sondern gewinnt. Für Vereinbarungen mit diesen Städten im Interesse eines regen Austauschs in Fragen der erweiterten internationalen Politik und der Entwicklungspolitik sprechen viele Gründe. In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, daß neben Köln und Aachen auch in Duisburg, Bochum, Bielefeld und Wuppertal Institute der Entwicklungs- und Umweltforschung und der Forschung und Beratung im Bereich der erweiterten internationalen Politik sind. Das Institut für Entwicklung und Frieden in der Universität Duisburg ist beispielsweise von vornherein im Zusammenhang mit der in Bonn beheimateten Stiftung Entwicklung und Frieden gegründet worden. Beide geben den wichtigen analytischen Überblick "Globale Trends" heraus. Zumindest das Land Nordrhein-Westfalen müßte ein erhebliches Interesse an einer Vernetzung des in seinem Land befindlichen entwicklungspolitischen Forschungspotentials haben. [Seite der Druckausg.: 58]
Schlussbemerkungen
Zusammengefaßt bietet der Ausbau von Bonn als Standort für Entwicklungspolitik, nationale, internationale und supranationale Einrichtunge vier besondere Chancen der Zukunftsentwicklung:
So aktuell ein neuer, kräftiger Schub für die Nord-Süd- und Entwicklungspolitik politisch ist angesichts der dramatischen Veränderungen in den Nord-Süd-Verhältnissen, der Differenzierungen in den Befindlichkeiten der sogenannten Entwicklungsländer und der wachsenden Herausforderung an die Industrieländer, ihren Zivilisationsstil an die Notwendigkeiten eines umwelt- und sozialverträglichen Zusammenlebens in der einen Welt anzupassen, so zögerlich und eher müde reagieren bisher Politik und Öffentlichkeit, vollbeschäftigt mit der Erreichung von Kurzstreckenzielen. Da kann auch ein neuer Impuls durch die Nord-Süd-Stadt Bonn nur helfen, wenn sich genügend Kräfte finden, diesen Impuls gemeinsam und, wo nötig, auch im Streit zu bewirken. Politische und administrative Führungskräfte, interessierte Medien und die Verantwortlichen in den Organisationen müssen Planungen und Resolutionen mit Leben füllen. Personen von nationalem Rang müssen die Nord-Süd-Stadt Bonn zu ihrer Sache machen, und zwar kontinuierlich und nicht abgehakt nach Reden und Beschlüssen. Ohne zusätzliche Initiativen, die nicht alle Geld kosten, mehr noch ohne Platz im Zeitbudget der Verantwortlichen und ohne einen Schuß von mutiger Zuversicht geht es nicht, auch nicht ohne Wirkungen des neuen Nord-Süd-Zentrums in die ganze Bundesrepublik und darüber hinaus. Es ist Zeit für die Vorstellung eines gemeinsamen konkreten Konzepts von Bund, Land und Stadt, das ausweist, was über die Ansiedlung weiterer Institutionen hinaus getan wird und wie Initiativen und Lasten verteilt sein werden. Die nächsten Monate entscheiden, ob ein großzügiges weltstädtisches Konzept verwirklicht wird oder nur eine mittelmäßige Einlösung der gemachten Ankündigungen. Die Entscheidung wird den Ruf Bonns für viele Jahre bestimmen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2002 |